Strafrecht

Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge, Einnahme harter Drogen („Amphetamin“), Behauptung der unbewussten Aufnahme, Zusätzlich Mischkonsum von Alkohol und Cannabis

Aktenzeichen  M 6 S 20.3576

Datum:
10.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6332
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
FeV § 11 Abs. 7
§§ 3 FeV (analog), 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV
9.2.2 der Anlage 4 zur FeV

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 2001 geborene Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Untersagung, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen.
Die Fahrerlaubnisbehörde erhielt über eine Mitteilung der Zentralen Bußgeldstelle … … … vom … Januar 2020 Kenntnis davon, dass der Antragsteller am … August 2019 mit einem fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeug (E-Roller) unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln am Straßenverkehr teilgenommen hat. Bei der rechtsmedizinischen Untersuchung (Gutachten des Institutes A … … … … … vom … Oktober 2019) einer dem Antragsteller am … August 2019 um 3:11 Uhr entnommenen Blutprobe wurde ein THC-Wert von 6,2 ng/ml bei einem THC-COOH-Wert von 38 ng/ml sowie ein Amphetamin-Wert von ca. 5,6 ng/ml festgestellt. Hinsichtlich des Amphetaminbefundes wurde festgehalten, dass dieser im sehr niedrigen Bereich liege und durch eine gering dosierte und/oder einige Zeit zurückliegende Aufnahme erklärbar sei und erst nach Zugabe deuterierter Standards und geeigneter Aufarbeitung erkennbar wurde. Die Befunde belegen die vorangegangene Aufnahme von Cannabis-Zubereitungen und von Amphetamin. Der Blutalkoholwert betrug laut Gutachten vom … August 2019 zum Zeitpunkt der Probenentnahme 0,57 Promille. Laut Polizeibericht wurde vor Ort eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,31 mg/l festgestellt, was einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von etwa 0,6 Promille entspricht.
Mit Schreiben vom … Mai 2020 hörte ihn die Fahrerlaubnisbehörde zur beabsichtigen Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge an und wies darauf hin, dass bereits der nachgewiesene einmalige Konsum von „harten Drogen“ – wie Amphetamin – die Fahreignung entfallen lasse, sodass dem Antragsteller das Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge untersagt werden müsse.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 15. Juni 2020 ließ der Antragsteller vortragen, dass lediglich ein einmaliger Verstoß (Cannabis) dokumentiert ist.
Mit Bescheid vom 7. Juli 2020, dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 8. Juli 2020, untersagte die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller, fahrerlaubnisfrei Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Verkehrsgrund zu führen (Nr. 1), ordnete die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheides an (Nr. 2) und entschied über die Kosten (Nrn. 3 und 4).
Zur Begründung führte die Fahrerlaubnisbehörde im Wesentlichen aus, der Antragsteller sei infolge seines Amphetaminkonsums gem. § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Der Konsum stehe aufgrund des Gutachtens vom … Oktober 2019 fest. Eine Wiedererlangung der Fahreignung komme zeitlich nicht in Betracht. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass der Antragsteller nachweislich harte Drogen konsumiert habe und damit am Straßenverkehr teilgenommen habe, sodass zu befürchten sei, dass dieser eventuell erneut unter Einfluss von Betäubungsmittel als Führer von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr teilnehmen und damit leben, Gesundheit und Eigentum der übrigen Verkehrsteilnehmer gefährden werde.
