Strafrecht

Rechtmäßigkeit von Presseinformationen der Staatsanwaltschaft

Aktenzeichen  RO 4 K 17.1570

Datum:
23.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
K & R – 2020, 91
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPrG Art. 4
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1
RiStBV Nr. 23
StPO § 147 Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1. I. Die Staatsanwaltschaft darf die Presse aus Gründen der Verfahrensfairness nur dann über eine Anklageerhebung unterrichten, wenn dem Beschuldigten die Anklage vorher so rechtzeitig und umfassend bekannt gemacht wurde, dass er auf das behördliche Informationshandeln wirksam reagieren kann.
2. II. Wie lange nach Unterrichtung des Beschuldigten abgewartet werden muss, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls. Regelmäßig sind dabei Inhalt und Umfang der Anklageschrift vor dem Hintergrund des bisherigen Kenntnisstands des Beschuldigten und seines Verteidigers zu würdigen.
3. III. Dem Gebot der Waffengleichheit ist grundsätzlich nur dann genügt, wenn dem Beschuldigten nicht nur der Anklagesatz, sondern auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen bekannt gegeben wird, damit er hiergegen gerichtetes Verteidigungsvorbringen zum Gegenstand seiner Medienarbeit machen kann.
4. IV. Die Staatsanwaltschaft hat bei ihrem Informationshandeln die Grundsätze ordnungsgemäßer Verdachtsberichterstattung zu beachten, soweit diese ihrem Inhalt nach auf die behördliche Medienarbeit übertragbar sind. Sie ist nicht verpflichtet, hierbei die wesentlichen Verteidigungsargumente des Beschuldigten wiederzugeben.

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft Regensburg zur Veröffentlichung ihrer Pressemitteilung vom … und zur Durchführung der mündlichen Presseinformation am selben Tag nicht berechtigt war.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
I.
Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist eröffnet (dazu 1.). Die Klage bezieht sich auf ein streitiges Rechtsverhältnis (dazu 2.); der Kläger kann sich auch mit Erfolg auf das Vorliegen eines Feststellungsinteresses berufen (dazu 3.).
1. Für das klägerische Begehren steht der Verwaltungsrechtsweg offen. Dieser Rechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffnet, sofern die Streitigkeit nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen wurde. Wenn ein Streitgegenstand – wie das vorliegende, insbesondere durch Art. 4 BayPrG determinierte Rechtsverhältnis – seiner Natur nach dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, dann handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (BVerwG, U.v. 5.11.1981 – 3 C 47/80 – juris Rn. 27).
Zugleich ist die hier zu entscheidende Streitigkeit nicht einem anderen Gericht zugewiesen. Zwar kommt für Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft prinzipiell § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG als abdrängende Sonderzuweisung in Betracht. Danach entscheiden über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen von Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet der Strafrechtspflege die ordentlichen Gerichte. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist indes geklärt, dass die Pressearbeit von Staatsanwaltschaften nicht zu den von § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG erfassten Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege rechnet. Denn Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG ist es, zu verhindern, dass Gerichte verschiedener Rechtswege Verwaltungsstreitigkeiten desselben Rechtsgebiets entscheiden. Die Norm erfasst aufgrund dieser Zielsetzung nur spezifisch justizmäßige Maßnahmen, das heißt die Durchführung von Strafverfahren und die Strafvollstreckung (BVerwG, U.v. 14.3.1988 – 3 C 65/85 – juris Rn. 42). Die schlicht hoheitliche Pressearbeit der Strafverfolgungsbehörde zu einem von ihr geführten Ermittlungsverfahren steht zwar mit ihren Aufgaben im Rahmen der Strafrechtspflege in Zusammenhang, dient aber insgesamt dem Zweck, die Öffentlichkeit zu informieren und ist damit nicht spezifisch justizmäßig in dem obengenannten Sinne (BVerwG, U.v. 14.3.1988 – 3 C 65/85 – juris Rn. 43; BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 7 CE 14.253 – juris Rn. 23).
2. Die Klage ist nach dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auch als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Nach der genannten Vorschrift kann durch Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden. Zwar ist die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes oder einer schlicht-hoheitlichen Behördenhandlung für sich genommen kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 16). Der Klägerbevollmächtigte hat seinen Antrag aber in der mündlichen Verhandlung dahingehend gefasst, dass nunmehr die fehlende Berechtigung der Staatsanwaltschaft zur Vornahme der streitgegenständlichen Maßnahmen der Pressearbeit feststellt werden soll. Streitgegenstand ist damit das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 Halbsatz 1 VwGO.
3. Der Kläger verfügt auch über das von § 43 Abs. 1 Halbsatz 2 VwGO vorausgesetzte berechtigte Interesse an einer baldigen Feststellung. Für Rechtsverhältnisse die sich – wie das vorliegend zu prüfende – auf einen vergangenen Zeitpunkt beziehen, kann an die zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entwickelten Fallgruppen angeknüpft werden (Möstl in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2019, § 43 Rn. 25). Danach kommen insbesondere ein tiefgreifender Grundrechtseingriff, eine Wiederholungsgefahr und eine zu bewirkende Rehabilitierung als Träger des Feststellungsinteresses in Betracht. Der Kläger kann sich zwar auf das Vorliegen eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs nicht berufen (dazu a)). Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung besteht allerdings zur Überzeugung der Kammer die Gefahr einer Wiederholung (dazu b)), weshalb es auf das Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses nicht mehr ankommt (dazu c)).
a) Der Kläger hat durch die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff erlitten, der ein Feststellungsinteresse nach § 43 Abs. 1 Halbsatz 2 VwGO zu tragen vermag. Der Beklagte hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Fallgruppe des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs vom Bundesverfassungsgericht für in der Regel dem Richter vorbehaltene Eingriffe entwickelt wurde, die sich typischerweise so schnell erledigen, dass gerichtlicher Rechtsschutz nicht mehr erlangt werden kann (BVerfG, B.v. 30.4.1997 – 2 BvR 817/90 – NJW 1997, 2163). In einer derartigen Situation gebietet Art. 19 Abs. 4 GG den Zugang zu einem effektiven Hauptsacherechtsbehelf, weswegen ein Feststellungsinteresse besteht.
Für den Kläger ist das Vorliegen einer entsprechenden Konstellation indes zu verneinen. Zwar mag der Kläger durch das staatsanwaltschaftliche Vorgehen am …2017 in seinen Rechten, namentlich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und in seinem Recht auf ein faires Verfahren betroffen worden sein. Auch trifft es zu, dass gerichtlicher Rechtsschutz in der Kürze der Zeit nur schwerlich zu erlangen gewesen wäre. Dessen ungeachtet ist die vom Kläger erlittene Beeinträchtigung nicht derart schwerwiegend, dass eine Klärung der Rechtslage auch noch nach Ende der unmittelbaren Belastung durch das hoheitliche Vorgehen erforderlich wäre. Namentlich handelt es sich bei dem Informationshandeln der Staatsanwaltschaft nicht um eine vom Gesetz im Regelfall dem Richter vorbehaltene Maßnahme, wie dies etwa die Durchsuchung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wäre. Zwar betrifft die Fallgruppe des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs nicht allein Behördenhandeln, das unter Richtervorbehalt steht (vgl. BVerfG, B.v. 7.12.1998 – 1 BvR 831/89 – NVwZ 1999, 290/291 f.). Die im Raum stehende Beeinträchtigung der Rechte des Klägers erreicht aber ungeachtet dessen nicht die Qualität, die nach der Rechtsprechung für ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 Halbsatz 2 VwGO zu fordern wäre (BayVGH, B.v. 5.5.2003 – 5 ZB 03.81 – juris Rn. 9; VG München, G.v. 8.11.2002 – M 17 K 02.1707 – juris Rn. 17 f.).
b) Der Kläger hat aber zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass er aufgrund bestehender Wiederholungsgefahr ein Interesse an der begehrten Feststellung hat. Wiederholungsgefahr setzt die konkrete Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten rechtlichen und tatsächlichen Umständen eine vergleichbare Verwaltungsmaßnahme getroffen wird (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 – NVwZ 2013, 1481/1482). Eine solche Situation besteht vorliegend.
