Strafrecht

Sicherungsverwahrung neben Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Aktenzeichen  1 KLs 4 Js 15941/16 jug

Datum:
22.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49819
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Deggendorf
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 63, § 66, § 66a

 

Leitsatz

Die zusätzliche Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 72 Abs. 2 StGB) kommt neben der Unterbringung nach § 63 StGB nur dann in Betracht, wenn nach Wegfall des von § 63 StGB vorausgesetzten Zustands die Gefährlichkeit des Täters aufgrund eines aus anderen Gründen gegebenen Hanges zu erheblichen Straftaten fortbesteht. Ist dieser eigenständige Hang bei Urteilserlass nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, hält das Gericht dies aber für wahrscheinlich im Sinne des § 66 a Abs. 1 Nr. 3 StGB, so ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorzubehalten (Ergänzung zu BGH, BeckRS 2011, 23758). (Rn. 110 – 114) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig
des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 45 tatmehrheitlichen Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern,
des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 63 tatmehrheitlichen Fällen,
der vorsätzlichen Körperverletzung in 3 tatmehrheitlichen Fällen,
der Urkundenfälschung und
des Besitzverschaffens jugendpornografischer Schriften in 3 tatmehrheitlichen Fällen.
2. Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
4. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung bleibt vorbehalten.
5. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Nebenkläger D… E…, J… K…, M… G… und J… W….
Angewendete Vorschriften:
§§ 176 Abs. 1, Abs. 3 in der Fassung vom 10.03.1987, 176 Abs. 1, 176 a Abs. 1 Nr. 1 in der Fassung vom 13.11.1998, 176 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 in der Fassung vom 27.12.2003, 176 Abs. 1, 176 a Abs. 2 Nr. 1, 184 c Abs. 3, 223 Abs. 1, 230, 267 Abs. 1, 21, 52, 53, 63, 66 a, 72 Abs. 2 StGB

Gründe

(Abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
A. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten
B. wurde am … in … geboren. (…)
Strafrechtlich ist der Angeklagte bereits wie folgt in Erscheinung getreten:
1. Am 11.11.2003 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Karlsruhe (Az. 7 Cs 41 Js 26577/03), rechtskräftig seit 19.11.2003, wegen unerlaubter Entfernung vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu 10,00 € verurteilt. Daneben wurde ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt.
2. Am 16.02.2004 wurde der Angeklagte vom Landgericht Karlsruhe (Az. 7 KLs 22 Js 27204/03), rechtskräftig seit 04.03.2004, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes in drei Fällen sowie sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Strafvollstreckung wurde am 19.02.2009 mit Verbüßung der Endstrafe erledigt. Anschließend stand der Angeklagte bis zum 18.02.2014 unter Führungsaufsicht.
Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Aufgrund seiner Stellung als Priester, seiner Religiosität und Frömmigkeit, seiner die Menschen ansprechenden Art der Seelsorge und Gottesdienstgestaltung gelang es dem Angeklagten leicht, sich Autorität zu verschaffen, Vertrauen zu gewinnen und persönliche, ja sogar enge freundschaftliche Beziehungen aufzubauen. Diese persönlichen Beziehungen gingen mitunter – so bei den Familien K… und D… – soweit, dass der Angeklagte nicht nur eine vorübergehende Bleibe fand, sondern zeitweilig quasi die Stellung eines Familienmitgliedes und die Zuneigung insbesondere der weiblichen Familienmitglieder errang und großes Vertrauen sowohl der Eltern als auch der Kinder genoss.
Auf diesem Hintergrund kam es zu folgenden Straftaten des Angeklagten:
1. Im Zusammenhang mit seiner seelsorgerlichen Tätigkeit lernte der Angeklagte im Herbst 1994 die Familie der K… in D… kennen. Im Einverständnis der Eltern nahm er um die Jahreswende 1994/95 K… zunächst zu seinen Freunden in die Schweiz, dann jedoch zwischen dem 02.01. und 06.01.1995 in seine damalige Pfarrei in S… mit. Während einer datumsmäßig nicht mehr definitiv feststellbaren Nacht jenes Zeitraums begab sich der Angeklagte in sein Arbeitszimmer, in welchem auf einer Couch K… schlief. Er begann das Mädchen zu küssen, und setzte sich sodann dergestalt auf die auf dem Rücken liegende Geschädigte, dass diese sich nicht mehr bewegen und schon gar nicht aufstehen konnte. Während er bereits sein Geschlechtsteil entblößt hatte, äußerte der Angeklagte gegenüber der erwachten K… den Wunsch, von ihr berührt zu werden. Er ergriff die Hand des Mädchens, das jedoch versuchte, ihm die Hand wieder zu entziehen. Auch begann K… zu weinen. Dessen ungeachtet hielt der Angeklagte die Hand der sich sträubenden K… fest, führte sein erregtes Geschlechtsteil und rieb gegen den für ihn ersichtlich entgegenstehenden Willen des Mädchens dessen Hand an seinem Penis.
2. Ende 1999/Anfang 2000 lernte der Angeklagte die Familie der D… kennen. Diese Familie hatte regelmäßig an vom Angeklagten veranstalteten Gebetskreisen und Wallfahrten teilgenommen. Im Laufe des Jahres 2002 entwickelte sich beim Angeklagten ein sexuelles Interesse an D…, deren Alter ihm bekannt war. Dementsprechend suchte er zunehmend den Kontakt zu diesem Kind; er nahm es u.a. ohne Begleitung der Eltern auf eine Wallfahrt nach I… mit; ab Oktober 2002 holte der Angeklagte regelmäßig das Mädchen mit seinem PKW von der Schule, ab und fuhr mit ihm zu einem Parkplatz im K…. Auf dem Hintergrund dieser von D… aufgrund der ihr geschenkten Zuwendung als schön und wohltuend empfundenen Beziehung kam es zu folgenden Straftaten:
a) An einem nicht mehr näher feststellbaren Tag Anfang oder Mitte Dezember 2002 holte der Angeklagte wie üblich D… von der Schule ab und fuhr mit ihr zu besagtem Parkplatz. Dort angekommen, drehte er den Beifahrersitz, auf dem D… saß, herunter, kletterte selbst auf diesen Sitz und beugte sich über das Mädchen. Dabei schob er an D… den Rock hoch und zog ihren Slip herunter. D… versuchte zwar, dies zu verhindern, indem sie die Beine zusammen presste und gleichzeitig versuchte, den Angeklagten von sich weg zu stoßen. Letzteres gelang ihr allerdings aufgrund von dessen körperlicher Überlegenheit und der beengten räumlichen Verhältnisse im Fahrzeug nicht. Der Angeklagte öffnete unterdessen seine Hose und drückte die Beine des Mädchens auseinander, um dadurch ihren Widerstand zu bannen, und drang trotz der ihm bewussten Ablehnung des Mädchens mit seinem Geschlechtsteil ungeschützt in die Scheide von D… ein. D…, die zu jener Zeit noch Jungfrau war, weinte vor Schmerzen und bat den Angeklagten aufzuhören. Nach einer gewissen Zeit des fortdauernden Eindringens gab dem der Angeklagte nach und ließ von D… ab, die damals das Geschehen zunächst für sich behielt.
b) An einem nicht mehr genau feststellbaren Tag im Januar 2003 besuchte der Angeklagte die zu dieser Zeit an Angina erkrankte und zu Hause bettlägrig befindliche D… unter dem Vorwand, ihr die Krankenkommunion bringen zu wollen. Der Angeklagte suchte D… in ihrem Zimmer auf, während ihre ahnungslose Mutter das Haus verlassen und D… mit dem Angeklagten alleine gelassen hatte. Nach einer kurzen Unterhaltung mit der im Bett liegenden D… begann der Angeklagte damit, das Mädchen zu küssen und unter dem Schlafanzug am ganzen Körper zu berühren. Der Angeklagte, der seine Hose heruntergezogen hatte, kniete sich auf das Bett und beugte sich über das Mädchen, dem er die Schlafanzughose auszog. D…, die sich ob des über ihr knienden Angeklagten nicht aufrichten konnte, versuchte vergeblich, von diesem wegzurutschen, und forderte ihn auf, doch von ihr abzulassen. Der Angeklagte ging hierauf nicht ein. Vielmehr hielt er D… an den Armen fest und drückte, um ihren Widerstand zu brechen, die Beine auseinander. Sodann führte er gegen den als entgegenstehend erkannten Willen der sich weiterhin vergeblich zur Wehr setzenden D… den ungeschützten Geschlechtsverkehr durch. Auch von diesem Vorfall unterrichtete D… ihre Eltern damals nicht.
c) An einem nicht mehr näher feststellbaren Tag im Februar oder März 2003 erschien der Angeklagte wieder …, um D… dort abzuholen. Er gab D… gegenüber vor, mit ihr spazieren gehen zu wollen, was jedoch nicht seinem wahren Vorhaben entsprach. Mit D… im Fahrzeug fuhr er an diesem Tag nicht wie sonst zu dem Parkplatz beim …, sondern in die Gegend von … und dort auf einem einsamen Waldweg in ein Waldstück.
