Strafrecht

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 13 Abs 1 GG durch Wohnungsdurchsuchung bei unzureichendem Tatverdacht – hier: Onlineversteigerung neuwertiger, teilweise originalverpackter Mobiltelefone in größerer Anzahl durch Privatperson begründet noch keinen Verdacht der Hehlerei

Aktenzeichen  2 BvR 2561/08

Datum:
10.9.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Stattgebender Kammerbeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100910.2bvr256108
Normen:
Art 13 Abs 1 GG
§ 93c Abs 1 S 1 BVerfGG
Art 23 PolAufgG BY
Art 24 PolAufgG BY
Art 25 Nr 1 PolAufgG BY
Art 25 Nr 2 PolAufgG BY
§ 259 StGB
§ 102 StPO
Spruchkörper:
2. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 19. Dezember 2008, Az: 13 Qs 66/2008, Beschlussvorgehend LG Nürnberg-Fürth, 11. November 2008, Az: 13 Qs 66/2008, Beschlussvorgehend AG Nürnberg, 24. September 2004, Az: 57 Gs 14807/08, Beschluss

Tenor

Die Beschlüsse des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. November 2008 und 19. Dezember 2008 – 13 Qs 66/2008 – und des Amtsgerichts Nürnberg – Ermittlungsrichter – vom 24. September 2008 – 57 Gs 14807/08 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Sache wird an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

Gründe

A.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafprozessuale Durchsuchungsanordnung.

I.
2
1. Bei einer polizeilichen Routine-Kontrolle der Internet-Plattform ebay nach Hinweisen auf Straftaten wurde festgestellt,
dass der Beschwerdeführer in dem Zeitraum vom 12. Juni 2008 bis 25. Juli 2008 insgesamt 182 Mobiltelefone, davon 46 Stück
Neuware in Originalverpackung, veräußert hatte. Im Zeitraum vom 8. März 2008 bis zum 1. Juli 2008 hatte der Beschwerdeführer
seinerseits 22 Mobiltelefone im Internet angekauft; über die Herkunft der anderen 160 Mobiltelefone bestanden keine Erkenntnisse.
Preisvergleiche mit anderen Internet-Versandhäusern hatten ergeben, dass die Mobiltelefone in der Regel unter dem Preis der
billigsten Anbieter abgegeben wurden. Insbesondere die als neu und originalverpackt angebotenen Mobiltelefone waren teilweise
unter dem Preis der Groß-Discounter veräußert worden. Eine Nachfrage beim Gewerbeaufsichtsamt ergab außerdem, dass der Beschwerdeführer
kein Gewerbe angemeldet hatte.

3
2. Die Polizei beantragte daraufhin den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses nach Art. 23, 24 des Gesetzes über die Aufgaben
und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG), weil sie noch keinen konkreten Hinweis auf
eine Straftat sah. Wegen des Verdachts der widerrechtlichen Erlangung sollte zunächst auf eine unterbindende Sicherstellung
nach Art. 25 Nr. 1 und 2 PAG hingewirkt werden. Hingegen erachtete das Amtsgericht Nürnberg einen hinreichenden Tatverdacht
für eine Durchsuchung nach § 102 StPO gegeben und übersandte die Akte der Staatsanwaltschaft, die einen entsprechenden Durchsuchungsbeschluss
beantragte.

4
3. Das Amtsgericht Nürnberg erließ daraufhin am 24. September 2008 einen Durchsuchungsbeschluss. Es bestehe der Tatverdacht
der Hehlerei, weil zu vermuten sei, dass die von dem Beschwerdeführer verkauften Mobiltelefone aus vorangegangenen Diebstählen
oder Betrugsstraftaten stammten und nun vom Beschwerdeführer in Gewinnerzielungsabsicht weiterverkauft würden. Die Durchsuchung
diene der Auffindung von Mobiltelefonen, Rechnungen, Computern und sonstigen Schriftstücken oder Datenträgern, die Aufschluss
über Herkunft und Verbleib der verkauften Mobiltelefone geben.