Mit Schriftsatz vom 7. August 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 7. August 2020, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen Klage und beantragte zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers vom 7. August 2020 gegen den Bescheid der Landeshauptstadt München vom 7. Juli 2020, zugestellt am 8. Juli 2020, wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass – laut Gutachten – die Konzentration von Amphetamin im Blutplasma in einem vergleichsweise sehr niedrigen Bereich liege und durch eine gering dosierte Aufnahme und/oder einige Zeit zurückliegende Aufnahme erklärbar sei. Die Aufnahme von Amphetamin könne daher auch durch den Kontakt mit einem kontaminierten Gegenstand oder durch das konsumieren eines kontaminierten Getränkes erfolgt sein. Die Tatsache, dass beim Antragsteller bei der Kontrolle keine verhaltensmäßigen Auffälligkeiten festgestellt worden seien, deute ebenfalls auf eine unbeabsichtigte Aufnahme hin. Zudem sei lediglich ein einmaliger Verstoß hinsichtlich der Einnahme von Cannabis dokumentiert. Die Behörde hätte im Rahmen ihres Ermessens weitere Aufklärungsmaßnahmen ergreifen müssen.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor und beantragte mit Schriftsatz vom 3. September 2020,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass bei feststehender Nichteignung wegen der Einnahme harter Drogen die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens unterbleibe. Dies gelte unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr im berauschten Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen. Die völlig unkonkrete Behauptung der unbewussten Aufnahme sei unsubstantiiert und nicht geeignet ausnahmsweise die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung zu rechtfertigen. Im Übrigen sei der Antragsteller auch aufgrund des gleichzeitigen Mischkonsums von Cannabis und Alkohol als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.
Mit Beschluss vom 9. März 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg.
Der nicht zwischen den einzelnen Nummern des Bescheides differenzierende Antrag ist zunächst gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller lediglich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hinsichtlich der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge begehrt. Hinsichtlich der Kostenentscheidung liegen die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO und damit ein Rechtsschutzbedürfnis nicht vor, sodass das Gericht im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers nicht von einer Einbeziehung ausgeht.
Der so verstandene Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen. Abzuwägen ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge führen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs – hier der Klage vom 7. August 2020 – zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist derjenige der letzten Behördenentscheidung, hier also – aufgrund direkter Klageerhebung – die Bekanntgabe des Untersagungbescheides.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 7. Juli 2020 enthaltene Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge unter Anordnung der sofortigen Vollziehung nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht verweist auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid und der Antragserwiderung, denen es im Ergebnis folgt und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu Eigen (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers wird ergänzend ausgeführt:
1. Einwendungen gegen die formellen Anforderungen an die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 3 VwGO) wurden weder vorgebracht noch sind solche ersichtlich. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dargelegt, warum sie im konkreten Einzelfall des Antragstellers im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit vor den Gefährdungen durch ungeeignete Kraftfahrer die sofortige Vollziehung anordnete.
2. Die Fahrerlaubnisbehörde durfte zurecht das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagen.
2.1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen oder Tieren zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur bedingt geeignet dafür erweist. Nach § 3 Abs. 2 FeV finden die Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV – und damit auch § 11 Abs. 7 FeV und die Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV – entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist. Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens.
2.2. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist in der Regel ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnimmt – unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen waren (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069).
Amphetamin stellt ein solches Betäubungsmittel nach § 1 Abs. 1 BtMG dar. Die Fahrerlaubnisbehörde hat sowohl die den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen zutreffend angegeben, als auch im Ergebnis richtig festgestellt, dass der Antragsteller aufgrund des nachgewiesenen Konsums von Amphetamin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit derartiger Drogen kommt es auf die Höhe der Betäubungsmittelkonzentration oder konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne einer Fahruntüchtigkeit nicht an (vgl. o.).
Hierbei bleibt auch das Vorbringen des Antragstellers, der Befund des Amphetamins liege im untersten Bereich und sei möglicherweise auf eine unbewusste Aufnahme zurückzuführen, ohne Erfolg. Soweit der Antragsteller damit den Konsum von Amphetamin als solchen bestreiten will, so setzt die erfolgreiche Behauptung einer unbewussten Drogenaufnahme voraus, dass der Betroffene nachvollziehbar und in sich schlüssig einen Sachverhalt darlegt, der ein derartiges Geschehen ernsthaft möglich erscheinen lässt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308; OVG NRW, B. v. 6.3.2013 – 16 B 1378/12 -, juris, Rn. 4 f.; BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292). Daran fehlt es hier schon im Ansatz. Das alleinige Bestreiten des Konsums und der Erklärung des Antragstellers, dass er das Amphetamin möglicherweise durch einen kontaminierten Gegenstand oder ein kontaminiertes Getränk aufgenommen habe, ist substanzlos. Es fehlt bereits im Ansatz an nachvollziehbaren Angaben zu den näheren Umständen einer unbewussten Einnahme. Der Vortrag ist somit als bloße Schutzbehauptung zu werten.
