Strafrecht

Verfassungsmäßigkeit der Vermögensabschöpfung nach neuem Recht

Aktenzeichen  5 OLG 15 Ss 539/17

Datum:
19.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15980
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
Art. 103 Abs. 2 GG
EMRK Art. 7 Abs. 1 S. 2
EGStGB Art. 316h S. 1
StGB § 27c Abs. 2, § 73c
StPO § 43 Abs. 1, § 459g Abs. 5 Satz 1
BGB § 817 S.2

 

Leitsatz

1. Die Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in Art. 316h Satz 1 EGStGB ist verfassungsgemäß.  Art. 316h Satz 1 EGStGB steht nicht in Widerspruch zum strafrechtlichen Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG. Der verfassungsrechtliche Begriff der Strafe wird durch den Gegenstand der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung nicht berührt. Etwas anderes ergibt sich weder aus der insoweit verdrängten Grundregel in § 2 Abs. 3 und Abs. 5 StGB, noch aus dem materiellen Gehalt der bisher geltenden wie der zum 1. Juli 2017 reformierten Regelungen zur Vermögensabschöpfung. (Rn. 7 und 8)
2. Art. 316h Satz 1 EGStGB verstößt ferner nicht gegen Grundrechte Verurteilter, und zwar auch nicht, soweit in deren Schutzumfang als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) das allgemeine verfassungsrechtliche Vertrauensschutzgebot einfließt. Die bei Anwendung dieser Gewährleistungen zu berücksichtigende völkerrechtliche Norm des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK samt der zu ihr ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ändern hieran nichts. Selbst wenn eine Einziehung nach dem zum 1. Juli 2017 reformierten Recht als „Strafe“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK anzusehen sein sollte, so besitzt der mit ihr verbundene Grundrechtseingriff kein derart hohes Gewicht, als dass den durch Art. 316h Satz 1 EGStGB berührten Vertrauensschutzbelangen Vorrang zukäme gegenüber der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl. (Rn. 28 ff.)

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 28. Juli 2017 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
Das Amtsgericht München verhängte gegen den Angeklagten mit Urteil vom 28.07.2017 wegen Betrugs eine Freiheitsstrafe von elf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem ordnete das Amtsgericht die Einziehung des Wertersatzes des durch die Tat Erlangten in Höhe von 23.920,46 Euro an.
Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte am 04.08.2017 Revision ein, die er auf die Anordnung der Einziehung beschränkte. Mit Schreiben seines Verteidigers vom 21.09.2017 wurde die Revision begründet und beantragt, Ziffer 4 des Urteils vom 28.07.2017 (Einziehung von Wertersatz) aufzuheben. Eine durch die Staatsanwaltschaft am 02.08.2017 eingelegte Berufung wurde am 08.11.2017 zurückgenommen.
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Vorlageschreiben vom 09.01.2018 beantragt, die Revision des Angeklagten durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet kostenpflichtig zu verwerfen.
II.
Die Revision ist zulässig. Insbesondere wurde die Monatsfrist zur Revisionsbegründung nach § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO eingehalten, welche trotz zwischenzeitlicher Berufungseinlegung durch die Staatsanwaltschaft zu wahren war (§ 335 Abs. 3 Satz 2 StPO). Die Begründungsfrist begann gemäß § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO mit der Urteilszustellung an den Verteidiger des Angeklagten am 21.08.2017. Sie endete mit Ablauf des 21.09.2017 (§ 43 Abs. 1 StPO). Die Revisionsbegründung mit Schreiben vom 21.09.2017 ging in Papierform zwar erst am 25.09.2017 bei Gericht ein (Bl. 86/88 d.A.). Aufgrund der mit Schreiben des Verteidigers vom 28.03.2018 übersandten Faxbestätigung gelingt jedoch der Nachweis, dass die Revisionsbegründung per Fax noch am 21.09.2017 und damit fristgerecht beim Amtsgericht einging. Aus der Bestätigung ist für diesen Tag um 16:07 bzw. 16:08 Uhr ein entsprechender Versand ersichtlich. Auf Bitte des Senats hat das Amtsgericht zudem das Faxjournal der dortigen Abteilung für allgemeine Strafsachen übermittelt, aus dem sich ein korrespondierender Eintrag ergibt, der zeitlich nur um wenige Minuten abweicht und aufgrund der angegebenen Nummer des Faxabsenders eindeutig zuzuordnen ist.
III.
In der Sache hat die Revision jedoch keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision, welche wirksam auf die Anordnung der Einziehung von Wertersatz beschränkt wurde und hiergegen die Sachrüge erhebt, hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die angeordnete Einziehung von Wertersatz nach §§ 73, 73c StGB ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat auf die im März 2015 beendete Tat des Angeklagten bereits die zum 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Regelungen des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) zur Einziehung des Tatertrages angewandt. Das entspricht der zugehörigen Übergangsvorschrift nach Art. 316h Satz 1 EGStGB.
Diese von § 2 Abs. 3 und Abs. 5 StGB abweichende Sonderregelung ist verfassungsgemäß. Art. 316h Satz 1 EGStGB steht weder im Widerspruch zum speziellen strafrechtlichen Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG (nachfolgend Ziff. 1) noch widerstreitet sie Grundrechten des Angeklagten in deren Zusammenwirken mit dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgebot nach Art. 20 Abs. 3 GG (nachfolgend Ziff. 2). Ein Vorgehen nach Art. 100 GG ist deshalb nicht veranlasst (i.E. ebenso LG Berlin wistra 2018, 184).
1. Der Gesetzgeber hat mit der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB nicht gegen das spezielle strafrechtliche Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. Der verfassungsrechtliche Begriff der Strafe (nachfolgend a)) wird durch den Gegenstand der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung nicht berührt. Etwas anderes ergibt sich weder aus der insoweit verdrängten Grundregel in § 2 Abs. 3 und Abs. 5 StGB (nachfolgend b)), noch aus dem materiellen Gehalt der bisher geltenden wie der 2017 reformierten Regelungen zur Vermögensabschöpfung (nachfolgend c) und d)) und ferner nicht aus den Auswirkungen der Reform im spezifischen Fall des Angeklagten (nachfolgend e)).
a) Der Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 2 GG ist auf staatliche Maßnahmen beschränkt, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient. Andere staatliche Eingriffsmaßnahmen werden von Art. 103 Abs. 2 GG nicht erfasst; insb. genügt es hierfür nicht schon, dass eine Maßnahme an ein rechtswidriges Verhalten anknüpft (BVerfG Urteil vom 05.02.2004, Az. 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, Rn. 125 bei juris). An diesem in Abgrenzung zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung entwickelten Begriff der Strafe hat das Bundesverfassungsgericht auch in seiner späteren Rechtsprechung insb. zum Recht der nachträglichen Sicherungsverwahrung festgehalten, vgl. BVerfG Urteil vom 04.05.2011, Az. 2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326, Rn. 141 f. Dabei hat es berücksichtigt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK enthaltenen Begriff der „Strafe“ in einem weitergehenden Sinn auslegt (siehe hierzu noch unten Ziff. 2).
b) Der Grundnorm zur zeitlichen Geltung der Strafgesetze in § 2 StGB, die durch Art. 316h Satz 1 EGStGB für Teile des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ersetzt wird, lässt sich keine dahingehende Aussage entnehmen, dass die Maßnahme der Einziehung bzw. des Verfalls im Sinne des vor dem 1. Juli 2017 geltenden Rechts als Strafe i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG einzuordnen ist. Das gilt, obwohl § 2 Abs. 3 und Abs. 5 StGB das zeitliche Meistbegünstigungsprinzip auf den Verfall bzw. die Einziehung erstreckt und insoweit nicht anders als eine Strafe behandelt.
