Strafrecht

Staatsanwaltschaft, Bewilligung, Beurlaubung, Gesundheitszustand, Verwaltungsakt, Strafvollstreckungskammer, Unterbringung, Krankenhaus, Beteiligung, Erledigung, Zustimmung, Feststellung, Auslegung, Vollzugslockerung, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Feststellung der Rechtswidrigkeit, gerichtliche Entscheidung

Aktenzeichen  2 StVK 1376/19

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 54120
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12.12.2019 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 200,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der Antragsteller befand sich im Maßregelvollzug im …-Klinikum M..
Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts München I vom 28.05.2020, Az. 3 StVK 35/13, wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ab 24.06.2020 zur Bewährung ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 12.12.2019, hier eingegangen am 12.12.2019, hat der Antragstellervertreter eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG beantragt (Bl. 8/9).
Die Beteiligten haben jeweils ausführlich Stellung genommen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags des Antragstellervertreters wird Bezug genommen auf Bl. 14/19, 45/50 und 52/58.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Stellungnahmen der Antragsgegnerin wird Bezug genommen auf Bl. 11/12 und Bl. 60/61.
Die Beteiligten wurden am 22.09.2020 mündlich angehört (Bl. 37/39).
2. Aus dem beigezogenen Vollstreckungsheft der Staatsanwaltschaft München I, Az. 127 VRs 206311/11, lässt sich insbesondere folgender Verfahrensablauf entnehmen:
24.11.2014: Schreiben des …K an die Staatsanwaltschaft bzgl. Lockerungsstufe B (Bl. 302);
12.01.2015: Sachstandsanfrage des …K an die Staatsanwaltschaft bzgl. Stufungsantrag per EMail (Bl. 299);
16.01.2015: Antrag des Verteidigers auf Erledigung der Maßregel wegen Unverhältnismäßigkeit wegen Verzögerung der Aktivierung der B-Stufung (Bl. 302a);
23.01.2015: erneute Anfrage des …K an die Staatsanwaltschaft bzgl. Lockerungsstufe B (Bl. 304a);
29.01.2015: Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bzgl. Vollzugslockerungen (Bl. 305);
18.02.2015: Mitteilung des …K – Umsetzung Lockerungsstufe B erfolgt (Bl. 309a);
28.04.2015: Anfrage des …K an die Staatsanwaltschaft bzgl. Lockerungsstufe C (Bl. 317/318);
19.05.2015: Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bzgl. Vollzugslockerungen (Bl. 319/320);
15.01.2016: Vorabstellungnahme des …K an die Staatsanwaltschaft (Bl. 352);
19.07.2016: Anfrage des …K an die Staatsanwaltschaft bzgl. Lockerungsstufe D/P (Bl. 376/377);
03.08.2016: Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bzgl. Vollzugslockerungen (Bl. 380/381);
27.09.2016: Stellungnahme des …K zu Verzögerung bei der TWG-Suche (Bl. 398);
17.11.2016: Antrag des Verteidigers auf Erledigung der Maßregel wegen Unverhältnismäßigkeit (Bl. 400);
28.11.2016: Mitteilung des …K: Probewohnen ab 05.12.2016 im „Haus 49“ (Bl. 402);
16.03.2017: Mitteilung des …K, dass aufgrund Rückfalls kurzfristige Rückstufung erfolgt (Bl. 408);
28.03.2017: Anfrage des …K an die Staatsanwaltschaft bzgl. Lockerungsstufe D/P (Bl. 409/411);
12.04.2017: Ersuchen des …K an die Staatsanwaltschaft (Bitte um bevorzugte Bearbeitung – Bl. 414);
13.04.2017: Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bzgl. Vollzugslockerungen (Bl. 412/413);
09.11.2017: Mitteilung der Fortsetzung des unterbrochenen Probewohnens (Bl. 519);
03.04.2019: Antrag des Verteidigers auf Erledigung der Maßregel wegen Unverhältnismäßigkeit (Bl. 590);
05.07.2019: Vorabstellungnahme des …K: derzeit Lockerungsstufe D, Probewohnen geplant, sobald passende therapeutische Wohngemeinschaft gefunden wurde (Bl. 630);
30.08.2019: Verfügung der Staatsanwaltschaft: ohne Lockerungsanfrage des …K bei StA nichts veranlasst (Bl. 639);
02.09.2019: Anfrage des …K vom 02.09.2019 bzgl. Lockerungsstufe P (Bl. 640);
06.09.2019: Verfügung der Staatsanwaltschaft bzgl. Lockerungsanfrage (Listen wurden eingeholt – Bl. 641);
09.12.2019: Sachstandsanfrage des Verteidigers an die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Genehmigung des betreuten Einzelwohnens (Bl. 647);
10.12.2019: Sachstandsanfrage des …K an die Staatsanwaltschaft bzgl. Lockerungsanfrage vom 02.09.2019 (Bl. 648);
11.12.2019: Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bzgl. Vollzugslockerungen (Bl. 649/650);
28.05.2020: Beschluss: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird mit einer Bewährungszeit von 5 Jahren ab 24.06.2020 zur Bewährung ausgesetzt (Bl. 727/734);
23.06.2020: Entlassung des Antragstellers aus dem Maßregelvollzug (Bl. 771).
II.
Die Kammer hat den Antrag des Antragstellers für zulässig erachtet.
