Strafrecht

Verabreichung von Impfstoff entgegen der Coronavirus-Impfverordnung außerhalb des vorgesehenen Verteilungsweges

Aktenzeichen  18 Qs 24/21, 18 Qs 25/21

Datum:
24.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4626
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Der Verkauf und die Verabreichung von COVID-19-Impfstoff außerhalb des durch die Coronavirus-Impfverordnung vorgesehenen Verteilungsweges und entgegen den dort beschriebenen Voraussetzungen an nicht berechtigte Empfänger kann den Tatbestand der (veruntreuenden) Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 und 2 StPO erfüllen.
2. Die Tatbestände der §§ 299a und 299b StGB der Bestechlichkeit bzw. Bestechung im Gesundheitswesen sind – trotz einer Benachteiligung nach der Coronavirus-Impfverordnung berechtigter Empfänger – in diesem Fall nicht erfüllt, weil diese Vorschriften nicht den Wettbewerb zwischen Patienten um die bestmögliche Behandlung schützt.

Verfahrensgang

59 Gs 5663/21 2021-06-17 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

1. Die Beschwerden des Beschuldigten A. gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Nürnberg vom … (59 Gs 5663/21) und … (59 Gs 5881/21) werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass gegen den Beschuldigten und Beschwerdeführer der Tatverdacht der Beihilfe zur Unterschlagung gemäß den §§ 246 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB besteht.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Der Beschwerdeführer war als Rechtsanwalt an der Erstellung eines Vertragswerkes beteiligt, ausweislich dessen sich ein in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassener Arzt gegenüber einer ein Hotel betreibenden [ausländischen] Gesellschaft verpflichtete, gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 50 € zuzüglich der Kosten für den Erwerb von Impfstoff gegen Covid-19 der Firma BioNTech und weiterer Auslagen 120 Mitarbeiter eines [ausländischen] Hotels anlässlich eines Termins in der Bundesrepublik Deutschland und eines weiteren solchen [im Ausland] zu impfen bzw. für die Durchführung einer derartigen Impfung zu sorgen. In der Folgezeit beschaffte ein Apotheker, der an der allgemeinen staatlich geregelten Verteilung dieses im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehenden Impfstoffes beteiligt war, derartigen Impfstoff durch dessen Entnahme aus dem staatlichen Verteilungssystem und verkaufte ihn an den genannten niedergelassenen Arzt. In der Folge kam es zu der durch den Beschwerdeführer im Vertrag avisierten Impfaktion, wodurch gegen die Voraussetzungen der Coronavirus-Impfverordnung verstoßen wurde. Die Ermittlungsbehörden fassen diese Vorgehensweise unter die Tatbestände der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen bzw. Bestechung im Gesundheitswesen und der Unterschlagung nach den §§ 299a, 299b, 246 Abs. 1 StGB und werfen dem Beschwerdeführer eine hierzu als Rechtsanwalt begangene Beihilfe vor. Die im Rahmen der §§ 299a, 299b StGB erforderliche Wettbewerbssituation sehen sie (auch) im Wettbewerb zwischen den Patienten um die schnellst- und bestmögliche Versorgung, hier um den Erhalt einer Covid-19-Schutzimpfung. Gegen die auf der Grundlage dieser Verdachtslage angeordnete (und vollzogene) Durchsuchung seiner Wohn- und Kanzleiräume und gegen die richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht der dort aufgefundenen Papiere und Datenverarbeitungsanlagen legte der beschuldigte Rechtsanwalt Beschwerde ein.
Die zulässigen Beschwerden sind mit der Maßgabe unbegründet, dass in Person des Beschwerdeführers lediglich der Tatverdacht der Beihilfe zur Unterschlagung gemäß den §§ 246 Abs. 1, 27 StGB besteht. Im Rahmen der §§ 299a, 299b StGB ist eine Bevorzugung im inländischen oder ausländischen Wettbewerb erforderlich. Der Wettbewerb zwischen Patienten um die bestmögliche Behandlung, hier zwischen den an einer Impfung interessierten, lässt sich nicht unter diese Vorschriften subsumieren, weil es an dem dort erforderlichen gewerblichen, wirtschaftlichen und unternehmerischen Hintergrund der Wettbewerbssituation fehlt. Die beteiligten Ärzte und der Apotheker verwirklichten als Haupttäter allerdings den Tatbestand der veruntreuenden Unterschlagung (§§ 246 Abs. 1 und Abs. 2, 27 Abs. StGB), weil sie den für sie fremden, weil im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehenden Impfstoff, mit dem sie nur nach der CoronaImpfV zu verfahren hatten, entweder sich durch Verkauf bzw. Entnahme aus dem staatlichen Verteilungssystem oder den geimpften Personen durch Verbreichung an diese zueigneten. Der beschuldigte Rechtsanwalt und Beschwerdeführer leistete hierzu durch Beteiligung an der Erstellung des Vertrages Beihilfe. Für ihn erkennbar konnte die im Vertrag angelegte Beschaffung nur rechtswidrig erfolgen, weil Impfstoff auf dem freien Markt nicht erhältlich war.
I.
1. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg führt gegen den Beschwerdeführer ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Bestechung im Gesundheitswesen sowie Beihilfe zur Unterschlagung gemäß den §§ 299b, 246 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB. Die Akten lassen hinsichtlich des Verfahrensablaufes folgendes erkennen: Mit Schreiben vom … (EA Blatt 2 bis 4) brachte das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege der Staatsanwaltschaft Landshut zur Kenntnis, Presseberichten zufolge seien … in … mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines [ausländischen] Hotelbetriebs geimpft worden, die zu diesem Zweck vorübergehend nach Bayern eingereist seien. Von D. aus kommend seien sie nach ihrer Ankunft am Flughafen in C in einem dortigen Hotel geimpft worden, woran unter anderem ein Arzt aus C – Dr. E. – beteiligt gewesen sei. Diesem Schreiben war ein Skript beigegeben, das einem am 30.05.2021 durch den [ausländischen] Sender … mit dem Manager des betroffenen Hotels und einer Ärztin geführten Interview entstammen soll und das die [Zeitung] dem Staatsministerium zur Verfügung gestellt hatte (EA Blatt 5 bis 7). Dem Schreiben war ferner ein Presseartikel aus der [Zeitung] vom … hinzugefügt worden (EA Blatt 7 bis 8). Mit Verfügung vom … leitete die Staatsanwaltschaft Landshut ein gegen den Arzt Dr. E. gerichtetes Vorermittlungsverfahren ein (EA Blatt 9). Nach dessen Abgabe an die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg am … (EA Blatt 107) wurde das Verfahren dort mit Verfügung vom … ebenfalls als Vorermittlungsverfahren gegen Dr. E. erfasst (EA Blatt 1). Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom … – eingegangen am gleichen Tage – ließ sich Dr. E. gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg noch im Vorermittlungsverfahren ein und übersandte diverse Urkunden (EA Blatt 10 bis 37). Unter anderem wurde hierin ausgeführt, die dem Geschehen zugrunde liegende Vertragsgestaltung sei durch Rechtsanwalt A – den hiesigen Beschwerdeführer – „abgeschlossen“. Auf entsprechende Anfrage vom … (EA Blatt 38) übersandte die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg entsprechende Unterlagen (Ermittlungsakte Blatt 39 bis 60). Mit E-Mail seines Verteidigers vom … ließ sich Dr. E. erneut zur Sache ein (EA Blatt 61-63). Unter dem … teilte das Kriminalfachdezernat 7 München unter der Einleitung „die Personalien der Beschuldigten lauten (…)“ die persönlichen Daten und Wohnsitze der Personen Dr. E, F., G. (alias H.), Prof. Dr. I. und Dr. J. mit (EA Blatt 66). Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg leitete daraufhin gegen die in dem polizeilichen Bericht vermerkten Personen mit Verfügung vom … ein Ermittlungsverfahren mit dem Tatvorwurf „Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (…) Tatzeit: …“ ein (EA Blatt 65). Unter dem … übersandte das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege weitere Informationen an die Generalstaatsanwaltschaft (EA Blatt 67 bis 83), am … übermittelte das Kriminalfachdezernat 7 München der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg eine Objektabklärung, in der auch die Personalien des hiesigen Beschwerdeführers enthalten waren (EA Blatt 84 bis 93). Am gleichen Tag forderte die Generalstaatsanwaltschaft bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns weitere Informationen an (EA Blatt 94). Mit Verfügung vom … leitete die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg gegen den hiesigen Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren mit dem Tatvorwurf „Beihilfe zu Bestechung im Gesundheitswesen u. a.“ ein (EA Blatt 109).
2. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg (EA Blatt 109) erließ das Amtsgericht Nürnberg – Ermittlungsrichter – daraufhin am 17.06.2021 einen Durchsuchungsbeschluss gegen den Beschwerdeführer (EA Blatt 114 bis 117 – 59 Gs 5663/21). Dieser ist bezogen auf die Räumlichkeiten „K“. Im Sachverhalt ist wie folgt ausgeführt:
„Aufgrund der bisherigen Ermittlungen, insbesondere aufgrund der Angaben des Beschuldigten Dr. E. und der durch ihn sowie die KVB vorgelegten Unterlagen besteht der folgende Verdacht:
Der Beschuldigte Dr. E. ist als Facharzt für Z in der hausärztlichen Versorgung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und betreibt gemeinsam mit weiteren Ärzten eine Praxisgemeinschaft im Anwesen L. lm Rahmen dieser Tätigkeit führt er auch Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 durch.
Der Beschuldigte Prof. Dr. I. ist Facharzt für W und als X am Y in C beschäftigt. Die Beschuldigte Dr. J ist als Fachärztin für Neurologie in eigener Praxis in C tätig, wobei sie diese Praxis unter ihrem früher geführten Namen V. betreibt.
Der Beschuldigte M. betreibt in [Ausland] das Hotel N. Die in C wohnhafte Beschuldigte G, die den Künstlernamen H. führt, ist Mitarbeiterin im Management des Hotels.
Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt …, vermutlich …, kamen die Beschuldigten überein, dass die Beschuldigten Dr. E., Prof. Dr. I. und Dr. J. die ca. 120 in [Ausland] lebenden [ausländischen] Mitarbeiter des [ausländischen] Hotels N in C gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen sollten, um das Hotel in der Folge zeitnah für zahlende Gästen öffnen zu können. Die impfenden Ärzte sollten den hierfür erforderlichen Impfstoff beschaffen und eine bisher der Höhe nach nicht genau bekannte Vergütung erhalten.