Allerdings hatte der historische Gesetzgeber die Vorschriften zur Gewinnabschöpfung in diesem Zusammenhang zumindest auf begrifflicher Ebene tatsächlich in die Nähe der Strafe gerückt. Das wird deutlich anhand der Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 3 und Abs. 5 StGB und der zugrunde liegenden gesetzgeberischen Intention. Die bis heute geltende Regelung wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1975 durch Art. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (2. StrRG) vom 4. Juli 1969 (BGBl. I 1969, S. 717) geschaffen. Maßgeblich für den Gesetzgeber war dabei der Gedanke, dass sich der Verfall von Gegenständen nach seinem rechtlichen Gehalt der Strafe annähere, so dass es sachgerecht sei, ihn in der Frage der zeitlichen Geltung ebenso wie Strafen zu behandeln (vgl. BT-Drucks IV/650, S. 108 zur Begründung der entsprechenden Regelung des E 1962, die über den Gesetzesantrag vom 11. November 1965 – BT-Drucks. V/32 – in den Entwurf für das 2. StrRG einging, siehe hierzu den Zweiten Schriftlichen Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4095, S. 1, 4, 53, sowie LK/Dannecker, 12. Aufl. 2007, § 2 StGB Rn. 133).
Der Hintergrund dieser Einschätzung erschließt sich aus den zugehörigen Sachvorschriften in den §§ 73 ff. StGB, die ebenfalls durch das 2. StrRG geschaffen wurden (BGBl. I 1969, S. 717, 734 ff.). Ein Auslöser für deren Einführung war die zugleich erfolgte Neugestaltung des Geldstrafenrechts. Über die Vorschrift des § 27c Abs. 2 StGB a.F. (entsprechend § 27b Abs. 1 StGB in der Fassung des 1. StrRG), wonach die Geldstrafe das für die Tat empfangene Entgelt bzw. den aus ihr gezogenen Gewinn übersteigen sollte, kam dieser Sanktion zuvor auch eine gewisse Abschöpfungsfunktion zu. Diese konnte sie aufgrund der Neuorientierung am Tagessatzsystem nicht weiter erfüllen. Zugleich wurde ein kriminalpolitisches Bedürfnis dafür gesehen, Gewinne nicht nur bei den mit Geldstrafe bedrohten Straftaten abzuschöpfen. Deshalb wurde mit dem Verfall ein allgemeines, für das gesamte Strafrecht geltendes Rechtsfolgeninstitut geschaffen, in dem angesichts der Übernahme früherer Funktionen der Geldstrafe eine „angemessene Ergänzung“ der „Strafe und insbesondere [des] Tagessatzsystem[s]“ gesehen wurde: Es sei nicht sinnvoll, den Täter zu bestrafen, ihm zugleich aber den durch die Tat unrechtmäßig zugeflossenen Gewinn zu belassen (BT-Drucks IV/650, S. 241, zur Begründung der entsprechenden Regelung in §§ 109 ff. des E 1962; Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4095, S. 1, 39 ff., 72 ff.; vgl. zum Vorstehenden zudem LK/Schmidt, 12. Aufl. 2007, vor § 73 StGB Rn. 11 sowie § 73 StGB Rn. 1 f.).
Aus dem geschilderten Zusammenhang wird deutlich, dass die „Annäherung“ der Gewinnabschöpfung (des Verfalls nach bisherigem Recht) an die Strafe durch den historischen Gesetzgeber und die daraus resultierende Regelung in § 2 Abs. 3 und Abs. 5 StGB nicht unbedingt in einer auch diesem Rechtsinstitut innewohnenden schuldausgleichenden Funktion gesehen wurde, sondern in der Übernahme von Funktionen, die zuvor teilweise über die noch nicht nach Tagessätzen zu bemessende Geldstrafe abgedeckt werden konnten. Zudem hatte man erkannt, dass ein Schuldausgleich durch Strafe noch keine hinreichende kriminalpolitische Reaktion auf eine Straftat darstellt, sondern dem Täter zusätzlich auch die Vorteile aus seiner Tat entzogen werden müssen. Entsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht den Willen des Gesetzgebers dahingehend gedeutet, dass die Abschöpfung deliktisch erzielter Vermögensvorteile als gesonderte Rechtsfolge neben die Strafe treten sollte und der Gesetzgeber in ihr nicht die Zufügung eines Übels sah, sondern die Beseitigung eines Vorteils (BVerfGE 110, 1, Rn. 64 f. bei juris).
c) Die durch den historischen Gesetzgeber des 2. StrRG angenommene „Nähe“ zwischen der Strafe und der Maßnahme des Verfalls bzw. der Einziehung ist auch in Ansehung der inhaltlichen Ausgestaltung der Normen zur Gewinnabschöpfung nicht derart ausgeprägt, als dass in dieser eine dem Schuldausgleich dienende Zufügung eines Übels und damit eine Strafe i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG gesehen werden müsste. Wie in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft München vom 9. Januar 2018 bereits ausgeführt, hat das Bundesverfassungsgericht sogar den erweiterten Verfall i.S.d. § 73d StGB a.F. nicht als eine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme angesehen, was für den Regelfall der bloßen Einziehung von Erträgen der abgeurteilten Tat erst recht gelten muss.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Einordnung u.a. darauf gestützt, dass der Gesetzgeber den Verfall als sog. „Maßnahme“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) schon terminologisch von den Strafen getrennt hat. Dem entspricht die Gesetzessystematik, die den Verfall bzw. im aktuell geltenden Recht die Einziehung im Siebenten Titel des Dritten Abschnitts als gesonderte Rechtsfolgen behandelt (BVerfGE 110, 1, Rn. 61 bei juris). Soweit der Verfall eine durch die Straftat eingetretene Störung der Vermögensordnung beseitigen und zugleich dem Täter wie der Rechtsgemeinschaft vor Augen führen soll, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen, dient die Maßnahme präventiven Zwecken. Diese wiederum bilden jedoch kein Spezifikum strafrechtlicher Vorschriften, sondern charakterisieren genauso das Recht der Gefahrenabwehr (vgl. BVerfGE 110, 1, Rn. 68 ff. bei juris).
Auch mit der Einführung des sog. „Bruttoprinzips“ durch das Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl. I S. 372, BT-Drucks. 12/1134, S. 12) hat der Gesetzgeber dem Verfall nicht seinen kondiktionsähnlichen Charakter genommen, sondern ihn an die im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht vorgefundene Risikozuweisung angeglichen (BVerfGE 110, 1, Rn. 78 f. bei juris). Das Bundesverfassungsgericht wendet sich mit dieser Einordnung ausdrücklich gegen Stimmen im strafrechtlichen Schrifttum, die im Verfall seitdem die tatvergeltende Zufügung einer wirtschaftlichen Einbuße sehen (vgl. die Nachweise bei BVerfGE 110, 1, Rn. 77 bei juris). Zugleich folgt das Bundesverfassungsgericht damit der Judikatur des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1995, 2235, Rn. 6 ff. bei juris).
Insgesamt stellt die Gewinnabschöpfung keine pönale Reaktion auf ein früheres normwidriges Verhalten des Betroffenen dar, sondern antwortet auf eine gegenwärtige Störung der Vermögensordnung mit einem korrigierenden und normbekräftigenden Eingriff. Selbst der sog. erweiterte Verfall nach § 73d StGB a.F. verfolgt nicht repressivvergeltende, sondern präventivordnende Ziele und ist daher keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme (BVerfGE 110, 1, Rn. 81 bei juris).
d) An diesem inhaltlichen Charakter der Vermögensabschöpfung hat sich durch die Reform zum 1. Juli 2017 nichts Grundlegendes geändert, insbesondere wurde ihr keine schuldausgleichende Wirkung verliehen. Vielmehr bewegt sich auch die Maßnahme der Einziehung nach neuem Recht innerhalb des bisherigen Systems einer präventiv orientierten Korrektur der durch die Tat verschobenen Vermögenssituation. Nach der Intention des Gesetzgebers, die in den geschaffenen Normen auch zum Ausdruck kommt, soll der quasikondiktionelle Charakter der Vermögensabschöpfung durch die Reform nicht in Frage gestellt werden (BT-Drucks. 18/9525, S. 48).
