Strafrecht

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsbeschwerde einer juristischen Personen muss durch vertretungsberechtigtes Organ eingelegt werden – hier: Zeichnung der Verfassungsbeschwerde einer baden-württembergischen Stadt durch Stadtrechtsdirektor anstelle des Oberbürgermeisters – keine gewillkürte Prozessvertretung bei Zeichnung mit dem Zusatz “i.A.” sowie wegen mangelnder Vollmacht

Aktenzeichen  1 BvR 2620/11

Datum:
28.12.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2012:rk20121228.1bvr262011
Normen:
§ 22 Abs 1 S 1 BVerfGG
§ 22 Abs 1 S 4 BVerfGG
§ 22 Abs 2 S 2 BVerfGG
§ 90 BVerfGG
§ 42 Abs 1 S 2 GemO BW
§ 42 Abs 4 GemO BW
Spruchkörper:
1. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 9. September 2011, Az: 10 K 1911/07, Beschlussvorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 26. August 2011, Az: 10 K 398/10, Beschluss

Gründe

1
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie nicht zulässig erhoben worden ist. Der außerordentliche
Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde verlangt grundsätzlich, dass der Beschwerdeführer selbst handelt, bei juristischen
Personen also der gesetzliche Vertreter (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. August 2001 – 2 BvR
1667/00 -, juris; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 90 Rn. 174 [Stand: März 2010]; jeweils m.w.N.).
Die Beschwerdeführerin ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Sie wird nach § 42 Abs. 1 Satz 2 und Absatz 4
der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg durch ihren Oberbürgermeister vertreten.

2
Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht vom Oberbürgermeister der Beschwerdeführerin eingelegt. Der Verfassungsbeschwerdeschriftsatz
weist als Absender das Rechtsamt der Beschwerdeführerin aus. Unterzeichnet wurde die Beschwerdeschrift von einem Stadtrechtsdirektor
mit dem Zusatz “i.A.” und nicht vom Oberbürgermeister. Die Beschwerdeführerin hat auch auf richterlichen Hinweis nichts dafür
vorgetragen, dass und aufgrund welcher Bestimmungen der unterzeichnende Stadtrechtsdirektor vor dem Bundesverfassungsgericht
generell vertretungsbefugt für die Stadt wäre.

3
Es liegt auch kein Fall einer wirksamen gewillkürten Prozessvertretung nach § 22 BVerfGG vor. Ein Stadtrechtsdirektor ist
keine vertretungsberechtigte Person im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Das Bundesverfassungsgericht kann zwar auch eine
andere Person als Beistand eines Beteiligten nach § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG zulassen. Ein solcher Antrag auf Zulassung des
Stadtrechtsdirektors als Beistand hätte allerdings innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG wirksam gestellt werden
müssen. Dies ist nicht geschehen. Die Beschwerdeführerin macht zwar auf das Hinweisschreiben des Bundesverfassungsgerichts
zur Wirksamkeit der Einlegung der Verfassungsbeschwerde geltend, dass die Beschwerdeschrift so auszulegen sei, dass es der
erkennbare Wille des Unterzeichners gewesen sei, als Beistand gemäß § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG zugelassen zu werden. Anhaltspunkte
dafür, dass die Befugnis begehrt wird, sich im verfassungsgerichtlichen Verfahren außerhalb der mündlichen Verhandlung durch
einen städtischen Bediensteten als Beistand vertreten zu lassen, können der Verfassungsbeschwerdeschrift jedoch nicht entnommen
werden. Die Unterzeichnung des Stadtrechtsdirektors mit dem Zusatz “i.A.” kann nur so verstanden werden, dass er innerhalb
der Behördenstruktur für einen Vorgesetzten tätig werden, nicht aber dass er als Beistand der Stadt vor dem Bundesverfassungsgericht
auftreten wollte.

4
Auch das Tätigwerden als Beistand erfordert zudem eine auf das konkrete Verfahren bezogene Vollmacht im Sinne von § 22 Abs.
2 Satz 2 BVerfGG (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2001 – 2 BvR 1898/01 -, juris Rn.
2; Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 22 Rn. 11 [Stand: Januar 1987]). Daran fehlt es hier ebenfalls.

5
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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