Der Kläger hat sich darauf berufen, dass die Staatsanwaltschaft Regensburg gegen ihn zwei weitere Ermittlungsverfahren führt. Eines dieser beiden Verfahren betrifft mögliche Zuwendungen an den früheren Oberbürgermeister der Stadt …, wobei der Verdacht der Bestechung beziehungsweise Vorteilsgewährung im Raum steht. Ein weiteres dieser Verfahren hat den Verdacht von Steuerstraftaten im Zusammenhang mit Zuwendungen an den gegenwärtigen Oberbürgermeister und dessen Amtsvorgänger zum Gegenstand. Zwischen dem erstgenannten Verfahren und demjenigen, in dessen Rahmen die streitgegenständliche Pressearbeit erfolgte, besteht eine weitgehende Vergleichbarkeit. In beiden Verfahren stand oder steht der Verdacht im Raum, der Kläger habe Zuwendungen geleistet und sich damit der Bestechung oder Vorteilsgewährung schuldig gemacht. Zudem war oder ist in beiden Verfahren der zur betreffenden Zeit amtierende Oberbürgermeister der Stadt … mitbeschuldigt. Beide Verfahren betreffen also in rechtlicher Hinsicht denselben Tatvorwurf; der jeweilige Mitbeschuldigte hatte auch dasselbe öffentliche Amt inne. In beiden Verfahren ging es damit um die vermeintliche „Käuflichkeit“ eines kommunalen Wahlbeamten, weshalb beide Verfahren in ähnlicher Weise für die Öffentlichkeit von Interesse sind. Das Gericht folgt insoweit nicht dem Vorbringen des Beklagtenvertreters, der einen relevanten Unterschied zwischen beiden Verfahren darin sieht, dass in dem noch schwebenden Verfahren lediglich ein früherer Oberbürgermeister mitbeschuldigt ist, der noch dazu nicht in Untersuchungshaft genommen wurde. Die Kammer ist davon überzeugt, dass wegen des vergleichbaren Tatverdachts auch das gegen den früheren Oberbürgermeister geführte Ermittlungsverfahren von ganz erheblichem Interesse für die Allgemeinheit ist. Es mag zwar zutreffen, dass die gegen einen amtierenden Oberbürgermeister verhängte Untersuchungshaft besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Zugleich muss aber berücksichtigt werden, dass der in dem noch laufenden Ermittlungsverfahren mitbeschuldigte frühere Oberbürgermeister dieses Amt bis … insgesamt … Jahre lang ausgeübt hat und als Vorsitzender eines kommunalen Spitzenverbandes auch über … und seine Umgebung hinaus aktiv in Erscheinung getreten ist. Im Hinblick auf die bislang nur kurz zurückliegende Amtszeit des früheren Oberbürgermeisters, deren lange Dauer und ihre Ausstrahlung über … hinaus vermag das Gericht daher nicht zu erkennen, wieso für das noch laufende Ermittlungsverfahren und das der Pressemitteilung zugrunde liegenden Strafverfahren nicht im Wesentlichen gleiche Umstände bestehen sollten.
Zugleich besteht – neben den gleichartigen Rahmenbedingungen – die konkrete Gefahr einer Wiederholung der beanstandeten Pressearbeit. Der Beklagte hat sein Vorgehen nicht nur als rechtmäßig verteidigt, sondern zugleich erklärt, durch den immensen Mediendruck zu einer derart zeitnahen Pressearbeit gezwungen gewesen zu sein. Namentlich hat er sich durch Art. 4 BayPrG gehindert gesehen, nach der Bekanntgabe des Anklagesatzes an die Verteidiger des Klägers länger als zwei Stunden zuzuwarten. Auf die Aussage des Klägerbevollmächtigten, er könne dem Vorbringen der Beklagtenseite keine Zusicherung entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft nicht bei Vorliegen vergleichbarer Umstände erneut wie am …2017 handeln würde, hat die Beklagtenseite nichts Gegenteiliges erklärt. Es steht in Anbetracht dessen zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Staatsanwaltschaft bei einem vergleichbaren Medieninteresse – das nach dem Obenstehenden auch für das gegenwärtig schwebende Ermittlungsverfahren zu erwarten wäre – nicht nur zu einem Vorgehen wie am …2017 berechtigt sehen würde, sondern sogar von einer entsprechenden Verpflichtung ausgeht. Vor diesem Hintergrund besteht die konkrete Gefahr einer Wiederholung der streitgegenständlichen Maßnahmen unter im Wesentlichen unveränderten Umständen.
c) Das Gericht kann angesichts dieses Ergebnisses die Frage offenlassen, ob der Kläger zugleich unter Rehabilitationsgesichtspunkten ein Interesse an der begehrten Feststellung hat. Anknüpfungspunkt für ein derartiges Interesse ist die von einer Verwaltungsmaßnahme ausgehende Stigmatisierung des Betroffenen in der Öffentlichkeit, wie sie im Fall staatsanwaltschaftlicher Veröffentlichungen prinzipiell in Betracht kommt. Zwar geht nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs allein von der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit noch vor Bekanntgabe oder Zustellung der Anklageschrift an den Beschuldigten von der Anklageerhebung informiert, keine diskriminierende Wirkung aus (BayVGH, B.v. 5.5.2003 – 5 ZB 03.81 – juris Rn. 10). Zu beachten wäre aber, dass der Kläger vorliegend nicht nur den Zeitpunkt der Pressearbeit, sondern auch deren Form gerügt und damit auf einen zumindest potenziell rehabilitierungsbedürftigen Gesichtspunkt abgehoben hat. Allerdings hat der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass ein Rehabilitierungsbedürfnis unmittelbar nach Anklageerhebung deutlicher im Raum gestanden habe als nach dem nun erfolgten Abschluss des Strafverfahrens. Vor dem Hintergrund der bestehenden Wiederholungsgefahr bedarf es indes keiner weitergehenden Auseinandersetzung mit der genannten Rechtsprechung. Zugleich kann offenbleiben, wie sich ein vom Kläger nicht zu verantwortender Zeitablauf auf ein gegebenenfalls bei Klageerhebung noch vorhandenes Feststellungsinteresse auswirkt.
II.
Die Klage ist begründet. Zwar war die Staatsanwaltschaft grundsätzlich berechtigt, die Presse – in gewissem Umfang auch in eigener Initiative – über die Anklageerhebung zu unterrichten (dazu 1.). Die konkrete Ausgestaltung ihrer Pressearbeit am …2017 genügte aber nicht den gesetzlichen Anforderungen (dazu 2.).