1. Der Antragstellervertreter begehrt im Rahmen eines Fortsetzungsfeststellungsantrags nach § 115 Abs. 3 StVollzG „die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser konkreten Maßnahme, d.h. die Aufforderung bzw. Zustimmung aus Haar bei der Staatsanwaltschaft zur Durchführung des Probewohnens mangels Rechtsgrundlage und infolge eines Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG.“
2. § 115 Abs. 3 StVollzG setzt für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Feststellung voraus. Das Feststellungsinteresse bedeutet hierbei kein rechtliches, sondern ein schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Mit Beschluss vom 21.02.2014 hat das Oberlandesgericht München Folgendes ausgeführt: „Unabhängig davon, ob die vorgetragenen Tatsachen zutreffend sind und – dies unterstellt – ob hierdurch der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt wurde, kann ihm auch unter Berücksichtigung der kurzen Inhaftierung ein Feststellungsinteresse im Sinne eines Rehabilitationsinteresses nicht abgesprochen werden. Es wäre mit einem effektiven Rechtsschutz nicht zu vereinbaren, wenn die behaupteten Haftbedingungen insbesondere mit Blick auf die Vielzahl der geltend gemachten Beanstandungen nicht einer gerichtlichen Sachprüfung zugeführt werden könnten.“
Demzufolge ist der von dem Antragsteller gestellte Feststellungsantrag gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG zulässig. Ein entsprechender Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Maßnahme setzt nach allgemeiner Auffassung zunächst voraus, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag gewahrt sind (Calliess/Müller-Dietz, 9. Aufl., § 115 StVollzG Rn. 14). Dies ist hier der Fall: Die Anfrage hinsichtlich der Gewährung einer Vollzugslockerung gemäß Art. 19 Abs. 1 BayMRVG bei der Vollstreckungsbehörde stellt eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs i.S. des § 109 StVollzG dar. Voraussetzung ist ein behördliches Handeln zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung für Dritte. Die Anfrage bei der Staatsanwaltschaft München I nach der Stufungskonferenz, in der die Lockerungsstufe P beschlossen wurde, und das damit einhergehende Abwarten des Eingangs der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft hat gegenüber dem Antragsteller als Patienten Regelungscharakter und stellt daher einen nach den §§ 109 ff. StVollzG anfechtbaren belastenden Verwaltungsakt dar (vgl. Calliess/Müller-Dietz, § 109 StVollzG Rn. 11 und Rn. 129).
Der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsanträge steht auch nicht entgegen, dass ein Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag verfristet gewesen wäre. § 112 Abs. 1 S. 1 StVollzG findet insoweit keine Anwendung, weil die Maßnahme dem Antragsteller nicht schriftlich zugestellt oder bekannt gemacht wurde. In diesem Fall gilt die für den Untätigkeitsantrag des § 113 Abs. 3 StVollzG geltende Frist von einem Jahr entsprechend (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.07.2003, 3 Ws 606/03 m.w.N.), die hier gewahrt ist.
Die Maßnahme hat sich durch die Bewilligung der Lockerungsstufe durch die Antragsgegnerin nach Stellungnahme der Staatsanwaltschaft München I vom 11.12.2019 erledigt, weil die vorangegangene Unterbringung in der Stufe D seitdem nicht mehr unmittelbar fortwirkt und die Beschwer des Antragstellers damit nachträglich entfallen ist (vgl. Calliess/Müller-Dietz, § 115 StVollzG Rn. 14). Die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags auch im Falle vorprozessualer Erledigung entspricht der ganz herrschenden Meinung für den Geltungsbereich von § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG und § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (Löwe/Rosenberg/Böttcher, StPO, 25. Aufl., § 28 EGGVG Rn. 6; Kissel, GVG, 3. Aufl., § 28 EGGVG Rn. 17; KK-StPO/Kissel, 4. Aufl., § 28 EGGVG Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rn. 95 ff.). Eine entsprechende Auslegung ist durch Art. 19 Abs. 4 GG geboten. Insbesondere darf die Möglichkeit der Erlangung effektiven Rechtsschutzes nicht dadurch erschwert oder unmöglich gemacht werden, dass die Behörde im Falle drohender Klagen bzw. Anträge auf gerichtliche Entscheidung eine Erledigung herbeiführt (vgl. OLG Frankfurt am Main NJW 2003, 2843).
Der Antragsteller hat auch ein Feststellungsinteresse i.S. des § 115 Abs. 3 StVollzG hinsichtlich der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinsichtlich einer erledigten Maßnahme ist nicht die Regel, sondern setzt ein besonderes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme insbesondere auf Grund einer sich konkret abzeichnenden Wiederholungsgefahr, einer fortwirkenden Diskriminierung oder einer Grundrechtsverletzung voraus (vgl. BGH NStZ 1985, 552; Callies/Müller-Dietz, § 115 Rn. 12 f.). Eine Grundrechtsverletzung begründet nicht ohne weiteres ein entsprechendes Feststellungsinteresse; erforderlich ist vielmehr grundsätzlich eine fortwirkende Beeinträchtigung des Antragstellers (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 04.07.1996, 3 Ws 411/96 und Beschluss vom 24.02.1998). Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 05.12.2001 (NJW 2002, 2456) ausgeführt, dass ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Erledigung bei Eingriffen in die Freiheit der Person durch die Inhaftierung unabhängig von der Möglichkeit der Erlangung effektiven Rechtsschutzes in aller Regel im Sinne eines Rehabilitierungsinteresses besteht.
3. Nach Auffassung der Kammer kann dem Antragsteller unter Beachtung der o.g. Rechtsprechung – unabhängig davon, ob die vorgetragenen Tatsachen zutreffend sind und – dies unterstellt – ob der Antragsteller hierdurch in seinen Grundrechten verletzt wurde, ein Feststellungsinteresse im Sinne eines Rehabilitationsinteresse nicht abgesprochen werden.