Kaum dass der Angeklagte an diesem abgelegenen Platz geparkt hatte, verriegelte er von innen das Fahrzeug. Dabei war ihm bewusst, dass D…, die, wovon er ausging, die Örtlichkeit nicht kannte, ihm in dieser Situation völlig ausgeliefert war. Der Angeklagte drehte nunmehr den Beifahrersitz, auf dem D… saß, herunter, schob den Rock des Mädchens hoch und zog ihren Slip herunter – dies obwohl D… äußerte, sie wolle dies nicht. Ihre Versuche, die Beine zusammen zu pressen und den Angeklagten weg zu drücken, waren vergeblich. Aufgrund der körperlichen Überlegenheit des Angeklagten und der Ausweglosigkeit ihrer Situation war es D… nicht möglich, effektive Gegenwehr zu leisten. Ihre letztlich zum Scheitern verurteilten Abwehrbemühungen machte der Angeklagte dadurch zunichte, dass er die Beine des Mädchens auseinander drückte. Auf diese Weise gelang es ihm, den ungeschützten Geschlechtsverkehr mit D… durchzuführen.
Im gegenständlichen Verfahren befand sich der Angeklagte vom 26.09.2016 bis zum 09.02.2017 in Untersuchungshaft und seit dem 10.02.2017 in einstweiliger Unterbringung nach § 126 a StPO.
B. Festgestellter Sachverhalt
I. Taten zum Nachteil des D… E… (Ziffer II. der Anklageschrift)
1. Der Angeklagte hatte als katholischer Priester im Jahr 1996 die Mutter der Brüder D… und J… E… auf einer Pilgerreise in P… kennengelernt, eine Freundschaft zu deren Mutter aufgebaut und die Familie regelmäßig, auch über mehrere Tage, in der elterlichen Wohnung in … besucht.
Der Angeklagte befand sich im Sommer 1996 zwischen August und September kurze Zeit vor dem 20. September 1996 eine Woche lang auf einer Wallfahrt in M… Das am 21.12.1985 geborene Kind D… E…, dessen Alter er kannte und welches ihm von der Mutter zur Beaufsichtigung anvertraut worden war, schlief in der Nacht beim Angeklagten im Zimmer. Der Angeklagte griff mit der Hand an das nackte Geschlechtsteil des schlafenden Kindes und berührte das Geschlechtsteil des Kindes mit seinen – des Angeklagten – nassen Kopfhaaren, um sich sexuell zu erregen. D… wurde wach und bemerkte die Handlung des Angeklagten, tat aber bei geschlossenen Augen so, als würde er weiter schlafen. Später weckte der Angeklagte D… und sagte ihm, dass er in die Hose gemacht hätte.
2. Der Angeklagte wohnte in den Jahren 1997-1999 bei Familie E… in B…. Der Angeklagte hatte D… angewiesen, unter dem Schlafanzug keine Unterhose mehr zu tragen, was D… befolgte. Der Angeklagte begab sich während seiner Aufenthaltszeiten bereits kurze Zeit nach der Wallfahrt in M… und regelmäßig etwa alle zwei bis drei Nächte, mindestens aber bei 30 Gelegenheiten bis 20.12.1999 in der Nacht in D…s Zimmer. D… war jeweils bereits eingeschlafen. Der Angeklagte begab sich an D…s Bett und streichelte ihn am Körper und seinem Geschlechtsteil, am Hodensack und um den Penis herum. D… wachte davon regelmäßig auf. Teilweise zog der Angeklagte auch die Vorhaut an D…s Penis vor und zurück. Teilweise musste D… auch den Penis des Angeklagten mit der Hand stimulieren. Der Angeklagte vollzog vorstehende Handlungen stets, bis er einen von D… wahrgenommenen Samenerguss hatte. Meistens befand sich der Angeklagte beim Samenerguss liegend im Bett. Manchmal spritzte er sich auf den Bauch. Manchmal nahm er auch seinen Penis und den des Kindes und spritzte das Ejakulat auf den Bauch des Kindes.
3. Bei einer weiteren Gelegenheit nach vorstehenden Handlungen und bis 20.12.1999 streichelte der Angeklagte bei Nacht in D…s Zimmer das auf dem Bett liegende Kind, führte dessen Penis in seinen Mund ein und vollzog daran den Oralverkehr.
4. Bei mindestens drei weiteren Gelegenheiten in vorstehendem Zeitraum musste D… bei Nacht in seinem Zimmer den Penis des Angeklagten in den Mund nehmen und den Oralverkehr ausführen. Bei einer Gelegenheit hiervon ejakulierte der Angeklagte in D…s Mund. Bei den anderen Gelegenheiten zog der Angeklagte seinen Penis vor dem Samenerguss aus dem Mund des Kindes.
5. Bei einer weiteren Gelegenheit zwischen 01.04.1997 und 06.04.1997 übernachtete der Angeklagte nach einem Zoobesuch bei seiner Mutter M… B… in deren Wohnung in …. D… schlief mit dem Angeklagten im Schlafzimmerbett, während sein Bruder J… auf einer Couch schlief. Der Angeklagte manipulierte am nackten Glied von D…, um sich und D… zu erregen.
6. Bei mindestens zwei weiteren Gelegenheiten zwischen 1997 und dem 21. Dezember 1999 begleitete D… von seiner elterlichen Wohnung in B… aus den Angeklagten in dessen Auto zu Gottesdiensten, bei denen D… ministrierte. Der Angeklagte griff während der Fahrt mit der rechten Hand über der Kleidung an D…s Glied und streichelte es, bis es steif wurde. Bei mindestens einer Gelegenheit hiervon fuhr der Angeklagte einen Parkplatz an und forderte D… auf, die Hose herunterzuziehen. Anschließend manipulierte der Angeklagte an seinem nackten Glied und dem entblößten Glied des Kindes, bis dieses zum Samenerguss kam. Anschließend wischte der Angeklagte den Samen des Kindes mit Tüchern weg.
7. Bei mindestens 10 weiteren Gelegenheiten im Jahr 1999 musste D… sich bei Nacht in seinem Zimmer auf das Bett setzen und seinen Po nach hinten ausstrecken. Dann rieb der Angeklagte D…s Anus mit Öl ein und führte seinen Penis dort ein. Der Angeklagte penetrierte das Kind so lange, bis er einen Samenerguss hatte. Der Angeklagte ejakulierte mindestens einmal im After des Kindes, im Übrigen außerhalb.
8. Bei mindestens 2 weiteren Gelegenheiten im Jahr 1999 vor dem 21. Dezember manipulierte der Angeklagte bei Nacht in D…s Zimmer an dessen Penis so lange, bis er steif war. Der Angeklagte forderte D… auf, dass er mit seinem Penis in den Anus des Angeklagten eindringen solle. D… führte seinen Penis weisungsgemäß in den After des Angeklagten ein. D… hatte bei dem ersten Analverkehr im After des Angeklagten einen Samenerguss. Der Angeklagte ging anschließend auf die Toilette, um das Ejakulat wieder zu entleeren.
II. Taten zum Nachteil des J… K…, geb. E… (Ziffer III. der Anklageschrift)
Der Angeklagte hatte spätestens seit dem Jahr 1999 ein eigenes Zimmer im Haus der Familie E… bekommen, mit dem zweiten Sohn D… in einem Zimmer übernachtet, sich in die Erziehung von J…, der am 16.10.1989 geboren ist, eingeschaltet und ihn durch Ohrfeigen und Ziehen an den Ohren zur Strafe für schlechtes Benehmen gezüchtigt und die Züchtigung schrittweise ausgeweitet, wobei er J… nicht ausschließbar vor dem 01.10.1999 wiederholt körperlich durch Schläge auf den nackten Hintern und mindestens einmal durch Hiebe mit dem Gürtel auf das nackte Gesäß roh misshandelt hatte, sodass J… wie beabsichtigt ihm gegenüber in einem Über-/Unterordnungsverhältnis stand.
1. Im Jahr 2000, gegen Ende der 4. Grundschulklasse, mithin im Juni oder Juli, führte der Angeklagte erstmals in der elterlichen Wohnung in der H… Str. in B…, im Kinderzimmer oder Bad sexuelle Handlungen an dem damals 10-jährigen J… durch, indem er an dessen nackten Penis mit seiner Hand masturbierte, bis J… einen Samenerguss hatte. Nach dem 1. Mal fragte der Angeklagte J…, ob er denke, dass das, was passiert sei, eine Sünde sei. Als J… dies vermeintlich erwartungsgemäß verneinte, hatte der Angeklagte gegenüber dem sexuell noch unerfahrenen Kind darauf bestanden, dass es doch eine Sünde sei, um diesen davon abzuhalten, seinen Eltern hierüber zu berichten.
2. Anschließend steigerte der Angeklagte während seiner Aufenthalte in der Wohnung in der H… Str. in B… die Frequenz der sexuellen Handlungen von einmal pro Woche auf etwa 2-3 Tage pro Woche, wobei er sich aber auch des Öfteren ohne J… auf Reisen befand und anderenorts aufhielt.
Der Angeklagte masturbierte mit seiner Hand im Zeitraum von Juni/Juli 2000 bis zu seiner Festnahme in anderer Sache Ende Juli 2003 – mithin bei mindestens 20 Gelegenheiten – im Kinderzimmer oder Bad am nackten Penis des Kindes, bis J… einen Samenerguss hatte. Die zeitliche Dauer des Sexualkontakts hatte der Angeklagte zwischenzeitlich ausgedehnt, indem er J… vor der Manipulation am Geschlechtsteil zunächst an verschiedenen Körperstellen berührte und streichelte und zudem selbst offen vor dem Kind Hand am eigenen Glied anlegte und masturbierte.
3. Zu mindestens einem weiteren Zeitpunkt begleitete J… E… mit seiner Familie den Angeklagten auf eine Reise in das Ausland. Bei einer Urlaubsreise zwischen Sommer 2000 und Juli 2003 nach A… befand sich J… gemeinsam mit Kindern aus anderen Familien auf einem Zimmer der Unterkunft. Nachts gegen 24.00 Uhr, J… hatte schon geschlafen, kam der Angeklagte zu ihm in das Zimmer und weckte J…. Der Angeklagte begann am Glied des Kindes zu manipulieren. J… sagte dem Angeklagten, dass er dies nicht wolle, er müde sei und er in Ruhe gelassen werden wolle. Der Angeklagte hielt J… nun den Mund zu und manipulierte währenddessen mit der anderen Hand am Glied des Kindes weiter, bis J… zu einem Samenerguss kam.