In Konkretisierung dieser Absprache vereinbarten der Beschuldigte Dr. E. und die [ausländische] Hotelbetreiberin O, vertreten durch M., mit Vertrag vom … die Impfung von ungefähr 120 Personen. Diese sollten am Morgen, des … mit einem Charterflug aus [Ausland] am Flughafen C eintreffen, mittags im Hotel P durch die Beschuldigten Prof. Dr. I., Dr. J. und Dr. E. mit dem Impfstoff des Herstellers BioNTech geimpft werden und am Nachmittag wieder nach [Ausland] zurückfliegen. Laut Vertrag vom … sollten eine Vergütung von 50,00 Euro pro Patient gezahlt und die Kosten für den Impfstoff und das lmpfzubehör erstattet werden. Den Vertrag erstellte der in den Tatplan umfassend eingeweihte Rechtsanwalt A. Es besteht der Verdacht, dass über diese Beträge die Gewährung weiterer Zahlungen und Vorteile vereinbart wurde.
Gemäß dem gemeinsamen Tatplan bezog der Beschuldigte Dr. E. den erforderlichen Impfstoff sowie das notwendige lmpfzubehör gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von insgesamt mindestens 520,04 Euro von der vom in den Tatplan eingeweihten Beschuldigten F im Anwesen Q betriebenen R-Apotheke.
Die Impfungen wurden in der Folge wie geplant durchgeführt.
Das plangemäß umgesetzte Vorgehen widerspricht, wie allen Beschuldigten bewusst war, den Vorgaben der Coronavirus-Impfverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit in der zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung vom 31.3.2021.
Die gegenständlichen Impfstoffe wurden, wie alle derzeit in Deutschland verfügbaren Impfstoffe, auf Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit den Herstellern durch die Bundesrepublik Deutschland erworben. Arztpraxen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, erhalten gemäß § 6 Abs. 1 S. 5 der Coronaviruslmpfverordnung Impfstoffe, lmpfbesteck sowie -zubehör im Rahmen der beschränkten Verfügbarkeit unentgeltlich von den Apotheken. Die beteiligten Apotheken bekommen ebenso wie der Großhandel gemäß §§ 11 bis 13 der Coronaviruslmpfverordnung eine Handlinggebühr für ihre Dienstleistung im Zusammenhang mit der Verteilung der Impfstoffe. Arztpraxen steht für die Impfung anspruchsberechtigter Personen gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 der Coronaviruslmpfverordnung eine Vergütung von 20 EUR pro Impfung zu.
Anspruch auf unentgeltliche Schutzimpfurg haben nur Personen mit InIandsbezug gemäß § 1 Abs. 1 der Coronaviruslmpfverordnung. Die in [Ausland] wohnhaften [ausländischen] Mitarbeiter des [ausländischen] Hotels hatten jedoch, wie den Beschuldigten bewusst war, mangels lnlandsbezug keinen Anspruch auf Überlassung der Impfstoffe.
Den Beschuldigten war weiterhin bekannt, dass der Impfstoff nicht im Eigentum des Apothekers F. stand und dieser nicht berechtigt war, diesen zum Zwecke der Verimpfung an nicht anspruchsberechtigte Personen zu veräußern.
Zum Zeitpunkt der Impfung bestand, wie allen Beschuldigten bewusst war, in Deutschland, [Ausland] und nahezu weltweit ein erheblicher Mangel an lmpfstoffen, so dass nicht alle impfwilligen Anspruchsberechtigten geimpft werden konnten. Unter Ausnutzung seiner Stellung als Vertragsarzt konnte der Beschuldigte Dr. E. gemäß dem gemeinschaftlichen Tatplan den für die Impfung der Hotelmitarbeiter erforderlichen Impfstoff beschaffen. Durch dieses Vorgehen wurde der Impfstoff impfwilligen Anspruchsberechtigten vorenthalten, denen nach ärztlicher Prüfung der individuellen Dringlichkeit im konkreten Einzelfall der Impfstoff in einer nach medizinischen Kriterien begründeten Reihenfolge hätte verabreicht werden sollen.“
Das Amtsgericht Nürnberg würdigte dieses Verhalten hinsichtlich des Beschwerdeführers als „Beihilfe zur Bestechung im Gesundheitswesen und als Beihilfe zu Unterschlagung“ gemäß den §§ 299a Nr. 2, 246 Abs. 1, 27 StGB.
3. Beim Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses am … wurden Beweismittel zum Zwecke der Durchsicht nach § 110 StPO vorläufig sichergestellt.
4. Mit Schriftsatz vom … und Vollmachtsvorlage zeigte sich ein Verteidiger des Beschwerdeführers an (EA Blatt 180) und beantragte Akteneinsicht. Am … führte die Generalstaatsanwaltschaft mit dem Verteidiger des Beschwerdeführers ein Gespräch, demzufolge „der Widerspruch gegen die Sicherstellung (…) aufrecht erhalten“ wurde (EA Blatt 169).
5. Am … erließ das Amtsgericht Nürnberg (EA Blatt 214) auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vom gleichen Tage (EA Blatt 203) einen Beschluss (59 Gs 5881/21), dessen Tenor wie folgt lautet:
„Die auf Anordnung d. Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg bewirkte vorläufige Mitnahme zur Durchsicht der nachfolgend aufgeführten Gegenstände [folgt Tabelle] zum Zwecke der Durchsicht durch die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg und ihre Ermittlungspersonen wird gemäß §§ 110, 98 Abs. 2 StPO entsprechend bestätigt.“
6. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom … legte der Beschwerdeführer „gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg – Ermittlungsrichter – vom … (59 Gs 5663/21)“ und „gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg – Ermittlungsrichter – vom … (59 Gs 5881/21)“ jeweils Beschwerde ein (EA Blatt 318 bis 322). In der Beschwerde ist ausgeführt, es habe von Beginn an kein Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer vorgelegen. Ihm werde vorgeworfen, einen Vertrag gestaltet zu haben, und ohne den geringsten Anhaltspunkt werde behauptet, er habe von einer Bestechung und davon gewusst, dass die Impfung den Vorgaben der Coronavirus-Impfverordnung widerspreche und dass der Impfstoff durch eine wie auch immer geartete Unterschlagung zu Dr. E. gekommen sein solle. Für diese Behauptung spreche nichts. Die [ausländische] Hotel-Betreibergesellschaft und Dr. E. seien übereingekommen, dass dieser die Impfstoffe besorgen solle und die [ausländische] Gesellschaft ihre Mitarbeiter zur Impfung einfliege. Er – der Beschwerdeführer – sei seitens der Betreiberin des Hotels für die Vertragsgestaltung eingeschaltet gewesen. Mit dem Vertrag habe er sicherstellen sollen, dass Dr. E. seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllen würde, nämlich die Lieferung des Impfstoffes über eine Apotheke und die Durchführung der Impfung gegen Bezahlung der vereinbarten Vergütung. Es deute nichts darauf hin, dass er von einer illegalen Beschaffung durch Dr. E. und einen Apotheker habe ausgehen müssen. Die Verträge auf Seiten Dr. E‘s seien ebenfalls von einem Anwalt geprüft und auch geändert worden. Die Durchführung der Impfung sei im Übrigen durch die Hotelbetreiberin pressewirksam vermarktet worden. Bei einem auf Heimlichkeit angelegten Delikt wäre diese Vorgehensweise lebensfremd. Damit fehle es an einem Anfangsverdacht und erst recht an einem Verdacht der Stärke, der es erlauben würde, die Räumlichkeiten eines Rechtsanwaltes zu durchsuchen. An die Begründung des Tatverdachts bei bestimmten Berufsgruppen – wie Rechtsanwälten – seien im Übrigen erhöhte Anforderungen zu stellen. Ferner seien die in behördlicher Verwahrung zur Durchsicht genommenen Gegenstände von vorneherein nicht vom Tatvorwurf erfasst, wie er im Durchsuchungsbeschluss niedergelegt sei.
7. Mit Verfügung vom … (EA Blatt 365) half das Amtsgericht den Beschwerden nicht ab. Mit Verfügung vom … legte die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg die Akten dem Landgericht Nürnberg – Fürth zur Entscheidung vor, wo die Akten am gleichen Tage eingingen (EA Blatt 368).
8. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom … nahm der Beschwerdeführer ergänzend Stellung (EA Blatt 371 bis 372). Ausgeführt wurde, es sei bekannt gewesen, dass der Impfstoff nicht ausreichend vorhanden gewesen sei, dass gerade „Biontech“ mehr Impfstoff geliefert habe, als vertraglich zugesagt gewesen sei und dass sowohl die EU als auch die Bundesrepublik Deutschland zu wenig Impfstoff bestellt gehabt hätten. Es sei offensichtlich, dass weiterer Impfstoff verkauft worden sei, sei es an andere EU-Staaten oder andere Länder oder an Zwischenhändler. Ein Verbot, den Impfstoff frei zu handeln, habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Die Annahme einer Bösgläubigkeit sei durch nichts belegt, dieses gelte insbesondere, weil auf Seiten des Lieferanten ein Rechtsanwalt eingeschaltet gewesen sei.
9. Mit Verfügung vom … (EA Blatt 375 bis 378) leitete das Landgericht Nürnberg-Fürth die Akten der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg mit der Bitte um Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht zu. Die Kammer äußerte in dieser Verfügung Bedenken am Vorliegen einer für die §§ 299a, 299b StGB erforderlichen Unrechtsabrede. Nach vorläufiger Würdigung sei auf einen Wettbewerb zwischen den Impfinteressierten nicht abzustellen, da dieser möglicherweise mit dem Wettbewerb im Gesundheitssektor selbst, den die zitierten Vorschriften meinten, nichts zu tun habe. Die Kammer regte eine Stellungnahme zur Frage der Strafbarkeit einer Teilnahmehandlung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der Rechtsprechung zu berufstypischen Handlungen an.
10. Aufgrund Verfügung vom … und Erledigung am … wurde dem Verteidiger des Beschwerdeführers Akteneinsicht gewährt (EA Blatt 379, 385 ff.).