So wurde das bisherige Modell der Rückgewinnungshilfe aufgegeben und dazu das Instrumentarium der Opferentschädigung reformiert. Die Ansprüche der Verletzten werden im neuen Recht grundsätzlich außerhalb des strafrechtlichen Erkenntnisverfahrens befriedigt, nämlich entweder im Strafvollstreckungsverfahren oder im Insolvenzverfahren (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 46, 49 ff.). Dass der Gesetzgeber diesen Regelungsbereich außerhalb des strafrechtlichen Erkenntnisverfahrens ansiedelte, obwohl er ihn ausdrücklich als das „Kernstück des Reformvorhabens“ begreift und in der zugrunde liegenden Streichung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. den „Dreh- und Angelpunkt“ der Reform sieht (BT-Drucks. 18/9525, S. 49), spricht bereits gegen eine Orientierung des neuen Rechts am Gedanken des Schuldausgleichs.
Des Weiteren sollten mit der Reform Lücken der bisherigen Abschöpfung geschlossen werden (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 57 f.). Hierzu wurden die Möglichkeiten der nachträglichen Abschöpfung verbessert (Streichung von § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. mit Neuregelung in § 459g Abs. 5 StPO), die erweiterte Vermögensabschöpfung ausgedehnt (§ 73a Abs. 1 StGB n.F.) und der Zugriff auf aus Straftaten herrührendes Vermögen unklarer Herkunft erleichtert (§ 76a Abs. 4 StGB n.F.). Eine schuldausgleichende Intention oder Wirkung ist auch hier nicht ersichtlich. Bezogen auf die letztgenannte Neuerung in § 76a Abs. 4 StGB n.F. betont die Gesetzesbegründung ausdrücklich, dass es sich um eine in die Zukunft gerichtete Maßnahme der Vermögensabschöpfung handele, die eine Störung der Vermögensordnung beseitigen solle und daher nicht dem Schuldgrundsatz unterliege (BT-Drucks. 18/9525, S. 58). Diese Einschätzung teilt der Senat.
Besonders deutlich gegen eine stärkere Schuldorientierung des neuen Rechts spricht zudem die Neuregelung für sog. „Verschiebungsfälle“ in § 73b StGB n.F.: Mit ihr werden in Parallele zur Vorschrift des § 822 BGB die Zugriffsmöglichkeiten bei Drittbegünstigten erweitert (BT-Drucks. 18/9525, S. 56), also bei Personen, die an der abgeurteilten Tat nicht beteiligt waren und zwangsläufig keinem strafrechtlichen Schuldvorwurf unterliegen.
Selbst soweit sie die Stärkung und Konkretisierung des „Bruttoprinzips“ als weiteres wesentliches Reformziel bezeichnet, verweist die Gesetzesbegründung zugleich auf eine verstärkte Orientierung am zivilen Bereicherungsrecht (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 55). Das betrifft etwa die nunmehr rein gegenständlich zu bestimmende Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem Erlangten, wie sie in der Formulierung „durch die Tat“ (statt bisher „aus der Tat“) in § 73 Abs. 1 StGB n.F. zum Ausdruck kommt. Gleiches gilt für die am Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB orientierte Regelung in § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB n.F. zur Wertbestimmung für das Erlangte. Die sich gegenüber dem Schuldausgleich abgrenzende Einschätzung des Gesetzgebers ist auch für diesen Regelungszusammenhang nachvollziehbar.
Deutlich wird die Sicht des Gesetzgebers schließlich sogar anhand der hier inmitten stehenden Übergangsregelung des Art. 316h Satz 1 EGStGB. Wäre an ihrer Stelle die allgemeine Norm des § 2 Abs. 5 StGB anzuwenden, so müsste im Einzelfall festgestellt werden, welches Recht als das mildere anzuwenden ist. Die Stichtagsregelung des Art. 316h Satz 1 EGStGB wurde nicht zuletzt geschaffen, um auf diese als „kompliziert“ erachtete Prüfung bei Verurteilungen nach dem 1. Juli 2017 verzichten zu können (BT Drucks. 18/11640, S. 84). Der Gesetzgeber ging also keineswegs davon aus, dass das neue Recht in jedem Fall eine stärkere Belastung des Verurteilten bewirken wird.
e) Auch im spezifischen Fall des Angeklagten bewirkt die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung keine mit einer Strafe i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG vergleichbare Konsequenz. Die Änderungen bei der Behandlung von Konstellationen der Entreicherung dienen nicht dem Schuldausgleich.
In dem vor 1. Juli 2017 geltenden Recht bestand nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. die Möglichkeit, von der Anordnung des Verfalls abzusehen, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung des Verfalls in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden war. Die Entscheidung hierüber war in das Ermessen des Gerichts gestellt (vgl. z.B. BGH NStZ-RR 2014, 44). In dem seit 1. Juli 2017 geltenden Recht ist eine vergleichbare Regelung im materiellen Recht nur noch zugunsten gutgläubiger Drittbegünstigter vorhanden (§ 73e Abs. 2 StGB), während die bei einem Tatbeteiligten eingetretene Entreicherung erst im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt wird. Hintergrund ist das mit der Neuregelung insoweit verfolgte Ziel, auch die nachträgliche Abschöpfung von Vermögenswerten zu ermöglichen, die bei Tätern oder Teilnehmern erst nach Rechtskraft der Verurteilung entdeckt werden (vgl. § 459g Abs. 5 Satz 2 StPO). Dies setzt voraus, dass die Einziehung unabhängig davon angeordnet wird, welche Erkenntnisse zum Vermögensstand der Tatbeteiligten zum Zeitpunkt des Urteils vorliegen.
Steht aber eine Entreicherung des Täters oder Teilnehmers fest, so hat nach dem neuen Recht (§ 459g Abs. 5 Satz 1 StPO) eine Vollstreckung der angeordneten Einziehung regelmäßig zu unterbleiben (vgl. zum Ganzen die Gesetzesbegründung zu § 73e Abs. 2 StGB n.F. sowie zu § 459g Abs. 4 Satz 1 StPO-E in der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BT-Drucks. 18/9525 S. 57, 69, 94; letztgenannte Norm wurde als § 459g Abs. 5 StPO Gesetz, vgl. hierzu den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 18/11640, S. 46, 89). Daher ist nicht ersichtlich, dass die nunmehr sogar zwingend ausgestaltete neue Regelung in § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO einem nachhaltig entreicherten Tatbeteiligten weniger Schutz gewähren würde als die Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. oder ihn gar einer schuldausgleichenden Übelszufügung aussetzen würde.
Soweit die Neuregelung zugleich bewirkt, dass die Vollstreckung bei Eintritt oder Bekanntwerden neuer Umstände jederzeit wieder aufgenommen werden kann und damit nach Ansicht der Revision in ihrer Wirkung einem „Damokles-Schwert“ über dem Verurteilten gleicht, spiegelt sich darin lediglich der gesetzlich missbilligte Fortbestand einer gestörten Vermögenslage wieder, wie sie durch die Straftat geschaffen wurde. Wenn der Gesetzgeber mit der Reform bewirken will, dass von Versuchen der Störungsbeseitigung nicht länger vorschnell abgesehen wird, so ändert das an Ziel und Inhalt entsprechender Maßnahmen nichts.