4. Bei mindestens zwei Gelegenheiten zwischen Sommer 2001 und Juli 2003 masturbierte der Angeklagte in der Wohnung in der H… Str. in B… an dem damals höchstens 13 Jahre alten J… im Kinderzimmer auf dem Dachboden, im Bad oder in dem von ihm bewohnten Zimmer mit seiner Hand am Penis des Kindes, führte dessen Penis in den eigenen Mund ein und vollzog daran den Oralverkehr, bis J… einen Samenerguss hatte.
5. Zu einem weiteren Zeitpunkt im Zeitraum zwischen Sommer 2000 und Juli 2003 befand sich J… im Bad des elterlichen Anwesens. Er hatte Bauchschmerzen, weshalb er – wie er das schon früher getan hatte – einen „Einlauf“ durchführen wollte. Der Angeklagte kam zu J… ins Badezimmer und manipulierte während des Einlaufs bis zum Samenerguss am Penis des Kindes. Er handelte, um sich auch selbst sexuell zu erregen.
6. Bei mindestens einer späteren Gelegenheit im oben genannten Zeitraum manipulierte der Angeklagte im Bad des elterlichen Anwesens von J… während eines „Einlaufs“ am Penis des Kindes, bis J… zum Samenerguss kam. Der Angeklagte wollte sich auch selbst sexuell erregen.
7. Zu einem nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkt zwischen Sommer 2001 und Juli 2003, in den Ferien oder an einem Wochenende, schlief J… etwas länger, bis gegen 10/11 Uhr vormittags. Seine Eltern waren zu dieser Zeit nicht anwesend und J… wollte gerade aufstehen. Der Angeklagte kam in das Kinderzimmer im Dachboden der elterlichen Wohnung in der H… Str. in B… und sagte, J… solle noch einmal liegen bleiben. Der Angeklagte masturbierte auf dem Bett mit der Hand am Glied des Kindes, dem er zumindest die Schlafanzughose auszog. J… drehte sich auf Anweisung des Angeklagten auf den Bauch und ging in eine Art Hockposition bzw. in den Vierfüßlerstand, indem er sich auf seine Knie und seine Unterarme stützte. Nun drang der Angeklagte mit seinem Glied in den Anus des Kindes ein und vollzog Auf- und Abbewegungen. J… bat den Angeklagten mehrfach damit aufzuhören, weil ihm dies Schmerzen bereitete. Der Angeklagte antwortete „Ja, ist ja gleich vorbei“, es wäre doch nicht so schlimm. Der Angeklagte vollzog den Analverkehr über einen längeren Zeitraum von ca. 30 Minuten weiter bis zum Samenerguss.
8. (Ziffer III. 9. der Anklage)
Bei einem weiteren Übergriff im Jahr 2003 begab sich der Angeklagte zu J… in das Bad in der H… Str. in B…, manipulierte am Glied des Kindes, forderte J… auf, in die Hocke zu gehen und vollzog an ihm den Analverkehr, indem er sein Glied rektal einführte und das Kind bis zum Samenerguss penetrierte, was bei dem Kind Schmerzen verursachte.
9. (Ziffer III. 10. der Anklage)
Bei einer anderen Gelegenheit nach vorstehendem Zeitpunkt, wahrscheinlich im Jahr 2003 und vor Juli 2003, befand sich der Angeklagte in seinem Zimmer in der H… Str. in B… im Bett, zog J… aus und manipulierte am Glied des Kindes. Der Angeklagte forderte J… auf, in die Hocke zu gehen und vollzog an ihm den Analverkehr, indem er sein Glied rektal einführte und das Kind bis zum Samenerguss penetrierte.
(Ziffer III. 11. der Anklage)
Bei einer weiteren Gelegenheit zwischen Sommer 2000 und Juli 2003 forderte der Angeklagte J… auf, in das von ihm bewohnte Zimmer in der H… Str. in B… zu kommen. Der Angeklagte manipulierte am Glied des Kindes und forderte J… anschließend auf, dasselbe bei ihm zu tun. Dies wollte J… aber nicht. J… äußerte, er könne dies nicht tun. Der Angeklagte nahm die Hand von J…, legte sie um sein eigenes Glied, umgriff sie und führte so Manipulationsbewegungen aus.
III. Taten zum Nachteil des J… K… (Ziffer IV. der Anklageschrift)
Der Angeklagte war zwischenzeitlich durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16.02.2004, Aktenzeichen 7 KLs 22 Js 27204/03, rechtskräftig wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes in 3 Fällen sowie sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden und hatte sich zwischen Juli 2003 und Februar 2009 in Haft befunden. Er wurde mit kirchengerichtlichem Urteil des Erzbischöflichen Offizialats … aus dem Klerikerstand entlassen, weil er mehrfach unter Ausnutzung seiner Stellung als Priester Sexualstraftaten an Minderjährigen begangen hatte.
Im Juli 2012 verbrachte er einen zehntägigen Urlaub mit D… K… und deren Kindern, der am 26.12.2003 geborenen M… K… und dem am 26.3.2002 geborenen J… K…, im Haus … in L…. Während dieses Aufenthaltes teilte sich der Angeklagte mit J… K… zumindest für 9 Nächte lang ein Schlafzimmer. Am Abend des vierten Tages sprach der Angeklagte J… darauf an, dass dieser ja mal als Kind wegen eines Hodenhochstands operiert worden sei und dies nicht so richtig geklappt habe. Er bot ihm an, ihm zu helfen. Der Angeklagte teilte ihm mit, hierzu müsse der Penis des Kindes steif werden. Diesen Vorwand nutzend und um sich selbst zu erregen manipulierte der Angeklagte an dem Penis von J… K….
Dies wiederholte er fortan jeweils morgens und abends während des restlichen Urlaubes, so dass er diese Manipulation insgesamt zu 12 verschiedenen Zeitpunkten an J… vornahm. Bei einer dieser Gelegenheiten nahm auch J… K… das Glied des Angeklagten auf dessen Weisung in die Hand und manipulierte daran. Als sich beim Angeklagten keine Erektion einstellte, bedeutete er J…, seine Bemühungen einzustellen, weil dies keinen Sinn habe.
IV. Taten zum Nachteil des M… G… (Ziffer V. der Anklageschrift)
Der Angeklagte hatte sich gegenüber dem am 22.12.1998 geborenen M… G…, dessen Alter er kannte, und dessen Mutter M… G… als katholischer Priester ausgegeben, deren Vertrauen erworben und bereits manchmal in dessen Zimmer übernachtet.
1. Zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt zwischen 04.12.2012 und 12.12.2012 passte der Angeklagte in … auf den damals 13-Jährigen M… auf. Die Mutter M… G… hatte den Angeklagten hiermit beauftragt, weil sie mit dem Bruder des M… im Landeskrankenhaus … war. M… lag gegen Nachmittag schlafend mit einem Pyjama bekleidet auf der Wohnzimmercouch, als der Angeklagte hinzukam und M… sowie sich selbst auszog. Hierüber war M…, der zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei sexuelle Erfahrungen gemacht hatte, sehr verwundert. Der Angeklagte nahm M… am Arm und brachte ihn auf der Couch in die richtige Position, sodass M…s Gesäß in Richtung des Angeklagten zeigte. M…s Bitte, er solle aufhören, kam der Angeklagte nicht nach, sondern drang mit seinem Glied in den Anus des Kindes ein und vollzog den Analverkehr.
2. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenige Tage danach, passte der Angeklagte am selben Ort erneut auf M… auf und begab sich während der Abwesenheit der Mutter wieder entkleidet zu M… in das Kinderzimmerbett oder auf die VVohnzimmercouch, brachte M… in die vorgenannte Position und drang erneut mit seinem Glied in dessen Anus ein und vollzog den Analverkehr.
V. Taten zum Nachteil des J… W… (Ziffer VIII. der Anklageschrift)
Der Angeklagte hatte seit Mai 2015 unter dem Namen „P…“ als Vertreter des örtlichen Pfarrers ein persönliches Verhältnis zu der strenggläubigen A… L… in O… aufgebaut, ihr geraten, sich von ihrem Lebensgefährten zu trennen, diese in der Folge nahezu täglich bis spät in die Nacht besucht, ihr uneingeschränktes Vertrauen gewonnen, durch sein bestimmendes Verhalten familiäre Entscheidungen getroffen, die Erziehung und das Verhalten der Kinder aufgrund regelmäßiger erzieherischer Einwirkung beeinflusst. Die erziehungsberechtigte Mutter hatte ihm insoweit die Kinder zur Erziehung und Betreuung in der Lebensführung anvertraut. Gegenüber den drei minderjährigen Kindern hatte der Angeklagte erklärt „Ich bin jetzt euer geistlicher Papa“, J… hatte dem Angeklagten wiederholt auf Aufforderung dessen nackte Füße massiert und geküsst. Der Angeklagte brachte J… oft zu Bett, küsste J… regelmäßig, wobei er auch seine Zunge in dessen Mund einführte, was J… als ekelig empfand. Zudem beichtete J… einmal im Monat auf Verlangen des Angeklagten bei ihm. Bei einer Beichte fragte der Angeklagte, warum J… ihn immer wegdrücke, wenn er ihm ein Küsschen gebe. Der Angeklagte schrie während seiner Besuche J… und seine Geschwister wiederholt im aggressiven Ton an und gab ihnen wiederholt Hausarrest bzw. Strafarbeiten auf, bei denen sie den Satz „Ich werde mich in Zukunft benehmen“ 100 mal oder 200 mal schreiben mussten oder als Alternative Schläge auf das Gesäß wählen durften.