2.3. Darüber hinaus lag beim Antragsteller zudem ein Mischkonsum von Cannabis und Alkohol vor, der auch für sich genommen die Fahreignung entfallen lässt.
Gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist die Fahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis gegeben, wenn Konsum und Fahren getrennt wird und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol vorliegt. So liegt der Fall aber hier.
Ausweislich der Blutprobe war der Antragsteller am … August 2019 gleichzeitig den Wirkungen von Alkohol und Cannabis ausgesetzt.
Die Antragsgegnerin wies in ihrer Antragserwiderung zurecht darauf hin, dass beim Antragsteller von gelegentlichem Cannabis-Konsum auszugehen sei. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (stRspr, BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – NJW 2019, 3395 Rn. 14). Bei der Wertung, dass der Antragsteller mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Zwar ist die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trägt, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht. Allerdings liegt ein einmaliger Konsum nur dann vor, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurückliegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat. Dies plausibel darzulegen, obliegt dem Betroffenen (BayVGH, B.v. 25.6.2020 – 11 CS 20.791). Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2018 – 11 CS 18.821 – juris Rn. 16 m.w.N.; OVG NW, U.v. 15.3.2017 – 16 A 432/17 – Blutalkohol 54, 328 = juris Rn. 47 ff. m.w.N.). Hier wurde lediglich vorgetragen, dass nur ein einmaliger Verstoß dokumentiert sei. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, muss die Fahrerlaubnisbehörde daher nicht von einem einmaligen Konsum ausgehen.
Beide Substanzen müssen dabei unter zeitlichem und mengenmäßigem Blickwinkel in einer Weise eingenommen worden sein, die zu einer kombinierten Rauschwirkung führen kann (grundlegend: BVerwG, U.v. 14.11.2013 – 3 C 32/12 -, BVerwGE 148, 230/242). Entscheidend ist eine wirkungsbezogene Betrachtungsweise; nötig ist keine gleichzeitige Einnahme der Substanzen, sondern unter zeitlichem Blickwinkel eine Einnahme, die eine kombinierte Rauschwirkung zur Folge haben kann. Mengenmäßig liegen die Schwellenwerte für eine fahrerlaubnisrelevante cannabisbedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml und für eine alkoholbedingte verminderte Fahrtüchtigkeit bei einer BAK von 0,3 bis 0,4 Promille (BVerwG, a.a.O., Rn 28 juris).
Beide genannten Elemente einer möglichen kombinierten Rauschwirkung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Dies ergibt sich aus den Ergebnissen der Blutuntersuchung, wie sie im Gutachten vom … Oktober 2019 niedergelegt sind, wonach beim Antragsteller eine BAK von 0,57 Promille und eine THC-Konzentration von 6,2 ng/ml gemessen wurden. Das Gutachten stellt auch fest, dass zum Zeitpunkt der Blutentnahme eine Wirkung von Cannabis-Inhaltsstoffen vorgelegen hat.