III.
Die Staatsanwaltschaft München I ist gemäß § 111 Abs. 1 StVollzG nicht beteiligtenfähig. Diese Regelung ist abschließend. § 33 StPO gilt nicht entsprechend, sodass die Staatsanwaltschaft nicht zu hören war. Auch eine Beiladung Dritter entsprechend § 65 VwGO kam deshalb nicht in Betracht (vgl. Arloth/Krä, § 111 StVollzG Rn. 1 f. m.w.N.).
Für Maßnahmen der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde ist (abgesehen von den Fällen der §§ 458, 459h, 462a StPO, 83 ff. JGG) der Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG gegeben (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, P Rn. 25). Demzufolge ist weder die Rechtsauffassung noch das (Nicht-)Handeln der Staatsanwaltschaft München I Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage.
IV.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen, § 109 StVollzG i.V.m. § 115 Abs. 3 StVollzG.
1. Antragstellervertreter
Der Antragstellervertreter führt im Antrag vom 12.12.2019 (Bl. 8/9) im Wesentlichen aus, dass es für die konkrete Anfrage der Antragsgegnerin bei der Staatsanwaltschaft München I vom 02.09.2019 keine Rechtsgrundlage gebe, weil die relevante Norm des Art. 19 BayMRVG diese Anfrage nicht betreffe. Die Antragsgegnerin habe seit mehr als drei Monaten auf eine – rechtlich nicht notwendige – Voraussetzung in Form der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft gewartet. Dies habe wiederum dazu geführt, dass ein Probewohnen noch nicht stattfinden habe können, was wiederum zu einer längeren Unterbringung und damit zu einer späteren Entlassung führe.
Im Schreiben vom 26.03.2020 (Bl. 14/19) trägt der Antragstellervertreter im Wesentlichen vor, dass sich der Antragsteller längst in Freiheit befinden würde – die Unterbringung wurde zwischenzeitlich zur Bewährung ausgesetzt -, wenn nicht diese krasse Überschreitung und Vorgehensweise im Hinblick auf die Stufenfolge erfolgt wäre.
Des Weiteren führt der Antragstellervertreter im Schriftsatz vom 06.11.2020 (Bl. 52/58) im Wesentlichen aus, dass die Staatsanwaltschaft München I als Vollstreckungsbehörde nicht das von Gesetzes wegen richtige Verständnis aufbringe. Zudem bittet er, seine Stellungnahme vom 21.10.2020 (Bl. 45/50) als gegenstandslos zu betrachten.
2. Antragsgegnerin
Die Antragsgegnerin führt in ihrer Stellungnahme vom 08.01.2020 (Bl. 11/12) im Wesentlichen aus, dass die Klinik gemäß Art. 19 Abs. 1 BayMRVG sehr wohl verpflichtet sei, vor der Gewährung der Vollzugslockerung „Probewohnen“ die Staatsanwaltschaft zu hören. Der Terminus „hören“ bedeute, dass die Antragsgegnerin schriftlich die Vollstreckungsbehörde über die beabsichtigte Vollzugslockerung des Probewohnens informieren und dann abwarten müsse, bis die Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde in der Klinik eintreffe. Nachdem seitens der Staatsanwaltschaft keine Bedenken geltend gemacht worden seien, habe für die Klinik kein weiterer interner Diskussionsbedarf mehr bestanden, sodass nach Eintreffen der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft – aber eben auch erst jetzt – die Umsetzung des Probewohnens zügig erfolgen habe können. Eine Verzögerung von Vollzugslockerungen, etwa durch ein überflüssiges Abwarten gesetzlich nicht vorgeschriebener Prozeduren, liege somit nicht vor.
Zudem trägt die Antragsgegnerin in einem weiteren Schreiben vom 18.11.2020 (Bl. 60/61) vor, dass der vorgegebene Verfahrensweg eingehalten worden sei. Um den Verfahrensgang zu beschleunigen bzw. um den aktuellen Sachstand zu erfragen, sei seitens der Antragsgegnerin mehrfach telefonisch Kontakt mit der zuständigen Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft München I aufgenommen worden. Laut elektronischer Krankenakte sei die Geschäftsstelle – nach der Anfrage bei der Staatsanwaltschaft vom 02.09.2019 – am 08.10.2019, 12.11.2019, 15.11.2019 und am 19.11.2019 telefonisch kontaktiert worden.
3. Strafvollstreckungskammer
Die Strafvollstreckungskammer hält die Erwägungen der Antragsgegnerin für zutreffend und schließt sich ihnen an. Ergänzend ist im Wege einer Gesamtschau Folgendes auszuführen:
a) Gesetzliche Grundlagen
aa) Art. 19 BayMRVG: Beteiligung der Vollstreckungsbehörde
(1) Bevor unbegleiteter Ausgang, unbegleitete Außenbeschäftigung, eine Beurlaubung, eine Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens oder bei Personen mit besonderem Sicherungsbedürfnis unbegleiteter Geländegang gewährt wird, ist die Vollstreckungsbehörde zu hören.
(2) Werden Lockerungen des Vollzugs gewährt oder die Gewährung einer Lockerung länger als ein Monat ausgesetzt, ist die Vollstreckungsbehörde zu informieren.
bb) Gesetzesbegründung zum BayMRVG
Nach der Gesetzesbegründung zum BayMRVG (Drucksache 17/4944, S. 21-70) hat der Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung sowohl eine qualitativ hochwertige Behandlung der untergebrachten Personen als auch ein sehr hohes Maß an struktureller und baulicher Sicherheit zum Schutz der Allgemeinheit zu leisten (S. 22).