1. Der Angeklagte fragte bei seinen abendlichen Besuchen in der Wohnung von Frau A… L… in O… meist „Seid ihr heute brav gewesen?“ Zu nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkten zwischen Mai 2015 und dem 25.03.2016 züchtigte der Angeklagte zur Strafe bei verschiedenen Gelegenheiten den am 18.04.2007 geborenen und im Tatzeitraum 9-jährigen J… W…, dessen Alter der Angeklagte kannte, unter Zufügung nicht nur unerheblicher Schmerzen und Leiden, welche der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm, jeweils mindestens einmal
a) durch eine Ohrfeige auf die Backe und
b) durch Hiebe auf das nackte Gesäß (Buchstabe c der Anklageschrift)
2. Bei einer weiteren Gelegenheit im vorgenannten Zeitraum hatte J… ein anderes Kind in den Pool geschubst. Der Angeklagte züchtigte J… durch ein kräftiges Schnipsen mit dem Finger in das Gesicht, sodass J… – wie vom Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommen – an der Lippe eine blutende Platzwunde erlitt.
3. Zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt in den Sommerferien 2015, also zwischen Juli und September 2015, hatte J… Bauchschmerzen. J… musste sich auf Aufforderung des Angeklagten im Bad der Wohnung in O… ganz nackt ausziehen und auf den Boden legen. Der Angeklagte praktizierte nun über die Dauer von etwa 45 Minuten einen „Einlauf“, bei dem er mit einem von ihm hierzu vorgehaltenen Gerät (Irrigator-Schlauch) einen Schlauch in J…s Anus einführte, während des gesamten Vorgangs in der Hand hielt und wiederholt mit Wasser füllte. J… war dies sehr unangenehm und er äußerte, dass ihm dies weh tue. Der Angeklagte kam J…s Ansinnen, die „Behandlung“ abzubrechen, nicht nach und forderte ihn stattdessen auf, währenddessen die Augen zu schließen. Der Angeklagte brach den Vorgang nicht ab. Der Angeklagte führte die Handlungen aus, um sich sexuell zu erregen und beobachtete den nackten J… bis zum anschließenden Gang auf die Toilette.
4. Vorstehenden Einlauf, bei dem der Angeklagte den Wasserschlauch in den Anus des Kindes einführte, wiederholte der Angeklagte im Anschluss in der Zeit bis 25.03.2016 bei mindestens 3 weiteren Gelegenheiten, um sich sexuell zu erregen.
5. Bei einer weiteren Gelegenheit zwischen dem 01.04.2015 und dem 25.03.2016 saß J… im Esszimmer der Wohnung in O…, auf dem Schoss des Angeklagten. Der Angeklagte begann mit seiner Hand am eigenen Glied Auf- und Abbewegungen auszuführen, wobei er wiederholt „Mhm“ stöhnte. J… spürte, dass das Glied des Angeklagten steif wurde, und sprang von dessen Schoss.
6. Am 18.03.2016 befand sich der Angeklagte gemeinsam mit Frau L… bei deren Mutter in … J…W… bat am Abend die Mutter, anders als geplant bei „P…“ im Bett schlafen zu können, was ihm erlaubt wurde. Nachdem sich J… mit dem Angeklagten allein im Bett in dessen Schlafzimmer befand und J… in der Nacht zum 19.03.2016 bereits fest eingeschlafen war, küsste und leckte der Angeklagte J… an den Lippen, wodurch J… aufwachte, und gab ihm einen Zungenkuss, bei dem er seine Zunge in den Mund des Kindes einführte. Der Angeklagte fasste an J…s Unterhose und rieb fest darüber, sodass J… dies im Genitalbereich spürte. Anschließend fasste der Angeklagte in die Unterhose des Kindes, fasste an dessen Gesäß und Penis und rieb an diesem für längere Zeit. Der Angeklagte legte J…s Hand auf seinen eigenen nackten Oberschenkel, im Lendenbereich und an sein eigenes Glied und führte anschließend mit seiner Hand Onanierbewegungen an seinem Glied aus und stöhnte währenddessen wiederholt „Mhm, Mhm“. Anschließend entfernte sich der Angeklagte mit einer Taschenlampe in das Badezimmer. Als der Angeklagte wiederkam, wollte er das Glied von J… noch einmal anfassen. J… drehte sich deshalb weg. Der Angeklagte massierte sodann das Gesäß des Kindes. J… weckte gegen 06.00 Uhr seine Mutter und berichtete ihr mit den Worten, der P… sei verrückt geworden, von dem ihm Widerfahrenen.
Die Staatsanwaltschaft hält hinsichtlich der Körperverletzungsdelikte wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
J… ist aufgrund der Handlungen des Angeklagten verschlossen und fühlt sich in der vorgenannten Wohnung, die er mit den Einwirkungen des Angeklagten in Verbindung bringt, nicht mehr wohl, weshalb er seine Mutter um einen Umzug bat.
VI. Zelebret „T…“ (Ziffer X. der Anklageschrift)
Der Angeklagte besaß am 26.09.2016 in seinem Geldbeutel ein verfälschtes Zelebret auf den Namen „T…“. Ein entsprechendes Zelebret, allerdings auf den Namen „Th.“, welches mit seinem Lichtbild und dem Abdruck eines Stempels versehen ist und von verschiedenen Personen unterschriftlich gezeichnet wurde, hatte er – insoweit unwiderleglich – von der Kongregation des Erzengels Michael in Bologna erhalten.
Dieses Zelebret hatte er als Kopiervorlage verwendet, um ein auf den Namen „T…“ lautendes, im Übrigen identisches Zelebret herzustellen, damit er bei Bedarf seine Priestereigenschaft belegen könne, ohne seinen Namen preisgeben zu müssen. Der Angeklagte wusste, dass die Amtskirche in Deutschland Warnmeldungen bezüglich seiner Person verbreitet hatte und wollte daher seine Identität verbergen.
VII. Pornographische Bilder (Ziffer XI. der Anklageschrift)
1. Der Angeklagte verschaffte sich über sein Mobiltelefon Apple iPhone 5 s A1429 zu den nachbenannten Zeiten folgende jugendpornographische Dateien, welche die Darstellung sexueller Handlungen von minderjährigen Jungen, welche nicht ausschließbar bereits das 14. Lebensjahr vollendet hatten, beinhalteten, welche er auf dem Mobiltelefon speicherte und bis zum 26.09.2016 in seinem Besitz hielt:
a)595, Minderjähriger Junge nimmt Glied in den Mund
a)Erstellt: 28.05.2016 02:07:49(UTC+2)
b)796, Minderjähriger Junge nimmt Glied in den Mund
b)Erstellzeitpunkt 31.08.2016 01:01:51(UTC+2)
2. Der Angeklagte verschaffte sich über sein Notebook Apple MacBook Pro, Seriennummer W8016HFQAGU, zumindest folgende jugendpornographische Dateien, welche er auf der virtuellen Windows-Desktop Hard Disk zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 12.06.2010 und 27.09.2014 speicherte, auf die er am 11.11.2015 zuletzt zugriff und die er bis zum 26.09.2016 in seinem Besitz hielt, welche die Darstellung sexueller Handlungen von minderjährigen Jungen, welche nicht ausschließbar bereits das 14. Lebensjahr vollendet hatten, beinhalteten:
a)P…com; unbekleideter Minderjähriger posiert mit gespreizten Beinen und stellt Glied und Anus zur Schau
b)b…net; unbekleideter Minderjähriger stellt erigiertes Glied zur Schau
c)… (IJG Library 85).jpg unbekleideter Junge nimmt Glied in den Mund
d)… (IJG Library 85).jpg unbekleideter Junge stellt erigiertes Glied zur Schau
e)… (IJG Library 85).jpg unbekleideter Junge nimmt Glied in den Mund
f)… (IJG Library 85).jpg unbekleideter Junge nimmt Glied in den Mund
g)… (IJG Library 85).jpg unbekleideter Junge nimmt Glied in den Mund
h)… (IJG Library 85).jpg unbekleideter Junge nimmt Glied in den Mund
Bei dem Angeklagten bestand zu den jeweiligen Tatzeitpunkten der oben dargestellte Sexualdelikte eine Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Pädophilie, ICD-10: F65.4. Das Störungsbild erfüllt den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit, sodass sein Hemmungs- und Steuerungsvermögen hinsichtlich der Missbrauchshandlungen zu den Tatzeitpunkten aufgrund einer Triebanomalie (Paraphilie) erheblich vermindert war. Eine Aufhebung der Steuerungs- und der Einsichtsfähigkeit lag zu keinem Zeitpunkt vor.
Der Angeklagte ist gefährlich für die Allgemeinheit, weil er unbehandelt bei nächster Gelegenheit unter Verfall in gleichartige Verhaltensmuster aufgrund des zeitlich überdauernden Zustands erneut schwere sexuelle Missbrauchstaten zum Nachteil von Kindern begehen wird.
Insoweit hat der Angeklagte auch einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten.
Zudem liegen deutliche narzisstische, dissoziale und psychopathische Persönlichkeitszüge vor, die den Grad einer Persönlichkeitsstörung nicht erreichen. Ob sich auch hieraus ein entsprechender Hang zur Begehung erheblicher Straftaten mit einer entsprechenden Gefahr für die Allgemeinheit ergibt, kann derzeit – vor einer spezifischen Therapie des Angeklagten – nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilt werden, wenngleich dies wahrscheinlich ist.
