Strafrecht

Verfassungsrecht

Aktenzeichen  VGH B 30/21

Datum:
22.7.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VERFGRP:2022:0722.VGH.B30.21.00
Normen:
Art 1 Abs 1 Verf RP
Art 77 Verf RP
Art 77 Abs 2 Verf RP
§ 44 VGHG RP
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Der aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgende Gedanke der Waffengleichheit bezieht sich auf vorhandene Informationen. Die begehrten Inhalte müssen zum Zweck der Ermittlung entstanden und weiterhin vorhanden sein, damit sie dem Betroffenen zur Herstellung einer Parität des Wissens überlassen werden können. Demgegenüber kommt der Aspekt der Waffengleichheit bei tatsächlich nicht (mehr) vorhandenen Rohmessdaten nicht zum Tragen, da diese Daten zwar kurzzeitig bei dem Rechenvorgang des Messgerätes bestanden haben, aber im weiteren Verfahren weder dem Betroffenen noch der Bußgeldstelle, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zur Verfügung stehen.2. Der Einsatz algorithmischer Systeme in Gestalt von standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsmessungen verkürzt Rechtspositionen des Betroffenen dann nicht übermäßig, wenn keine Rohmessdaten durch das jeweilige Messgerät gespeichert werden, aber die Nichtspeicherung dieser Daten durch rechtsstaatliche Sicherungen ausgeglichen wird.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zwei in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ergangene gerichtliche Entscheidungen. Sie betrifft die Reichweite von Einsichts- und Verteidigungsrechten in Bußgeldverfahren, die auf amtliche Geschwindigkeitsmessungen im sog. standardisierten Messverfahren gestützt sind.
I.
1. Das Polizeipräsidium Rheinpfalz, Zentrale Bußgeldstelle, verhängte gegen den Beschwerdeführer mit Bußgeldbescheid vom 14. Januar 2020 eine Geldbuße in Höhe von 970,00 € und ordnete ein Fahrverbot von zwei Monaten an. Zur Begründung führte es aus, der Beschwerdeführer habe am 11. Oktober 2019 als Führer eines Personenkraftwagens die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften nach Toleranzabzug um 70 km/h überschritten. Als Beweismittel sind im Bußgeldbescheid eine „Messung mit Lasergerät und [ein] Foto“ aufgeführt. Die Messung erfolgte mit dem Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan Speed M1 des Herstellers VITRONIC Dr.-Ing. Stein Bildverarbeitungssysteme GmbH.
2. Unter dem 12. November 2019 zeigte der frühere Bevollmächtigte des Beschwerdeführers die Vertretung an und begehrte Akteneinsicht in die Ermittlungsakte bis zum 26. November 2019. Anderenfalls werde „bereits jetzt“ ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Die Bußgeldstelle stellte dem früheren Bevollmächtigten zusammen mit dem Aktenausdruck eine CD zur Verfügung, auf der der digitale Falldatensatz der Einzelmessung, die Token-Datei nebst Passwort, das Lichtbild im JPEG-Format und die XML-Datei enthalten waren. Zudem fertigte sie einen Vermerk, aus dem hervorging, dass eine Lebensakte nicht geführt werde und ein Anspruch auf Übersendung der kompletten Messreihe nicht bestehe. Der Beschwerdeführer bestritt die Rechtmäßigkeit und Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung und legte gegen den Bußgeldbescheid am 22. Januar 2020 Einspruch ein. Seinen Einspruch verband er mit einem Akteneinsichtsgesuch. Bestandteil der vorzulegenden Ermittlungsakte sollten – so der Beschwerdeführer – unter anderem die Lebensakte des Messgerätes, eine „Liste aller am Tattag mit dem Messgerät aufgenommenen Verkehrsverstöße“, eine „Kopie der digitalen Falldaten im gerätespezifischen Format inkl. unverschlüsselter Rohmessdaten nebst dem dazugehörigen öffentlichen Geräteschlüssel (Token)“ sowie die „gesamten digitalen Falldaten im gerätespezifischen Format auch inkl. unverschlüsselter Rohmessdaten nebst dem dazugehörigen öffentlichen Geräteschlüssel (Token) für die gesamte Messreihe“ sein. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung werde „bereits jetzt“ – am 22. Januar 2020 – gestellt, falls eine Übersendung der Falldaten bis zum 5. Februar 2020 nicht erfolgen sollte.