11. Mit Verfügung vom … und Eingang bei dem Landgericht am … nahm die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg Stellung wie folgt (EA Blatt 379 bis 384): Die Beschuldigte G. habe als Mitarbeiterin im Management des Hotels den Beschuldigten Dr. E., einem Heilberufsangehörigen, Geldzahlungen in Höhe von 50 € pro Patient nebst Ersatz aller Auslagen und Einschluss der Kosten des Impfstoffs dafür versprochen, nach der Coronavirus-Impfverordnung nicht anspruchsberechtigte Personen zu impfen und speziell für diese Personen Impfstoff vom Apotheker F zu beschaffen. Dadurch habe Dr. E. die geimpften Personen in rechtswidriger und unlauterer Weise gegenüber den Anspruchsberechtigten bevorzugt. Zwischen den an einer Impfung Interessierten habe eine Wettbewerbslage bestanden. Das in den §§ 299a, 299b StGB zentrale Tatbestandsmerkmal des Wettbewerbs ziele zwar primär auf den Wettbewerb zwischen Heilberufsangehörigen ab. Wortlaut und Gesetzeszweck sprächen jedoch für eine Einbeziehung auch des Wettbewerbs zwischen Patienten bzw. vorliegend an einer Impfung interessierten Personen. Die Vorschriften erfassten auch den Wettbewerb auf Nachfrageseite. Zentrale Schutzgüter der Normen seien neben der Qualität der medizinischen Versorgung und der Begrenzung von Kostensteigerungen im Gesundheitswesen auch das Patientenwohl sowie das Vertrauen in das Gesundheitssystem und die Integrität heilberuflicher Leistungen. In Parallelität zum Wettbewerb der Heilberufe um das knappe Gut Patienten bestehe auch ein Wettbewerb zwischen den Patienten um die schnellst- und bestmögliche Versorgung. Das Ausmaß dieses Wettbewerbs in einer durch die pandemische Situation geprägten Lage großer Knappheit an Impfstoff zeige sich an den intensiven Diskussionen um die Priorisierung, also um die Frage, welche Anspruchsberechtigten zu welchem Zeitpunkt geimpft werden sollten. Die Beschuldigten hätten sich vorliegend über den zentralen in § 1 geregelten Aspekt der Coronavirus-Impfverordnung hinweggesetzt, indem sie nicht anspruchsberechtigte Personen geimpft hätten. Das Wohl der Patienten und ihr Vertrauen hätten im vorliegenden Fall besonders gelitten. Knapper und möglicherweise lebensrettender Impfstoff sei nicht den Anspruchsberechtigten in der sorgsam festgelegten Reihenfolge, sondern gegen Bezahlung an Mitarbeiter eines Luxushotels verimpft worden. Der Tatbestand der Unterschlagung sei hinsichtlich des Beschuldigten F. verwirklicht. Bei dem Impfstoff handele es sich um eine fremde bewegliche Sache, der durch die Bundesrepublik Deutschland erworben und sodann entsprechend der Coronavirus-Impfverordnung an die dort genannten Anspruchsberechtigten verimpft worden sei. Ein Eigentumsübergang sei im Verteilungsverfahren nicht angelegt gewesen. Die beteiligten Ärzte, Großhändler und Apotheken hätten jeweils lediglich eine Vergütung für ihre Leistungen erhalten. Letztlich sei durch die Verimpfung an die Patienten auch eine Zueignung an diese gegeben. In Anbetracht des Verstoßes gegen die Regelungen der Coronavirus-Impfverordnung liege Rechtswidrigkeit vor. Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine Beihilfe dar. Er habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt maßgeblich an der Gestaltung des Vertrages mitgewirkt, der grundlegend für das weitere Vorgehen sämtlicher Beschuldigter gewesen sei. Das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens sei derart hoch gewesen, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters habe angelegen sein lassen. Die Knappheit an Impfstoff sei allseits bekannt gewesen. Ihm als Jurist hätten schon aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit die intensiven juristischen Debatten über die Verteilung des Impfstoffes bekannt gewesen sein müssen. Zu keinem Zeitpunkt habe es Hinweise auf Möglichkeiten des legalen Erwerbs von Impfstoffen am staatlichen Verteilungssystem vorbei gegeben. Im Gegenteil sei allseits bekannt gewesen, dass BioNTech lediglich an staatliche Quellen geliefert habe. Alles andere als eine illegale Herkunft der Impfstoffe sei im [Zeitraum] fernliegend gewesen.
12. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom … nahm der Beschwerdeführer nochmals Stellung (EA Blatt 390 ff.): Es fehle an einer Haupttat und am Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses. Dieses liege nur dann vor, wenn der Vorteilsgeber in eine wirtschaftliche Konkurrenz mit einem anderen eintrete. Zum Zeitpunkt des Bezugs der Waren oder Leistungen müsse ein wirtschaftliches Konkurrenzverhältnis zu einem oder mehreren anderen Unternehmen bestehen, auf deren wettbewerbliche Schlechterstellung die Bevorzugung abziele. Der Versuch, eine Ausdehnung auf einen Wettbewerb zwischen Patienten zu konstruieren, überschreite die Grenzen der Auslegung und begebe sich in den Bereich der unzulässigen Analogie. Auch auf der Nachfrageseite sei eine Wettbewerbssituation Voraussetzung. Hier allerdings fehle es bei dem Wettbewerb zwischen Patienten am Merkmal der wirtschaftlichen Konkurrenz. Im Übrigen sei für niedergelassene Ärzte die Priorisierung bereits am … aufgehoben worden. Ferner fehle es an einer strafrechtlich relevanten Beihilfehandlung. BioNTech habe mehr Impfstoff produziert und liefern können, als die Bundesrepublik und die EU geordert hätten. Insofern sei es durchaus plausibel gewesen, dass ein Arzt oder Apotheker Kontingente legal habe organisieren und verimpfen können. An der legalen Herkunft des Impfstoffes habe er angesichts der angenommenen Seriosität der Vertragspartner und des angemessenen Preises keinen Zweifel gehabt. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass Impfstoff nur über staatliche Stellen geliefert worden sei. Zum Zeitpunkt der Vertragsgestaltung hätten nicht mehr nur die Impfzentren, sondern auch die Ärzte impfen dürfen und sollen. Die Priorisierung sei aufgehoben gewesen. Letztlich habe man sich seinerzeit auf einem neuen rechtlichen Gebiet befunden. Die insoweit erforderlichen Kenntnisse hätten auch einem Rechtsanwalt ohne Fahrlässigkeitsvorwurf zu diesem Zeitpunkt nicht ohne weiteres zugeschrieben werden können.
13. Mit Verfügung vom …, eingegangen am …, führte die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg ergänzend aus, bei den gegenständlichen Impfungen sei nicht gegen die Regelungen der Priorisierung verstoßen worden. Es sei vielmehr eine Impfung an nach den einschlägigen Fassungen der Verordnung zu keinem Zeitpunkt anspruchsberechtigte Personen erfolgt.
14. Die durch die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg am … eingereichten Unterlagen und der Schriftsatz des Verteidigers vom … lagen vor.
II.
Die Beschwerden sind zulässig (im Folgenden II. 1 a) und b)) und mit der Maßgabe unbegründet, dass gegen den Beschwerdeführer lediglich der Tatverdacht der Beihilfe zur Unterschlagung nach den §§ 246 Abs. 1, 27 StGB besteht.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses am … lagen nach Aktenlage zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der beschriebene Sachverhalt als solcher tatsächlich stattgefunden hatte (II 2 a) bb). Aus rechtlichen Gründen war allerdings nicht auf die §§ 299a bzw. 299 b StGB abzustellen, weil es an der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „im inländischen oder ausländischen Wettbewerb“ mangelt. Zwar lassen sich die Merkmale des ‘Vorteils’ und der darauf bezogenen Handlungsweisen noch bejahen (II 2 a) cc) (A) (II) (1) und (2). Allerdings ist unter Wettbewerb nicht jener zwischen den Patienten untereinander an einer bestmöglichen Versorgung bzw. zwischen den Impfwilligen hinsichtlich des Erhalts einer Impfdosis zu verstehen (II 2 a) cc) (A) (II) (3). Selbst wenn dieses anders gesehen würde, fehlte es doch an einer Tathandlung im Sinne der §§ 299a, 299b Nrn. 1 bis 3 StGB (II 2 a) cc) (A) (II) (4). Als Haupttat wurde jedoch zutreffend § 246 Abs. 1 StGB angewendet (II 2 a) cc) (B) (II) (1), und das Verhalten des Beschwerdeführers stellt eine Beihilfe hierzu dar ((II 2 a) cc) (B) (II) (2). Die übrigen Voraussetzungen für den Erlass des angefochtenen Durchsuchungsbeschlusses lagen vor (II 2 a) dd)).
Die rechtlichen Erwägungen gelten in gleicher Weise für den angefochtenen Beschluss, mit dem die vorläufige Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht bestätigt wurde. Im Übrigen ist dieser Beschluss zu Recht ergangen (II 2 b)).
1. a) Die gegen den Durchsuchungsbeschluss gerichtete Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Auch wenn sich die Durchsuchungsanordnung mit ihrem Vollzug erledigt hat, besteht das Rechtsschutzinteresse an einer Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung fort, allein deshalb darf die Beschwerde nicht unter dem Gesichtspunkt prozessualer Überholung als unzulässig verworfen werden (MüKoStPO/Hauschild, 1. Aufl. 2014, StPO § 105 Rn. 41a m. w. N.). Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren allerdings die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses (MüKoStPO/Hauschild, 1. Aufl. 2014, StPO § 105 Rn. 41b m. w. N.). Das Beschwerdegericht darf zur Begründung seiner Entscheidung daher keine Erkenntnisse heranziehen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren, etwa weil sie erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden (vgl. BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 10. 9. 2010 – 2 BvR 2561/08). Zulässig ist aber, eine andere rechtliche Beurteilung an die damals vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse zu knüpfen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09. Februar 2005 – 2 BvR 1108/03).
b) Die gegen den Beschluss 59 Gs 5881/21 gerichtete Beschwerde ist zulässig.
Werden Papiere zur Durchsicht mitgenommen oder Daten vorläufig gesichert, gelten die §§ 95a und 98 Absatz 2 StPO entsprechend (§ 110 Abs. 4 StPO). Demnach soll der Beamte, der Papiere zur Durchsicht mitgenommen oder Daten vorläufig gesichert hat, binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der vorläufigen Sicherstellung weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Da der Beschwerdeführer ausweislich des Protokolls vom … (EA Blatt 202) anlässlich der Sicherstellung nicht anwesend war und die ehemalige Angestellte, die lediglich den Schlüssel für das Haus hatte, nicht als erwachsene Hausgenossin anzusehen ist, war – wie mit Verfügung vom … (EA Blatt 203) geschehen – die gerichtliche Bestätigung zu beantragen. Darüber hinaus widersprach der Beschwerdeführer der Sicherstellung am … (EA Blatt 169). Die gegen den hieraus ergangenen gerichtlichen Beschluss gerichtete Beschwerde ist gemäß § 304 StPO zulässig.