5
4. Bei der Durchsuchung am 16. Oktober 2008 wurden diverse Gegenstände sichergestellt, von denen ein Teil dem Beschwerdeführer
zeitnah zurückgegeben wurde. Die Beschlagnahmeanordnung ist nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.

6
5. Die gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegte Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer das Fehlen eines Tatverdachts
und die fehlende Bestimmtheit des Durchsuchungsbeschlusses sowie die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme rügte, verwarf das
Landgericht mit Beschluss vom 11. November 2008 als unbegründet. Der Tatverdacht ergebe sich hier daraus, dass der Beschwerdeführer
ausweislich der Auskunft der Firma ebay kein Gewerbe angemeldet habe, als Privatverkäufer innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums
von sechs Wochen eine große Anzahl von teils hochwertigen, teils auch originalverpackten Handys versteigert habe und die Versteigerungserlöse
im Regelfall unter dem Preis der billigsten Anbieter gelegen hätten. Angesichts der hohen Anzahl der versteigerten Geräte
insgesamt und des hohen Anteils von neuwertigen, originalverpackten Geräten bestehe durchaus der Verdacht, dass die Geräte
nicht auf legalem Weg in den Besitz des Beschwerdeführers gelangt seien. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig, weil mit der
Auffindung von Beweismitteln zu rechnen gewesen sei. Es erscheine zudem von vornherein aussichtslos, die Ersteher der Geräte,
die zu dem Beschwerdeführer aufgrund der Anonymität der Plattform regelmäßig keinen weiteren Kontakt hätten und sich allein
auf dessen Angaben zu der Ware verlassen müssen, zu deren Herkunft zu befragen.

7
6. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers, der bereits zuvor wiederholt Akteneinsicht beantragt hatte, konnte erst am 13.
November 2008 auf der Geschäftsstelle Akteneinsicht nehmen. Aus diesem Grund erhob er am 1. Dezember 2008 Anhörungsrüge nach
§ 33a StPO. Die Beschwerdeentscheidung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil zuvor keine Akteneinsicht gewährt worden sei.
Das Landgericht hätte die Entscheidung nicht auf die ebay-Auskunft und die fehlende Gewerbeanmeldung stützen dürfen, weil
es sich dabei um nachgeschobene Argumente handele.

8
7. Das Landgericht verwarf die Gegenvorstellung mit Beschluss vom 19. Dezember 2008 als unbegründet. Der Bevollmächtigte des
Beschwerdeführers habe zwei Tage nach der Beschwerdeentscheidung Akteneinsicht erhalten; Einwendungen, die ihm aufgrund der
Akteneinsicht nunmehr erstmals möglich geworden wären und die das Landgericht bei seiner Entscheidung fehlerhaft nicht berücksichtigt
hätte, teile er jedoch nicht mit. Ein Nachschieben von Gründen liege nicht vor. Bereits der polizeiliche Ermittlungsbericht
stelle maßgeblich auf die ebay-Auskunft ab und damit auch der Beschluss des Amtsgerichts.

9
8. Das Ermittlungsverfahren ist mit Verfügung vom 5. August 2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

II.
10
Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Rechten aus Art. 13 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

11
1. Art. 13 Abs. 1 GG sei verletzt, weil kein hinreichender Tatverdacht bestanden habe. Auf der Internet-Plattform ebay würden
auch von Privatpersonen täglich tausende Artikel umgesetzt. Auch die Behauptung in dem Durchsuchungsbeschluss, die Mobiltelefone
seien in der Regel unter dem Preis der billigsten Anbieter abgegeben worden, sei unzutreffend und an keiner Stelle belegt.
Tatsächlich habe es sich bei einem Großteil der Geräte um defekte Ware gehandelt, die im Handel aussortiert und von dem Beschwerdeführer
repariert worden sei und keinen handelsüblichen Marktpreis habe. Einen handelsüblichen Marktpreis hätten allein die originalverpackten,
neuen Geräte. Allerdings habe der Beschwerdeführer bei der Auktion keinen Einfluss auf den tatsächlich erzielten Endpreis
gehabt.