C. Beweiswürdigung
Die zum Sachverhalt getroffenen Feststellungen beruhen in erster Linie auf dem umfassenden Geständnis des Angeklagten, der das Tatgeschehen so eingeräumt hat, wie es oben dargestellt ist.
Das Geständnis ist glaubhaft. Insbesondere hat der Angeklagte nicht pauschal alle ihm zur Last gelegten Taten eingeräumt, sondern sich konkret zu jedem einzelnen Anklagepunkt geäußert. Dabei hat er auch einzelne Taten bzw. Tatmodalitäten bestritten und abweichend von der Anklageschrift dargestellt. Insoweit hat die Kammer – soweit sachgerecht – in der Hauptverhandlung von den Möglichkeiten des § 154 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht.
Die Kammer hat das Geständnis des Angeklagten zudem anhand der durchgeführten Beweisaufnahme verifiziert. Hierbei ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass der Angeklagte sich zu Unrecht belastet haben könnte. Dies scheidet zur Überzeugung der Kammer hinsichtlich der Sexualdelikte schon deshalb aus, weil sich die Begehungsweise der Taten wie ein roter Faden durch sämtliche Tatvorwürfe zieht:
Der Angeklagte hat sich in streng gläubigen Familien, in denen die Vaterfigur nicht vorhanden oder schwach war und die Mutter mit der Erziehung der Kinder überfordert war, eingenistet. Dabei hat er zunehmend Erziehungsaufgaben – und damit die Vaterrolle – übernommen und das Vertrauen sowohl der Eltern als auch der in den Familien vorhandenen Kinder gewonnen. Dieses Vertrauen hat er dann in Situationen, in denen er mit den Kindern alleine war, zur Begehung sexueller Handlungen ausgenutzt, die sich teilweise zu routinemäßigen, immer wiederkehrenden Missbrauchstaten ausgeweitet haben. Nachdem die Tatzeiten weit auseinander liegen und damit die Geschädigten heute ganz unterschiedlich alt sind sowie angesichts der teils weiten räumlichen Entfernung zwischen den betroffenen Familien hält es die Kammer für ausgeschlossen, dass sich die Geschädigten abgesprochen und den Angeklagten zu Unrecht belastet hätten.
Ferner sind die zur Verurteilung gelangten Taten auch durch die Angaben der jeweils vernommenen Zeugen, welche die Tatvorgänge übereinstimmend mit dem Geständnis des Angeklagten geschildert haben, zur Überzeugung der Kammer belegt:
Hinsichtlich der oben unter B. I. dargestellten Taten hat die Kammer das Geständnis des Angeklagten durch Vernehmung des Zeugen D… E… verifiziert. Dieser hat die Tatvorgänge im Kern entsprechend der oben getroffenen Feststellungen und in Übereinstimmung mit dem Geständnis des Angeklagten geschildert. Der Zeuge E… hat einerseits auf anhand des Zeitablaufs nachvollziehbare Erinnerungslücken deutlich hingewiesen, andererseits detailliert sowohl zu äußeren Tatvorgängen als auch zu seinen inneren Empfindungen ausgesagt. Die Angaben des Zeugen E… waren logisch nachvollziehbar, widerspruchsfrei und ohne überzogenen Belastungseifer.
Hinsichtlich der unter Buchstabe B. II. dargestellten Taten hatte die Kammer den Zeugen J… K… bereits vor dem am 5. Verhandlungstag erfolgten Geständnis des Angeklagten vernommen. Auch der Zeuge K… hat die zu seinem Nachteil vom Angeklagten begangenen Taten im Kerngeschehen so dargestellt, wie es obenstehenden Feststellungen entspricht und wie der Angeklagte dies im Zuge seines Geständnisses auch bestätigt hat. Auch der Zeuge J… K… hat auf bestehende Erinnerungslücken und Schwierigkeiten bei der zeitlichen Einordnung, welche auf Grund des langen Zeitablaufes für die Kammer ohne Weiteres nachvollziehbar waren, deutlich hingewiesen. Der Zeuge K… hat in der Hauptverhandlung stimmig, logisch nachvollziehbar und überzeugend über die Geschehnisse berichtet. Dabei war der Zeuge K… ersichtlich emotional bewegt. Dennoch konnte die Kammer einen überzogenen Belastungseifer des Zeugen nicht feststellen. Durch die zahlreichen Einzelheiten sowohl zu den äußeren Tathandlungen des Angeklagten als auch zu den damit verbundenen inneren Vorgängen und Empfindungen des Zeugen war seine Aussage äußerst glaubhaft. Ferner hat der Zeuge T…, ein katholischer Priester, an den sich der Zeuge J… K… im Sommer 2011 hilfesuchend gewandt hat, in der Hauptverhandlung ausgesagt, noch bevor es zu einem Gespräch zwischen ihm und J… K… gekommen sei, habe sich der Angeklagte bei ihm gemeldet und um ein seelsorgerisches Gespräch ersucht. Im Rahmen dieses Gespräches habe der Angeklagte zugegeben, die Brüder D… E… und J… K… als Minderjährige ca. seit deren 10. Lebensjahr sexuell missbraucht zu haben. Der Angeklagte habe den Zeugen so beeinflussen wollen, dass dieser versuche, den J… K… von einer Anzeige abzubringen. Dies habe der Zeuge letztlich jedoch abgelehnt. Ferner hat die Kammer einen Brief des Angeklagten an den Zeugen J… K… vom 24.12.2010 verlesen, in dem der Angeklagte einen sexuellen Missbrauch zum Nachteil des Zeugen K… ebenfalls eingeräumt hat.
Hinsichtlich der unter B. III. dargestellten Taten hat die Kammer das Geständnis des Angeklagten durch Verlesung der polizeilichen Zeugenvernehmung des Zeugen J… K… sowie seiner Mutter, der Zeugin D… K…, verifiziert. Die im allgemeinen Einverständnis der Prozessbeteiligten verlesenen Zeugenvernehmungen stimmen im Kern mit dem Geständnis des Angeklagten überein.
Hinsichtlich der Taten zum Nachteil des M… G… (B. IV.) hat die Kammer das Protokoll über dessen ermittlungsrichterliche Vernehmung vom 14.02.2017 zur Verifizierung des Geständnisses des Angeklagten verlesen. Der Zeuge G… hat vor der Ermittlungsrichterin im wesentlichen so ausgesagt, wie sich dies aus obenstehenden Feststellungen ergibt.
Die Feststellungen hinsichtlich der Körperverletzungs- und Sexualdelikte zum Nachteil des J… W… (B… V…) hat die Kammer dadurch abgesichert, dass die Kammer die Bild- und Tonaufnahme von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung des Zeugen J… W… vom 08.11.2016 in der Hauptverhandlung nach § 255 a Abs. 2 StPO vorgespielt hat. Die Aussage des Zeugen W… bei dessen ermittlungsrichterlicher Vernehmung stimmt mit dem Geständnis des Angeklagten überein. Dies gilt sogar für Details wie die Ausführungsmodalitäten der Körperverletzungshandlung unter Ziffer V. 2. des festgestellten Sachverhalts, welche der Angeklagte noch vor der Vorführung der Videoaufzeichnung abweichend von der Anklageschrift und so wie es den Feststellungen bzw. der Aussage des Zeugen entspricht, dargestellt hatte. Ferner hat die Kammer die Zeugin A… L…, die Mutter des Zeugen J… W…, vernommen. Diese hat logisch nachvollziehbar und differenziert über ihre Erlebnisse mit dem Angeklagten berichtet. Dabei hat die Zeugin L… auch die zunächst positiven Aspekte der Bekanntschaft mit dem Angeklagten nicht ausgespart. Ferner hat sie der Kammer berichtet, dass J… W… die unter Ziffer V. 6. dargestellte Tat ihr zeitnah und übereinstimmend mit seiner späteren Aussage berichtet und offenbart hatte.
Bezüglich Buchstabe B. VI. hat die Kammer das verfälschte Zelebret auf den Namen T… in Augenschein genommen. Auf diesem ist – bei einem direkten Vergleich mit dem auf den Namen Th. lautenden Zelebret – unschwer ein Rest des unteren zum Buchstaben B der Unterschrift des Angeklagten gehörenden Schwunges erkennbar, so dass die Kammer auch diesbezüglich keine Zweifel daran hat, dass der Angeklagte dieses verfälschte Zelebret – wie von ihm eingeräumt – hergestellt hat. Im Übrigen hat die Zeugin A… L… bestätigt, dass der Angeklagte unter dem Namen P… aufgetreten ist. Erst als ihr Bruder über Umwege den echten Namen des Angeklagten in Erfahrung gebracht hatte, konnte dieser bei einer Internetrecherche die Warnungen vor Th. entdecken. Damit ist die Kammer auch von der aus den Feststellungen ersichtlichen Motivation des Angeklagten und vom Verwendungsvorbehalt bezüglich der Fälschung überzeugt.
Hinsichtlich der jugendpornographischen Schriften (Buchstabe B. Ziffer VII.) hat die Kammer das Geständnis des Angeklagten durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder verifiziert. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die dort abgebildeten Personen nicht ausschließbar das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben, jedoch keinesfalls bereits 18 Jahre alt sind.
Hinsichtlich der Tatfolgen für die Geschädigten K…, E…, K…, G… und W… beruhen die Feststellungen der Kammer auf den jeweils im allgemeinen Einverständnis der Prozessbeteiligten verlesenen ärztlichen Attesten und auf den verlesenen bzw. in der Hauptverhandlung erfolgten Aussagen der Zeugen.