2. Die Beschwerden sind mit der Maßgabe unbegründet, dass gegen den Beschwerdeführer lediglich der Tatverdacht der Beihilfe zur Unterschlagung gemäß den §§ 246 Abs. 1, 27 StGB besteht.
a) Der angefochtene Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom … – 59 Gs 5663/21 – ist zu Recht ergangen. Allerdings fehlt es an einer Verdachtslage der Beihilfe zur Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299b Nr. 2, 27 StGB).
aa) Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde (§ 102 StPO). Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen und einen vagen Verdacht hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 07. September 2006 – 2 BvR 1219/05; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08; BGH, Beschluss vom 12. August 2015 – StB 8/15; BGH, Beschluss vom 06. Februar 2019 – 3 StR 280/18; BGH, Beschluss vom 26. Juni 2019 – StB 10/19).
bb) Angesichts der sich aus den Akten ergebenden Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses lagen ausreichende konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der in ihm als solchem geschilderte Sachverhalt – ungeachtet seiner rechtlichen Bewertung – stattgefunden hatte: Jener Umstand der geschilderten Impfungen als solcher und der Beteiligung des Beschuldigten Dr. E. ergab sich zunächst aus den Aussagen des Hotelmanagers S. gegenüber [Fernsehsender] (EA Blatt 5 bis 6). Im Sinne eines Tatverdachts wurde dieses erhärtet durch die Einlassung des Beschuldigten Dr. E. vom … (EA Blatt 11 bis 19) und dem durch ihn vorgelegten Vertrag vom … (EA Blatt 20 bis 22). In Richtung des Beschuldigten und Beschwerdeführers A. wurde dieses durch die dahingehende Einlassung des Beschuldigten Dr. E. belegt „Die Vertragsgestaltung wurde hierbei durch Herrn Rechtsanwalt A, C, abgeschlossen.“ (EA Blatt 15). Die durch Dr. E. vorgelegten Einwilligungserklärungen und Anamnesebögen (EA Blatt 23 bis 34) und die Belege der R-Apotheke vom … (EA Blatt 35 und 36) untermauern den Sachverhalt weiterhin.
cc) Allerdings erfüllt(e) das Verhalten des Beschwerdeführers – entgegen der Annahme des Durchsuchungsbeschlusses – nicht auch die Tatbestände der §§ 299a, 299b, 27 StPO, sondern lediglich den der Beihilfe zur Unterschlagung (§§ 246 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB).
(A)
Die §§ 299a, 299b, 27 StPO sind nicht erfüllt, weil es hinsichtlich der Haupttat an einer intendierten Bevorzugung eines anderen „im inländischen oder ausländischen Wettbewerb“ fehlt.
(I)
Die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen enthalten folgende Vorgaben:
Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder 3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 299a StGB).
Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a StGB im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder 3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird wegen Bestechung im Gesundheitswesen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 299b StGB).
(1) Unter den Begriff des Vorteils im Sinne beider Vorschriften fallen insbesondere Zuwendungen in Form von Geld, Forderungsverzicht oder sonstiger wirtschaftlicher Besserstellung einschließlich unentgeltlicher oder verbilligter Überlassung von Geräten und Materialien, Durchführung von Schulungsmaßnahmen, die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür (vgl. Spickhoff/Schuhr, 3. Aufl. 2018, StGB §§ 299a, 299b Rn. 15; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 12). Ein Vorteil umfasst jede Zuwendung an den Täter oder einen Dritten, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage des Täters oder des Dritten objektiv verbessert. Sowohl materielle als auch – über den Vorteilsbegriff der §§ 31, 32 MBO ((Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte) hinaus – immaterielle Zuwendungen werden erfasst (vgl. MüKoStGB/Hohmann, 3. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 20).
(2) Fordern (§ 299a StGB) ist die ausdrückliche oder konkludente einseitige Erklärung des Täters, einen Vorteil als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung bei der Vorordnung und dem Bezug von Arznei- oder Heil- und Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten bzw. bei der Zuführung von Patienten und Untersuchungsmaterial zu begehren. Die Erklärung muss auf den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung abzielen (vgl. MüKoStGB/Hohmann, 3. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 17; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 14). Sich-Versprechen-Lassen (§ 299a StGB) ist die Annahme eines ausdrücklichen oder konkludenten Angebots (vgl. MüKoStGB/Hohmann, 3. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 18; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 14). Annehmen (§ 299a StGB) ist die tatsächliche Entgegennahme eines Vorteils durch den Täter oder den Dritten, an den die Zuwendung mit Kenntnis und Einverständnis des Täters erfolgt. Die Entgegennahme muss mit dem Willen geschehen, über die Zuwendung selbst oder zu Gunsten eines Dritten, für den die Leistung bestimmt ist, zu verfügen (vgl. MüKoStGB/Hohmann, 3. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 19; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 14).
Anbieten (§ 299b StGB) ist das In-Aussicht-Stellen eines künftigen Vorteils. Es handelt sich um eine einseitige ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Täters, die auf den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung gerichtet ist und dem Angehörigen eines Heilberufs zur Kenntnis gelangen muss. Unerheblich ist, ob der Vorteil später tatsächlich eintritt. Versprechen (§ 299b StGB) ist die Zusage eines künftigen Vorteils. Die Erklärung kann ausdrücklich oder konkludent, d. h. auch durch schlüssiges Verhalten in einem bestimmten Zusammenhang, erfolgen und muss dem Angehörigen eines Heilberufs zur Kenntnis gelangen. Gewähren eines Vorteils (§ 299b StGB) ist das tatsächliche Verschaffen eines Vorteils mit dem Willen, dass die Verfügungsgewalt auf den Vorteilsnehmer übergehen soll (vgl. (MüKoStGB/Hohmann, 3. Aufl. 2019, StGB § 299b Rn. 11 bis 13; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 299b Rn. 4 und 5).
(3) „Verordnung“ im Sinne der §§ 299a Nr. 1 und 299b Nr. 1 StGB meint die Verschreibung von Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln und Medizinprodukten zugunsten von Patienten, unabhängig davon, ob für das verschriebene Mittel oder Produkt eine Verschreibungspflicht besteht. Aus dem Straftatbestand ausgenommen wurde im Rahmen der abschließenden Gesetzesformulierung die Bevorzugung im Rahmen der Abgabe von Arznei-, Heil-, oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten (vgl. Graf/Jäger/Wittig/Sahan, 2. Aufl. 2017, StGB § 299a Rn. 12 und 13). In Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz heißt es dazu (Drucksache 18/8106 vom 13.04.2016 Seite 14):
„Heilberufliche Abgabeentscheidungen werden aus dem Tatbestand gestrichen“.
Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind (§§ 299a Nr. 2 und 299b Nr. 2 StGB) bedeutet jegliche Form des Sich-Verschaffens, sei es auf eigene oder fremde Rechnung (vgl. Graf/Jäger/Wittig/Sahan, 2. Aufl. 2017, StGB § 299a Rn. 14). In Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz heißt es dazu (Drucksache 18/8106 vom 13.04.2016 Seite 14):
„Erfasst wird der Bezug von Arznei- und Hilfsmitteln und Medizinprodukten, die der Heilberufsangehörige nicht (zunächst) verordnet, sondern ohne Verordnung unmittelbar beim oder am Patienten anwendet, wie zum Beispiel Prothesen, Implantate und unmittelbar vom Heilberufsangehörigen anzuwendende Arzneimittel.“
Aus dem Gesamtzusammenhang wird deutlich, dass hier nicht der Bezug durch den Patienten, sondern durch den Heilberufsangehörigen gemeint ist.
„Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial“ meint jede Handlung des Heilberufsträgers, die geeignet ist, den Patienten in seiner Wahl eines Leistungserbringers zu beeinflussen (vgl. Graf/Jäger/Wittig/Sahan, 2. Aufl. 2017, StGB § 299a Rn. 15).
(4) Kern der Straftatbestände der §§ 299a und 299b StGB bildet die Unrechtsvereinbarung: Die Gegenleistung für das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils muss die künftige Beeinflussung einer der in den §§ 299a Nr. 1 bis 3 oder 299b Nr. 1- 3 StGB abschließend aufgezählten heilberuflichen Entscheidung zugunsten des Täters oder eines Dritten sein, die im inländischen oder ausländischen Wettbewerb erfolgt und unlauter ist (MüKoStGB/Hohmann, 3. Aufl. 2019, StGB § 299b Rn. 15 und 299a Rn. 25).
Die Begründung der Bundesregierung vom 14.08.2015 (Drucksache 360/15) bzw. 21.10.2015 (Drucksache 18/6446) zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen führt zur Frage des Tatbestandsmerkmals der ‘Bevorzugung im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise’ – allerdings zu § 299a StGB – wie folgt aus (Seiten 18 und 19 bzw. 21):
„Das Tatbestandsmerkmal der unlauteren Bevorzugung entspricht der Regelung des § 299 Absatz 1 und 3 StGB, sodass auf die dazu entwickelten Auslegungsgrundsätze zurückgegriffen werden kann. Danach bedeutet Bevorzugung die sachfremde Entscheidung zwischen mindestens zwei Bewerbern, setzt also Wettbewerb und Benachteiligung eines Konkurrenten voraus (BGH, Urteil vom 18. Juni 2003, 5 StR 489/02). An einer Wettbewerbslage kann es fehlen, wenn ein Unternehmen eine Monopolstellung inne hat (Schönke/Schröder/Heine/Eisele, StGB, 29. Auflage, § 299 Rn. 23). Eine Bevorzugung ist unlauter, wenn sie geeignet ist, Mitbewerber durch die Umgehung der Regelungen des Wettbewerbs und durch Ausschaltung der Konkurrenz zu schädigen (vgl. Fischer, StGB, 62. Auflage, § 299, Rn. 16). Auf die zu § 299 StGB entwickelten Auslegungsgrundsätze kann zurückgegriffen werden. An der Unlauterkeit fehlt es insbesondere dann, wenn die Bevorzugung berufsrechtlich zulässig ist, sofern in diesen Fällen nicht ohnehin bereits der erforderliche Zusammenhang zwischen Vorteil und heilberuflicher Handlung zu verneinen ist und der Zuwendung damit keine Unrechtsvereinbarung zugrunde liegt.“
Im inländischen oder ausländischen Wettbewerb handelt der Täter, wenn die Tat objektiv geeignet ist, eigenen oder fremden Bezug oder Absatz zu fördern, und der Täter die Absicht verfolgt, den Geschäftsbetrieb eines Mitkonkurrenten durch Schmälerung des Absatzes, Entziehung von Kunden oder auf andere Weise zu beeinträchtigen oder unproduktiver zu machen und sich selbst bzw. einem Dritten die entsprechende Marktanteile oder sonstigen Vorteile zu sichern oder jedenfalls den bisherigen eigenen oder fremden Kundenkreis zu Lasten anderer zu erhalten (vgl. MüKoStGB/Hohmann, 3. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 29). Hier soll nichts anderes gelten als im Rahmen des § 299 StGB (vgl. Graf/Jäger/Wittig/Sahan, 2. Aufl. 2017, StGB § 299a Rn. 18). Ob dort eine Wettbewerbssituation vorliegt, ist grundsätzlich objektiv zu bestimmen. Der Adressat der Bevorzugung (also zumeist der Vorteilsgeber) muss somit in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Vorausgesetzt werden Mitbewerber des Bevorzugten, also Gewerbetreibende, welche Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art vertreiben bzw. nachfragen und in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen (vgl. Graf/Jäger/Wittig/Sahan, 2. Aufl. 2017, StGB § 299 Rn. 32). Es bedarf zum Zeitpunkt der Tathandlung objektiv eines wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnisses mit Mitbewerbern im Gesundheitswesen (vgl. Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 299a Rn. 38). „Wettbewerb“ ist gegeben beim Gegenübertreten von Waren oder Dienstleistungen gleicher oder ähnlicher Art mit möglichen Absatznachteilen für die Anbieter im Falle ihres gleichzeitigen Vertriebs. Bevorzugung kann deshalb auch als die Gewährung von Vorteilen „im Wettbewerb gegenüber Mitbewerbern“ umschrieben werden. Mitbewerber sind alle Marktteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art herstellen bzw erbringen oder in den Geschäftsverkehr bringen. Nicht erforderlich ist, dass sich die Mitbewerber im konkreten Einzelfall um den Absatz ihrer Waren oder Leistungen bemüht haben. Maßgeblich ist ein weiter, marktbezogener Begriff des Mitbewerbers (vgl. NK-StGB/Gerhard Dannecker/Thomas Schröder, 5. Aufl. 2017, StGB § 299a Rn. 142). Eine Bevorzugung liegt in jeder Entscheidung für einen von mindestens zwei bzgl. der gegenständlichen Ware oder Leistung tatsächlich im Wettbewerb stehenden Marktteilnehmer (vgl. Spickhoff/Schuhr, 3. Aufl. 2018, StGB §§ 299a, 299b Rn. 38). Mitbewerber im Sinne der Parallelnorm des § 299 StGB sind nicht nur die Erwerbsgenossen, die sich im Einzelfall um den Absatz ihrer Waren oder Leistungen bemüht haben und für die Erfüllung der Aufträge in Aussicht genommen sind, sondern alle Gewerbetreibenden, die Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellen oder in den geschäftlichen Verkehr bringen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2020 – 5 StR 385/19). Grzesiek/Sauerwein NZWiSt 2016, 369 (372) fassen bei ihrer Fallbetrachtung
„Kassenpatientin O ist glücklich mit ihrem Hausarzt H einen Arzt gefunden zu haben, in dessen Praxis sie sich gut aufgehoben fühlt. Nach ihrem letzten Arztbesuch möchte sie sich revanchieren und überreicht H einen mit kleineren Leckereien gefüllten Geschenkkorb im Wert 40,- Euro, welchen dieser dankend annimmt.“
wie folgt zusammen:
„Selbst wenn die Annahme eines unzulässigen Vorteils angenommen wird, scheitert eine etwaige Strafbarkeit an der fehlenden, aber zur Tatbestandsverwirklichung notwendigen Unrechtsvereinbarung gerichtet auf eine künftige Bevorzugung im Wettbewerb.“
(II)
(1) Ein „Vorteil“ in diesem Sinne, der unter den Modifikationen der §§ 299a und 299b StGB tatbestandsrelevant wäre, lässt sich mit den zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft bejahen.