12
2. Der Ermittlungsrichter sei seiner Verpflichtung zur eigenständigen Überprüfung des Tatverdachts nicht nachgekommen. Vielmehr
habe die Polizei in ihrem Antrag ausgeführt, dass ein konkreter Hinweis auf eine Straftat bisher noch nicht vorliege. Weitere
Ermittlungsmaßnahmen seien von dem Ermittlungsrichter aber nicht vorgenommen worden.

13
3. Die Durchsuchung sei unverhältnismäßig gewesen, weil die Herkunft der Mobiltelefone durch weniger einschneidende Maßnahmen
hätte aufgeklärt werden können. So hätten Testkäufe durchgeführt oder die ermittelten Käufer der Mobiltelefone befragt werden
können. Die Vorlage einer Rechnung sei nicht nachgefragt worden und es sei nicht ermittelt worden, ob der Beschwerdeführer
die Mobiltelefone möglicherweise auf legale Weise erworben hat.

14
4. Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil das Landgericht in seiner Beschwerdeentscheidung in unzulässiger Weise auf Inhalte
der Ermittlungsakte (Bericht von ebay; Ermittlungen der Polizei) Bezug nehme, die in dem angegriffenen Durchsuchungsbeschluss
selbst keinen Niederschlag gefunden hätten. Die Bezugnahme auf die “bisherigen polizeilichen Ermittlungen” sei nicht ausreichend,
weil andernfalls faktisch keinerlei formale Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss zu stellen wären. Außerdem habe
sich das Landgericht nicht mit der Möglichkeit eines Testkaufs auseinandergesetzt.

III.
15
1. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hält in seiner Stellungnahme vom 27. April 2009 die
Verfassungsbeschwerde für unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 19. Dezember 2008 richtet,
und im Übrigen für unbegründet.

16
a) Soweit der Beschwerdeführer meine, mit der Entscheidung vom 19. Dezember 2008 über die Anhörungsrüge habe das Landgericht
wiederum sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, habe er den Rechtsweg nicht erschöpft, weil er insoweit eine neuerliche
Anhörungsrüge habe erheben können.

17
b) Art. 13 GG sei durch den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts und die angegriffene Beschwerdeentscheidung
des Landgerichts nicht verletzt. Es habe ein die Durchsuchung rechtfertigender Tatverdacht vorgelegen, der sich hier aus den
polizeilichen Ermittlungen zu den festgestellten Verkaufsvorgängen und -umständen in Zusammenschau mit der fehlenden Gewerbeanmeldung
des Beschwerdeführers ergebe. Die hohe Anzahl der Verkäufe von teilweise originalverpackter Neuware innerhalb eines relativ
kurzen Zeitraums auf einer Internetauktionsplattform, die weitgehende Anonymität gewährleiste, sowie die Verkaufspreise, welche
die billigsten am Markt gewesen seien, und der Umstand, dass der Beschwerdeführer kein gewerblicher Händler gewesen sei, hätten
nahegelegt, dass der Beschwerdeführer Waren aus illegaler Herkunft veräußert habe.

18
Der Tatvorwurf und die Verdachtsgrundlagen seien in dem Durchsuchungsbeschluss hinreichend konkret bezeichnet und auch die
aufzufindenden Beweismittel seien ausreichend umschrieben. Die Bezugnahme in dem Durchsuchungsbeschluss auf die polizeilichen
Ermittlungsergebnisse sei unschädlich, weil hiermit ersichtlich die von der Polizei im Vorfeld gewonnenen Erkenntnisse gemeint
gewesen seien.