Lockerungen des Vollzugs (Art. 16 bis 20) stellen eine der entscheidenden Voraussetzungen zur Erreichung der Ziele der Unterbringung dar. Da die untergebrachten Personen einen Rechtsanspruch auf Gewährung von Lockerungen des Vollzugs geltend machen können, ist es zum Schutz der Allgemeinheit zwingend erforderlich, die Voraussetzungen der Entscheidung über eine Lockerung sowie deren hinreichende Überwachung gesetzlich auszugestalten (S. 24).
Abschnitt 4 bestimmt für den Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung mögliche Lockerungen. Der Begriff „Lockerung des Vollzugs“ ist als Oberbegriff für die Begriffe Vollzugslockerungen (Art. 16), Beurlaubung (Art. 17) und Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens (Art. 18) zu verstehen. Darüber hinaus werden die Voraussetzungen einer Ausführung sowie Vorführung (Art. 21) normiert. Die Gewährung einer Lockerung des Vollzugs befindet sich in einem besonderen Spannungsfeld zwischen der Gewährleistung von Sicherheit auf der einen Seite und dem Auftrag zur Heilung oder Besserung des Zustandes der untergebrachten Personen auf der anderen Seite. Zum einen ist es Voraussetzung einer Unterbringung auf Grundlage der §§ 63, 64 StGB, dass von der untergebrachten Person die Begehung erheblicher rechtswidriger Taten zu erwarten ist und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Durch die §§ 67b, 67c, 67d Abs. 2 StGB ist zudem sichergestellt, dass die Vollstreckung nur so lange dauert, wie die Kriminalprognose in dem für das Erkenntnisverfahren geltenden Sinn ungünstig ist. Somit dürfen die allein unter dem Aspekt der Sicherheit und unabhängig von der Schuld verhängten freiheitsentziehenden Maßregeln nur in den engen Grenzen verhängt, vollstreckt und vollzogen werden, die zum Schutze der Allgemeinheit unerlässlich erscheinen. Zum anderen ist es aber vorrangige Aufgabe der Maßregelvollzugseinrichtung, die „Entlassungsreife“ der untergebrachten Personen in dem Sinne herzustellen, dass „zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird“ (§ 67d Abs. 2 Satz 1 StGB). Die Entscheidung, ob „Entlassungsreife“ vorliegt, kann aber nur auf Grundlage einer stufenweisen Erprobung, ob die untergebrachte Person tatsächlich in der Lage ist, außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung ein straffreies Leben zu führen, getroffen werden. Jede Gewährung einer schrittweisen Erprobung trägt dabei immanent das Risiko einer Fehlbeurteilung. Nicht anders als sonst bei der vorausschauenden Beurteilung menschlichen Verhaltens birgt die Entscheidung über eine Lockerung des Vollzugs die Gefahr, dass sich die untergebrachte Person anders verhält, als dies die vorherige Beurteilung erwarten ließ. Trotz dieser Gefahren hat sich der Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung dieser Aufgabe zu stellen. Der Schutz der Allgemeinheit gebietet es insoweit vor allem, bei der Entscheidung über eine Lockerung des Vollzugs alle Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen und sie nur dann zuzulassen, wenn – abgesehen von der grundsätzlichen Unvorhersehbarkeit allen menschlichen Verhaltens – keine vernünftigen Zweifel an der Sicherheit der Bevölkerung während der Lockerung des Vollzugs bestehen (S. 41).
Art. 19 enthält eine Neuregelung. In der Vergangenheit wurden die Einzelheiten der Beteiligung der Vollstreckungsbehörde bei der Gewährung von Vollzugslockerungen sowie der Beurlaubung unter Ergänzung der Regelung in Art. 28 Abs. 2 UnterbrG auf Verwaltungsebene geregelt. Diese bewährte Praxis wird mit Art. 19 auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Die Lockerungen des Vollzugs umfassen alle Maßnahmen nach Art. 16 bis 18. Abs. 1 bestimmt in Anknüpfung an Art. 28 Abs. 2 UnterbrG, bei welchen Lockerungen des Vollzugs zuvor die Vollstreckungsbehörde zu hören ist, bevor eine endgültige Entscheidung hierüber getroffen wurde. Das Erfordernis der Beteiligung der Vollstreckungsbehörde umfasst jede Erst-Entscheidung über eine höhergradige Lockerung (S. 45).
cc) Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Maßregelvollzugsgesetz (VVBayMRVG) des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 17. Januar 2017, Az. IV5/2182-1/4
Die Verwaltungsvorschriften zum BayMRVG sehen insbesondere Folgendes vor:
14.1.3 Die Entscheidung über Lockerungen des Vollzugs erfordert eine genaue Kenntnis des Zustandes der untergebrachten Person. Grundlage der Entscheidung über die Lockerung des Vollzugs ist der gegenwärtige Gesundheitszustand der untergebrachten Person und die aktuelle therapeutische Entwicklung unter Berücksichtigung von Vorgeschichte sowie Gesamtverlauf. Lockerungen des Vollzugs dürfen nur aufgrund einer eingehenden und individuellen therapeutischen Beurteilung während einer angemessenen Beobachtungszeit gewährt und aufrechterhalten werden. Hierzu muss durch die Maßregelvollzugseinrichtung ein ausreichender Informationsfluss innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung sichergestellt werden, sodass relevante Informationen sofort weitergeleitet und verwertet werden können.