1. Die Staatsanwaltschaft Regensburg war berechtigt, die Presse von der Erhebung der Anklage gegen den Kläger und die drei Mitbeschuldigten in Kenntnis zu setzen. Rechtsgrundlage dieses Handelns war Art. 4 BayPrG i.V.m. Nr. 23 RiStBV (dazu a)). Beide setzen entgegen der Auffassung des Klägers keine unmittelbar vorgelagerte, konkrete Presseanfrage voraus, sondern gestatten der Anklagebehörde jedenfalls in gewissem Rahmen auch eine proaktive Pressearbeit (dazu b)). Zugleich überwog das öffentliche Informationsinteresse die Persönlichkeitsinteressen des Klägers, weshalb die Staatsanwaltschaft zur Information der Presse berechtigt war (dazu c)).
a) Rechtsgrundlage der Pressearbeit des Beklagten ist Art. 4 BayPrG i.V.m. Nr. 23 RiStBV. Gemäß Art. 4 BayPrG hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft, das nur verweigert werden kann, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht. Mit diesem Auskunftsanspruch korreliert eine behördliche Pflicht zur Auskunftserteilung an die Presse (Burkhardt in Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 55). Die als Verwaltungsvorschrift erlassenen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren enthalten speziell für das staatsanwaltschaftliche Informationshandeln in Nr. 23 Abs. 1 die allgemeine Vorgabe, dass bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit mit Presse, Hörfunk und Fernsehen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Aufgaben und ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zusammenzuarbeiten ist. Dabei darf weder der Untersuchungszweck gefährdet, noch dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgegriffen werden; das Recht auf ein faires Verfahren muss gewahrt bleiben. Daneben bestimmt Nr. 23 Abs. 2 RiStBV, dass die Öffentlichkeit über die Anklageerhebung und Einzelheiten der Anklage erst unterrichtet werden darf, nachdem die Anklageschrift dem Beschuldigten zugestellt oder sonst bekannt gemacht worden ist.
b) Auch wenn Art. 4 Abs. 1 BayPrG seinem Wortlaut nach als konkreter Auskunftsanspruch der Presse formuliert ist, so steht er doch einer in gewissem Rahmen proaktiven behördlichen Öffentlichkeitsarbeit nicht prinzipiell entgegen. Das Gericht braucht an dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob Art. 4 Abs. 1 BayPrG bei zu erwartendem erheblichen Medieninteresse auch ohne konkrete Anfragen aktive Pressearbeit gestattet. Denn ein Informationshandeln der Staatsanwaltschaft ist jedenfalls dann zulässig, wenn über einen längeren Zeitraum kontinuierlich Anfragen eingegangen sind, die ein allgemeines Presseinteresse an dem zu berichtenden Sachverhalt zum Ausdruck gebracht haben.
Zwischen der von Art. 4 Abs. 1 BayPrG vorausgesetzten Anfrage und der behördlichen Auskunft muss schon deshalb kein striktes „Zug-um-Zug-Verhältnis“ bestehen, weil der Behörde hinsichtlich der Art und Weise der erteilten Auskunft ein gewisser Spielraum zukommt (BVerwG, B.v. 25.3.1966 – I B 18.65 – BeckRS 1966, 31294132; Burkhardt in Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 87). So kann es unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten sachgerecht sein, eine einzelne detaillierte Anfrage zu einem Spezialthema mit einer schriftlichen Auskunft oder im Rahmen eines Gesprächs zu beantworten. Gleichzeitig ist es aus Gründen der Arbeitserleichterung in der Regel sinnvoll, auf zahlreiche ähnliche Nachfragen zu demselben Sachverhaltskomplex mit einer Pressemitteilung zu reagieren, um ein mühsames Beantworten jeder einzelnen Frage zu vermeiden. Wenn dazu Nachfragen eingehen oder sicher zu erwarten sind, dann wird es wiederum häufig sachgerecht sein, diese nicht einzeln, sondern auf einer Pressekonferenz zu beantworten. Mit der Ausgestaltung des Art. 4 Abs. 1 BayPrG als konkretes Auskunftsrecht der Presse wollte der Gesetzgeber die Behörden in ihrem Informationshandeln also nicht auf ein striktes Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen (einzelner) Anfrage und (einzelner) Presseinformation verpflichten. Er hat den Informationsverpflichteten – indem er die Art und Weise der Auskunft offen gelassen hat – vielmehr die Möglichkeit eröffnet, Anfragen in der jeweils sachgerechtesten Form zu beantworten. Jedenfalls in der vom Beklagten geschilderten Situation wiederholter Anfragen verschiedener Medien über einen längeren Zeitraum konnte die Staatsanwaltschaft deshalb – gerade vor dem Hintergrund von Nr. 23 RiStBV – in rechtmäßiger Weise auch anders als durch Beantwortung einzelner konkreter Anfragen über eine erhobene Anklage informieren (Gertler in Graf, BeckOK StPO, Stand 1.7.2019, Nr. 23 RiStBV Rn. 1, 55; Inhofer in Graf, BeckOK GVG, Stand 1.2.2019, § 141 Rn. 14).
c) Zugleich überwog das öffentliche Informationsinteresse das Geheimhaltungsinteresse des Klägers. Die Staatsanwaltschaft war infolgedessen prinzipiell berechtigt, die Medien von der Anklageerhebung zu unterrichten.
Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG darf eine behördliche Auskunft nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht. Hiervon erfasst werden sowohl staatliche Geheimhaltungsvorschriften als auch Regelungen, die private Geheimnisse schützen (BayVGH, B.v. 13.8.2004 – 7 CE 04.1601 – NJW 2004, 3358/3359). Die Regelung ist als Ermessensnorm ausgestaltet und erfordert eine pflichtgemäße Abwägung der beteiligten Interessen, das heißt des Informationsinteresses der Presse (und damit der Öffentlichkeit) einerseits und der schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten andererseits (BayVGH, U.v. 7.8.2006 – 7 BV 05.2582 – ZUM-RD 2007, 321/326). Für den Beschuldigten streitet insbesondere dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass sich die Intensität der Persönlichkeitsschutzes danach richtet, welche Sphäre des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist (Burkhardt in Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 122). Dabei kann – bei absinkendem Schutzbedarf – zwischen der Geheimsphäre, der Intimsphäre, der Privatsphäre, der Sozialsphäre und der Öffentlichkeitssphäre differenziert werden (OVG Berlin-Bgb, B.v. 11.11.2010 – OVG 10 S 32/10 – juris Rn. 8; NdsOVG, B.v. 12.2.2014 – 10 ME 102/13 – ZUM-RD 2015, 32/34). Je geringer der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, desto geringer sind die an das Informationsinteresse zu stellenden Anforderungen; zugleich muss, je intensiver und weitergehend die Auskunft, das Informationsinteresse umso größer sein (OVG NW, B.v. 19.2.2004 – 5 A 640/02 – NJW 2005, 618; VGH BW, B.v. 10.5.2011 – 1 S 570/11 – NVwZ 2011, 958/959; NdsOVG, B.v. 12.2.2014 – 10 ME 102/13 – ZUM-RD 2015, 32/34). Speziell für Auskünfte zu Strafverfahren sind Art und Gewicht der Tat, derer der Betroffene beschuldigt wird, das Ausmaß des Tatverdachts, die Stellung des Betroffenen und dessen eigene Pressearbeit, aber auch die Unschuldsvermutung als Abwägungsfaktoren anerkannt (BGH, U.v. 17.3.1994 – III ZR 15/93 – NJW 1994, 1950/1952; OLG Stuttgart, B.v. 21.6.2001 – 4 VAs 3/01 – NJW 2001, 3797/3798; Gertler in Graf, BeckOK StPO, Stand 1.7.2019, Nr. 23 RiStBV Rn. 13 ff.; Inhofer in Graf, BeckOK GVG, Stand 1.2.2019, § 141 Rn. 16; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, Berlin 1987, S. 135 ff.; Altenhain, NJW-Beil 2016, 37/37 f.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Beklagte – wie auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt hat – zurecht ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse bejaht. Hierfür war namentlich die Art des Tatverdachts entscheidend. Die im Raum stehenden Vorwürfe unter anderem der Bestechung und Vorteilsgewährung waren von ganz besonderer öffentlicher Relevanz, weil sie die Funktionsfähigkeit des kommunalen Gemeinwesens und eine etwaige Käuflichkeit kommunaler Wahlbeamter betrafen. Es zählt zu den Kernaufgaben der Medien, die Öffentlichkeit über einen derartigen Verdacht zu informieren und auf diese Weise ihrem verfassungsrechtlich geschützten Kontrollauftrag nachzukommen (BVerfG, B.v. 25.1.1984 – 1 BvR 272/81 – NJW 1984, 1741/1743). Was das Ausmaß des Tatverdachts anbelangt, so war im Zeitpunkt der Veröffentlichung das Bestehen eines dringenden Tatverdachts durch das Amtsgericht Regensburg bejaht und diese Einschätzung durch das Landgericht Regensburg bestätigt worden. Damit stritten zwei gewichtige Aspekte zugunsten des öffentlichen Informationsinteresses. Im Hinblick auf das klägerische Geheimhaltungsinteresse war demgegenüber zu berücksichtigen, dass sich der Tatvorwurf auf das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Vergabe von Bauarealen durch die Stadt … beschäftigte, also letzten Endes mit dem Geschäftsgebaren des Klägers. Damit war die Öffentlichkeitssphäre des Klägers betroffen (OVG Berlin, U.v. 25.7.1995 – 8 B 16/94 – NVwZ-RR 1997, 32/35). Selbst wenn man wegen des privaten Charakters der von der Staatsanwaltschaft angeklagten Absprachen zwischen dem Kläger und dem Oberbürgermeister der Stadt … bereits die Privatsphäre berührt sehen würde, so wäre das daraus erwachsende klägerische Interesse doch nicht in der Lage, das dargestellte, besonders intensive Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu überwiegen.
2. Auch wenn die Staatsanwaltschaft danach zur Information der Presse über die erfolgte Anklageerhebung berechtigt war, so genügte doch die Art und Weise des behördlichen Auskunftshandelns nicht den bestehenden Anforderungen. Denn durch die zeitliche Ausgestaltung ihrer Pressearbeit – zwei Stunden nach Übermittlung des Anklagesatzes an die Verteidiger des Klägers – hat die Anklagebehörde das Recht des Klägers auf ein faires Verfahren verletzt (dazu a)). Die Form der erteilten Auskunft gibt hingegen keinen Anlass zur Beanstandung, auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsgemäßer Verdachtsberichterstattung (dazu b)).
a) Mit ihrer Pressemitteilung zwei Stunden nach Übermittlung des Anklagesatzes und durch die mündliche Presseinformation am Nachmittag desselben Tages hat die Staatsanwaltschaft in unzulässiger Weise in das klägerische Recht auf ein faires Verfahren eingegriffen. Diese grundrechtliche Gewährleistung gebietet, einen Beschuldigten vor der Information der Öffentlichkeit über die Erhebung der Anklage in einer Art und Weise in Kenntnis zu setzen, die ihm eine angemessene Reaktion auf das behördliche Informationshandeln ermöglicht (dazu aa)). Dieser Verpflichtung hat die Behörde zum einen durch ihr lediglich zweistündiges Zuwarten (dazu bb)), zum anderen durch Weglassung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen zuwidergehandelt (dazu cc)).
aa) Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gewährt jeder Person ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist entschieden wird. Zu einem fairen Verfahren gehört auch, dass Anklagebehörde und Beschuldigter gleich behandelt werden und gleichwertige Möglichkeiten haben, auf die Entscheidungsfindung einzuwirken und ihre Sache geltend zu machen (Meyer-Ladewig/Harrendorf/König in Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017 Rn. 106; Lohse/Jakobs in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, Art. 6 EMRK Rn. 45). Dieses Gebot der Waffengleichheit gilt aber nicht nur im Rahmen der strafprozessualen Vorschriften, das heißt im eigentlichen Ermittlungs- und Strafverfahren. Waffengleichheit muss darüber hinaus auch außerhalb des Strafverfahrens im engeren Sinne, namentlich im Verhältnis zu Öffentlichkeit und Medien bestehen. Denn oftmals ist die Berichterstattung über ein geführtes Ermittlungsverfahren, die Anordnung von Untersuchungshaft oder die Erhebung der Anklage bereits geeignet, bei der Allgemeinheit oder Teilen davon den Eindruck zu erzeugen, der Beschuldigte habe sich der verdächtigten Taten tatsächlich schuldig gemacht oder zumindest irgendetwas zuschulden kommen lassen. Auf diese Weise kann es zu einer Vorverurteilung kommen, die mit der rechtsstaatlich garantierten Unschuldsvermutung (BVerfG, B.v. 1 BvR 513/65 – juris Rn. 13; Grzeszick in Maunz/Dürig, GG, Stand März 2019, Art. 20 Nr. VII Rn. 148) unvereinbare Beeinträchtigungen des Beschuldigten, insbesondere im sozialen Bereich, mit sich bringt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung zu § 353d Nr. 3 StGB, der allen Verfahrensbeteiligten des Strafprozesses – Staatsanwaltschaft wie Beschuldigtem – die vorzeitige Veröffentlichung der Anklage verbietet, auf die Gefahr von Einwirkungen auf die öffentliche Meinung hingewiesen (BVerfG, B.v. 27.6.2014 – 2 BvR 429/12 – NJW 2014, 2777/2780). Es hat in seiner Entscheidung unterstrichen, dass ein dem Beschuldigten einseitig zugebilligtes Recht zur Veröffentlichung der Anklageschrift dem Grundgedanken der Waffengleichheit und dem Recht auf ein faires Verfahren zuwiderlaufe. Damit hat es den Schutzbereich der Verfahrensfairness ausdrücklich auf den Umgang mit Medien und Öffentlichkeit erstreckt.
Es ist vor diesem Hintergrund zwingende Folge der Garantie eines fairen Verfahrens, dass zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem auch im Umgang mit der Öffentlichkeit und den Medien Waffengleichheit herrscht, dass sie also auch insoweit über vergleichbare Einflussmöglichkeiten verfügen können müssen. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn der Beschuldigte von den ihm gegenüber getroffenen strafbehördlichen Maßnahmen Kenntnis hat, bevor Medien und Öffentlichkeit davon erfahren. Denn nur in diesem Fall hat er die Möglichkeit, an ihn gerichtete Presseanfragen substantiiert zu beantworten und seine eigene Sicht der Dinge fundiert darzulegen. Für beabsichtigtes Informationshandeln der Staatsanwaltschaft bedeutet dies: Der Beschuldigte muss von einer Anklageerhebung, über die die Staatsanwaltschaft Auskunft geben will, so rechtzeitig und umfassend in Kenntnis gesetzt werden, dass er selbst gegenüber Presse und Öffentlichkeit in vergleichbar wirksamer Weise reagieren, insbesondere auf Presseanfragen substantiiert und fundiert antworten oder eigene Medienerklärungen vorbereiten kann (ebenso HessVGH, B.v. 15.10.2001 – 10 TZ 1734/01 – NJW 2001, 3802 LG Wiesbaden, U.v. 3.6.2015 – 10 O 80/12 – NJW 2015, 2975/2981 f., dagegen Huff, NJW 2004, 403/407).
