Strafrecht

Löschung von im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnener Daten

Aktenzeichen  10 C 18.2094

Datum:
16.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32434
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPAG Art. 38 Abs. 2 S. 2, Art. 54 Abs. 2 S. 2
StPO § 170 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Beendigung eines Strafverfahrens durch Einstellung räumt den Stratatverdacht nicht notwendig aus und schließt deshalb die weitere Datenspeicherung zu Zwecken präventiver Gefahrenabwehr nicht aus. Auch ein Freispruch nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ steht der weiteren Speicherung und Verwendung der Daten zur Verhütung und Verfolgung künftiger Straftaten nicht entgegen, weil dadurch die bestehenden Verdachtsmomente nicht vollständig ausgeräumt sind.  (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 17.1282 2018-08-13 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Vernichtung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bzw. Löschung hierüber gespeicherter Daten weiter.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 beim Bayerischen Landeskriminalamt, sämtliche Unterlagen, die anlässlich eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens wegen illegalen Handels mit Cannabis in nicht geringer Menge angefertigt worden waren, zu vernichten. Er sei mit Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 2. November 2016 freigesprochen worden.
Das Bayerische Landeskriminalamt lehnte mit Schreiben vom 27. Februar 2017 die Vernichtung der Unterlagen bzw. Löschung der betreffenden Daten ab. Die erkennungsdienstlichen und personenbezogenen Unterlagen könnten aus polizeilicher Sicht nicht vernichtet oder gelöscht werden. Es sei trotz des Freispruchs noch ein Restverdacht gegeben. Aus der richterlichen Vernehmung des Zeugen L. am 6. März 2015 ergebe sich, dass der Kläger in mindestens drei Fällen an einem Betäubungsmittelgeschäft und -verkauf beteiligt gewesen sei.
Am 27. März 2017 erhob der Kläger Klage und beantragte, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Februar 2017 zu verpflichten, sämtliche unter dem geführten Ermittlungsverfahren erhobenen Daten und gefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen zu vernichten. Am 12. April 2017 beantragte er zudem, ihm für dieses Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 13. August 2018 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage auf Löschung der gespeicherten Daten bzw. Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen ab. Die Löschung der Daten bzw. Vernichtung der Unterlagen habe der Beklagte zu Recht abgelehnt, da der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht nicht entfallen sei. Der Freispruch stehe der weiteren Aufbewahrung bzw. Speicherung nicht entgegen. Der Kläger sei nicht wegen erwiesener Unschuld freigesprochen worden, sondern aus Mangel an Beweisen. Insgesamt lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zeuge L. den Kläger zu Unrecht belastet habe. Dies habe auch das Strafgericht nicht festgestellt.
Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger Beschwerde. Eine Begründung ist nicht erfolgt.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg, weil ihm für seine Klage auf Löschung der im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gewonnenen Daten keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.
Die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Löschung der Einträge zu seiner Person und auf Vernichtung der im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung angefertigten Unterlagen bietet im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 10 C 16.312 – juris Rn. 7 m.w.N.) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage voraussichtlich abzuweisen sein wird, weil der Kläger keinen Anspruch auf Löschung der Daten und Vernichtung der Unterlagen hat.
Ein solcher Anspruch ergibt nicht aus Art. 38 Abs. 2 Satz 2 (jetzt: Art. 54 Abs. 2 Satz 2) PAG. Nach Art. 38 Abs. 2 Satz 2 bzw. Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG sind die in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen und für präventive Zwecke genutzten Daten zu löschen, wenn der dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tatverdacht restlos entfallen ist (BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 17; B.v. 12.5.2011 – 10 ZB 10.778 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats zutreffend festgestellt, dass die Beendigung eines Strafverfahrens durch Einstellung den Straftatverdacht nicht notwendig ausräumt und deshalb auch die weitere Datenspeicherung zu Zwecken präventiver Gefahrenabwehr nicht ausschließt (BayVGH, B.v. 10.6.2013 – 10 C 13.62 – juris Rn. 4 m.w.N.). Auch wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird, weil wegen des Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts oder des Fehlens des öffentlichen Interesses bei einem Privatklagedelikt kein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht, kann der der Speicherung zugrunde liegende Tatverdacht i.S.d. Art. 38 Abs. 2 Satz 2 bzw. Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG fortbestehen, wenn die Einstellung nicht wegen des gänzlich ausgeräumten Tatverdachts (im Sinne eines Anfangsverdachts), sondern aus anderen Gründen erfolgt ist (BayVGH, B.v. 20.2.2013 – 10 ZB 12.2455 – juris Rn. 5 m.w.N.). Dasselbe gilt, wenn der Betroffene rechtskräftig freigesprochen wurde und der Freispruch aus Mangel an Beweisen erfolgt ist (BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 17). Im Falle eines Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung bedarf es daher der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung der im Verfahren gewonnenen Daten zur polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen (BayVGH, B.v. 29.7.2014 – 10 C 14.478 – juris Rn. 21 m.w.N.). Lediglich dann, wenn die Verdachtsmomente gegen den Betroffenen vollständig ausgeräumt wären oder der festgestellte Sachverhalt sich unter keinen Tatbestand einer Strafrechtsnorm subsumieren ließe, wäre auch der sogenannte Restverdacht entfallen. Dies ist beim Kläger nicht der Fall.
Der Kläger ist vom Vorwurf des illegalen Handels mit Cannabis in nicht unerheblicher Menge mit Urteil des Amtsgerichts Rosenheim nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freigesprochen worden. Dieser Freispruch steht der weiteren Speicherung und Verwendung der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Daten zur Verhütung und Verfolgung künftiger Straftaten jedoch nicht entgegen, weil dadurch die gegen den Kläger bestehenden Verdachtsmomente nicht vollständig ausgeräumt sind. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass trotz des Freispruchs ein solcher Resttatverdacht im Sinne eines Anfangsverdachts weiterhin fortbesteht. Dies ergibt sich bereits aus der Begründung des Freispruchs. Der Kläger ist nicht freigesprochen worden, weil das Gericht davon überzeugt war, dass er die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen hat, sondern weil sie ihm aufgrund des Nichterscheinens des Hauptbelastungszeugen und der vermeintlichen Widersprüche in dessen Aussage nicht zweifelsfrei nachzuweisen waren. Für die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung ist demgegenüber bereits ein weiterhin bestehender Restverdacht ausreichend, ein hinreichender Tatverdacht ist nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 22.1.2015 – 10 C 14.1797 – juris Rn. 16 m.w.N.). Eine strafrechtliche Verurteilung hätte nur dann erfolgen können, wenn das Strafgericht davon überzeugt gewesen wäre, dass der Kläger die ihm im Strafbefehl vom 30. Juli 2015 zur Last gelegten Taten tatsächlich begangen hat. Ausschlaggebend für das Strafgericht war somit, ob der Kläger in der im Strafbefehl erwähnten Menge und Häufigkeit Cannabis vom Zeugen L. erworben hat. Auch wenn die Aussage des Zeugen L. nach Auffassung des Strafgerichts diesen Tatvorwurf nicht deckt, so bleibt zumindest ein hinreichend substantiierter Restverdacht, dass der Kläger mehrmals Cannabis vom Zeugen L. auch zum Weiterverkauf an andere erworben hat. Der Vernehmung des KOK W. in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass der Kläger kein Cannabis von L. gekauft hat oder mit diesem keinen Kontakt hatte. Wie die Wahllichtbildvorlage ergeben hat, (er-)kannte der Zeuge L. den Kläger.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel


Nach oben