14.1.7 Bei der Entscheidung des konkreten Einzelfalls sind alle Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen, um die Gefahr zu minimieren, dass sich die untergebrachte Person anders verhält, als dies die aktuelle therapeutische Beurteilung erwarten ließ. Nach therapeutischem Ermessen und der Überzeugung des behandelnden Therapeuten oder der behandelnden Therapeutin dürfen – abgesehen von der grundsätzlichen Unvorhersehbarkeit allen menschlichen Verhaltens – keine vernünftigen Zweifel an der Sicherheit der Bevölkerung während der Lockerung des Vollzugs bestehen. Auf gegebenenfalls bestehende Zweifel und Konfliktlagen ist der Leiter oder die Leiterin der Maßregelvollzugseinrichtung aufmerksam zu machen.
14.1.8 Fehlprognosen der Art, dass ein an sich bestehendes Flucht- und Deliktrisiko nicht als solches erkannt wird, sind durch größtmögliche therapeutische Sorgfalt und ständige verantwortungsbewusste Überprüfung der Entscheidungsgrundlagen für die jeweils gewährte Lockerungsstufe nach menschlichem Ermessen zu vermeiden. Entscheidungen sind aus diesem Grund im therapeutischen Team im Rahmen von Lockerungskonferenzen zu erarbeiten. Unabdingbar sind insbesondere der Besuch von Fortbildungsveranstaltungen zu dieser Thematik sowie regelmäßige Dienstbesprechungen des in der Maßregelvollzugseinrichtung tätigen Personals (Ärzte und Ärztinnen, Psychologen und Psychologinnen, Pfleger und Pflegerinnen, sonstiges therapeutisches Personal) mit den Polizeidienststellen am Sitz der Maßregelvollzugseinrichtungen, Vollstreckungsbehörden und Strafvollstreckungskammern.
14.5.4 Die Beteiligung der Vollstreckungsbehörde ist in Art. 19 BayMRVG geregelt. Die Beteiligung der Staatsanwaltschaft oder des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter bei Lockerungsentscheidungen nach Art. 19 BayMRVG trägt deren Funktion als Vollstreckungsbehörde Rechnung. Durch die Beteiligung wird Sorge für eine sachgerechte Lockerungspraxis, auch in Vorbereitung auf etwaige Entscheidungen zur Aussetzung der Unterbringung, getragen. Im Rahmen der Beteiligung werden der Vollstreckungsbehörde die der Lockerungsentscheidung zugrunde liegenden wesentlichen tatsächlichen Umstände mitgeteilt.
14.6.4.3 Vor der Entscheidung über die Gewährung von unbegleitetem Ausgang außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung ist die Vollstreckungsbehörde zu hören, Art. 19 Abs. 1 BayMRVG. Bei Personen mit besonderem Sicherungsbedürfnis ist die Vollstreckungsbehörde darüber hinaus auch vor der Entscheidung über die Gewährung von unbegleitetem Ausgang außerhalb des gesicherten Bereichs zu hören, Art. 19 Abs. 1 BayMRVG. Bei Personen mit besonderem Sicherungsbedürfnis ist vor der Entscheidung über die Gewährung von unbegleitetem Ausgang außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung zusätzlich die Polizeidienststelle am Sitz der Maßregelvollzugseinrichtung zu hören. Bei Personen mit besonderem Sicherungsbedürfnis ist vor der Entscheidung über die Gewährung von unbegleitetem Ausgang außerhalb des gesicherten Bereichs die Polizeidienststelle am Sitz der Maßregelvollzugseinrichtung zu informieren. Die Vollstreckungsbehörde ist über die Gewährung der Vollzugslockerung gemäß Art. 19 Abs. 2 BayMRVG zeitnah oder spätestens im Rahmen der regelmäßig zu erstellenden Stellungnahmen gemäß den § 463 StPO und § 67 e StGB zu informieren.
14.6.6.2 Zieht der Leiter oder die Leiterin der Maßregelvollzugseinrichtung eine Beurlaubung in Erwägung, so muss zunächst die Vollstreckungsbehörde gehört werden, Art. 19 Abs. 1 BayMRVG. Bei Personen mit besonderem Sicherungsbedürfnis wird zusätzlich die Polizeidienststelle am Sitz der Maßregelvollzugseinrichtung gehört.
14.6.6.3 Um dem aktuellen Gesundheitszustand gerecht werden zu können, sollte die Anhörung der Vollstreckungsbehörde nicht zu früh, nach Möglichkeit aber spätestens zwei Wochen vor dem Beurlaubungstermin erfolgen. Die Maßregelvollzugseinrichtung teilt dabei der Vollstreckungsbehörde die Gründe der erwogenen Beurlaubung mit und fügt eine Stellungnahme des behandelnden Arztes oder Therapeuten zum aktuellen Gesundheitszustand der untergebrachten Person bei. Der Vollstreckungsbehörde werden gegebenenfalls auch die Bezugspersonen, die die untergebrachte Person beaufsichtigen oder bei denen sie die Zeit der Beurlaubung verbringen will, mitgeteilt, da sich aus deren Person Bedenken gegen die Beurlaubung ergeben können (z. B. wegen einer Beteiligung an den früheren Straftaten oder weil es sich um das Tatopfer handelt). Erhebt die Vollstreckungsbehörde Bedenken gegen die Beurlaubung, so gibt sie in ihrer Stellungnahme die Gründe an.
14.6.6.4 Sowohl die Mitteilung durch die Maßregelvollzugseinrichtung als auch die Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde werden schriftlich abgegeben (z.B. per Telefax oder – wenn die Möglichkeit einer Endezu-Ende-Verschlüsselung besteht – durch vertrauliche elektronische Kommunikation mit Endezu-Ende-Verschlüsselung); in dringenden Fällen können die Anhörung und die Stellungnahme ausnahmsweise telefonisch erfolgen. Der Leiter oder die Leiterin der Maßregelvollzugseinrichtung ist bei der Entscheidung über die Gewährung einer Beurlaubung nicht an die Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde gebunden.