2. Die Übergangsnorm des Art. 316h Satz 1 EGStGB verstößt ferner nicht gegen Grundrechte Verurteilter, und zwar auch nicht, soweit in deren Schutzumfang als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) das allgemeine verfassungsrechtliche Vertrauensschutzgebot einfließt. Dass bei Anwendung dieser Gewährleistungen des Grundgesetzes die völkerrechtliche Norm des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK samt der zu ihr ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen ist, ändert hieran nichts.
a) Art. 316h Satz 1 EGStGB ist an den Grundrechten der betroffenen Verurteilten zu messen, bei deren Bewertung die Gewährleistungen des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und dabei insb. des Vertrauensschutzgebots zu berücksichtigen sind. Auch jenseits des Anwendungsbereichs des speziellen strafrechtlichen Rückwirkungsverbots aus Art. 103 Abs. 2 GG beschränken sie in ihrem Zusammenwirken die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an Tatbestände nachträglich ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (BVerfG Urteil vom 05.02.2004, Az. 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 Rn. 167 bei juris). Zwar wird die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, verfassungsrechtlich nicht geschützt. Grundsätzlich unzulässig sind jedoch Anordnungen, wonach eine Rechtsfolge schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten soll (sog. Rückbewirkung von Rechtsfolgen, „echte“ Rückwirkung; BVerfGE a.a.O Rn. 168 f. bei juris). Grenzen für den Gesetzgeber bestehen zudem auch für die sog. tatbestandliche Rückanknüpfung („unechte“ Rückwirkung), bei der zwar die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach Verkündung der Norm eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung „ins Werk gesetzt“ worden sind. Diese Grenzen ergeben sich aus der Abwägung zwischen dem Gewicht der dem Schutz dieser Sachverhalte dienenden Grundrechte einerseits, in deren Bewertung die rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit einwirken, und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl andererseits (BVerfGE a.a.O Rn. 170,172 bei juris).
An diesen Grundsätzen hat das Bundesverfassungsgericht im Bereich der strafrechtlichen Rechtsfolgen bereits rückwirkende Normierungen zur Sicherungsverwahrung (Aufhebung der Höchstdauer von zehn Jahren in § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB a.F.; nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB a.F. und § 7 Abs. 2 JGG a.F.) gemessen (BVerfGE a.a.O Rn. 166 ff. bei juris; BVerfG Urteil vom 04.05.2011, Az. 2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326 Rn. 131 f. bei juris). Es hat dabei zuletzt offengelassen, ob mit den genannten Vorschriften sogar eine „echte“ oder lediglich eine „unechte“ Rückwirkung im obigen Sinn verbunden war, da die Normen jedenfalls einen relevanten Eingriff in das Vertrauen der betroffenen Träger des einschlägigen Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG beinhalteten (BVerfGE a.a.O. Rn. 134 f. bei juris).
Ein derartiger Grundrechtseingriff kommt auch in Betracht, soweit Art. 316h Satz 1 EGStGB bewirkt, dass auf vor dem 1. Juli 2017 begangene Straftaten Sanktionsnormen anzuwenden sind, die erst zum 1. Juli 2017 in Kraft getreten sind. Nachdem über die Einziehung auf das Eigentum zugegriffen wird (vgl. § 75 StGB n.F.), könnten hierdurch primär das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG berührt sein, daneben u.U. die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG in seiner den Erwerb schützenden Funktion. Für diese drei Gewährleistungen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass ihnen in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemeinsam ist, dass sie den Grundrechtsträger vor der Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens bewahren, weshalb in diesem Zusammenhang auch das in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltene Vertrauensschutzgebot Wirkung entfaltet (BVerfGE Beschluss vom 14.05.1986, Az. 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, Rn. 119 bei juris).
b) In die Bewertung eines derartigen Eingriffs in die genannten Grundrechte können nach Maßgabe der durch das Bundesverfassungsgericht hierzu aufgestellten Grundsätze insbesondere einschlägige Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einfließen. Diese steht zwar innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes und damit in der Normhierarchie unter dem Grundgesetz. Aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und seiner inhaltlichen Ausrichtung auf die Menschenrechte ist die Europäische Menschenrechtskonvention jedoch als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen. Gleiches gilt für die Auslegung der EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (BVerfG Urteil vom 04.05.2011, Az. 2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326 Rn. 86 bei juris). Auf diese Weise soll den Garantien der Menschenrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland möglichst umfassend Geltung verschafft und es sollen zudem Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland nach Möglichkeit vermieden werden (BVerfGE a.a.O. Rn. 90 bei juris).
Für eine derartige völkerrechtsfreundliche Auslegung ergeben sich aus dem Grundgesetz jedoch zugleich Grenzen. Sie darf zum einen nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird. Zum anderen enden die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist möglichst schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen, weshalb sich eine unreflektierte Adaption völkerrechtlicher Begriffe verbietet. Insbesondere wenn ein autonom gebildeter Begriff des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei textlich ähnlichen Garantien anders ausfällt als der entsprechende Begriff des Grundgesetzes, kann eine „Heranziehung als Auslegungshilfe“ deshalb auch in der Weise geschehen, dass die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte in die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung einbezogen werden (BVerfGE a.a.O. Rn. 93 f. bei juris).
c) Nachdem im vorliegenden Fall speziell das Zusammenspiel der oben unter Ziff. 2a) genannten grundrechtlichen Gewährleistungen mit dem Vertrauensschutzgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG in den Blick zu nehmen ist, kann dabei insb. der Garantie aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK Bedeutung zukommen. Nach dieser Vorschrift darf gegen niemand für eine Straftat eine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden. Es kommt in Betracht, in der Anwendung der zum 1. Juli 2017 reformierten Vorschriften zur Gewinnabschöpfung auf vor diesem Zeitpunkt begangene Taten eine derartige „schwerere Strafe“ nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK zu sehen.
Eine verbindliche Festlegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte liegt zu dieser Frage bislang jedoch nicht vor. Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits einmal eine Maßnahme der Gewinnabschöpfung unter den Strafbegriff aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK subsumiert (EGMR Welch / United Kingdom, Urteil vom 09.02.1995, Az. 17440/90). In dieser Entscheidung sah der Gerichtshof eine Einziehung von Gewinnen aus Straftaten als Strafe i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK an, die nach einem 1986 im Vereinigten Königreich zur Bekämpfung der Drogenkriminalität erlassenen Gesetz (Drug Trafficking Offences Act 1986) durch das Strafgericht in einem Verfahren wegen Rauschgifthandels verhängt worden war. Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte befasst sich jedoch weder mit dem bisherigen noch mit dem reformierten deutschen Recht der Gewinnabschöpfung. Ihrem Aussagegehalt für den hier zu beurteilenden Sachverhalt setzt dies Grenzen.
Zwar sind Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen der Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention als Auslegungshilfe auch dann zu berücksichtigen, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der jedenfalls faktischen Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt. Das Grundgesetz will vor dem Hintergrund der zumindest faktischen Präzedenzwirkung der Entscheidungen internationaler Gerichte Konflikte zwischen den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland und dem nationalen Recht nach Möglichkeit vermeiden (BVerfGE a.a.O. Rn. 89 bei juris).
Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besitzen andererseits keine Gesetzesqualität, sondern binden nach Art. 46 Abs. 1 EMRK nur die beteiligten Vertragsparteien an das endgültige Urteil in Bezug auf einen bestimmten Streitgegenstand. Sie bewirken keine über den Einzelfall hinausgehende strenge Präjudizienbindung gegenüber den mitgliedstaatlichen Gerichten. Das gilt selbst für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention, auch wenn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insoweit eine besondere Bedeutung zukommt, weil sich in ihr der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention und ihrer Protokolle widerspiegelt (BVerfGE a.a.O. Rn. 164 f.).
d) Der Senat kann den Vorgaben der EMRK daher nur in der Weise Rechnung tragen, dass er die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgestellten allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK selbst auf das deutsche Recht der Gewinnabschöpfung anwendet und seiner Bewertung zugrunde legt. Dabei ergibt sich, dass eine Einordnung der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB als „schwerere Strafe“ i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK nicht fernliegt, aber auch nicht zwingend ist.