Die Feststellungen der Kammer zur verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen auf dem Gutachten der Sachverständigen Dr., welches diese in der Hauptverhandlung mit den Feststellungen entsprechenden Ausführungen erstattet hat. Der Sachverständigen … standen als Anknüpfungstatsachen die vollständigen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Deggendorf zum Aktenzeichen 4 Js 15941/16, die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft Mainz zum Aktenzeichen 3111 Js 10553/14, die Sonderbände der Staatsanwaltschaft Mainz zum Aktenzeichen 3111 Js 38498/13, der Sonderband Gutachten, der Sonderband Bankauskünfte, der Sonderband E-Mail-Verkehr Spurenauswertung, der Sonderband Lichtbilder, der Sonderband Rechtshilfe sowie die Vernehmungsakten Band 1 und 2 zur Verfügung. Ferner hatte die Sachverständige Einsicht in die Krankenakte des Bezirkskrankenhauses S… und konnte auf das testpsychologische Zusatzgutachten des Dipl.-Psychologen Dr. T… vom 10.06.2017, welches dieser zudem in Gegenwart der Sachverständigen in der Hauptverhandlung referiert und erläutert hat, zurückgreifen. Schließlich hat die Sachverständige den Angeklagten erstmals während der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Landshut am 24.10.2016 und mehrfach während seiner Unterbringung gem. § 126 a StPO im Bezirkskrankenhaus Straubing exploriert. Schließlich hat die Sachverständige … an der Hauptverhandlung teilgenommen, so dass ihr ein unmittelbarer Eindruck von den Aussagen der vernommenen Zeugen und von der Einlassung des Angeklagten zur Verfügung stand. Dabei war die Sachverständige insbesondere auch während der Zeugenvernehmung des Bewährungshelfers G… anwesend, welchem der Angeklagte während der Führungsaufsicht vom Februar 2009 bis zum Februar 2014 unterstellt war.
Die Kammer hat die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen … eingehend geprüft. Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen auf Grund eigener Würdigung an. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten unter Berücksichtigung der gegebenen Störung seiner Sexualpräferenz bei den verfahrensgegenständlichen Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern erheblich beeinträchtigt war.
Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten beruhen die Erkenntnisse ebenfalls auf den Ausführungen der Sachverständigen …, die der Angeklagte ausdrücklich als zutreffend bestätigt und in der Hauptverhandlung ferner im Sinne der obenstehenden Feststellungen ergänzt hat.
Die Feststellungen zu den Vorahndungen des Angeklagten ergeben sich aus dem verlesenen Zentralregisterauszug sowie aus dem auszugsweise verlesenen Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16.02.2004, Az. 7 KLs 22 Js 27204/03.
D. Rechtliche Würdigung
Aufgrund des festgestellten Sachverhalts ist der Angeklagte insgesamt schuldig des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 45 tatmehrheitlichen Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern, des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 63 tatmehrheitlichen Fällen, der vorsätzlichen Körperverletzung in 3 tatmehrheitlichen Fällen, der Urkundenfälschung und des Besitzverschaffens jugendpornografischer Schriften in 3 tatmehrheitlichen Fällen gemäß §§ 176 Abs. 1, Abs. 3 in der Fassung vom 10.03.1987, 176 Abs. 1, 176 a Abs. 1 Nr. 1 in der Fassung vom 13.11.1998, 176 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 in der Fassung vom 27.12.2003, 176 Abs. 1, 176 a Abs. 2 Nr. 1, 184 c Abs. 3, 223 Abs. 1, 230, 267 Abs. 1, 52, 53 StGB.
Im Einzelnen sind die unter B. I. getroffenen Feststellungen (Taten zum Nachteil des D… E…) als sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB in der Fassung vom 10.03.1987 in 38 tatmehrheitlichen Fällen (I. 1.-6.), dabei in den Fällen I. 3. und 4. als besonders schwerer Fall im Sinne des § 176 Abs. 3 StGB in der Fassung vom 10.03.1987, in Tatmehrheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern in 12 tatmehrheitlichen Fällen gemäß §§ 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 13.11.1998, (I. 7.-8.) und die unter B. II. getroffenen Feststellungen (Taten zum Nachteil des J… K…) als sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB in der Fassung vom 13.11.1998 in 23 tatmehrheitlichen Fällen (II. 1.-3., 10.), in Tatmehrheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern in 15 tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 13.11.1998 (II. 4.-II. 9.) zu würdigen.
Hinsichtlich B. III. (Taten zum Nachteil des J… K…) liegen 12 tatmehrheitliche Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 a Abs. 1 StGB in der Fassung vom 27.12.2003 vor. Der Angeklagte war seit der rechtskräftigen Verurteilung durch das Landgericht Karlsruhe vom 16.02.2004 bis zum 19.02.2009 in Haft. Dieser Zeitraum bleibt gemäß § 176 a Abs. 6 S. 1 StGB a.F. für die 5-Jahres-Frist nach § 176 a Abs. 1 StGB a.F. unberücksichtigt, so dass die neuen Taten im Juli 2012 innerhalb der 5-Jahres-Frist begangen wurden.
Die Feststellungen unter B. IV. (Taten zum Nachteil des M… G…) sind als zwei tatmehrheitliche Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 a Abs. 1 StGB in der Fassung vom 27.12.2003, jeweils in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern gemäß § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 27.12.2003 zu würdigen. Bezüglich der Voraussetzungen des § 176 a Abs. 1 StGB a.F. gilt das oben bereits Dargestellte. Die Begehungsalternativen aus Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 stehen zueinander in Tateinheit (vgl. BGH NJW 2010, 2742). Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts folgt aus § 5 Nr. 8 StGB.
Hinsichtlich B. V. (Taten zum Nachteil des J… W…) liegen drei tatmehrheitliche Fälle der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 230 StGB (V. 1. a), b), 2.) in Tatmehrheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern in vier tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB (V. 3.-4.) und in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in zwei tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 176 Abs. 1 StGB (V. 5.-6.) vor.
Die Feststellungen unter B. VI. ergeben schließlich eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB, der unter B. VII. festgestellte Sachverhalt drei tatmehrheitliche Fälle des Besitzverschaffens jugendpornografischer Schriften nach § 184 c Abs. 3 StGB.
E. Rechtsfolgen
I. Strafzumessung
1. Regelstrafrahmen
Der gesetzliche Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB sieht in allen angewendeten Fassungen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.
Der Strafrahmen des § 176 a Abs. 1 StGB sieht in allen angewendeten Fassungen Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bis zu 15 Jahren vor, der des § 176 a Abs. 2 in der Fassung ab 27.12.2003 und später sieht Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bis zu 15 Jahren vor. Soweit § 176 a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB tateinheitlich verwirklicht sind (B. IV.), kam § 52 StGB zur Anwendung.
Die Strafrahmen des §§ 223 Abs. 1, 267 Abs. 1 StGB sehen jeweils Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Der Strafrahmen des § 184 c Abs. 3 StGB sieht Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor.
Die Kammer ist im Ausgangspunkt von diesen Strafrahmen ausgegangen.
2. Minder schwere und besonders schwere Fälle
§ 176 Abs. 1 StGB sieht in der Fassung vom 10.03.1987 und vom 13.11.1998 einen gemilderten Strafrahmen für minder schwere Fälle vor. Die Kammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falles jeweils geprüft und verneint. Die Taten zum Nachteil des D… E… (B. I. 1.-2., 5.-6.) und zum Nachteil des J… K… (B. II. 1.-3., 10.) weichen – auch unter Berücksichtigung der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten – nicht in einem Ausmaß von dem durchschnittlichen Fall eines sexuellen Missbrauchs von Kindern ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten war.
§ 176 a Abs. 3 StGB in der Fassung vom 13.11.1998 und § 176 a Abs. 4 StGB in der Fassung ab 27.12.2003 und später sieht einen gemilderten Strafrahmen für minder schwere Fälle vor. Die Kammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falles jeweils geprüft und verneint. Die Taten zum Nachteil des D… E… (B. I. 7.-8.), zum Nachteil des J… K… (B. II. 4.-9.), zum Nachteil des J… K… (B. III.), zum Nachteil des M… G… (B. IV.) und zum Nachteil des J… W… (B. V. 3.-4.) weichen – auch unter Berücksichtigung der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten – nicht in einem Ausmaß von dem durchschnittlichen Fall eines schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten war.
Ein besonders schwerer Fall der Urkundenfälschung liegt nicht vor. Die Kammer hat keine Umstände festgestellt, welche die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheinen ließen, insbesondere hat die Kammer kein gewerbsmäßiges Handeln des Angeklagten im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB festgestellt.
Hinsichtlich der Taten B. I. 3.-4. zum Nachteil des D… E… liegt jeweils ein besonders schwerer Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung vom 10.03.1987 vor. Das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit weicht vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Der Angeklagte hat an dem Opfer den Oralverkehr vollzogen (B. I. 3.) bzw. bei drei weiteren Gelegenheiten an sich von dem Opfer den Oralverkehr vollziehen lassen (B. I. 4.). Das Eindringen in den Körper des Opfers weicht erheblich von dem durchschnittlichen Fall des sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB a.F. ab und ist für das Opfer besonders erniedrigend. Dies folgt auch daraus, dass der Gesetzgeber seit Einführung des § 176 a StGB ab 01.04.1998 solche sexuellen Handlungen als schweren sexuellen Missbrauch von Kindern generell als Verbrechen unter Strafe gestellt hat.