14.6.6.8 Im Rahmen der Optimierung der Entlassungsvorbereitungen kann eine Beurlaubung in eine geeignete Wohnform für einen längeren Zeitraum gewährt werden (Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens, Art. 18 BayMRVG). Dies dient der Überprüfung, ob sich die untergebrachte Person über einen längeren Zeitraum außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung in relativer Selbstständigkeit bewährt. Die Vollstreckungsbehörde ist vor der Gewährung der Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens gemäß Art. 19 Abs. 1 BayMRVG zu hören und über die Gewährung der Vollzugslockerung gemäß Art. 19 Abs. 2 BayMRVG zu informieren. Vor Gewährung der Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens ist die Strafvollstreckungskammer oder bei einer Unterbringung nach § 7 JGG der Jugendrichter zu unterrichten, Art. 18 BayMRVG. Bei Personen mit besonderem Sicherungsbedürfnis wird zusätzlich die Polizeidienststelle am Sitz der Maßregelvollzugseinrichtung gehört. Bei besonderen Vorkommnissen ist die zuständige Vollstreckungsbehörde zu unterrichten. Nr. 33.5 gilt entsprechend.
Abschnitt 6 Beteiligung anderer Behörden
40. Justizbehörden
40.1 Die Justizbehörden sind kraft Bundesrecht (§§ 451 und 463 StPO, § 82 JGG) zuständig für die Vollstreckung, das heißt sie haben den Vollzug herbeizuführen und dahingehend zu überwachen, dass die Freiheitsentziehung nach ihrer Dauer und ihrer Art dem ergangenen Gerichtsurteil entspricht. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben sowie zur Geltendmachung sonstiger straf- oder sicherheitsrechtlicher Belange sind sie kraft Landesrecht auch an bestimmten Vollzugsmaßnahmen, z. B. bei der Gewährung bestimmter Vollzugslockerungen (Art. 19 BayMRVG) zu beteiligen oder über die Möglichkeit zu informieren, die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder die Unterbringung für erledigt zu erklären (Art. 35 Abs. 1 BayMRVG).
b) Bayerisches Landessozialgericht
Das Bayerische Landessozialgericht geht von einem Einvernehmen – und nicht von einer bloßen Anhörung – aus und führt in seinem Beschluss vom 21.01.2019 (Az. L 7 AS 24/19 B ER) insbesondere folgendes zur verfahrensgegenständlichen Thematik aus: „Obwohl eine förmliche Entlassung aus dem Maßregelvollzug nicht erfolgt ist, entfällt die Wirkung der richterlichen Anordnung durch die im Einvernehmen mit der Strafvollstreckungsbehörde gewährte Möglichkeit des Probewohnens außerhalb der Einrichtung.“
c) Vorschriften zur Beteiligung der Vollstreckungsbehörde in anderen Bundesländern
aa) § 15 Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz
(5) Vor der Bewilligung von Freigang, Ausgang oder Urlaub ist die Vollstreckungsbehörde zu hören. Ist bei einer Unterbringung der Schutz der Allgemeinheit besonders zu beachten, so dürfen Freigang, Ausgang und Urlaub nur im Einvernehmen mit der Vollstreckungsbehörde gewährt werden. Das Nähere bestimmt das Fachministerium im Einvernehmen mit dem Justizministerium.
Das Oberlandesgericht Celle (Beschluss vom 21.01.2008, 1 Ws 34/08, NStZ 2008, 347) führte im Zusammenhang mit einer Ersetzung des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft durch Beschluss der StVK Folgendes aus: „Hierbei ist unerheblich, dass die StA ihre nach § 15 V 2 Nds.MVollzG erforderliche Zustimmung zum Gewähren von Lockerungen nicht erteilt hatte. Denn bei der Zustimmung handelt es sich allgemeiner Auffassung zufolge nicht um eine anfechtbare Vollstreckungsverfügung, sondern um einen Bestandteil des vollzugsrechtlichen Verfahrens. Die Zustimmung ist lediglich Rechtsvoraussetzung für das Bewilligen von Lockerungen durch die Ag`in, deren Fehlen durch die StVK ersetzt werden kann und hierdurch wirkungslos wird. Demnach ist die StA als Vollstreckungsbehörde auch an dem auf zustimmungspflichtige Lockerungen ausgerichteten vollzugsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt (OLG Stuttgart NStZ 1986, 525, 526; vgl. auch LG Heilbronn Justiz 1998, 43, 43).“
bb) § 18 Maßregelvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen
(4) Vor der Bewilligung von Vollzugslockerungen nach Absatz 2 Nrn. 1 bis 4 ist die Vollstreckungsbehörde zu hören, soweit sie es im Aufnahmeersuchen angeordnet hat. Bei Patientinnen und Patienten, die hinsichtlich ihrer Anlaßtat, insbesondere bei Tötungs-, schweren Gewalt- und Sexualdelikten, ihrer Störung und ihres Behandlungsverlaufs besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung ihrer Gefährlichkeit bieten, ist vor ersten Vollzugslockerungen, bei denen eine Aufsicht durch Bedienstete der Einrichtung nicht gewährleistet ist, das Benehmen mit der Vollstreckungsbehörde herzustellen. Soweit erforderlich ist ein kurzes Sachverständigengutachten nach Maßgabe des § 16 Abs. 3 einzuholen. Näheres zur Beteiligung der Vollstreckungsbehörde an Lockerungsentscheidungen kann das für den Maßregelvollzug zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für die Rechtspflege zuständigen Ministerium regeln.
cc) § 19 Abs. 1 bis Abs. 3 Maßregelvollzugsgesetz Schleswig-Holstein
(1) Die Einrichtung des Maßregelvollzugs benachrichtigt die Strafvollstreckungsbehörde rechtzeitig vor dem beabsichtigten Beginn über
1.eine Außenbeschäftigung,
2.Freigang,
3.Ausgang,
4.die Verlegung in den offenen Vollzug,
5.Urlaub bis zu drei Tagen oder
6.Probewohnen 
und damit verbundene Weisungen.