Das gilt schon für die Frage, ob mit der Anordnung einer Einziehung nach dem neuen Recht überhaupt eine „schwerere“ Sanktion zur Anwendung kommt als mit dem Verfall nach den bis Mitte 2017 geltenden Vorschriften. So ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bislang nicht eindeutig geklärt, anhand welcher konkreten Maßstäbe die im ursprünglichen und im geänderten Recht vorgesehenen Rechtsfolgen zu vergleichen sind, insbesondere ob dabei auf die abstrakten Strafdrohungen abzustellen ist oder aber auf die konkreten Ergebnisse, die sich bei einer Strafzumessung nach altem und neuen Recht jeweils im Einzelfall ergeben würden (vgl. Saliger/Schörner, StV 2018, 388, 391 m.w.N.). Dabei dürfte ein abstrakter Vergleich des Rechts der Einziehung bzw. des Verfalls vor und nach dem 1. Juli 2017 kaum zu einem eindeutigen Ergebnis führen, da mit der Reform auch potentiell zulasten des Verurteilten genutzte Spielräume des alten Rechts reduziert wurden, etwa im Zusammenhang mit der Bestimmung des Erlangten nach dem Bruttoprinzip (vgl. z.B. Fischer, 64. Aufl. 2017, § 73 StGB a.F., Rn. 8b ff., zu Divergenzen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; als Beispiel einer nach neuem Recht im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung abzugsfähigen Aufwendung nennt die Gesetzesbegründung diejenige für ein fahrlässig unerlaubtes Erbringen von Zahlungsdiensten, vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 69 oben zu § 73d Abs. 1 StGB n.F.). Illustriert werden kann die Schwierigkeit des Vergleichs auch anhand der Konstellation der Entreicherung im vorliegenden Fall: Zwar konnte nach altem Recht von der Anordnung des Verfalls abgesehen werden. Den Wegfall dieser materiellrechtlichen Ermessensnorm kompensiert die Reform jedoch mit einer zwingend ausgestalteten Vorgabe im Prozessrecht. Die Schwierigkeit der Prüfung, welches Recht im Einzelfall bei Geltung von § 2 Abs. 5 StGB als das mildere anzuwenden wäre, war für den Gesetzgeber sogar ein wesentliches Motiv für die Schaffung der Stichtagsregelung des Art. 316h Satz 1 EGStGB (BT-Drucks. 18/11640, S. 84, siehe bereits oben Ziff. 1d).
Genauso wenig eindeutig zu beantworten ist die Frage, ob die Einziehung nach §§ 73 ff. StGB eine „Strafe“ i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK darstellt. Dieser Terminus wird durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte autonom ausgelegt, wobei er bei der Qualifikation einer Rechtsfolge die Einstufung vergleichbarer Maßnahmen in anderen Vertragsstaaten der Konvention berücksichtigt (EGMR NJW 2017, 1007 Rn. 163 bei juris). Für die Subsumtion eines staatlichen Eingriffs unter dieses Strafbegriff hat er in seiner Rechtsprechung fünf Kriterien entwickelt (vgl. EGMR Welch / United Kingdom, 09.02.1995, Az. 17440/90, Rn. 28; EGMR NJW 2017, 1007 Rn. 150 bei juris; in Form der folgenden Aufzählung bei SSW-StPO/Satzger, Art. 7 EMRK Rn. 8):
(1) Verhängung der Maßnahme erfolgt im Anschluss an eine Verurteilung wegen einer Straftat oder zumindest aus Anlass der Begehung einer Straftat
(2) Strafcharakter der Maßnahme im Hinblick auf Natur und Zweck
(3) Strafrechtliche Natur der Maßnahme nach nationalem Recht
(4) Verhängung der Maßnahme im prozessualen Rahmen eines Strafverfahrens
(5) Schwere der Maßnahme
aa) Für eine Einordnung der Einziehung als Strafe i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK spricht, dass die Verhängung der Maßnahme im Anschluss an eine Verurteilung wegen einer Straftat erfolgt (obiges Kriterium (1)). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellt dieses Kriterium einen sehr gewichtigen Faktor für die Prüfung dar (EGMR NJW 2017, 1007 Rn. 150, 155 bei juris). Die Einziehung nach dem seit 1. Juli 2017 geltenden Recht ist als strafrechtliche Rechtsfolge in den §§ 73 ff. StGB geregelt. Sie kann sich nur auf das beziehen, was aus einer Straftat erlangt wurde (§ 73 StGB). Die Einziehung setzt somit eine Straftat voraus und knüpft an diese an. Dies gilt auch, soweit die Einziehung nicht nur gegen Beteiligte der Tat, sondern unter den Voraussetzungen des § 73b StGB n.F. auch gegen Dritte angeordnet werden kann. Der Konnex zu einer Straftat besteht zudem auch in den Fällen, in denen wegen dieser keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann und deshalb eine selbständige Einziehung nach § 76a StGB vorzunehmen ist.
bb) Die Einziehung wird zudem im prozessualen Rahmen eines Strafverfahrens durch die Strafgerichte angeordnet (obiges Kriterium (4)). Das Verfahren hierzu ist in der Strafprozessordnung geregelt (§§ 421 ff. StPO), was genauso für die Vollstreckung gilt (§ 459g StPO). Soweit § 76 StGB eine nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes zulässt, ändert dies nichts an der Zuständigkeit des schon mit der Aburteilung der Straftat befassten oder zu befassenden Gerichts. Nichts anders ist die Situation bei der selbständigen Einziehung (§ 76a StGB i.V.m. § 436 Abs. 1 Satz 1 StPO), bei der Entscheidung in einem Nachverfahren (§ 434 Abs. 1 StPO) sowie in den Fällen, in denen das Gericht das Verfahren über die Einziehung abtrennt (§§ 422, 423 StPO).
cc) Nach dem oben unter Ziff. 1 Gesagten spricht demgegenüber die strafrechtliche Natur der Maßnahme nach nationalem Recht (obiges Kriterium (3)) gegen eine Einordnung als Strafe i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK. Die Einziehung stellt keine schuldvergeltende Strafe i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG dar und fällt auch innerhalb des Sanktionensystems des StGB nicht in die Kategorie der Strafen, sondern in diejenige der „Maßnahmen“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB).
dd) Wieder in die andere Richtung führt die Beurteilung im Hinblick auf Natur und Zweck der Maßnahme (obiges Kriterium (2)) hinsichtlich der dort zuerst genannten Kategorie des Zwecks. Dabei wirkt sich aus, dass für die Strafe mehrere Zwecke anerkannt werden. So dient die Einziehung nach deutschem Recht zwar nicht dem Ausgleich von Schuld, sondern der Beseitigung einer durch die Straftat eingetretenen Störung der Vermögensordnung und damit, trotz Umgestaltung der Rückgewinnungshilfe, mittelbar der Wiedergutmachung zugunsten des Opfers. Zugleich soll die Einziehung dem Täter wie der Rechtsgemeinschaft vor Augen führen, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen; sie dient insoweit präventiven Zwecken.
Das Bundesverfassungsgericht hat in diesen Zielsetzungen kein Spezifikum strafrechtlicher Vorschriften gesehen, sondern die in ihnen liegende Gemeinsamkeit mit dem Recht der Gefahrenabwehr betont (siehe bereits oben Ziff. 1c; BVerfGE 110, 1, Rn. 68 ff. bei juris). Demgegenüber hebt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung hervor, dass Prävention und Wiedergutmachung ebenso zu den Strafzwecken gehören (EGMR Welch / United Kingdom, 09.02.1995, Az. 17440/90, Rn. 30). In seiner Rechtsprechung zur deutschen Sicherungsverwahrung hat er in ähnlicher Weise darauf abgestellt, dass deren spezialpräventive Ausrichtung in den jeweiligen Vollzugsgesetzen nicht anders umschrieben wird als diejenige der Freiheitsstrafe (EGMR NJW 2017, 1007 Rn. 172 bei juris).