Die Kammer ist im Ergebnis für die Taten B. I. 3.-4. von einem besonders schweren Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 3 StGB a.F. ausgegangen. Dessen Strafrahmen sieht Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor. Im Übrigen liegen, soweit gesetzlich vorgesehen, weder minder schwere, noch besonders schwere Fälle vor.
3. Strafrahmenverschiebung
Bei der Ermittlung der tat- und schuldangemessenen Einzelstrafen hat die Kammer hinsichtlich aller Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung jeweils Strafrahmenverschiebungen gem. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu Gunsten des Angeklagten vorgenommen. In Übereinstimmung mit den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen … geht die Kammer davon aus, dass der Angeklagte zu den jeweiligen Tatzeitpunkten auf Grund der bei ihm vorliegenden Störung der Sexualpräferenz im Sinne des § 21 StGB erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt war, ohne dass diese vollständig aufgehoben war. Es leuchtet ein, dass gerade die Störung der Impulskontrolle maßgeblichen Anteil an der jeweiligen Tatbegehung hatte. Zu Gunsten des Angeklagten geht die Kammer davon aus, dass diese Voraussetzungen auch hinsichtlich des Besitzverschaffens jugendpornografischer Schriften vorliegen.
Damit ergeben sich nachfolgende gemilderte Strafrahmen:
§ 176 Abs. 1 StGB (alle Fassungen): 1 Monat bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe
§ 176 Abs. 3 StGB (i.d.F. vom 10.03.1987): 3 Monate bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe
§ 176 a Abs. 1 StGB (alle Fassungen): 3 Monate bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe
§ 176 a Abs. 2 StGB (i.d.F. ab 27.12.2003): 6 Monate bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe
§ 184 c Abs. 3 StGB: 1 Monat bis 1 Jahr 6 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe
Hinsichtlich der Körperverletzungsdelikte und der Urkundenfälschung verbleibt es bei dem Normalstrafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe). Die Sachverständige … hat für die Kammer nachvollziehbar begründet, dass die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf der Störung der Sexualpräferenz beruht und damit für die gegenständlichen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorliegt. Eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auch für andere Delikte hat die Sachverständige nicht festgestellt und erscheint der Kammer auch fernliegend. Das die verminderte Steuerungsfähigkeit begründende Verlangen nach sexuellen Kontakten mit Kindern und die hierdurch herabgesetzte Fähigkeit der Impulskontrolle liegt bei Körperverletzungs- oder Urkundsdelikten nicht vor.
4. Strafzumessung im engeren Sinn
Bei der Strafzumessung im engeren Sinn hat die Kammer neben den oben genannten Gesichtspunkten bezüglich aller Straftaten zu Gunsten des Angeklagten gesehen, dass er die Taten vollumfänglich eingeräumt und damit den Geschädigten, soweit diese noch nicht vernommen waren, eine erneute Aussage vor Gericht und die damit verbundene Re-Traumatisierung erspart hat. Weiter ist zu Gunsten des Angeklagten zu werten, dass er Reue für das von ihm begangene Unrecht bekundet und die Opfer um Entschuldigung gebeten hat, ferner, dass er nunmehr bereit ist, eine Therapie zur Aufarbeitung seiner Sexualstörung zu beginnen.
Hinsichtlich der Taten zum Nachteil des J… K… ist die lange Verfahrensdauer strafmildernd zu berücksichtigen.
Zu Lasten des Angeklagten war bezüglich aller Straftaten zu werten, dass er jeweils mit hohem Planungsgrad und erheblicher krimineller Energie vorgegangen ist. Hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs von Kindern hat sich der Angeklagte jeweils das Vertrauen der Eltern erschlichen und ausgenutzt. Er hat sich im sozialen Nahbereich der Opfer eingenistet, teilweise in den Zimmern der Opfer gewohnt, so dass diese über keinerlei Rückzugsmöglichkeit mehr verfügten und sich dem Zugriff des Angeklagten nicht entziehen konnten. Ferner hat der Angeklagte ein System der Über- und Unterordnung aufgebaut und für die Tatbegehung ausgenutzt, indem er als „geistlicher Papa“ und Priester aufgetreten ist, die Opfer bei sich beichten ließ und diese verbal sowie körperlich züchtigte, wenn sie seinem Willen nicht gehorchten. Schließlich ist zu Lasten des Angeklagten zu werten, dass sich die Missbrauchshandlungen (mit Ausnahme der Taten B. IV.) über einen langen Zeitraum und jeweils in einer Vielzahl von Fällen ereignet haben.
Weiter ist hinsichtlich der Taten zum Nachteil des J… K… zu Lasten des Angeklagten zu werten, dass er im Nachtatverhalten versucht hat, auf den Zeugen T… dahin einzuwirken, dass dieser den Geschädigten K… von einer Anzeigenerstattung abbringen sollte.
Hinsichtlich der Taten zum Nachteil des J… K… (B. III.) und des M… G… (B. IV.), ist die Vorstrafe des Angeklagten bereits Tatbestandsmerkmal des § 176 a Abs. 1 StGB. Die Kammer ist sich bewusst, dass dieser Umstand nicht nochmals straferschwerend berücksichtigt werden darf (§ 46 Abs. 3 StGB). Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass sich der Angeklagte nach der Haftentlassung im Februar 2009 – wie sich aus dem Brief des Angeklagten an den Zeugen J… K… vom 24.12.2010 deutlich ergibt – völlig darüber im Klaren war, dass sein Verhalten falsch ist und er seinen Opfern erhebliches Leid zufügt. Gleichwohl hat er von sich aus keine Hilfe gesucht, sondern vielmehr weitere Straftaten zum Nachteil von Kindern (B. III.-B. IV.) begangen. Diese Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern hat die Kammer zu Lasten des Angeklagten gewertet.
Hinsichtlich der Taten zum Nachteil des M… G… (B. IV.) ist ferner zu Lasten des Angeklagten zu werten, dass er durch dieselbe Handlung zwei Alternativen des § 176 a StGB verwirklicht hat.
Hinsichtlich der Taten zum Nachteil des J… W… (B. V.) ist schließlich zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass der Geschädigte erst 8 Jahre alt war und dass der Angeklagte einschlägig vorbestraft ist und deswegen bereits eine mehrjährige Haftstrafe zu verbüßen hatte.
5. Einzelstrafen und Gesamtstrafe
Bei kritischer Abwägung sämtlicher relevanter Strafzumessungsgesichtspunkte erschienen der Kammer folgende Einzelstrafen angemessen:
Fall
Strafe
B. I. 1.-2., 5.-6.:
jeweils 3 Jahre Freiheitsstrafe
B. I. 3.-4.:
jeweils 3 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe
B. I. 7.-8.:
jeweils 4 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe
B. II. 1.-3. und 10.:
jeweils 3 Jahre Freiheitsstrafe
B. II. 4.-9.:
jeweils
4 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe
B. III.:
jeweils
4 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe
B. IV. 1.-2.:
jeweils
5 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe
B. V. 1. a), b), 2.:
jeweils 2 Monate Freiheitsstrafe
B. V. 3.-4.:
jeweils
5 Jahre Freiheitsstrafe
B. V. 5.:
3 Jahre Freiheitsstrafe
B. V. 6.:
4 Jahre Freiheitsstrafe
B. VI.:
1 Monat Freiheitsstrafe
B. VII. 1. a), b), 2.:
jeweils 3 Monate Freiheitsstrafe
Soweit die Kammer Einzelfreiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten verhängt hat, war dies unter Berücksichtigung des strafrechtlichen Vorlebens zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich gemäß § 47 Abs. 1 StGB.
Die genannten Einzelfreiheitsstrafen hat die Kammer unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe (Freiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monaten) gemäß § 54 StGB auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren 6 Monaten zurückgeführt. Dabei war sich die Kammer erneut des Umstandes bewusst, dass die Begehung der jeweiligen Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung durch die psychiatrische Erkrankung des Angeklagten begünstigt war, insofern also ein besonderer überdauernder Zusammenhang vorlag. Zudem hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten einen Härteausgleich vorgenommen. Eine nachträgliche Gesamtstrafe mit den Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16.02.2004 konnte nicht mehr gebildet werden, weil die Strafe bereits vollständig vollstreckt ist. Dies hat die Kammer durch Herabsetzung der sonst zu verhängenden Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigt (vgl. BGH NStZ 1983, 260). Allerdings war bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe auch die Mehrzahl der Opfer, die Vielzahl der Taten und der lange Zeitraum der Tatbegehung zu berücksichtigen.
II. Maßregeln der Besserung und Sicherung
1. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus war anzuordnen, § 63 StGB. Der Angeklagte hat die oben dargestellten erheblichen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB begangen. Der Angeklagte ist für die Allgemeinheit gefährlich i.S.d. § 63 Satz 1 StGB, denn von ihm sind infolge seines Zustandes weitere erhebliche Straftaten, insbesondere weitere schwere sexuelle Missbrauchstaten zum Nachteil von Kindern, zu erwarten.
Dies ergibt sich aus dem im Rahmen der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten der Sachverständigen …. Die Sachverständige hat für die Kammer nachvollziehbar begründet, dass der Angeklagte unter einer Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Pädophilie leidet (ICD-10: F65.4). Bei dem Angeklagten liege eine Kernpädophilie bzw. eine pädophile Hauptströmung vor. Aufgrund der deliktischen Vorgeschichte und der Häufigkeit der Handlungen liege eine Neigung für präpubertierende Kinder nicht nur für Zeiten der emotionalen Belastung oder in Krisensituationen vor, sondern vielmehr ein persistierendes Muster sexueller Triebbefriedigung. Zudem liege ein chronischer Verlauf und eine progrediente Entwicklung vor von anfänglichen Berührungen der Geschlechtsteile bis hin zum Oral- und Analverkehr.