Die Behörden haben diese grundrechtliche Gewährleistung bei ihrem Informationshandeln, namentlich bei der nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen. Auf untergesetzlicher Ebene ist das Gebot der Waffengleichheit in Nr. 23 Abs. 2 RiStBV näher ausgeformt. Die Vorschrift bestimmt, dass die Öffentlichkeit über die Anklageerhebung und Einzelheiten der Anklage grundsätzlich erst unterrichtet werden darf, nachdem die Anklageschrift dem Beschuldigten zugestellt oder sonst bekannt gemacht wurde. Zwar handelt es sich bei den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren um Verwaltungsvorschriften, die sich an die Behörde richten und das Gericht prinzipiell nicht binden. Soweit die Vorschrift allerdings das von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK geforderte faire Verfahren umsetzt, konkretisiert sie grundrechtliche Gewährleistungen und erzeugt insoweit eine umfassende Bindungswirkung. Gleiches gilt – unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung – deshalb, weil die Staatsanwaltschaft in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass in allen anderen Fällen entsprechender Pressemitteilungen stets die Zustellung der Anklageschrift an den Angeschuldigten abgewartet worden sei. Hieraus erwächst ein Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung.
bb) Mit ihrer Pressearbeit am …2017 hat die Staatsanwaltschaft Regensburg das Recht des Klägers auf ausreichend frühzeitige Information über die Anklage verletzt und so das Gebot der Waffengleichheit verletzt. Ein faires Verfahren ist nach Überzeugung der Kammer nur dann gewährleistet, wenn der Beschuldigte vor der Medieninformation der Staatsanwaltschaft so rechtzeitig von der erhobenen Anklage in Kenntnis gesetzt wurde, dass er ausreichend Zeit für die Durchsicht der Anklageschrift und zur Vorbereitung auf etwaige Presseanfragen hatte (dazu aaa)). Das Gericht gelangt nach Abwägung aller relevanten Aspekte zu dem Ergebnis, dass die Staatsanwaltschaft Regensburg diesen Anforderungen am …2017 nicht genügt hat (dazu bbb)).
aaa) Das Gebot der Waffengleichheit verpflichtet die Anklagebehörde, den Beschuldigten so rechtzeitig von der Anklageerhebung zu benachrichtigen, dass er ausreichend Zeit für die Durchsicht der Anklageschrift und die Vorbereitung auf Presseanfragen hat.
Sinn und Zweck der Waffengleichheit ist es, Staatsanwaltschaft und Beschuldigten hinsichtlich ihrer Einflussmöglichkeiten auf das Strafverfahren gleichzustellen. Die Gewährleistung erstreckt sich nach dem oben Festgestellten – zur Vermeidung öffentlicher Vorverurteilung – auch auf den Umgang mit den Medien. Vergleichbare Einflussmöglichkeiten auf sein Bild in der Öffentlichkeit hat der Beschuldigte regelmäßig nur dann, wenn in die Berichterstattung über die Anklageerhebung nicht ausschließlich die Sicht der Staatsanwaltschaft einfließt, sondern er selbst durch eigene Äußerungen seine Sicht der Dinge dergestalt einbringen kann, dass sie die Medien noch in angemessener Weise berücksichtigen können. Hierbei sind das besondere Aktualitätsbedürfnis der Medien und die mitunter kurze Wahrnehmungsspanne der Öffentlichkeit zugrunde zu legen. Denn nach der ersten Berichterstattung über eine Anklageerhebung ebbt das öffentliche Interesse regelmäßig sehr schnell ab. Die zunächst publizierte Sicht der Dinge erlangt auf diese Weise besonderes Gewicht. Spätere Publikationen, etwa Stellungnahmen des Beschuldigten, vermögen auf die öffentliche Wahrnehmung regelmäßig nicht mehr in gleicher Weise Einfluss zu nehmen wie die zunächst geäußerte Sichtweise. Angesichts dieser Zusammenhänge genügt es zur Gewährleistung der Waffengleichheit nicht, wenn der Beschuldigte erst einen oder mehrere Tage nach der Information der Medien durch die Staatsanwaltschaft zu einer fundierten Äußerung in der Lage ist. Das Gericht vermag angesichts dessen nicht der teils geäußerten Auffassung zu folgen, wonach der Grundsatz eines fairen Verfahrens nur die vorherige Bekanntgabe der Anklageschrift an den Beschuldigten erfordere und ein weiteres Zuwarten vor der Veröffentlichung der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft nicht notwendig sei (VG Frankfurt, B.v. 25.5.2001 – 1 G 2174/01 – juris Rn. 8 ff.; gegen eine Wartepflicht, aber in Bezug auf die Einleitung des Ermittlungsverfahrens OLG Düsseldorf, U.v. 27.4.2005 – I-15 U 98/03 – NJW 2005, 1791/1802). Die bloße Bekanntgabe an den Beschuldigten gewährleistet nur, dass dieser nicht aus der Presse von der Anklageerhebung erfährt. Sie versetzt ihn noch nicht in die Lage, durch eigene fundierte Äußerungen zumindest annähernd vergleichbaren Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Dies wird nur dadurch sichergestellt, dass der Beschuldigte vor dem behördlichen Informationshandeln ausreichend Zeit zur Durchsicht der Anklageschrift und zur Vorbereitung auf Presseanfragen erhält. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gebietet daher ein entsprechendes Zuwarten der Strafverfolgungsbehörde vor der Veröffentlichung (ebenso HessVGH, B.v 15.10.2001 – 10 TZ 1734/01 – NJW 2001, 3802 f.; LG Wiesbaden, U.v. 3.6.2015 – 10 O 80/12 – NJW 2015, 2975/2981 f.; ähnlich VG Frankfurt, B.v. 11.2.1997 – 4 G 11/97 – StV 1997, 240/241, das aber nur auf die notwendige Durchsicht der Anklageschrift abstellt).