Nachdem die Einziehung des deutschen Rechts keinen exklusiven, allein ihr zukommenden Zweck besitzt, dürften die stattdessen bestehenden Überschneidungen mit den Strafzwecken für eine Einordnung als Strafe i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK sprechen.
ee) Weniger eindeutig fällt dafür die Beurteilung des Strafcharakters anhand der „Natur“ der Maßnahme als zweiter Kategorie im Rahmen des obigen Kriteriums (2) aus. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat soweit ersichtlich bislang keine eigenständige inhaltliche Definition dazu entwickelt, was das Wesen einer Strafe ausmacht. Die durch das Bundesverfassungsgericht geprägte Verknüpfung des Strafbegriffs mit dem Schuldausgleich hat er nicht übernommen. Zwingende Gesichtspunkte für die Bewertung des deutschen Rechts der Einziehung anhand Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK lassen sich weder der Entscheidung des Gerichtshofs zur Gewinnabschöpfung nach britischem Recht noch seiner Rechtsprechung zum deutschen Recht der Sicherungsverwahrung entnehmen.
(1) In der Entscheidung zur Gewinnabschöpfung im Vereinigten Königreich hat sich der Gerichtshof in diesem Zusammenhang nur mit dem Zweck der Maßnahme befasst (vgl. EGMR Welch / United Kingdom, 09.02.1995, Az. 17440/90, Rn. 30 f., s. bereits oben Ziff. 2d.dd); im Zusammenhang mit der Schwere der Maßnahme hat der Gerichtshof dort allerdings auch auf Bezüge zur „Idee“ der Strafe abgestellt, s. hierzu unten Ziff. 2d.ff).
(2) In seiner Rechtsprechung zur Beurteilung der Sicherungsverwahrung nach deutschem Recht hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese mit der Freiheitsstrafe verglichen und aus dem zu geringen Abstand zwischen beiden Sanktionen auf den Strafcharakter der Sicherungsverwahrung geschlossen (begründet durch EGMR NJW 2010, 2495, Rn. 127 ff.; fortgeführt z.B. in EGMR NJW 2017, 1007 Rn. 164 ff. bei juris). Bei einem parallelen Vorgehen böte sich für die Einziehung ein Vergleich mit der Geldstrafe an, bei dem Gemeinsamkeiten hinsichtlich des Inhalts beider Rechtsfolgen (auch die Einziehung kann und wird häufig in der Verpflichtung zu einer Geldzahlung bestehen) sowie bei der Vollstreckung (§ 459g Abs. 2 StPO verweist in diesen Fällen für die Einziehung auf die Regelung zur Vollstreckung der Geldstrafe in § 459 StPO) feststellbar wären. Zudem besteht der oben unter Ziff. 1b) näher ausgeführte historische Konnex dergestalt, dass die Einziehung ursprünglich auch geschaffen wurde, um zuvor mit der Geldstrafe verbundene Abschöpfungseffekte fortführen zu können.
Diesen Bezügen zwischen Einziehung und Geldstrafe kommt jedoch deutlich weniger Aussagekraft zu als dem Abstand zwischen Sicherungsverwahrung und Freiheitsstrafe. Zwar kann mit diesen Rechtsfolgen für den Betroffenen in beiden Bereichen jeweils ein ähnliches Maß an Beeinträchtigung verbunden sein. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass die Limitierung der Einziehung auf das durch die Straftat Erlangte sehr viel präziser und sehr viel weniger wertungsabhängig ist als die Limitierung der Strafe durch die Schuld sowie die Limitierung der Sicherungsverwahrung durch die fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten.
Die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB wird geprägt durch die Entsprechung von straftatbedingtem Zufluss und sanktionsbedingtem Abfluss. Sie setzt der dem Verurteilten drohenden Einbuße klare Grenzen. Zugleich reduziert sie seine Schutzbedürftigkeit, denn er hat mit der Einziehung im Grundsatz nicht mehr als den Verlust dessen zu befürchten, was er durch seine Straftat überhaupt erst gewonnen hat. Eine Einschränkung erfährt dieser Bezug nur durch das Bruttoprinzip in Form des Abzugsverbots für Aufwendungen, die der Tatbegehung dienten, sowie bei der Einziehung bei Drittbegünstigten insofern, als das Erlangte nicht aus eigener Tat stammt. Für die gerichtliche Rechtsanwendung sind ansonsten nur einzelne, beschränkte Spielräume belassen, etwa in Form der Schätzmöglichkeit nach § 73d Abs. 2 StGB oder in Form einzelner normativer Tatbestandsmerkmale, etwa der bei der Einziehung zulasten Drittbegünstigter nach §§ 73b, 73e Abs. 2 StGB z.T. vorausgesetzten „Leichtfertigkeit“.
Eine vergleichbare Spiegelbildlichkeit ist weder bei der Freiheitsstrafe noch bei der Geldstrafe gegeben. Dem Täter wird hier durch die Strafe nicht genau dasjenige genommen, was er sich durch seine Tat zuvor selbst verschafft hat. Vielmehr wird das Maß der Strafe anhand der schwer quantifizierbaren Größe der Schuld im Rahmen eines rein normativen Zumessungsakts bestimmt. Zudem greift die Übelszufügung bei der Freiheitsstrafe fast regelmäßig, bei der Geldstrafe zumindest sehr häufig in ganz andere Rechtsgüter des Verurteilten ein als in diejenigen, bei denen sich der Verurteilte mit seiner Tat zuvor selbst einen Gewinn verschafft oder bei denen er dem Tatopfer Verluste bereitet hat. In verstärktem Maß fehlt die die Einziehung prägende Spiegelbildlichkeit bei der Sicherungsverwahrung, bei der die begangene Straftat auf die Funktion der „Anlasstat“ reduziert ist, die für die Dauer der Unterbringung umso weniger Bedeutung entfaltet, je länger sie währt.
ff) Nicht zu einem zwingenden Ergebnis führt schließlich auch die Bewertung anhand der Schwere der Maßnahme (obiges Kriterium (5)). Ohnehin hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Stellenwert dieses Merkmals stark relativiert und betont, dass es nie der alleinige oder entscheidende Gesichtspunkt für die Einstufung als Strafe i.S.d. Art. 7 EMRK sein könne (vgl. EGMR Welch / United Kingdom, Az. 17440/90, Rn. 32; EGMR NJW 2017, 1007 Rn. 150, 179 bei juris). Bei Betrachtung der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB kommt hinzu, dass die für Täter mit ihr verbundene Belastung nicht immer proportional zum Umfang ihrer strafrechtlichen Schuld ausfallen muss. Das gilt insb. für Taten jenseits des Bereichs der Vermögensdelikte sowie für versuchte Straftaten, bei denen trotz großer krimineller Energie nichts erlangt wurde.
In seiner Entscheidung vom 09.02.1995 kam der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Schwere der Maßnahme allerdings zusätzlich zu der Auffassung, dass bestimmte Besonderheiten des britischen Drug Trafficking Offences Act 1986 gemeinsam der „Idee der Strafe“ nach allgemeinem Verständnis entsprächen (vgl. EGMR Welch / United Kingdom, 09.02.1995, Az. 17440/90, Rn. 12, 13, 33). Der Gerichtshof misst diesen Gesichtspunkten ersichtlich hohe Bedeutung für seine Entscheidung bei und scheint dabei den Aspekt der „Natur“ der Maßnahme nochmals aufzugreifen (vgl. oben Ziff. 2d.ee). Seine Argumentation spricht an dieser Stelle überwiegend gegen eine Einordnung der Einziehung nach § 73 ff. StGB als Strafe i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK, denn die angesprochenen Besonderheiten der britischen Regelung finden im deutschen Recht nur zu einem geringen Teil eine Parallele (in diese Richtung auch Saliger/Schörner, StV 2018, 388, 390).
Konkret hat der Gerichtshof dabei zunächst darauf abgestellt, dass sich die Einziehungsentscheidung nach dem britischen Recht auf die Erlöse aus dem Drogenhandel bezieht und nicht auf die tatsächliche Bereicherung oder den Gewinn beschränkt ist. Letzteres dürfte im Bruttoprinzip des deutschen Rechts eine Entsprechung finden, allerdings lässt § 73d Abs. 1 StGB immerhin den Abzug für bestimmte, nicht der Tatbegehung dienende Aufwendungen zu.