Das Störungsbild erfülle den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit. Zu den Tatzeitpunkten der Sexualdelikte sei aufgrund der Triebanomalie das Steuerungsvermögen des Angeklagten erheblich vermindert gewesen. Ohne Behandlung würde der Angeklagte aufgrund der Störung erneut in gleichartige Verhaltensmuster verfallen und erneut Delikte ähnlich den in diesem Verfahren gegenständlichen Taten begehen. Die Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass die Kriminalprognose aktuell sehr ungünstig und die Rückfallwahrscheinlichkeit mit deutlich über 50 % sehr hoch sei.
Weiter hat die Sachverständige ausgeführt, dass eine eigenständige Persönlichkeitsstörung bei dem Angeklagten nicht vorliege, wohl aber Aspekte einer narzisstischen, dissozialen und psychopathischen Persönlichkeitsstruktur. Insgesamt handele es sich aber vom Schweregrad noch nicht um eine Störung, sondern lediglich um eine Persönlichkeitsakzentuierung.
Zur Behandlung sei dringend ein stationäres Setting erforderlich. Die Behandlung des Angeklagten werde viele Jahre dauern. Denn eine Heilung der Kernpädophilie sei nicht möglich, es könnten allenfalls Vermeidungsstrategien erlernt werden. Die neben der Kernpädophilie vorliegenden weiteren Persönlichkeitsakzentuierungen erschwerten die Therapie erheblich, so dass die Therapieaussichten insgesamt als ungünstig, wenngleich nicht aussichtslos zu beurteilen seien.
Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen der Sachverständigen nach eigener kritischer Würdigung an. Die Voraussetzungen des § 63 StGB liegen vor. Mildere Mittel sind nicht genügend, insbesondere kann der Angeklagte in seinem aktuellen Zustand nicht mit Mitteln der Führungs- oder Bewährungsaufsicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden. Er muss vielmehr erst im Rahmen einer stationären Therapie die von der Sachverständigen angesprochenen Vermeidungsstrategien (Coping-Strategien) erlernen. Dies wird nach den Ausführungen der Sachverständigen noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung kommt daher derzeit nicht in Betracht. Es bedarf vielmehr des Vollzugs der Unterbringung, die sich insgesamt im Hinblick auf die Schwere der Anlassdelikte und die Bedeutung der künftig bedrohten Rechtsgüter auch als verhältnismäßig erweist.
2. Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Weiter war die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 a Abs. 1 StGB vorzubehalten.
a. Formelle Voraussetzungen
Der Angeklagte wurde im gegenständlichen Verfahren wegen Katalogtaten im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB verurteilt (§§ 176, 176 a StGB).
Die übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB sind erfüllt. Insbesondere liegen sowohl die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB als auch die des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB vor. Der Angeklagte wurde vorliegend wegen der dort genannten Straftaten zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, wobei der Angeklagte bereits zuvor mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16.02.2004 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes in drei Fällen sowie wegen sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monaten verurteilt worden war, die er vollständig verbüßt hat (§ 66 Abs. 3 Satz 1 StGB). Daneben hat der Angeklagte vorliegend mindestens zwei der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Straftaten begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat, wobei er wegen mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB). Die Rückfallverjährung des § 66 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StGB hindert die Berücksichtigung der Vortaten nicht; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die hier noch offene Frist 15 Jahre.
b. Materielle Voraussetzungen
§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB erfordert, dass die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist. Ein Hang im Sinne dieser Vorschrift erfordert eine auf charakterlicher Anlage beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung zu Rechtsbrüchen.
Insoweit hat die Sachverständige … ausgeführt, dass die Kriminalprognose des Angeklagten sehr ungünstig sei. Bei homophiler Pädophilie, wie vorliegend, liege die Basisrückfallrate bereits bei über 50 %. Diese sei vorliegend noch deutlich zu erhöhen, nachdem die narzisstischen, dissozialen und psychopathischen Persönlichkeitseigenschaften die Behandlung behindern würden und daher risikoerhöhend eingestellt werden müssten. Risikoerhöhend sei der kriminelle Lebenswandel und der chronische Verlauf, risikoverringernd das Fehlen sadistischer Praktiken und die fehlende Veränderung des Tatmusters zu werten. Insgesamt überwögen jedoch die negativen Kriterien, so dass ein hohes Rückfallrisiko bestehe.
Aus psychiatrischer Sicht liege grundsätzlich eine Disposition für die Begehung von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern vor. Allerdings könnten zu einigen der relevanten Kriterien erst im Therapieverlauf nähere Erkenntnisse gewonnen werden. So beziehe sich das Kriterium der Tatleugnung lediglich auf die Vorverurteilung, die Taten dieses Verfahrens gestehe der Angeklagte. Ob dies so bleibe, werde erst die Therapie zeigen. Auch bezüglich der intrinsischen Therapiemotivation werde sich erst im Verlauf zeigen, ob der Angeklagte tatsächlich einen echten Veränderungswunsch aufbauen könne.
Damit liegt auch ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB vor. Gleichwohl kam vorliegend die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung nicht in Betracht. Denn weitere materielle Voraussetzung der Anordnung einer Maßregel ist die Verhältnismäßigkeit, § 72 StGB.
c. Verhältnismäßigkeit und § 72 StGB
Vorliegend hat die Kammer bereits die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.
Wenn die Voraussetzungen der Maßregeln sowohl des § 63 StGB als auch des § 66 StGB erfüllt sind, so ist gemäß § 72 StGB über die Anordnung nur einer der Maßregeln, oder beider nebeneinander, zu entscheiden. Sind beide Maßregeln gleichermaßen geeignet, den erstrebten Zweck zu erreichen, so ist der Maßregel der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschwert. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist gegenüber der Sicherungsverwahrung kein geringeres, sondern ein anderes Übel, so dass grundsätzlich die gleichzeitige Anordnung rechtlich möglich ist. Grundsätzlich ist der Unterbringung nach § 63 StGB gegenüber der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB der Vorrang einzuräumen, wenn der im Rahmen von § 63 StGB vorausgesetzte Hang zurückzuführen ist auf einen psychischen Defekt, der wiederum Grundlage für die Annahme der erheblich verminderten Schuldfähigkeit ist (BGH NStZ 1998, 35).
Im vorliegenden Fall ist daher die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB gegenüber der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorrangig, soweit der Hang zur Begehung von Straftaten auf der Störung der Sexualpräferenz beruht, die gleichzeitig die Voraussetzungen des § 21 StGB begründet. Damit scheidet die gleichzeitige Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB aus. Denn auch die Maßregel des § 63 StGB setzt nicht voraus, dass Heilungsaussichten bestehen, da auch diese Maßregel dem Schutz der Allgemeinheit vor kranken, aber gefährlichen Rechtsbrechern dient. Der Sicherungszweck, der bei fehlender Therapierbarkeit des Angeklagten für seine Unterbringung allein maßgeblich wäre, erfordert dann gerade nicht die Kumulation beider Maßregeln. Dafür genügte auch die – hier vorrangige – Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BGH a.a.O.).
Die zusätzliche Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 72 Abs. 2 StGB) kommt neben der Unterbringung nach § 63 StGB nur dann in Betracht, wenn nach Wegfall des von § 63 StGB vorausgesetzten Zustands die Gefährlichkeit des Täters aufgrund eines aus anderen Gründen gegebenen Hanges zu erheblichen Straftaten fortbesteht (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 71/11).
Erforderlich ist demnach, dass auch ohne die Störung der Sexualpräferenz ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten feststellbar ist. Dieser eigenständige Hang ist derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, die Kammer hält dies aber für wahrscheinlich im Sinne des § 66 a Abs. 1 Nr. 3 StGB, so dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorzubehalten war.
Denn bei dem Angeklagten besteht vorliegend die Besonderheit, dass bei ihm nicht nur eine Störung der Sexualpräferenz vorliegt, sondern daneben auch narzisstische, dissoziale und psychopathische Persönlichkeitsmerkmale, die zwar nicht den Schweregrad einer Persönlichkeitsstörung erreichen, jedoch als Persönlichkeitsakzentuierung bestehen. Insoweit begründen diese Persönlichkeitsakzentuierungen auch nicht die verminderte Schuldfähigkeit. Ob bei dem Angeklagten aufgrund dieser Persönlichkeitsmerkmale ein eigenständiger Hang zur Begehung von erheblichen Straftaten vorliegt, kann derzeit nicht hinreichend sicher beurteilt werden, nachdem bei dem Angeklagten bislang noch keine Therapie seiner Kernpädophilie versucht worden ist. Weiter besteht die Besonderheit, dass die Störung der Sexualpräferenz des Angeklagten nicht heilbar ist, der Angeklagte kann eine erneute Straffälligkeit lediglich durch das Erlernen von Vermeidungsstrategien verhindern. Es ist derzeit nicht hinreichend sicher feststellbar, ob die neben der Kernpädophilie aktuell bestehenden Persönlichkeitsakzentuierungen trotz durchgeführter Therapie für Sexualstraftäter anschließend in einer Weise in den Vordergrund treten werden, dass sich hierauf ein eigenständiger Hang stützen ließe. Es liegt nunmehr an dem Angeklagten, sich sowohl auf die Verhaltenstherapie für Sexualstraftäter als auch auf die therapeutische Arbeit an anderen Persönlichkeitsdefiziten einzulassen und durch eine aktive, intrinsisch motivierte Teilnahme an sich zu arbeiten.
F. Kosten
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 464, 465 Abs. 1 StPO; die Entscheidung zu den notwendigen Auslagen der Nebenkläger beruht auf § 472 Abs. 1 StPO.

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