Dem steht nicht entgegen, dass sich im geschriebenen Recht keine explizite Gewährleistung dieses Anspruchs findet. Zwar bestimmt Nr. 23 Abs. 2 RiStBV, dass die Anklageschrift dem Beschuldigten vor der Information der Öffentlichkeit zugestellt oder sonst bekannt gemacht werden muss, die Norm enthält aber keine ausdrückliche Wartefrist zwischen der Bekanntgabe an den Beschuldigten und der Information der Öffentlichkeit. Sie sieht im Gegenteil nur eine grundsätzliche Pflicht zur vorherigen Bekanntgabe der Anklageschrift an den Beschuldigten vor, lässt also Ausnahmen zu. Auch die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Richtlinien für die Zusammenarbeit der bayerischen Justiz mit der Presse (Presserichtlinien – PresseRL) vom 26. Mai 2014 (JMBl. S. 67) enthalten keine explizite Zuwarteverpflichtung. Nr. 4 PresseRL bestimmt vielmehr, dass Auskünfte so schnell und – im Rahmen des Zulässigen – so vollständig wie möglich, leicht verständlich und unter Hervorhebung des Wesentlichen zu erteilen sind. Damit knüpfen die Presserichtlinien an den auch im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 BayPrG anerkannten Grundsatz an, dass die Auskunftserteilung so rasch wie möglich zu erfolgen hat (Burkhardt in Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 88; vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2004 – 7 CE 04.1601 – NJW 2004, 3358/3360). Der Wortlaut von Nr. 4 PresseRL macht deutlich, dass nach Auffassung des Justizministeriums zwar hinsichtlich der Vollständigkeit einer Auskunft Einschränkungen denkbar sind. Der ausdrücklich hierauf beschränkte Zulässigkeitsvorbehalt lässt aber gleichzeitig erkennen, dass die Geschwindigkeit der Auskunft aus ministerieller Sicht nicht durch Zulässigkeitserwägungen eingeschränkt wird. Den Normgebern der jeweiligen Richtlinien fehlte indes die Kompetenz, den Grundsatz des fairen Verfahrens entsprechend einzuschränken. Denn die Richtlinien stehen im Rang unter Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und auch unter Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, die eine verfassungsrechtliche Gewährleistung des fairen Verfahrens enthalten (BVerfG, B.v. 27.6.2014 – 2 BvR 429/12 – NJW 2014, 2777/2780). Sie vermögen den materiellen Gehalt der Gewährleistung daher nicht zu verändern. Gleiches gilt für Art. 4 Abs. 1 BayPrG, der dem geschilderten Erfordernis allerdings schon seinem Wortlaut nach nicht entgegensteht.
bbb) Welcher Zeitraum ausreichend ist, um dem Beschuldigten die Vorbereitung auf Presseanfragen zu ermöglichen, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. Entscheidend sind vor allem Umfang und Inhalt der Anklageschrift. Je umfassender die Anklage, umso mehr Zeit muss dem Beschuldigten für die Durchsicht und die Vorbereitung eigener Medienarbeit eingeräumt werden. Enthält die Anklageschrift neue, dem Beschuldigten bisher nicht bekannte Aspekte, so ist die Staatsanwaltschaft zu längerem Zuwarten verpflichtet. Andererseits kann sich der Zeitraum verkürzen, wenn dem Beschuldigten die erhobenen Vorwürfe – etwa aus einem Untersuchungshaftbefehl oder aus der Akteneinsicht seiner Verteidiger – bereits bekannt sind. Auch dann benötigt er indes Zeit für eine Durchsicht der Anklageschrift und einen Abgleich mit dem bereits bekannten Sachverhalt. Unter keinen Umständen muss die Staatsanwaltschaft aber so lange zuwarten, bis Gefahr besteht, dass der Beschuldigte seinerseits als Erster die Öffentlichkeit informiert. Der Grundsatz der Waffengleichheit soll den Beteiligten gleichrangige Einflussmöglichkeiten verschaffen. Dass der Beschuldigte durch zügige eigene Pressearbeit die Deutungshoheit über Maßnahmen der Staatsanwaltschaft gewinnen kann, ist von seinem Schutzbereich nicht umfasst.
Bei Festlegung der Frist hat die Behörde zu berücksichtigen, dass behördliche Auskünfte so schnell wie möglich erteilt werden sollen. Sie wird daher regelmäßig nicht in nennenswertem Umfang über die von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK geforderte Mindestwartezeit hinausgehen können (vgl. VG Frankfurt, B.v. 11.2.1997 – 4 G 11/97 – StV 1997, 240/241). Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat im Fall eines Parteispendenskandals ein Zuwarten im Umfang eines Tages für angemessen erachtet (B.v 15.10.2001 – 10 TZ 1734/01 – NJW 2001, 3802/3803). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat – allerdings unter anderen Vorzeichen – eine Unterrichtung am selben Tag als ausreichend angesehen (U.v. 27.4.2005 – I-15 U 98/03 – NJW 2005, 1791/1800). Auch in der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass wenige Stunden genügen könnten (Huff, Anm. zu LG Wiesbaden, LG Wiesbaden, U.v. 3.6.2015 – 10 O 80/12 – NJW 2015, 2975/2985). Vorliegend hat die Staatsanwaltschaft zwischen der Übermittlung des Anklagesatzes an die Verteidiger des Klägers und dem Versand ihrer Pressemitteilung eine Zeitspanne von etwas mehr als zwei Stunden verstreichen lassen. Dieser Zeitraum genügt nicht den von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gestellten Anforderungen.
Dies ergibt sich allerdings nicht schon aus dem klägerischen Einwand, die Anklageerhebung sei überraschend erfolgt. Zwar dürfte dem Beschuldigten dann in der Tat ein längerer Zeitraum für die eigene Vorbereitung zuzubilligen sein. Ein Überraschungsmoment bestand zur Überzeugung der Kammer aber weder hinsichtlich des Zeitpunkts der Anklageerhebung noch im Hinblick auf den Inhalt der Anklageschrift. Denn die Verteidiger des Klägers hatten Einsicht in die Ermittlungsakte genommen und konnten daraus – wie auch vom Landgericht Regensburg in seinem Beschluss vom …2017 festgehalten – den kurz bevorstehenden Abschluss der Ermittlungen ersehen. Zudem war ihnen die beantragte Fristverlängerung für die Stellungnahme des Klägers nicht vollständig, sondern nur teilweise gewährt worden. Zugleich war das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom …2017 nicht geeignet, bei den Verteidigern ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend zu begründen, dass eine Anklage erst nach erneuter Akteneinsicht erfolgen würde. Das Schreiben führt lediglich aus, dass bei Abschluss der Ermittlungen nochmals umfassend Akteneinsicht gewährt würde. Zwar stellt der Abschluss der Ermittlungen einen der Anklageerhebung vorgelagerten Schritt dar (§ 169a StPO). Die Äußerung der Staatsanwaltschaft enthält aber keine Zusage dahingehend, dass das Verfahren erst nach Gewährung der Akteneinsicht weiterbetrieben, also eine Anklageerhebung bis zum Abschluss der Akteneinsicht unterbleiben werde. Wenn folglich die Anklageerhebung für den Kläger und seine Verteidiger tatsächlich überraschend erfolgt sein sollte, dann ist dies nicht dem Beklagten zuzurechnen und kann daher auch keine verlängerte Wartefrist erfordern. Gleiches gilt für die klägerische Behauptung, der Anklagesatz habe neue, bis dahin nicht thematisierte Aspekte enthalten. Die hierzu vom Klägerbevollmächtigten geschilderten Punkte waren alle aus der Ermittlungsakte und dem Haftbefehl ersichtlich. Es mag sein, dass deren Gewichtung und Beurteilung nicht durchgängig den Erwartungen der Verteidiger des Klägers entsprach. Darin liegt aber kein besonderes Überraschungsmoment, das eine verlängerte Wartepflicht nach sich ziehen würde.