Urlaub von mehr als drei Tagen ist nach Anhörung und unter Benachrichtigung der Strafvollstreckungsbehörde zulässig.
(2) Die Strafvollstreckungsbehörde kann innerhalb von vier Wochen nach dem Zugang der Benachrichtigung gegen eine Maßnahme nach Absatz 1 Nr. 1 bis 6 Bedenken erheben und hinsichtlich der Art der Maßnahme oder einer Weisung Änderungen vorschlagen. Die Strafvollstreckungsbehörde hat Bedenken und Änderungsvorschläge zu begründen. Die Einrichtung des Maßregelvollzugs ist an Bedenken und Vorschläge der Vollstreckungsbehörde nicht gebunden. Die Gründe der Nichtberücksichtigung sind der Vollstreckungsbehörde mitzuteilen und zur Krankenakte zu nehmen.
dd) §§ 25, 26, 27 Maßregelvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt
§ 25
(2) Unter Berücksichtigung der von der untergebrachten Person ausgehenden Gefährdung und des Behandlungsergebnisses soll die Unterbringung nach Möglichkeit gelockert und in weitgehend freien Formen durchgeführt werden, wenn dadurch das Ziel der Unterbringung gefördert wird und nicht zu befürchten ist, dass sie die ihr eingeräumten Möglichkeiten missbrauchen wird, insbesondere sich oder die Allgemeinheit gefährdet oder sich dem Vollzug entzieht. Der untergebrachten Person können dazu Lockerungen des Vollzugs oder Urlaub gewährt werden, sie kann in den offenen Vollzug oder in Wohneinrichtungen außerhalb der Einrichtung zum Zwecke des Probewohnens verlegt werden.
(…)
(3) Für die Überwachung von Maßnahmen nach Absatz 2 Satz 2 ist die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter zuständig. Ergibt sich der Verdacht auf einen Verstoß gegen Vorgaben, die im Zusammenhang mit der Gewährung von Maßnahmen gemacht wurden, entscheidet die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter über eine Sanktion auf diesen Verstoß. Soweit die Gewährung der Maßnahme der Einwilligung der Vollstreckungsbehörde bedurfte, ist eine Einwilligung der Vollstreckungsbehörde zu einer vorzuschlagenden Sanktion einzuholen. Ist ein Einvernehmen nicht zu erzielen, so ist nach Maßgabe der Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde zu verfahren. Bei Gefahr im Verzug darf die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter sofort handeln, sofern eine rechtzeitige Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nicht herbeigeführt werden kann.
§ 26
(3) Über die Gewährung von Lockerungen des Vollzugs entscheidet die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der Einrichtung. Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden. Die erstmalige Gewährung von Ausgang oder Freigang bedarf der Einwilligung der Vollstreckungsbehörde. Die Gewährung offenen Vollzugs oder des Probewohnens bedarf der Einwilligung der untergebrachten Person und der Vollstreckungsbehörde.
ee) § 23 Thüringer Maßregelvollzugsgesetz
(4) Bei Untergebrachten, die hinsichtlich ihrer Anlasstat, insbesondere bei Tötungs-, schweren Gewalt- und Sexualdelikten, ihrer Störung und ihres Behandlungsverlaufs besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung ihrer Gefährlichkeit bieten, ist vor einer erstmaligen Vollzugslockerung nach Absatz 1 stets das Einvernehmen der Vollstreckungsbehörde einzuholen. Soweit erforderlich, ist ein Sachverständigengutachten einzuholen. Bedenken gegen die geplante Vollzugslockerung hat die Vollstreckungsbehörde innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Aufforderung zur Abgabe der Stellungnahme zu erheben. In diesem Fall soll sie hinsichtlich der Art der geplanten Maßnahme oder Auflage Änderungen vorschlagen.
(5) Vollzugslockerungen und Verlegung in die offene Unterbringung bedürfen des Einvernehmens der Vollstreckungsbehörde und sind dem Interventionsbeauftragten umgehend mitzuteilen.
ff) § 27 Maßregelvollzugsgesetz Rheinland-Pfalz
(3) Freiheitseinschränkungen und Lockerungen sind in die folgenden Stufen gegliedert:
Stufe 0: Die untergebrachte Person ist nicht berechtigt, die Einrichtung zu verlassen,
Stufe 1: Die untergebrachte Person ist berechtigt, die Einrichtung in Begleitung von Beschäftigten der Einrichtung zu verlassen (Ausführung),
Stufe 2: Die untergebrachte Person ist berechtigt, die Einrichtung ohne Begleitung zu verlassen (Ausgang, Freigang),
Stufe 3: Die untergebrachte Person ist berechtigt, auch über Nacht der Einrichtung fernzubleiben (offene Unterbringung, externer Aufenthalt zur Vorbereitung der Wiedereingliederung).