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2020 wurde dem Beschwerdeführer über seinen Verteidiger Akteneinsicht gewährt. Unter dem 14. Februar 2020 sandte dieser die überlassene Ermittlungsakte zurück, ohne weitergehende Daten oder Unterlagen anzufordern. Bereits mit Schreiben vom 10. Februar 2020 hatte die Bußgeldstelle den Beschwerdeführer zudem aufgefordert, eine Begründung des Einspruchs bis zum 24. Februar 2020 einzureichen, sofern er weitere Tatsachen oder Beweismittel zu seiner Entlastung vorbringen wolle. Mit Schreiben vom 19. Februar 2020 teilte der Beschwerdeführer lediglich mit, er bestreite, das Fahrzeug geführt zu haben. Die Bußgeldstelle hielt den Bußgeldbescheid gleichwohl unter Verweis auf einen durchgeführten Passbildabgleich aufrecht und übergab den Vorgang mit Schreiben vom 5. März 2020 der Staatsanwaltschaft Trier. Diese legte die Akten gemäß § 69 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten – OWiG – dem Amtsgericht Wittlich vor.
3. Nachdem das Amtsgericht Wittlich am 6. April 2020 den Hauptverhandlungstermin auf den 1. Juli 2020 bestimmt hatte, beantragte der Beschwerdeführer unter dem 18. Mai 2020 die Überlassung weiterer Daten und Unterlagen, namentlich „1. digitale Falldatensätze der gesamten Messreihe, 2. Statistikdatei(en) mit Case-List(s), 3. vorhandene Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen des Messgeräts, 4. Konformitätsbescheinigung und Konformitätserklärung zum Messgerät, 5. verkehrsrechtliche Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung“. Hieran erinnerte er mit Schriftsatz vom 26. Juni 2020. Zugleich rügte er die – seiner Auffassung nach – ohne Rechtsgrundlage erfolgte elektronische Aktenführung durch die Zen-trale Bußgeldstelle.
In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich am 1. Juli 2020 wiederholte der Beschwerdeführer – nach Einräumung der Fahrereigenschaft – seinen Antrag auf Einsicht in die noch nicht überlassenen Messunterlagen und beantragte insoweit die Aussetzung der Hauptverhandlung. Des Weiteren beantragte er die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die verfahrensgegenständliche Messung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Die gestellten Anträge lehnte das Amtsgericht sämtlich ab. Ferner rügte der Beschwerdeführer das Löschen „entsprechende[r] Rohmessdaten“; dies verstoße gegen das Recht auf ein faires Verfahren.
Das Amtsgericht Wittlich verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 1. Juli 2020 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 70 km/h zu einer Geldbuße von 970,00 € und untersagte ihm für die Dauer von zwei Monaten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
4. Die von dem Beschwerdeführer gegen die amtsgerichtliche Entscheidung erhobene Rechtsbeschwerde verwarf das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 22. Februar 2021, der dem Beschwerdeführer und seiner Verteidigerin jeweils am 2. März 2021 zuging, als offensichtlich unbegründet. Ein Verfahrenshindernis infolge der elektronischen Aktenführung der Zentralen Bußgeldstelle liege nicht vor. Die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Land Rheinland-Pfalz bislang – nach wie vor – keine Rechtsverordnung zu § 110a OWiG erlassen habe. Die Nichtzugänglichmachung nicht in den Akten enthaltener Unterlagen verletze weder den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör noch sein Recht auf ein faires Verfahren. Letzteres gelte auch in Ansehung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2020 (Az. 2 BvR 1616/18). Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens liege auch nicht darin, dass nicht sämtliche Rohmessdaten betreffend das Messergebnis des Beschwerdeführers durch das verwendete Messgerät gespeichert würden und der Messvorgang dadurch letztlich nicht vollständig rekonstruierbar sei. Der gegenteiligen Ansicht des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes in dessen Urteil vom 5. Juli 2019 (Az. Lv 7/17) könne nicht gefolgt werden.