Als Vorteil in diesem Sinne wären die sich aus dem Vertrag vom … ergebenden Zahlungen durch die O an den Beschuldigten Arzt Dr. E. zu sehen. Nach der sich aus den Akten ergebenden Verdachtslage ist die Fallgestaltung zunächst derart, dass der Beschuldigte Arzt Dr. E. sich um die Impftermine sowohl am Flughafen C als auch in D zu kümmern hatte. Die O hatte Flüge, Transfers und Aufenthalt des Beschuldigten Arztes Dr. E zu bezahlen gehabt. Beide Impftermine sollten in der alleinigen Verantwortung des Beschuldigten Arztes Dr. E. liegen und ohne weitere Unterstützung durch die O und auf seine Kosten durchgeführt werden. Dr. E. sagte in diesem Zusammenhang insbesondere konkret, aber nicht abschließend insbesondere zu, zwei weitere Ärzte und Personal für den Impftermin in C auf seine eigenen Kosten bereit zu stellen. Darüber hinaus lag der Sache nach und zusammenfassend die gesamte Verantwortlichkeit für Vorbereitung und Durchführung der Impftermine bei ihm (Ziffer 2 der vertraglichen Vereinbarung zwischen der O und dem Beschuldigten Arzt Dr. E. – EA Blatt 21). Die O hatte an den Beschuldigten Arzt Dr. E. für jeden Patienten die Summe von € 50,00 zuzüglich – zum Selbstkostenpreis – der Kosten für den Impfstoff und allen weiteren benutzten medizinischen Materials für die Behandlung zu zahlen. Die Kosten sollten – mit Kopie an die O – den Patienten in Rechnung gestellt werden, die O sollte letztlich die Zahlung vornehmen. Dieses ergibt sich aus Ziffer 3 Sätze 1 und 2 der vertraglichen Vereinbarung zwischen der O und dem Beschuldigten Arzt Dr. E. (EA Blatt 22). Der Zeuge S. soll ausweislich EA Blatt 5 gegenüber [Fernsehsender] angegeben haben, man habe eine kommerzielle Vereinbarung getroffen, derzufolge „der gesamte Service inbegriffen“ gewesen sei. Man habe „einen Pauschalpreis vereinbart“. Der Beschuldigte Arzt Dr. E. hat sich mit Schriftsatz seines Verteidigers vom … dahingehend eingelassen, er hätte „den Betreibern den Betrag von ca. € 6.000,- in Rechnung gestellt.“ (EA Blatt 18)
(2) Dem Beschuldigten Arzt Dr. E. wären jene Zahlungen durch die O durch das Vertragswerk vom … (EA Blatt 20 ff.) zumindest versprochen worden (soweit § 299b StGB als Haupttat angewendet würde) oder er hätte sich diese durch den zitierten Vertrag versprechen lassen (soweit man auf § 299a StGB als Haupttat abstellen würde).
(3) Es fehlt nach den obigen Vorgaben allerdings an einer für § 299a oder § 299b StGB geeigneten Unrechtsabrede dergestalt, der Beschuldigte Arzt Dr. E. würde die O oder die geimpften Personen wegen dieses Vorteils bei dem Bezug des Impfstoffes im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugen.
Auf eine Bevorzugung des Apothekers F. kann zunächst nicht abgestellt werden. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme vor, dem Beschuldigten Arzt Dr. E. sei dafür ein Vorteil versprochen worden (§ 299b StGB) oder dieser habe sich dafür einen solchen versprechen lassen (§ 299a StGB), dass er den Impfstoff dort beschaffe und nicht woanders.
Auf eine Bevorzugung der O oder aber der geimpften Personen gegenüber anderen kann gleichfalls nicht abgestellt werden, weil diese nicht in dem von den §§ 299a und 299 b StGB gemeinten „inländischen oder ausländischen Wettbewerb“ stehen. Bereits dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.08.2015 (Drucksache 360/15) bzw. 21.10.2015 (Drucksache 18/6446) ist zu entnehmen, dass hier der Wettbewerb zwischen Unternehmen gemeint ist. Die Kommentierungen sprechen unmissverständlich von Geschäftsbetrieben, von Mitkonkurrenten, von Schmälerung des Absatzes, von Entziehung von Kunden und Marktanteilen, mithin von einem wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis mit Mitbewerbern im Gesundheitswesen. „Wettbewerb“ soll gegeben sein beim Gegenübertreten von Waren oder Dienstleistungen gleicher oder ähnlicher Art mit möglichen Absatznachteilen für die Anbieter im Falle ihres gleichzeitigen Vertriebs. Der BGH spricht in der zitierten Entscheidung selbst von Gewerbetreibenden, die Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellen oder in den geschäftlichen Verkehr bringen. Letztlich lässt sich der von Grzesiek/Sauerwein NZWiSt 2016, 369 (372) gebildete Fall, in dem die beschriebene Kassenpatientin den Zweck verfolgt haben könnte, künftig bei Behandlungen bevorzugt oder zumindest nicht benachteiligt zu werden, auch auf die hiesige Konstellation übertragen, was gleichfalls zur Ablehnung der Erfüllung des Merkmales „im inländischen oder ausländischen Wettbewerb“ führen würde.
Der Wettbewerb zwischen den Patienten um die schnellst- und bestmögliche Versorgung, mithin ohne jeden Unternehmens- oder Gewerbebezug, ist hier nicht gemeint. Zutreffend ist zwar der Grundansatz, der gerade in einer Pandemiesituation mit – damals – erheblicher Impfstoffknappheit von einer massiven Konkurrenzsituation zwischen Patienten und ihren Bedürfnissen in verschiedenen Risikogruppen ausgeht. Richtig ist auch, dass die ungerechtfertigte Bevorzugung eines Geimpften in letzter gedanklicher Konsequenz zu einer Erkrankung und zum Versterben eines Ungeimpften führen kann, der jene Impfdosis nicht erhalten hat.
Eine derartige Auslegung, die auch den Wettbewerb zwischen den Patienten um die schnellst- und bestmögliche Versorgung erfasst, stünde aber im Widerspruch mit der oben beschriebenen durch Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auslegung des Begriffes des inländischen oder ausländischen Wettbewerbs.
Der Wortlaut ließe zwar noch eine entsprechende Auslegungsvariante zu, denn es wird hier allgemein von „Wettbewerb“ gesprochen. Sofern man den juristischen Fachsprachgebrauch also außer Acht ließe, könnte nach einem allgemeinen Verständnis auch der Wettbewerb zwischen den Patienten als erfasst angesehen werden. Systematisch sind die §§ 299a und 299b StGB aber im 26. Abschnitt des Strafgesetzbuches (“Straftaten gegen den Wettbewerb“) verortet. Die vorstehenden §§ 298 (Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen) und 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) setzen eine „Ausschreibung über Waren oder Dienstleistungen“ (§ 298 StGB) und ein Handeln im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) voraus, haben damit beide Unternehmens- bzw. Gewerbebezug und beziehen sich auf Wettbewerb im wirtschaftlichen Sinne. An keiner Stelle im Gesetzgebungsverfahren wurde die Ansicht geäußert, Wettbewerb zwischen Patienten selbst solle ebenfalls erfasst sein. In der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung (Drucksache 360/15 vom 14.08.2015 Seiten 7/8) heißt es:
„Korruption im Gesundheitswesen stört den Wettbewerb und benachteiligt lauter agierende Marktteilnehmer. Sie kann auch zulasten der Qualität in der medizinischen Versorgung gehen, weil Wettbewerbsvorteile nicht mehr durch Preis und Qualität, sondern mit Hilfe unlauterer Bevorzugung erzielt werden (vgl. Schneider, StV 2010, S. 365, 368). Folge sind außerdem eine Verteuerung medizinischer Leistungen und steigende Kosten im Gesundheitswesen.“
Von einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen Patienten ist auch an dieser Stelle nicht die Rede.
Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde (Art. 103 Abs. 2 GG). Eine Auslegung, die auch den Wettbewerb in diesem Sinne als erfasst ansehen würde, verließe den Bereich zulässiger Interpretation und Konkretisierung der §§ 299a und 299b StGB und überschritte die Grenze zur unzulässigen Analogie. Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will (vgl. statt vieler BVerfG (2. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 28.7.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14).