Die Einrichtungen können innerhalb dieser Stufen weitere Differenzierungen vornehmen. Vor Entscheidungen über Lockerungen von Freiheitseinschränkungen ab Stufe 2 ist die Vollstreckungsbehörde zu hören.
d) Fazit
Eine „Anhörung“ verwirklicht den rechtsstaatlichen Anspruch auf rechtliches Gehört vor Gericht (Art. 103 GG) und im Verwaltungsverfahren und gibt in gerichtlichen und behördlichen Verfahren den Beteiligten die Gelegenheit, sich zu der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern.
Eine Anhörung i.S.d. § 28 VwVfG wird definiert als die Gelegenheit, sich innerhalb einer angemessenen Frist zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und zum möglichen Ergebnis zu äußern.
Nach einer Gesamtschau und einer Gesamtwürdigung sämtlicher aufgeführten Punkte handelt es sich nach Auffassung der Kammer bei der Anfrage der Antragsgegnerin bei der Vollstreckungsbehörde bzgl. der Gewährung einer Lockerungsstufe nicht um eine bloße Anhörung i.S.d. Art. 28 VwVfG und eine damit einhergehende Gelegenheit zur Äußerung, sondern um eine Beteiligung der Vollstreckungsbehörde, deren Stellungnahme im Rahmen der Lockerungsentscheidung mitzuberücksichtigen und demzufolge auch abzuwarten ist. Dafür sprechen insbesondere die Begründung des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes sowie die Verwaltungsvorschriften zum BayMRVG:
Die Vollstreckungsbehörde erholt nach Eingang der Anfrage – insbesondere betreffend die Person des Untergebrachten – eine Verfahrensliste (VL), eine Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Zentralregister (ZStV) sowie eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister und verfügt damit über weitere Erkenntnismöglichkeiten, die der Antragsgegnerin nicht zugänglich sind.
Nach der Gesetzesbegründung zum Bayerischen Maßregelvollzugsgesetz und den Verwaltungsvorschriften gebietet es jedoch der Schutz der Allgemeinheit vor allem, bei der Entscheidung über Vollzugslockerungen alle Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Dies insbesondere, um die Gefahr zu minimieren, dass sich die untergebrachte Person anders verhält, als dies die aktuelle therapeutische Beurteilung erwarten ließ. Die Gesetzesbegründung spricht in den Ausführungen zu Art. 19 BayMRVG unter Bezugnahme auf die Anhörung zudem von einem „Erfordernis der Beteiligung“ der Vollstreckungsbehörde, demzufolge bereits nach dem Wortlaut von einer aktiven Rolle der Vollstreckungsbehörde auszugehen ist.
Nach den Verwaltungsvorschriften zum BayMRVG wird durch Beteiligung der Staatsanwaltschaft bei Lockerungsentscheidungen deren Funktion als Vollstreckungsbehörde Rechnung sowie Sorge für eine sachgerechte Lockerungspraxis getragen. Bedenken der Vollstreckungsbehörde können sich insbesondere auch aus der Person der Bezugsperson ergeben (z.B. wegen einer Beteiligung an den früheren Straftaten).
Weiter wird in den Verwaltungsvorschriften ausgeführt, dass der Leiter der Maßregelvollzugseinrichtung bei der Entscheidung nicht an die Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde gebunden ist. Daraus ergibt sich jedoch, dass bei der Entscheidung über die Gewährung von Lockerungen jedenfalls eine Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde vorliegen muss.
Abschließend ist insbesondere geregelt, dass die für die Vollstreckung zuständigen Justizbehörden den Vollzug herbeizuführen und dahingehend zu überwachen haben, dass die Freiheitsentziehung nach ihrer Dauer und ihrer Art dem ergangenen Gerichtsurteil entspricht.
Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben sowie zur Geltendmachung sonstiger straf- oder sicherheitsrechtlicher Belange sind sie kraft Landesrecht auch an bestimmten Vollzugsmaßnahmen, z. B. bei der Gewährung bestimmter Vollzugslockerungen (Art. 19 BayMRVG) zu beteiligen. Dies spricht ebenfalls für eine vorgesehene und aktive Beteiligung der Vollstreckungsbehörde in Form der Abgabe einer Stellungnahme zu beabsichtigten Lockerungen.
Weder das Bayerische Maßregelvollzugsgesetz noch die Verwaltungsvorschriften hierzu sehen – anders als vereinzelte Regelungen in anderen Bundesländern (vgl. 3. c)) – eine Frist für die Vollstreckungsbehörde zur Abgabe einer Stellungnahme vor.
Die Antragsgegnerin hat nach ihrer Anfrage vom 02.09.2019 hinsichtlich der Lockerungsstufe P unstreitig frühzeitig und mehrfach telefonisch bei der Vollstreckungsbehörde – am 08.10.2019, 12.11.2019, 15.11.2019 und am 19.11.2019 – bezüglich der ausstehenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft – ohne Erfolg – nachgefragt.
Eine Rechtsverletzung durch die Antragsgegnerin vermag die Kammer demnach nicht zu erkennen, zumal die Antragsgegnerin vor einer Lockerungsentscheidung den Eingang der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft abzuwarten hatte und diesbezüglich auch nicht untätig geblieben ist.
Dahingestellt bleiben kann somit auch die Behauptung des Antragstellervertreters, dass das Abwarten der Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde zu einer Verzögerung des Probewohnens und damit zu einer längeren Unterbringung und einer späteren Entlassung des Antragstellers geführt habe. Deren Betrachtung wäre unabhängig davon rein hypothetischer Natur.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 StVollzG.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 60, 52 Absatz 1 bis 3 GKG.


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