Das zweistündige Zuwarten der Staatsanwaltschaft war ungeachtet dessen nicht geeignet, dem Kläger eine ausreichende Vorbereitung auf mögliche Medienanfragen zu ermöglichen. Der damalige Pressesprecher der Staatsanwaltschaft hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, die Zwei-Stunden-Frist gewählt zu haben, weil sie aus Sicht der Behörde ausreichend erschienen sei, um den Beschuldigten und dessen Verteidiger von der Anklageerhebung in Kenntnis zu setzen. Sinn und Zweck der Nr. 23 Abs. 2 RiStBV sei es, sicherzustellen, dass ein Beschuldigter nicht aus der Presse von der Anklageerhebung erfahre. Aus dieser Einlassung ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft die an sie gestellten Anforderungen verkannt und anhand unzutreffender Kriterien eine zu kurze Wartezeit gewählt hat. Denn der Grundsatz des fairen Verfahrens verlangt nicht nur, den Beschuldigten von der Anklageerhebung zu unterrichten. Er verpflichtet die Behörde auch dazu, dem Betreffenden eine sinnvolle Vorbereitung auf etwaige Presseanfragen zu ermöglichen. Dass die gewährten zwei Stunden hierfür nicht ausreichen waren, folgt bereits aus dem Umfang des 25-seitigen Anklagesatzes. Allein dessen Durchsicht dürfte schon einen großen Teil der zwei Stunden in Anspruch genommen haben. Hinzu kommt die Komplexität der erhobenen Vorwürfe. Es ist ausgeschlossen, dass die drei Verteidiger des Klägers in der verbleibenden Zeit die jedenfalls punktuell erforderliche, summarische Prüfung der Anklageschrift vornehmen, sich untereinander abstimmen und Antworten auf etwaige Presseanfragen hätten vorbereiten können. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die klägerische Stellungnahme zur Vermeidung von Nachteilen für das laufende Strafverfahren intensiv geprüft und zumindest in Teilen auch vorformuliert hätte werden müssen. Daran ändert die Tatsache nichts, dass dem Kläger die Vorwürfe in wesentlichen Teilen bereits aus dem Untersuchungshaftbefehl bekannt waren und seine Verteidiger Einsicht in die Ermittlungsakte genommen hatten. Denn auch derartige Vorkenntnisse machten eine Durchsicht der Anklageschrift und deren teilweise Prüfung nicht überflüssig: Zum einen mussten die Verteidiger des Klägers prüfen, ob die nunmehr angeklagten Vorwürfe den bereits im Untersuchungshaftbefehl erhobenen entsprachen, wofür eine Durchsicht zwingend erforderlich war. Zum anderen konnten die Verteidiger aus der umfangreichen Ermittlungsakte noch nicht hinreichend sicher erkennen, auf welche Aspekte die Staatsanwaltschaft ihre Anklage letzten Endes würde stützen wollen. Zugleich ist es dem Beklagten nicht gelungen, überzeugende Gründe für die sehr kurz gewählte Frist darzulegen. Der vom damaligen Pressesprecher der Staatsanwaltschaft in der mündlichen Verhandlung geschilderte Pressedruck und die drohende Hängepartie, während derer die Anklage weder bestätigt noch dementiert hätte werden können, standen einem längeren Zuwarten nicht entgegen. Denn nach Schilderung des Beklagten war die Staatsanwaltschaft am …2017 nicht etwa mit zahlreichen offenen Presseanfragen konfrontiert, sondern hatte lediglich bereits angekündigt, dass alsbald über die Anklageerhebung entschieden werde. Warum es in dieser Situation nicht möglich war, den Verteidigern des Klägers am späten Nachmittag die Anklageschrift zu übermitteln und mit einer Veröffentlichung zumindest bis Mittag des Folgetages abzuwarten, lässt sich dem Beklagtenvortrag nicht entnehmen. Die eingeräumte Frist genügte angesichts dessen nicht dem Gebot der Waffengleichheit.
cc) Zugleich ist das Recht auf ein faires Verfahren dadurch verletzt worden, dass der Kläger nicht in dem gebotenen Umfang über die erhobene Anklage unterrichtet wurde.
Erforderlich ist insoweit regelmäßig die Übermittlung der vollständigen Anklageschrift, das heißt des Anklagesatzes und des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen. Dies ergibt sich bereits aus Nr. 23 Abs. 2 RiStBV, der von der Bekanntgabe der Anklageschrift spricht. Es folgt aber auch unmittelbar aus dem Gebot der Waffengleichheit. Denn im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen stellt die Staatsanwaltschaft dar, aus welchen Gründen sie den angeschuldigten Sachverhalt als feststehend erachtet. Sie führt dabei die zugrunde liegenden Beweismittel auf und legt ihre Beweisführung offen. Der Beschuldigte kann sich gegen die erhobenen Vorwürfe zur Wehr setzen, indem er die rechtliche Würdigung der Behörde in Zweifel zieht. Häufig wird sein Verteidigungsvorbringen aber auch Sachverhaltsaspekte betreffen, das heißt der Beschuldigte wird den Nachweis unternehmen, dass sich das angeklagte Geschehen nicht wie von der Staatsanwaltschaft angenommen abgespielt hat. Solche Angriffe sind nur in Kenntnis des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen sinnvoll möglich (Ritscher in Graf, BeckOK StPO, Stand 1.7.2019, § 200 Rn. 14). Indem die Staatsanwaltschaft auf dessen Übersendung verzichtete, erschwerte sie dem Kläger und seinen Verteidigern die Möglichkeit, die Beweisführung der Behörde gegenüber den Medien in fundierter Weise anzugreifen und verletzte so den Grundsatz der Waffengleichheit.
Die hiergegen vorgebrachten Einwände des Beklagten greifen nicht durch. Der Hinweis darauf, dass eine Anklageschrift gemäß § 200 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht stets ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen enthalten müsse, bleibt schon deshalb ohne Relevanz, weil die am …2017* eingereichte Anklageschrift – wie in diesem Fall vorgeschrieben – ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen enthielt. Erfolglos bleibt daneben das Vorbringen, Gegenstand der behördlichen Pressearbeit am …2017 seien nur die im Anklagesatz enthaltenen Umstände gewesen. Über einzelne Beweise, mithin über das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen, habe die Behörde nicht informiert. Die mit dieser Argumentation bewirkte, künstliche Aufspaltung von Sachverhalt und Beweismitteln ist schon deshalb unzulässig, weil in der Mitteilung des Sachverhalts jedenfalls implizit auch mitberichtet wird, dass dieser aufgrund der ermittelten Beweise von der Staatsanwaltschaft als feststehend angesehen werde. Unzutreffend ist daneben der vom Beklagten gezogene Schluss, der Kläger werde – weil nur aus dem Anklagesatz berichtet worden sei – auch nur hierzu mit Anfragen konfrontiert werden. Es mag zwar zutreffen, dass die Medien einen Beschuldigten oftmals nicht zum Wert einzelner Beweismittel befragen. Für das der Klage zugrundeliegende Strafverfahren ist das aber schon deshalb fraglich, weil die stattgefundene Telekommunikationsüberwachung bereits in der Öffentlichkeit bekannt war und Anklagebehörde und Verteidigung im Vorfeld der Anklage eine gerichtliche Auseinandersetzung über die in diesem Rahmen gewonnenen Beweismittel geführt hatten. Unabhängig davon ist sehr wohl zu erwarten, dass die Presse vom Beschuldigten eine Stellungnahme zu der Frage wünscht, ob die erhobenen Vorwürfe in tatsächlicher Hinsicht zutreffen. Letztlich entscheidend ist aber nicht, wozu die Presse einen Beschuldigten befragen möchte, sondern zu welchen Themen sich dieser äußern will. Häufig wird sich der Betroffene dadurch verteidigen wollen, dass er die Richtigkeit des von der Staatsanwaltschaft behaupteten Sachverhalts in Abrede stellt. Dies ist fundiert nur in Kenntnis der behördlicherseits zugrunde gelegten Beweismittel möglich. Die vorgeschlagene Betrachtungsweise ist daher mit dem Prinzip der Waffengleichheit nicht in Einklang zu bringen.