Die durch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Verfügung vom … (EA Blatt 379 ff.) vorgetragenen dahingehenden Argumente, das Patientenwohl und das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen habe insbesondere dadurch gelitten und das Wohl zahlreicher Impfinteressierter sei dadurch massiv beeinträchtigt worden, dass „knapper und möglicherweise lebensrettender Impfstoff nicht an Anspruchsberechtigte in der sorgsam festgelegten Reihenfolge, sondern gegen Bezahlung an Mitarbeiter eines Luxushotels verimpft“ worden sei, sind völlig zutreffend. Ohne eine dahingehende gesetzgeberische Entscheidung, auch den Wettbewerb zwischen den Patienten um die schnellst- und bestmögliche Versorgung durch die Vorschriften der §§ 299a und 299b StGB zu erfassen, ist eine derartige – moralisch fragwürdige – Vorgehensweise jedenfalls nicht als strafbar unter diese Vorschriften zu subsumieren. Angesichts der möglichen Anwendbarkeit des § 246 Abs. 2 StGB (vergleiche dazu im Folgenden) und des die §§ 299a und 299b StGB übersteigenden Strafrahmens dieser Vorschrift besteht möglicherweise aber auch kein Bedürfnis, Konstellationen wie die hiesige zwingend unter diese Vorschriften zu subsumieren, um das begangene Unrecht sachgerecht erfassen zu können.
(4) Selbst wenn der Wettbewerb zwischen den Patienten um die schnellst- und bestmögliche Versorgung ebenfalls als von den §§ 299a und 299b StGB als erfasst angesehen würde, wären jene weiters erforderlichen beeinflussten Entscheidungen der Nrn. 1 bis 3 nicht gegeben.
Die „Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten“ (jeweilige Nummer 1) ist nicht betroffen. Der Beschuldigte Dr. E. verschrieb den verabreichten Impfstoff nicht in dem oben beschriebenen Sinne. Auf die bloße Abgabe des Impfstoffes an die impfwilligen Hotelmitarbeiter kann nicht abgestellt werden: Diese – mögliche – Variante wurde im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich gestrichen.
Ebenso kann in der Variante der Nummer 2 nicht auf den Bezug des Impfstoffes durch die Impfwilligen bzw. die O abgestellt werden. Nach den oben beschriebenen Vorgaben ist nicht der Bezug durch den Patienten, sondern durch den Heilberufsangehörigen gemeint. Dieses ergibt bereits der Wortlautzusammenhang: Jenes „er“ bezieht sich auf den Heilberufsangehörigen (“dass er (…) bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, (…) einen anderen (…) bevorzuge (…)“). Eine dahingehende Auslegung, es sei auch der Bezug durch den Patienten gemeint, widerspricht dem Wortlaut der Vorschrift.
Aus ähnlichen Gründen scheidet auch die Anwendung der Nummer 3 aus: Nicht entscheidend ist, ob die O dem Beschuldigten Dr. E. die impfwilligen Hotelmitarbeiter zugeführt haben könnte, sondern dieser müsste in Erfüllung der Unrechtsabrede Patienten zugeführt haben.
(B)
Allerdings erfüllt(e) das Verhalten des Beschwerdeführers den Tatbestand der Beihilfe zur Unterschlagung (§§ 246 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB).
(I)
Von folgenden Vorgaben ist auszugehen:
(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist (§ 246 Abs. 1 StGB). Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (§ 246 Abs. 2 StPO).
(a) Das Tatobjekt ist für den Täter fremd, wenn es weder in dessen Alleineigentum steht noch herrenlos ist. Entscheidend hierfür ist im Rahmen des § 246 StGB – wie bei § 242 StGB – die formale dingliche Rechtslage (MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, StGB § 246 Rn. 12; Schönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 246 Rn. 4a). Einem tauglichen Tatobjekt und mithin einer Unterschlagung zu Lasten des früheren Eigentümers steht daher nicht entgegen, dass der Täter oder ein Dritter durch die Zueignung Eigentum an der Sache erwirbt. So erweist sich für den Täter eine Sache auch dann als fremd, wenn ein gutgläubiger Dritter rechtsgeschäftlich Eigentum an ihr gemäß den §§ 932 ff. BGB dadurch erwirbt, dass der Täter als Nichtberechtigter über sie verfügt. Ebenfalls wird die Fremdheit nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Täter selbst einen gesetzlichen Eigentumserwerb gemäß §§ 946 ff. BGB durch Verbindung, Vermengung, Vermischung oder Verarbeitung herbeiführt (MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, StGB § 246 Rn. 16). Ob eine Sache generell verkehrsunfähig ist, wie etwa Betäubungsmittel oder dem BNatSchG unterfallende Gegenstände, ist dabei für die Eigentumsverhältnisse unerheblich (vgl. Graf/Jäger/Wittig/Temming, 2. Aufl. 2017, StGB § 246 Rn. 6).
(b) Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass der Zueignungsbegriff anhand zweier Submerkmale auszulegen ist: der dauernden Enteignung des Eigentümers und der (wenigstens vorübergehenden) Aneignung der Sache (vgl. MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl. 2021, StGB § 242 Rn. 127). Die Enteignung beinhaltet im Grundsatz die dauernde Verdrängung des Eigentümers aus seiner Position. Dabei geht es aber in den seltensten Fällen um eine Entziehung des Eigentumsrechts, weil dies gerade im Fall der Wegnahme durch § 935 Abs. 1 BGB weitgehend verhindert wird. „Enteignung“ meint daher in erster Linie den Entzug der faktischen Ausübungsmöglichkeiten, die das Eigentum bietet (vgl. MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl. 2021, StGB § 242 Rn. 132; chönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 242 Rn. 47). Aneignung bedeutet die Nutzung der Sache in wirtschaftlich sinnvoller Weise (vgl. MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl. 2021, StGB § 242 Rn. 155).
(c) Die Zueignung ist zunächst dann nicht rechtswidrig und bereits der objektive Tatbestand des Abs. 1 ausgeschlossen, wenn dem Täter oder ggf. dem von diesem begünstigten Dritten ein fälliger und einredefreier schuldrechtlicher Anspruch auf die zugeeignete Sache zusteht. Ferner ist die erfolgte Zueignung gerechtfertigt, wenn eine gesetzliche Befugnis besteht, die Sache zu verwerten (vgl. MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, StGB § 246 Rn. 49; BeckOK StGB/Wittig, 50. Ed. 1.5.2021, StGB § 246 Rn. 10). Im Rahmen des § 242 StGB – hier entsprechend anwendbar – kann die Rechtswidrigkeit auch entfallen, wenn die Zueignung nach den allgemeinen Regeln gerechtfertigt ist. Neben Notstand (§ 34 StGB) und dem Selbsthilferecht (§ 229 BGB) kommen hier vor allem Einwilligung und mutmaßliche Einwilligung in Betracht (vgl. MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl. 2021, StGB § 242 Rn. 170).
(d) Im Rahmen des § 246 Abs. 2 StGB muss die Sache dem Täter in dem Vertrauen hingegeben oder belassen worden sein, er werde mit ihr nur im Sinne des Anvertrauenden verfahren, sie also zu einem bestimmten Zweck verwenden, aufbewahren oder später zurückgeben. Eine entsprechende Verpflichtung kann dem Täter ausdrücklich, aber auch stillschweigend auferlegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 04.06.2013 – 2 StR 59/13; MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, StGB § 246 Rn. 56; BeckOK StGB/Wittig, 51. Ed. 1.11.2021, StGB § 246 Rn. 11; Schönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 246 Rn. 29). Hierbei handelt es sich um ein besonderes persönliches Merkmal i. S. d. § 28 Abs. 2 StGB, das nur bei demjenigen Täter oder Teilnehmer zur Strafschärfung führt, bei dem es vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.06. 2013 – 2 StR 59/13).
(2) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat (§ 27 Abs. 1 StGB).
Eine Beihilfe durch Tat ist jedenfalls jede Handlung, die die Haupttat in ihrer konkreten Gestalt erst ermöglicht oder ihren rechtsgutsverletzenden Erfolg vergrößert. Physische Beihilfe kommt durch jede Art von Tätigkeit in Frage. Erfasst sind damit nicht nur Handlungen, die eine Bedingung für die Ausführung der Tat setzen, sondern auch solche, welche die Rechtsgutsverletzung intensivieren. Relevant ist zudem die bloße Erleichterung der Begehung der Haupttat, da sie die Haupttat („den Erfolg“) in ihrer konkreten Gestalt beeinflusst (vgl. MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 27 Rn. 6). Weiterhin akzeptiert ist die psychische Beihilfe in Gestalt einer Unterstützung „durch Rat“. Bei dieser kognitiven Beihilfe leistet der Gehilfe technischen Rat (MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, a. a. O. Rn. 7). Hilfeleistung in diesem Sinn stellt damit zusammenfassend jede Handlung dar, die die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. Die Hilfeleistung muss nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2020 – 3 StR 511/19 m. w. N.).
Die sog. berufstypische Handlung eines Rechtsanwaltes kann als strafbare Beihilfehandlung gewertet werden. Es ist jedoch anerkannt, dass dies nicht auf jede Handlung zutrifft, die sich im Ergebnis tatfördernd auswirkt. Es bedarf einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall. Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist regelmäßig von einer strafbaren Beihilfe auszugehen. Weiß der Hilfeleistende dies hingegen nicht und hält es lediglich für möglich, so ist sein Handeln in der Regel nicht als strafbare Beihilfehandlung einzuordnen. Anders ist dies aber dann, wenn das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derart hoch war, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 112/16; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 – 1 StR 636/16; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 – 1 StR 56/17; BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 – 2 StR 99/19; BGH, Urteil vom 27. Mai 2020 – 5 StR 433/19). Dabei muss die Hilfeleistung auch hier nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt vielmehr schon die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 112/16).
(II)
Unter diesen Vorgaben liegt hinsichtlich der §§ 246 Abs. 1, 27 StGB die notwendige Verdachtslage sowohl hinsichtlich der beihilfefähigen Haupttat als auch hinsichtlich der Beihilfehandlung in Bezug auf den Beschwerdeführer vor.