19
Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liege nicht vor, weil die Durchsuchung ein taugliches Mittel zur Erforschung
des Sachverhalts gewesen sei. Ein milderes, aber ebenso effektives Mittel sei nicht ersichtlich gewesen; insbesondere hätte
ein Testkauf bei dem Beschwerdeführer oder die Befragung sämtlicher bisheriger Käufer des Beschwerdeführers aller Voraussicht
nach keine zuverlässigen Erkenntnisse über die Herkunft der Mobiltelefone erbracht. Bei einem Testkauf hätte zwar nach der
Bezugsquelle eines angebotenen Mobiltelefons gefragt und eventuell hierauf irgendeine Antwort erlangt werden können, jedoch
sei nicht zu erwarten gewesen, dass hierdurch Auskünfte über die Herkunft aller anderen bereits verkauften Mobiltelefone erlangt
werden können. Auch die bisherigen Käufer hätten nur Angaben zu dem Ablauf ihres eigenen Kaufes machen können, wobei nicht
anzunehmen sei, dass sie sich jeweils zuvor über die Herkunft des Mobiltelefons bei dem Beschwerdeführer informiert hätten.

20
Etwaige Defizite in der Begründung der Durchsuchungsanordnung seien zudem durch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts
geheilt worden, das Darlegungen zu den Verdachtsgrundlagen in zulässiger Weise nachgeschoben hätte. Es seien nicht etwa neue
Verdachtsgrundlagen hinzugefügt worden, sondern nur die bei Erlass des angegriffenen Beschlusses bereits vorliegenden Erkenntnisse
dargelegt worden.

21
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nicht ersichtlich. Auf die Anhörung des Beschwerdeführers vor Erlass
und Vollzug der Durchsuchungsanordnung habe nach § 33 Abs. 4 StPO verzichtet werden dürfen, weil die Gefahr der Vereitelung
des Durchsuchungserfolgs bestanden habe. Auch durch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 11. November 2008 sei
der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör letztlich nicht verletzt worden, obwohl seinem Verteidiger vor Erlass
des Beschlusses zunächst keine Akteneinsicht gewährt worden sei. Der Verteidiger des Beschwerdeführers habe nämlich am 13.
November 2008 umfassend Akteneinsicht nehmen und sich hierzu umfassend äußern können, so dass eine etwaige Gehörsverletzung
geheilt worden sei. Dass der Verteidiger des Beschwerdeführers am 13. November 2008 aus allein in seinem Verantwortungsbereich
liegenden, zeitlichen Gründen die Akte nicht habe vollständig ablichten können, führe zu keinem anderen Ergebnis.

22
2. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers hat hierauf mit Schriftsatz vom 11. Mai 2009 erwidert. Die Darlegungen des Ministeriums
zur Anonymität der Internetplattform ebay seien falsch. Die Behauptung, die erzielten Verkaufspreise seien die “billigsten
am Markt” gewesen, sei nicht etwa durch die Einholung von Vergleichsangeboten überprüft worden. Außerdem habe der Verkäufer
bei echten so genannten Chinese Auctions nicht die Möglichkeit, auf den Kaufpreis Einfluss zu nehmen. Zudem habe der Beschwerdeführer,
soweit er Neuware angeboten habe, teilweise Festpreise bestimmt, die durchaus dem Marktpreis entsprochen hätten. Der Umstand,
dass der Beschwerdeführer nicht als gewerblicher Händler gemeldet gewesen sei, könne lediglich einen Verdacht einer Ordnungswidrigkeit
nach § 146 Abs. 2 Nr. 1 GewO begründen.

23
3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth – 416 Js 49156/08 – vorgelegen.

B.
24
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers
angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen
Fragen zu Art. 13 Abs. 1 GG durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde insoweit
offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Der Beschluss des Amtsgerichts und die diesen bestätigenden Beschlüsse
des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.

I.
25
1. Art. 13 Abs. 1 GG gewährt einen räumlich geschützten Bereich der Privatsphäre, in dem jedermann das Recht hat, in Ruhe
gelassen zu werden (vgl. BVerfGE 51, 97 ; 103, 142 ). Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die
Unverletzlichkeit der Wohnung ist jedenfalls der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. Das Gewicht des Eingriffs
verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen
liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 59,
95 ; 115, 166 ; 117, 244 ). Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur
Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus (vgl. BVerfGK 8, 332 ; 11,
88 ).

26
2. Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

27
a) Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung ist der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts in der Gestalt der Beschwerde-
und Gegenvorstellungsentscheidungen des Landgerichts.