An dem von der Antragsgegnerin angeführten Satz, dass bereits ein Konsum von Cannabis mit zusätzlichem Alkoholkonsum (Mischkonsum) die Fahreignung entfallen lässt, ohne dass es hierbei auf das weitere selbständige Merkmal des fehlenden Trennungsvermögens ankäme (vgl. VGH Mannheim, B. v. 10.2.2006 – 10 S 133/06 -, juris; VG München, U. v. 20.1.2009 – M 6a K 08.417 -, juris; VG Stuttgart, B. v. 23.12.2005 – 10 K 3224/05 -, juris), hat sich durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. April 2019 – 3 C 13/17, wonach erstmals im Straßenverkehr in Erscheinung getretenen gelegentlichen Konsumenten von (nur) Cannabis in der Regel nicht unmittelbar ohne weitere Aufklärung die Fahrerlaubnis entzogen werden darf, nichts geändert. Denn der Mischkonsum erhöht nicht nur die Gefahr, dass sich die gemeinsame Wirkung der eingenommenen Substanzen addiert und möglicherweise potenziert mit Folgen bis zu einem teilweisen oder völligen Kontrollverlust, sodass ein vom Verordnungsgeber hinsichtlich des gelegentlichen Cannabiskonsums ansonsten für möglich gehaltenes Trennungsvermögen nicht mehr als gewährleistet angesehen wird, sondern der Mischkonsum führt auch zu einer Erhöhung des Unfallrisikos durch die kombinierte Rauschwirkung (vgl. VG München, B. v. 15.11.2019 – M 26 S 19.4724 mit Verweis auf BVerwG v. 14.11.2013, a.a.O. Rn. 21 juris). Im vorliegenden Fall lag der THC-Wert mit 6,2 ng/ml deutlich über dem Grenzwert von 1,0 ng/ml und der Antragsteller hat zudem ein fahrerlaubnisfreies Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt, sodass ein besonders verantwortungsloser Umgang mit Cannabis und eine Wiederholung des Verstoßes gegen das Trennungsgebot überdies naheliegt.
2.4. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalls nach Nummer 3 der Vorbemerkung zur Anlage 4 FeV sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Der Antragsteller hat seine Fahreignung zum maßgeblichen Zeitpunkt auch nicht wiedererlangt. Für die Wiedererlangung der Fahreignung ist der Nachweis eines hinreichend langen (vollständigen) Drogenverzichts bzw. eines nur gelegentlichen, der Eignung zum Führen von Fahrzeugen nicht entgegenstehenden (alleinigen) Konsums von Cannabis erforderlich, ferner der Nachweis, dass die Verhaltensänderung hinreichend stabil ist. Der einjährige Abstinenzzeitraum konnte zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht eingehalten sein, sodass im Übrigen auch Anhaltspunkte für eine Wiedererlangung weder vorgetragen noch nachgewiesen wurden. Vielmehr stützt der Antragsteller sein Vorbringen auf das Bestreiten des Amphetamin-Konsums.
2.5. Auf der Rechtsfolgenseite räumt § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV bei feststehender Ungeeignetheit der Fahrerlaubnisbehörde in einem solchen Fall kein Entschließungsermessen, sondern nur ein Auswahlermessen bezüglich Art und Umfang der Maßnahme ein. In der Regel ist allerdings bei erwiesener Ungeeignetheit eine Beschränkung des Führens von Fahrzeugen oder die Anordnung von Auflagen nicht ausreichend, um den Straßenverkehr in hinreichendem Maße vor Gefahren zu schützen, weil sich mit der Feststellung der Nichteignung – anders als bei der bedingten Fahreignung – grundsätzlich eine abstrakte Gefährlichkeit des Betroffenen für den Straßenverkehr manifestiert hat. In einem solchen Fall – wie er auch hier gegeben ist – reduziert sich das Auswahlermessen der Fahrerlaubnisbehörde regelmäßig auf Null, so dass das Führen von Fahrzeugen zu untersagen ist, zumal Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV im Fall der Einnahme Amphetamin keine Beschränkungen oder Auflagen vorsieht. Gleiches gilt für Ziffer 9.2.2 beim Vorliegen von Mischkonsum. Vor diesem Hintergrund ist die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auch verhältnismäßig.
3. Angesichts der mangelnden Erfolgsaussichten der Klage und der Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Personen hat es bei der sofortigen Vollziehung der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zu verbleiben und müssen die privaten Interessen des Antragstellers zurücktreten.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. den Empfehlungen Nr. 1.5 Satz 1 und 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl 2019, Anhang § 164 Rn. 14).


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