(1) § 246 Abs. 1 StGB stellt die vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat dar (a) Der verwendete Impfstoff war für die Beteiligten fremd. Als (Haupt-) Täter kommen zumindest die (Mit-) Täter Dr. E. – jener Arzt, der die vertraglichen Verpflichtungen vom … einging und teilweise selbst Impfstoff verabreichte – und der Apotheker F. in Betracht. Wie sich aus der Einlassung des Dr. E. im Schriftsatz seines Verteidigers vom … ergibt, übergab dieser den Impfstoff in der Apotheke an die Mitarbeiterin des Dr. E. – jene T. (EA Blatt 14), welche ihn zum Flughafen verbrachte. Als weitere (Mit-) Täter kommen die Ärzte Prof. Dr. I. und Dr. G. in Betracht, welche den Impfstoff am … verabreichten. Für alle diese Personen war der verabreichte Impfstoff fremd, da er von der Europäischen Union beschafft und seine Verwendung durch das Bundesgesundheitsministerium als Eigentümerin durch die CoronaImpfV bestimmt wurde. Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll (§ 929 Satz 1 BGB). Ist der Erwerber im Besitz der Sache, so genügt die Einigung über den Übergang des Eigentums (§ 929 Satz 2 BGB). Wie sich aus dem Dokument der ABDA „Lieferung COVID-19-Impfstoffe an die Arztpraxen“ mit Stand 25.03.2021 (EA Blatt 51 und 52) ergibt, wurden die Impfstoffe über den pharmazeutischen Großhandel und die Apotheken an die Arztpraxen verteilt. Die Arztpraxis übermittelte die Anzahl der benötigten Impfdosen an die Apotheke, in der sie Impfstoffe bezog. Diese gab nach Entgegennahme der ärztlichen Verordnungen die „Bestellung“ an den die jeweilige Apotheke hauptsächlich beliefernden Großhändler weiter, welcher wiederum im Verteilzentrum (Hub) oder beim pharmazeutischen Unternehmer bestellte. Im „Lieferweg“ erhielt die Apotheke die Lieferung nach deren Vorbereitung vom Großhandel und bereitete ihrerseits die Weiterlieferung an die Arztpraxis durch Überprüfung des Wareneinganges (Impfstoffe und Zubehör) und Zusammenstellung der Lieferungen für die Arztpraxis vor. Danach erfolgte die Auslieferung an die Praxen, wo die Impfstoffe verabreicht wurden. Für diese Tätigkeiten erhielten die Apotheken und der Großhandel jeweils eine nach bestimmten Sätzen festgelegte Vergütung, für den impfenden Arzt ergab sich dieses aus der CoronaImpfV in der geltenden Fassung. Zu keinem Zeitpunkt kam es zu einer auf eine dingliche Rechtsänderung gerichteten Einigung zwischen Bund bzw. Bundesgesundheitsministerium auf der einen Seite und Ärzten, Apothekern und Großhändlern auf der anderen Seite. Letztere wurden nie Eigentümer des Impftstoffes. Dieses nämlich hätte – für alle erkennbar – zwar nicht rechtlich, aber doch wirtschaftlich und der Erfahrung nach entsprechende (Kauf-) Vertragswerke vorausgesetzt. Dann nämlich wäre bspw. in § 9 CoronaImpfV in der Fassung vom 10.03.2021 nicht nur eine „Vergütung ärztlicher Leistungen“ vorgesehen gewesen, ebenso wie die Apotheken und der Großhandel nicht nur eine Vergütung für ihre Tätigkeiten erhalten hätten. Das gesamte Regelwerk war für alle Beteiligten ersichtlich nicht auf Kauf und Weiterverkauf, sondern auf Zurverfügungstellung und Weiterverteilung gegen Entschädigung angelegt.
(b) Erwägenswert ist bereits eine Zueignung des Impfstoffes durch den Apotheker F. an sich selbst, denn durch den Verkauf entzog er der Eigentümerin Bundesrepublik Deutschland dessen Sachsubstanz als solche und den in ihm verkörperte Sachwert und verleibte sich ihn unter Ausnutzung des Sachwertes in sein Vermögen ein.
Letztlich wurde der jeweilige Impfstoff aber jedenfalls durch die impfenden Personen den Patienten als „Dritten“ zugeeignet. So wie das Aufessen im Eigentum Fremder, aber ohne vorherige Wegnahme im Gewahrsam des Essenden stehender Lebensmittel bewirkt, dass sich der Essende die Lebensmittel zueignet (vgl. BGH, Beschluss vom 03. Februar 2021 – 2 StR 417/20) wird – hier – dem impfwilligen Patienten der Impfstoff zugeeignet. Letztlich hierdurch wurde die Eigentümerin des Impfstoffes endgültig aus ihrer Position verdrängt (Enteignung) und das impfende Personal nutzte den Impfstoff in wirtschaftlicher Weise (Aneignung).
(c) Diese Zueignung war rechtswidrig.
Die geimpften Patienten hatten keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf den Impfstoff. § 1 Abs. 1 Satz 2 CoronaImpfV in der Fassung vom 10.03.2021 legte fest, dass anspruchsberechtigt nur Personen waren, die in der Bundesrepublik Deutschland in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung versichert sind, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben, die in der Bundesrepublik Deutschland in einer in den §§ 2 bis 4 CoronaImpfV genannten Einrichtung oder in einem in den §§ 2 bis 4 CoronaImpfV genannten Unternehmen behandelt, gepflegt oder betreut werden, oder tätig sind, die enge Kontaktperson im Sinne von § 3 Absatz 1 Nummer 3 oder § 4 Absatz 1 Nummer 3 CoronaImpfV sind, und Personen nach § 3 Absatz 1 Nummer 6 bis 8 und § 4 Absatz 1 Nummer 4 CortonaImpfV, die im Ausland tätig sind, und ihre mit ausgereisten Familienangehörigen. Die geimpften Mitarbeiter des Resorts U gehören nicht zu diesen (anspruchsberechtigten) Personen. Zutreffend ist, dass mit Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 12.05.2021 (Nr. 114/GP) angekündigt wurde, die Priorisierung werde in den Praxen im Laufe der nächsten Woche frei gegeben. Letztlich konnten die Hausärzte ab dem 20.05.2021 impfen. Allerdings betraf dieses nur den Entfall der Priorisierung, nicht aber den Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 1 Abs. 1 CoronaImpfV. ‘Freigabe der Priorisierung’ bedeutete nicht, dass Ärzte sich die zu impfenden Personen frei aussuchen konnten. Insoweit verfängt der Einwand der Beschwerde (Schriftsatz vom … Seite 2 und 3) nicht, „für niedergelassene Ärzte sei die Priorisierung bereits am 17.05.2021 aufgehoben“ worden und ein Verbot, andere als in der Verordnung bezeichnete Anspruchsberechtigte zu impfen, lasse sich aus der Regelung nicht herleiten. Natürlich war es nicht verboten, andere als dort bezeichnende Personen zu impfen, sofern dieses mit rechtmäßig erlangtem Impfstoff geschah. Letzteres war allerdings nicht möglich. Wie dargelegt, wurde die Priorisierung im Übrigen tatsächlich erst am 20.05.2021 aufgehoben.
Eine Rechtfertigung ergibt sich auch nicht hilfsweise – etwa im Sinne einer mutmaßlichen Einwilligung der Eigentümerin Bundesrepublik Deutschland in Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 CoronaImpfV (“Von der Reihenfolge nach Absatz 2 Satz 1 kann abgewichen werden, wenn dies für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen oder eine zeitnahe Verwendung vorhandener Impfstoffe notwendig ist, insbesondere um einen Verwurf von Impfstoffen zu vermeiden.“) dahingehend, wegen mangelnder Haltbarkeit habe der Impfstoff am …, den … nicht anders „verimpft“ werden können als an die Mitarbeiter des Resorts U. Zum einen hätte nur von der Impfreihenfolge abgewichen werden können, an der (fehlenden) Anspruchsberechtigung nach § 1 Abs. 1 CoronaImpfV hätte dieses nichts geändert. Zum anderen begann die Impfung am …, den … bereits vor … Uhr, wie sich aus der Einlassung des Dr. E. ergibt, der zu diesem Zeitpunkt (verspätet) erschienen sein will und nur noch die Gelegenheit hatte, 5 Patienten zu impfen. Impfberechtigte ohne Priorisierung hätten zeitlich noch gefunden werden können. Letztlich wurde bereits am …, den …, jene Rechnung der R.-Apotheke (F) erstellt, in denen die Mengen COMIRNATY und VAXZEVRIA enthalten waren. Am … konnte aber niemand wissen, wie viel Impfstoff am …, den …, (nicht) anderweitig würde verimpft werden können.
(d) Bei der in Rede stehende Haupttat der Unterschlagung durch den Apotheker F, wäre der Qualifikationstatbestand des § 246 Abs. 2 StGB (veruntreuende Unterschlagung) anzuwenden. Durch die CoronaImpfV ist hinreichend deutlich gemacht, nach welchen Vorgaben mit der fremden Sache ‚Impfstoff‘ durch diejenigen, die in den jeweiligen Stufen Gewahrsam hieran haben würden, verfahren werden sollte. Die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin räumte den im Ablauf Beteiligten den Gewahrsam in dem Vertrauen ein, es werde entsprechend der CoronaImpfV verfahren. Wegen § 28 Abs. 2 StGB wirkt sich dieses bei dem Beschwerdeführer allerdings nicht aus.
(2) Den Akten ist zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Durchsuchungsbeschlusses am … die notwendige, aber auch ausreichende einfache Verdachtslage zu entnehmen, der Beschwerdeführer habe zu dieser Unterschlagung Beihilfe geleistet. Der Beschuldigte Arzt Dr. E. hat sich mit Schriftsatz seines Verteidigers vom … (EA Blatt 15) dahingehend eingelassen, die Vertragsgestaltung sei durch den Beschwerdeführer abgeschlossen worden. Das Beschwerdegericht darf zur Begründung seiner Entscheidung keine Erkenntnisse heranziehen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren, etwa weil sie erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden (vgl. BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 10. 9. 2010 – 2 BvR 2561/08). Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Abläufen im Schriftsatz seines Verteidigers vom … (EA Blatt 320 ff.), denen zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer von Seiten der [ausländischen] Hotelbetreibergesellschaft für die Vertragsgestaltung eingeschaltet gewesen sei, sind außer Acht zu lassen. Die zitierte Einlassung des Dr. E. in Verbindung mit dem zitierten Vertrag ließ jedoch zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Durchsuchungsbeschlusses den Verdacht zu, der Beschwerdeführer habe an dem Vertragswerk zumindest beratend mitgewirkt. Dieser Vertrag förderte nicht nur die Vorbereitung der Impfaktion, anlässlich derer es zur beschriebenen Unterschlagung des Impfstoffes kam, sondern angesichts seiner detailreichen Regelungen zum Ablauf und Bezahlung auch deren Durchführung. Nach den obigen Vorgaben ist nicht entscheidend, ob es auch ohne die Mitwirkung des Beschwerdeführers zur Unterschlagung des Impfstoffes hätte kommen können.