28
aa) Um der Funktion einer vorbeugenden Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl. BVerfGE
57, 346 ; 76, 83 ; 103, 142 ) gerecht zu werden, darf das Beschwerdegericht seine Entscheidung nicht auf
Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren. Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren die Sach- und
Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses. Das Beschwerdegericht darf zur Begründung seiner Entscheidung
daher keine Erkenntnisse heranziehen, die erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden. Die Kontrollfunktion des Richtervorbehalts
verbietet es, mangelhafte Umschreibungen des Tatvorwurfs oder der zu suchenden Beweismittel nachträglich zu heilen, denn beide
Angaben dienen den durchsuchenden Beamten zur Begrenzung des Eingriffs auf das zur Zweckerreichung erforderliche Maß (vgl.
BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, NJW 2004, S. 3171).
Die Umgrenzung des Tatvorwurfs versetzt zugleich den Betroffenen in den Stand, die Durchsuchung zu kontrollieren und Rechtsschutz
zu suchen (vgl. BVerfGE 42, 212 ; 103, 142 ). Das schließt es nicht aus, die Begründung des Beschlusses des
Amtsgerichts in den Grenzen zu ergänzen, die die Funktion der präventiven Kontrolle wahren, oder eine andere rechtliche Beurteilung
an die damals vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse zu knüpfen.

29
bb) Die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts hält sich innerhalb dieser Grenzen. Das Landgericht hat sich zur Begründung
des Tatverdachts gegen den Beschwerdeführer zusätzlich auf die Auskunft des Unternehmens ebay vom 26. August 2008 und den
Umstand gestützt, dass der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum kein Gewerbe angemeldet hatte. Diese Erkenntnisse waren
bereits Gegenstand des Antrags nach Art. 23, 24 PAG und dem Ermittlungsrichter mithin bekannt. Ein unzulässiges Nachschieben
von Gründen, wie vom Beschwerdeführer behauptet, ist daher nicht erkennbar; die Verfahrensweise des Landgerichts unterliegt
insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

30
b) Jedoch ist die Annahme eines ausreichenden Tatverdachts von Verfassungs wegen nicht haltbar. Der Verdacht der Hehlerei
(§ 259 StGB) setzt unter anderem den Verdacht voraus, dass die Sache durch einen Diebstahl oder ein anderes Vermögensdelikt
erlangt worden ist. Im vorliegenden Fall wird der Tatverdacht allein darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer in kurzer
Zeit eine große Anzahl von Mobiltelefonen, von denen einige originalverpackt gewesen sind, über die Internetplattform ebay
versteigert und dabei Verkaufserlöse erzielt hat, die in der Regel unter dem Preis der billigsten Anbieter gelegen haben.
Hierbei handelt es sich indes noch nicht um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Mobiltelefone aus einer
gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat stammten. Allein aus der Anzahl der verkauften Mobiltelefone kann ohne weitere Anhaltspunkte
nicht auf eine Straftat geschlossen werden. Solche weiteren tatsächlichen Anhaltspunkte werden in den angegriffenen Beschlüssen
indes nicht aufgezeigt. Der Hinweis auf die Verkaufserlöse ist eine bloße Behauptung; es hätte zumindest der beispielhaften
Gegenüberstellung von erzielten und handelsüblichen Preisen bedurft. Auch aus dem Auftreten des Beschwerdeführers als Privatperson
kann nicht ohne weiteres auf die Verwirklichung des Straftatbestandes der Hehlerei geschlossen werden. Die Annahme des Verdachts
der Hehlerei beruhte daher auf bloßen Vermutungen, die den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche
Lebenssphäre nicht zu rechtfertigen vermögen.

31
3. Da es schon an dem für die Durchsuchung erforderlichen Tatverdacht fehlt, kommt es auf die übrigen, gegen die Durchsuchungsanordnung
geltend gemachten Beanstandungen nicht mehr an. Gleiches gilt für die erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nach
Art. 103 Abs. 1 GG.

II.
32
Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG.

III.
33
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 Alt. 2 BVerfGG.


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