Der Beklagte hat auch keine überzeugenden Gründe genannt, die einen ausnahmsweisen Verzicht auf die Übermittlung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen rechtfertigen würden. Vielmehr hat der frühere Pressesprecher in der mündlichen Verhandlung sein Vorgehen mit dem Wunsch nach einer möglichst zeitgleichen Übersendung der Anklageschrift an alle Verteidiger und mit Kapazitätsengpässen beim Faxversand begründet. In diesen rein praktischen Erwägungen liegt keine hinreichende Rechtfertigung für den dargestellten Eingriff in den Grundsatz des fairen Verfahrens.
b) Inhaltlich ist die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft Regensburg am …2017 hingegen nicht zu beanstanden. Der Vorwurf des Klägerbevollmächtigten, die Voraussetzungen rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung seien nicht eingehalten worden, trifft nicht zu.
Das Oberlandesgericht Hamm (U.v. 14.11.2014 – U 129/13 – NJW-RR 2015, 936) und das Landgericht Wiesbaden (U.v. 3.6.2015 – 10 O 80/12 – NJW 2015, 2975/2978 f.) haben zutreffend festgehalten, dass sich die Staatsanwaltschaft bei ihren Auskünften zu laufenden Ermittlungsverfahren an den Grenzen rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung orientieren muss. Nach diesen Grundsätzen ist für die Veröffentlichung eines Tatverdachts ein Mindestbestand an Beweistatsachen erforderlich (BGH, U.v. 26.11.1996 – VI ZR 323/95 – NJW 1997, 1148/1149). Die Darstellung darf keine Vorverurteilung enthalten (BGH, U.v. 7.12.1999 – VI ZR 51/99 – NJW 2000, 1036/1037). Sie darf nicht auf Sensation ausgehend, bewusst einseitig oder verfälschend sein, sondern muss auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigen (BVerfG, U.v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72 – NJW 1973, 1226/1230 f.). Vor der Veröffentlichung ist regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen (BGH, U.v. 30.1.1996 – VI ZR 386/94 – NJW 1996, 1131/1134). Diese Anforderungen sind für die Presseberichterstattung entwickelt worden, richten sich also im Grundsatz an die Medien und nicht an zur Auskunft verpflichtete Behörden. Dennoch kann an der grundsätzlichen Anwendbarkeit der genannten Kriterien kein Zweifel bestehen. Denn behördliche Informationen sind presserechtlich privilegiert und können von den Medien ohne nähere Prüfung übernommen werden (BVerfG, B.v. 9.3.2010 – 1 BvR 1891/05 – NJW-RR 2010, 1195/1197; Gounalakis, NJW 2012, 1473/1478). Dessen ungeachtet gelten die Grenzen rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung für Behörden nur insoweit, als sie ihrer Natur nach auf das presserechtliche Auskunftsverhältnis zwischen Behörde und Medien anwendbar sind. Anforderungen, die sich aus den spezifischen Aufgaben und Möglichkeiten der Presse ergeben, muss die Behörde hingegen nicht beachten.
Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat sowohl in ihrer Pressemitteilung vom …2017 als auch in ihrer mündlichen Presseinformation vom selben Tat stets betont, dass lediglich ein Tatverdacht bestehe und die Unschuldsvermutung gelte. Eine Vorverurteilung war ihren Äußerungen nicht zu entnehmen. Der Klägerbevollmächtigte beanstandet indes, dass der Kläger vor Erhebung der Anklage keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe. Er sei wegen des Schreibens vom …2017 vielmehr davon ausgegangen, dass er sich nach der angekündigten Akteneinsicht noch einmal werde äußern können. Das Gericht hat bereits dargestellt, dass das genannte Schreiben ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, dass Anklage erst nach erneuter Akteneinsicht erhoben werde, nicht begründen konnte. Gleiches gilt für die behauptete klägerische Vorstellung, er werde sich vor Anklageerhebung noch ein weiteres Mal äußern können. Denn weder erwähnt das Schreiben eine solche Möglichkeit, noch ist eine erneute Stellungnahme strafprozessual vorgegeben. Im Übrigen verkennt der Klägerbevollmächtigte, dass sich der Beschuldigte unmittelbar vor Anklageerhebung umfassend hatte äußern können. Damit war den Anforderungen rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung genügt. In gleicher Weise wie die Presse nur zu einer beabsichtigten Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme geben, nicht aber den genauen Inhalt der Publikation darstellen muss (vgl. BGH, U.v. 25.5.1965, VI ZR 19/94 – VersR 1965, 879/881; BGH, U.v. 15.12.1987 – VI ZR 35/87 – NJW-RR 1988, 733/734), war auch die Staatsanwaltschaft nicht verpflichtet, dem Kläger vor dem …2017 eine Äußerung zum Entwurf ihrer Anklageschrift oder ihrer Presseerklärung zu ermöglichen.
Erfolglos bleibt darüber hinaus das Vorbringen des Klägers, die Staatsanwaltschaft hätte in ihrer Pressearbeit seine wesentlichen Verteidigungsargumente ebenfalls vorbringen müssen. Zwar ist die Presse nach dem oben Gesagten in ihrer Verdachtsberichterstattung verpflichtet, auch den Beschuldigten zu Wort kommen zu lassen. Diese Verpflichtung folgt aber aus den spezifischen Aufgaben und Möglichkeiten der Medien, konkret daraus, dass die Presse als unbeteiligter Dritter die Sichtweisen von Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem unparteiisch darstellen muss. Auf die Staatsanwaltschaft, für die die Anforderungen rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung nur entsprechend gelten, kann diese Verpflichtung nicht angewendet werden. Denn Waffengleichheit bedeutet nur, dass Strafverfolgungsbehörde und Beschuldigter im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit gleiche Möglichkeiten haben. Dem Grundsatz ersichtlich zugrunde liegt die Vorstellung, dass Staatsanwaltschaft und Beschuldigter ihre jeweils eigene Sicht gegenüber der Öffentlichkeit selbst vertreten. Der Kläger hat also nur den vorliegend stets geltend gemachten Anspruch darauf, dass ihn die Staatsanwaltschaft in eine Position versetzt, in der er sich selbst gegenüber Presse und Öffentlichkeit fundiert äußern kann. Einen Anspruch dahingehend, dass die Anklagebehörde gegenüber der Presse zugleich als sein Verteidiger auftritt, hat er hingegen nicht (ebenso Lehr, NStZ 2009, 409/413). Es erscheint der Kammer im Übrigen sehr zweifelhaft, dass Beschuldigte in einer Darstellung ihres Verteidigungsvorbringens durch die Staatsanwaltschaft tatsächlich eine adäquate Interessenwahrung sehen würden. Vielmehr dürfte regelmäßig Streit darüber entstehen, ob die Behörde- wie vom Klägerbevollmächtigten gefordert – tatsächlich die wesentlichen Verteidigungsargumente ausgewählt und diese zutreffend dargestellt hat.
III.
Rechtsgrundlage der Kostenentscheidung ist § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.


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