Zudem hat sich der Gerichtshof auf die im britischen Drug Trafficking Offences Act 1986 aufgestellte Vermutung bezogen, wonach alles durch den Täter in den sechs Jahren vor Beginn des gegen ihn geführten Verfahrens erworbene Eigentum aus Drogengeschäften stammt. Hinter der belastenden Wirkung dieser Vermutung bleiben im deutschen Recht die erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB, die Einziehung von Wertersatz nach § 73c StGB sowie die Möglichkeit der Schätzung nach § 73d Abs. 2 StGB selbst in ihrem Zusammenwirken deutlich zurück.
Wesentliche Bedeutung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ferner dem Umstand beigemessen, das bei Festlegung der Höhe des einzuziehenden Betrags nach dem Drug Trafficking Offences Act 1986 das individuelle Maß der Schuld des Verurteilten berücksichtigt werden kann (EGMR a.a.O. Rn. 13, 33). Eine derartige Relevanz der strafrechtlichen Schuld kennt das deutsche Recht der Einziehung nicht.
Schließlich hat der Gerichtshof auch darauf abgestellt, dass der Verurteilte nach dem Drug Trafficking Offences Act 1986 für bis zu zwei Jahre inhaftiert werden kann, wenn der eingezogene Betrag nicht bezahlt wird (EGMR a.a.O. Rn. 14, 33). Eine derart drastische Vollstreckungsmaßnahme bzw. Ersatzsanktion gestattet das deutsche Recht ebenfalls nicht. Allerdings erlaubt die Neuregelung mit § 459g Abs. 3 StPO n.F. zur Vollstreckung der Einziehung immerhin die Anwendung der Vorschriften zur strafprozessualen Durchsuchung und Beschlagnahme. Ferner wird es durch den Verweis auf § 131 Abs. 1 StPO ermöglicht, Vollstreckungsanordnungen z.B. im EDV-Fahndungssystem der Polizei auszuschreiben (vgl. BT-Drucks. 18/11640 S. 89).
e) Ob anhand der Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 09.02.1995 (EGMR Welch / United Kingdom, Az. 17440/90) aufgestellt hat, die Einziehung nach §§ 73 ff. StGB trotz der Unterschiede zum dort betrachteten britischen Drug Trafficking Offences Act 1986 als Strafe i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK einzuordnen ist, bedarf im vorliegenden Verfahren jedoch keiner abschließenden Entscheidung (für eine solche Einordnung aber LG Kaiserslautern NZWiSt 2018, 149 mit insoweit zustimmender Anmerkung Rebell-Houben sowie weiterer zustimmender Anmerkung von Reichling, wistra 2018, 139; wie hier zweifelnd dagegen Saliger/Schörner, StV 2018, 388, 390). Selbst wenn eine solche Subsumtion gerechtfertigt sein sollte, so führt dies jedenfalls nicht zur Annahme einer Verfassungswidrigkeit des Art. 316h EGStGB.
Nach den oben unter Ziff. 2b) wiedergegebenen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist eine konventionsfreundliche Auslegung nur innerhalb der Grenzen der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation möglich. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist möglichst schonend in das nationale Rechtssystem einzupassen, weshalb sich eine unreflektierte Adaption völkerrechtlicher Begriffe verbietet (BVerfG Urteil vom 04.05.2011, Az. 2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326 Rn. 94 bei juris).
Im Fall der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB lassen die anerkannten Grenzen der Auslegung die Berücksichtigung einer – hier unterstellten -Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK nicht zu. Der Wortlaut der Norm ist eindeutig, gebietet für den vorliegenden Sachverhalt die Anwendung des neuen Rechts und gewährt dem Rechtsanwender dabei keinen Spielraum für eine normative Modifikation. Die Gesetzesbegründung legt nahe, dass dieses Maß an Bestimmtheit auch der Intention des Gesetzgebers entspricht (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 84).
Für den beim Begriff der „Strafe“ mit der Divergenz von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK und Art. 103 Abs. 2 GG erfüllten Fall, dass ein autonom gebildeter Begriff des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei textlich ähnlichen Garantien anders ausfällt als der entsprechende Begriff des Grundgesetzes, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass eine „Heranziehung als Auslegungshilfe“ auch in der Weise geschehen kann, dass die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte in die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung einbezogen werden (BVerfGE a.a.O. Rn. 93 f. bei juris; siehe bereits oben Ziff. 2b). Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb an seiner Auslegung des Begriffs der „Strafe“ in Art. 103 Abs. 2 GG und an dem damit verbundenen beschränkten Schutzumfang auch in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs festgehalten (BVerfG a.a.O. Rn 141 f. bei juris). Dieser Ansatz hat seinerseits die Billigung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefunden, der mit dem Bundesverfassungsgericht darin übereinstimmt, „dass eine schematische Parallelisierung des verfassungsrechtlichen Begriffs .Strafe’ mit der Bedeutung dieses Begriffs nach der Konvention dann nicht zwingend erforderlich ist, wenn die durch die Konvention festgelegten Mindeststandards ihrem Wesen nach erfüllt sind“ (EGMR NJW 2017, 1007 Rn. 163 bei juris).
Aus dem hier in Rede stehenden Vertrauensschutzgebot im Zusammenwirken mit den Grundrechten ergeben sich Grenzen der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis aus einer Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl andererseits. Dabei erhöht sich die Bedeutung der berührten Vertrauensschutzbelange in Abhängigkeit von der Schwere des Eingriffs in das sachlich berührte Grundrecht (BVerfGE a.a.O. Rn. 135 bei juris m.w.N.). Bei Abwägung anhand dieser Maßgaben besitzt der mit einer Einziehung nach §§ 73 ff. StGB verbundene Grundrechtseingriff kein derart hohes Gewicht, als dass den durch Art. 316h Satz 1 EGStGB berührten Vertrauensschutzbelangen Vorrang zukäme gegenüber der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl.
aa) Anhaltspunkte für die Beurteilung des Gewichts des mit einer Sanktion verbundenen Grundrechtseingriffs gibt die Prüfung, die das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 04.05.2011 (BVerfGE a.a.O.) anhand des genannten Maßstabs durchgeführt hat. Sie galt den Regelungen der Sicherungsverwahrung, wie sie vor dem Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung vom 05.12.2012 (BGBl. I S. 2425) bestanden. Dort hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Sicherungsverwahrung einen schweren, wenn nicht gar den schwersten denkbaren Eingriff in das seinerseits mit besonderem Gewicht versehene Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darstelle. Durch die gesetzlichen Vorschriften zur nachträglichen unbefristeten Verlängerung sowie zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung habe dieser eine zusätzliche Verschärfung erfahren. Der mit dieser Maßregel verbundene Grundrechtseingriff sei daher nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Schutz höchstwertiger Rechtsgüter zulässig (BVerfGE a.a.O. Rn. 133-136 bei juris). Aufgrund des unzureichenden Abstands des Vollzugs der Sicherungsverwahrung von dem der Freiheitsstrafe nähere sich das Gewicht des Vertrauens der Betroffenen einem absoluten Vertrauensschutz an (BVerfG a.a.O. Rn. 139 bei juris).
Im hier zu entscheidenden Fall stellt sich die Situation ganz anders dar. Weder greift die Einziehung als solche vergleichbar intensiv in Grundrechte ein noch wird mit der Anwendung des neuen Rechts auf bereits begangene Taten in vergleichbarer Weise schutzwürdiges Vertrauen enttäuscht.