Ausweislich des Vertrages, an dessen Gestaltung der Beschwerdeführer nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses vorliegenden Einlassung des Beschuldigten Dr. E. mitgewirkt hatte, war für ihn erkennbar, dass Dr. E. – neben zahlreichen anderen Verpflichtungen – für Kauf und Auslieferung des Impfstoffes und Organisation dessen Verimpfung Sorge zu tragen haben würde (EA Blatt 21). Mithin war dem Beschwerdeführer bekannt, dass Dr. E. in Durchführung dieses Vertrages Impfstoffes zu beschaffen haben und entsprechend vorgehen würde. Am … war ohne Zweifel jedem bekannt, dass zu diesem Zeitpunkt niemand Impfstoff auf dem freien Markt kaufen konnte. Anderenfalls wäre in den Medien, auch bei Apothekern oder Ärzten oder aber auch von Internetanbietern über entsprechende Möglichkeiten berichtet worden. Vielmehr war zu diesem Zeitpunkt die Knappheit an Impfstoff und die Frage einer Priorisierung (noch) im allgemeinen Bewusstsein. Hätte jemand die Möglichkeit gehabt, sich Impfstoff andernorts kaufen, wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hierüber berichtet worden. Die vertraglichen Regelungen, mit denen sich der Beschwerdeführer befasste, konnten für ihn nur den Schluss zulassen, dass Dr. E. sich den genannten Impfstoff rechtswidrig beschaffen oder aus dunklen Kanälen beziehen würde. Angesichts der Vertragsgestaltung, an der er mitwirkte, erkannte der Beschwerdeführer, dass Dr. E. eine strafbare Handlung begehen würde, wenigstens war das hierfür bestehende Risiko jedoch für den Beschwerdeführer sehr hoch.
Die Einwände der Beschwerde hiergegen greifen nicht durch. Ob es sich bei dem Beschuldigten „Dr. E. immerhin um einen angesehenen und bekannten [] Arzt“ handelt, dessen Verträge „ebenfalls von einem Anwalt geprüft und auch geändert“ wurden, ob der Beschwerdeführer „mit seinem Vertrag sichergestellt hatte, dass auf der anderen Seite ein renommierter Arzt, ein Apotheker und ein Anwalt tätig waren“ (Schriftsatz vom … EA Blatt 320) ist vor diesem Hintergrund irrelevant. Auch Personen des öffentlichen Lebens mit allgemeinem Renommee, die sich der Hilfe von Anwälten bedienen, können – wie jeder weiß – Straftaten begehen. Es bleibt offen, woher die Beschwerde die Information nimmt, BioNTech habe mehr Impfstoff an andere EU-Staaten und andere Länder oder an Zwischenhändler geliefert (EA Blatt 371 – Schriftsatz vom …) bzw. es sei plausibel gewesen, dass ein Arzt bzw. Apothekerkontingente hätten legal organisieren und verimpfen können (Schriftsatz vom … Seite 3). Auf geführte juristische Debatten über die Verteilung des Impfstoffes und den diesbezüglichen Kenntnisstand des Beschuldigten als Rechtsanwalt kommt es nicht einmal an. Hätte zum damaligen Zeitpunkt die Möglichkeit bestanden, Impfstoff frei in anderen Ländern oder von Zwischenhändlern zu kaufen, wären derartige Geschäfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und für jeden Bürger erkennbar durch Unternehmen zum Zwecke der Gewinnerzielung durchgeführt worden und hätten die öffentliche Diskussion beherrscht, was aber – für den Beschwerdeführer erkennbar – zu keinem Zeitpunkt der Fall war. Für Impfstoffe gegen Covid-19 gab und gibt es – ebenso wie für viele andere Gegenstände – keinen freien Markt. Erfolgen jedoch Angebote in diesem Bereich, lag ein illegaler Hintergrund mehr als nur nahe.
dd) Die übrigen Voraussetzungen für den Erlass des angefochtenen Durchsuchungsbeschlusses lagen vor.
(A)
Bei den Räumlichkeiten handelt es sich um den Wohn- und Kanzleisitz des Beschwerdeführers als Beschuldigtem (vgl. EA Blatt 85).
(B)
Die angeordnete Durchsuchung war verhältnismäßig. Sie war im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend, und gerade diese Zwangsmaßnahme war zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich. Mildere Mittel standen nicht zur Verfügung. Die angeordnete Durchsuchungsmaßnahme war ohne Zweifel geeignet, Beweismittel sicherzustellen. Auf andere Weise als durch die Durchsuchung hätten Beweismittel nicht in gleicher Weise erfolgversprechend sichergestellt werden können. Herausgabeersuchen konnten ersichtlich nicht in gleicher Weise eine Aufklärung des Sachverhaltes – auch nicht im Sinne einer Entlastung des Beschwerdeführers – bewirken.
(C)
Auf den im Rahmen der Beschwerde vorgetragenen Umstand, es handele sich bei dem Beschwerdeführer um einen zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträger, kommt es nicht an.
Die Absätze 1 bis 3 des § 160a StPO sind nicht anzuwenden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist (§ 160a Abs. 4 Satz 1 StPO). Zählt der Berufsgeheimnisträger zum beschuldigten Personenkreis, weil er der Verstrickung in die Tat seines Mandanten verdächtig ist – namentlich, weil seine Tatbeteiligung oder beteiligungsähnliche Involvierung (§§ 257 -259 StGB) in Betracht kommt -, gilt die Vertrauenssphäre als nicht schutzwürdig. Deshalb entfallen hier die Beweiserhebungs- und Verwendungsbeschränkungen (vgl. MüKoStPO/Kölbel, 1. Aufl. 2016, StPO § 160a Rn. 24). Überhaupt nicht anwendbar sind § 160 a Abs. 1 und 2 StPO – ohne dass es auf dessen Abs. 4 ankommt -, wenn sich das Verfahren gegen den Berufsgeheimnisträger selbst richtet (vgl. MüKoStPO/Kölbel, a. a. O., Rn. 25).
So liegt es hier, denn es besteht nicht nur der Verdacht, dass der Beschwerdeführer an der Tat beteiligt war, sondern das Verfahren richtet sich überdies gegen ihn selbst. Entgegen dem Vortrag der Beschwerde (Schriftsatz vom … – EA Blatt 321) sind die dort zitierten erhöhten Vorgaben, die an Durchsuchungen bei Berufsgeheimnisträgern zu stellen sind, aus diesem Grunde auch nicht einschlägig.
b) Die gegen den Beschluss 59 Gs 5881/21 vom 23.06.2021 gerichtete Beschwerde, durch den die auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg bewirkte vorläufige Mitnahme zum Zwecke der Durchsicht der im Tenor genau bezeichneten Gegenstände bestätigt wurde, ist mit der Maßgabe unbegründet, dass lediglich der Tatverdacht der Beihilfe zur Unterschlagung gemäß den §§ 246 Abs. 1, 27 StGB besteht.
aa) Die Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen steht der Staatsanwaltschaft und auf deren Anordnung ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu (§ 110 Abs. 1 StPO). Werden Papiere zur Durchsicht mitgenommen oder Daten vorläufig gesichert, gelten die §§ 95a und 98 Absatz 2 StPO entsprechend (§ 110 Abs. 4 StPO). Die Durchsicht ist das Mittel, die als Beweismittel in Betracht kommenden Papiere inhaltlich darauf zu prüfen, ob eine richterliche Beschlagnahme zu beantragen oder gegebenenfalls die Rückgabe zu veranlassen ist. Sie erfolgt grundsätzlich an Ort und Stelle im Anschluss an die Durchsuchung, um sofort über die Beschlagnahme zu entscheiden. Ist wegen des Umfangs der Papiere eine abschließende Sichtung nicht sogleich möglich, so können diese zur Durchsicht mitgenommen oder in einem separaten Raum verwahrt werden (MüKoStPO/Hauschild, 1. Aufl. 2014, StPO § 110 Rn. 8 m. w. N.; BeckOK StPO/Hegmann, 41. Ed. 1.10.2021, StPO § 110 Rn. 8). Das Verfahren der Durchsicht nach § 110 StPO zielt auf der Grundlage einer vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Feststellung der potenziellen Beweiserheblichkeit und -verwertbarkeit auf die Vermeidung eines dauerhaften und umfassenden staatlichen Zugriffs und soll der zeitlichen Perpetuierung und Intensivierung des staatlichen Zugriffs bei einer endgültigen, bis zum Verfahrensabschluss wirkenden Beschlagnahme entgegenwirken (vgl. BeckOK StPO/Hegmann, 41. Ed. 1.10.2021, StPO § 110 Rn. 6). In der Mitnahme der Papiere oder Daten zum Zwecke der Durchsicht liegt noch keine Beschlagnahme, sondern sie dient erst vorbereitend dazu, mögliche Beschlagnahmegegenstände aus dem bei der Durchsuchung vorgefundenen Material auszusondern (KK-StPO/Bruns, 8. Aufl. 2019, StPO § 110 Rn. 9). Der Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit ist identisch mit dem für die Anordnung der Durchsuchung; insbesondere ist angesichts des nicht unerheblichen erheblichen Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen (vgl. BeckOK StPO/Hegmann, 41. Ed. 1.10.2021, StPO § 110 Rn. 12).
bb) Unter Würdigung dieser Vorgaben hat das Amtsgericht in seinem Beschluss vom … (59 Gs 5881/21) die vorläufige Mitnahme zum Zwecke der Durchsicht der dort bezeichneten Gegenstände zu Recht bestätigt.
(A)
Hinsichtlich der auch für diesen Beschluss notwendigen Verdachtslage ist auf die obigen Ausführungen zur Begründetheit der gegen den Durchsuchungsbeschluss gerichteten Beschwerde zu verweisen.
(B)
Zwar ist nicht sämtlichen Ziffern des angefochtenen Beschlusses (EA Blatt 210) in Verbindung mit dem von der Formulierung her identischen Sicherstellungsverzeichnis (EA Blatt 201) zu entnehmen, ob und gegebenenfalls welche Beweisbedeutung für das Verfahren bestehen könnte. Die gewählte Vorgehensweise der vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht dient aber gerade der Feststellung, ob und in welchem Umfange eine Beweisbedeutung besteht. Das den bezeichneten Gegenständen eine solche zukommen kann, erscheint grundsätzlich möglich.
(C)
Die gewählte Vorgehensweise einer vorläufigen Sicherstellung und deren Bestätigung war veranlasst, da eine Durchsicht der Unterlagen und der dort vorhandenen Datenverarbeitungsanlagen am Durchsuchungsort ohne Zweifel nicht sofort möglich gewesen wäre. Jede andere Betrachtung hätte im konkreten Fall dazu geführt, die Durchsuchung in den Räumlichkeiten über mehrere Tage hinweg fortzusetzen oder aber diese zu versiegeln. Insofern wurde durch die Ermittlungsbehörden der geringste mögliche, aber gleich geeignete Eingriff gewählt.
(D)
Die durch die Beschwerde hiergegen vorgetragenen Argumente greifen nicht durch. Unabhängig davon, dass nach den obigen Darlegungen auch hier § 160a StPO keine Wirkung entfaltet, kommt es bei der Frage der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht nach § 110 StPO und deren anschließender gerichtlicher Bestätigung (noch) nicht auf die Frage einer Beschlagnahmefreiheit gemäß § 97 StPO an. Diese stellt sich erst, wenn vorläufig sichergestellte Unterlagen tatsächlich beschlagnahmt werden müssen. Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren (§ 97 Abs. 2 Satz 2 StPO).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Der geringfügige Teilerfolg der Beschwerden rechtfertigt es nicht, die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen.


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