Mit der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB kann zwar ein Eingriff in die Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie u.U. aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG verbunden sein. Für diesen Eingriff kann aber aus den oben unter
Ziff. 2d.ee) dargelegten Gründen mit einer Argumentation parallel derjenigen zum Abstandsgebot zwischen Sicherungsverwahrung und Freiheitsstrafe keine wesentliche Relevanz begründet werden. Die Einziehung ist auf das aus einer Straftat Erlangte limitiert. Der Betroffene hat nur den Verlust dessen zu befürchten, was er aufgrund einer Straftat gewonnen hat. Diese Spiegelbildlichkeit, für deren Umsetzung die gesetzlichen Vorgaben nur geringe normative Spielräume belassen, begrenzt die Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit Betroffener deutlich. Zwar wird dieser Grundsatz eingeschränkt durch das Bruttoprinzip. Dieses herrschte im Grundsatz jedoch schon im vor 2017 geltenden Recht, welches durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum erweiterten Verfall vom 14.01.2004 als verfassungsgemäß beurteilt wurde (BVerfGE 110, 1, Rn. 77 ff. bei juris).
Die rückwirkende Übergangsregelung verleiht dem Eingriff keine wesentlich andere Dimension. Offen erscheint bereits, inwieweit sie schutzwürdiges Vertrauen enttäuscht. Dass sich jedermann auf das geltende Recht verlassen kann, was die Rechtmäßigkeit seines Handelns, dessen Strafbarkeit und ggf. die Höhe einer Strafdrohung anbelangt, wird durch Art. 103 Abs. 2 StGB garantiert. Die Schutzwürdigkeit bei Tatbegehung bestehender Vorstellungen über die Möglichkeiten einer späteren Vermögensabschöpfung im Strafverfahren dürfte dagegen deutlich geringer zu veranschlagen sein.
Jedenfalls kann sich das Gewicht des in einer Einziehung liegenden Eingriffs durch die Übergangsregelung nur in dem Maß erhöhen, in dem das bisherige Recht durch die Reform zum 1. Juli 2017 zulasten Betroffener verschärft wurde. Dass die Einziehung auch nach der Änderung weiterhin keine schuldausgleichende Komponente aufweist, wurde oben unter Ziff. 1d) bereits dargelegt. Mit dem neuen Recht blieb aber nicht nur die Zielsetzung der Einziehung bzw. des Verfalls unverändert, sondern es wurde auch das Niveau der mit ihr verbundenen Belastung nicht wesentlich erhöht. Die Änderungen dienen im Wesentlichen nur der Mangelbehebung im bestehenden System und eröffnen der Einziehung keine grundsätzlich neuen Anwendungsbereiche. Sie sollen lediglich effektiver als bisher bewirken, dass Zuflüsse aus Straftaten bei Tätern möglichst vollständig abgeschöpft werden können und dort keine Reste verbleiben.
Das gilt etwa für die Möglichkeiten, die das neue Recht zur Einziehung von nachträglich entdecktem Vermögen sowie für die nachträgliche Vermögensabschöpfung eröffnet (siehe dazu BT-Drucks. 18/9525, S. 57). Es gilt ferner für die stringentere Ausgestaltung des Bruttoprinzips unter weiterer Annäherung an das Bereicherungsrecht (siehe bereits oben Ziff. 1d). Insofern wird Tätern durch das Strafrecht nicht mehr zugemutet als schon bisher durch die Ausgleichsregelungen des Bürgerlichen Rechts.
Innerhalb des bisherigen Systems bewegt sich auch die Ausdehnung der erweiterten Vermögensabschöpfung mit § 73a StGB n.F., die noch immer die uneingeschränkte richterliche Überzeugung von der illegalen Herkunft des betreffenden Gegenstandes voraussetzt und damit an der Voraussetzung festhält, die Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht schon für den erweiterten Verfall des bisherigen Rechts aufgestellt hatten (vgl. Nachweise bei BT-Drucks. 18/9525, S. 58).
Der Behebung von Inkonsequenzen im bisherigen Recht dient schließlich auch die Aufhebung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. als der Norm, die bei Vermögensdelikten bislang die staatliche Abschöpfung deliktisch erlangter Vermögenswerte weitgehend erschwerte und zu „unverständlichen Privilegierungen“ (so z.B. Fischer, 64. Aufl. 2017, § 73 StGB a.F., Rn. 18) auf Täterseite führte. Selbst gegenüber diesem Kernstück der Reform betont die Gesetzesbegründung die Bedeutung der Normen, die weiterhin eine doppelte Inanspruchnahme Tatbeteiligter verhindern sollen (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 54).
Zu berücksichtigen ist schließlich auch in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber das neue Recht keineswegs als das generell strengere erachtet hat und schon die bloße Identifizierung der im Einzelfall schärferen Regelung für so aufwändig hielt, dass er sich zu der Stichtagsregelung des Art. 316h Satz 1 EGStGB veranlasst sah.
bb) Deutlich übertroffen wird das Gewicht des mit einer Einziehung nach dem neuen Recht verbundenen Grundrechtseingriffs durch den Stellenwert des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl. Mit der Einziehung verfolgt der Gesetzgeber den legitimen Zweck, durch Straftaten eingetretene Störungen der Vermögensordnung zu beseitigen und zugleich den Tätern wie der Rechtsgemeinschaft vor Augen zu führen, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen (BVerfGE 110, 1, Rn. 64 ff. bei juris). Dem hat der Gesetzgeber schon bei Einführung des Verfalls zum 1. Januar 1975 die kriminalpolitische Einsicht zugrunde gelegt, dass es nicht sinnvoll ist, den Täter zu bestrafen, ihm zugleich aber den durch die Tat unrechtmäßig zugeflossenen Gewinn zu belassen (BT-Drucks IV/650, S. 241, siehe bereits oben Ziff. 1b). Das Instrument der Einziehung besitzt wesentliche Bedeutung für die Kriminalitätsbekämpfung und damit für ein wichtiges Interesse des Gemeinwohls.
Die Reform zum 1. Juli 2017 führt diesen Ansatz fort. Ihr Ziel war es, das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten zu erleichtern und die nachträgliche Abschöpfung von Vermögensgegenständen zu ermöglichen. Darüber hinaus sollten Abschöpfungslücken geschlossen werden. Außerdem war die Richtlinie 2014/42/EU in innerstaatliches Recht umzusetzen (BT-Drucks. 18/9525 S. 48, 63-65).
Wie oben unter Ziff. 1d) und 2e.aa) dargelegt werden die Neuregelungen des Jahres 2017 dieser Zielsetzung gerecht. Mit ihnen wurden v.a. Inkonsequenzen, Lücken und mit dem bisherigen Recht verbundene Unwägbarkeiten beseitigt. Es handelt sich um Änderungen, die über das zur Erreichung der genannten Zwecke Notwendige nicht hinausgehen, insb. weil der Gesetzgeber die Gewinnabschöpfung noch stärker dem Bereicherungsrecht angenähert hat und nicht etwa dem Recht der schuldausgleichenden Strafen. Die Maßnahmen der Reform waren damit zur Erreichung ihrer Ziele erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips.
cc) Dieses Abwägungsergebnis gilt auch im konkreten Fall des Angeklagten, dessen Grundrechte in ihrem Zusammenwirken mit dem allgemeinen Vertrauensschutzprinzip durch die Reform der Gewinnabschöpfung nicht missachtet werden. So hätte zwar das Gericht nach dem zur Tatzeit geltenden § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. von der Anordnung der Einziehung absehen können. Dem steht im neuen Recht jedoch die zwingende Regelung des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO gegenüber. Nach dieser Vorschrift hat die Vollstreckung auf Anordnung des Gerichts nicht nur im Fall einer Entreicherung des Betroffenen zu unterbleiben. Vielmehr enthält die Norm in ihrer zweiten Alternative sogar noch einen ausdrücklichen Verweis des Gesetzgebers auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Zwar bewirkt die Verlagerung dieser Entscheidung in das Vollstreckungsverfahren, dass die Entreicherung des Betroffenen über eine rechtskräftige Aburteilung der begangenen Tat hinaus überprüfbar bleibt (§ 459g Abs. 5 Satz 2 StPO). Eine schutzwürdige Vertrauensposition des Angeklagten wurde allein hierdurch jedoch nicht missachtet.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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