5. Die von dem Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung erhobene Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 6. April 2021 zurück.
II.
1. Mit seiner am 6. April 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 1. Juli 2020 sowie den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2021. Er macht geltend, das Urteil des Amtsgerichts verletze sein Recht auf ein faires Verfahren (Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV –) und das Willkürverbot (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV), der Beschluss des Oberlandesgerichts die Rechtsschutzgarantie (Art. 124 LV), seine Rechte auf den gesetzlichen Richter (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV) und auf rechtliches Gehör (Art. 6 Abs. 2 LV) sowie das Willkürverbot (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV).
a) Das Amtsgericht habe das Recht auf ein faires Verfahren verletzt, da es ihm verwehrt habe, Einsicht in „die weiteren Daten der Messreihe inklusive Statistikdatei und Case-List“ zu nehmen. Er habe seinen Herausgabeanspruch auch ordnungsgemäß durch seinen vormaligen Verteidiger gegenüber der Bußgeldstelle geltend gemacht. Darüber hinaus liege – jedenfalls bei wohlwollender Auslegung – ein ordnungsgemäßer Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG vor. Ungeachtet dessen habe es eines solchen Antrags vorliegend aber auch nicht bedurft. Ob die begehrten Informationen von Bedeutung seien, unterliege allein der Einschätzung seiner Verteidigung. Soweit möglicherweise durch die Herausgabe der Informationen Grundrechte anderer Verkehrsteilnehmer berührt seien, handele es sich bei dem jeweils aufgezeichneten Lebenssachverhalt um einen äußerst kurzen Zeitraum. Zudem hätten sich andere Fahrzeugführer durch die Teilnahme am Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Darüber hinaus habe das Amtsgericht der Verurteilung einen Messwert zugrunde gelegt, der sich aus Rohmessdaten errechnet habe, die nach der Messung gelöscht worden seien und damit zur nachträglichen Überprüfung nicht mehr herangezogen werden könnten. Hierin liege ein selbständiger Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren.
b) Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts verletzten darüber hinaus das Willkürverbot, da sie trotz der rechtsgrundlosen elektronischen Aktenführung während des behördlichen Bußgeldverfahrens nicht vom Vorliegen eines Verfahrenshindernisses in Form eines unwirksamen Bußgeldbescheides ausgegangen seien.
c) Das Oberlandesgericht habe ferner das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, da der Einzelrichter die Sache nicht auf den mit drei Richtern besetzten Bußgeldsenat übertragen und anschließend dem Bundesgerichtshof vorgelegt habe. Hierzu sei er zum einen angesichts der auch nach dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2020 weiterhin umstrittenen Frage des Bestehens eines Einsichtsrechts hinsichtlich weiterer Daten einer Messreihe einschließlich Statistikdatei verpflichtet. Zum anderen habe es der Vorlage an den Bundesgerichtshof deswegen bedurft, weil in entscheidungserheblicher Weise von Beschlüssen anderer Oberlandesgerichte abgewichen werde.
d) Auch habe das Oberlandesgericht gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz verstoßen, indem es Verfahrensrügen als nicht zulässig erachtet habe. Die angegriffene Entscheidung stelle überspannte Anforderungen an die Angabe der den Mangel enthaltenden Tatsachen, soweit die Aufklärungsrüge bezüglich der Vernehmung seiner damaligen Beifahrerin in Rede stehe. Hinsichtlich der verweigerten Einsichtnahme in Wartungsunterlagen des Messgerätes stelle die Forderung des Oberlandesgerichts, wonach sich der Betroffene parallel um die Einsichtnahme bei verschiedenen Stellen zu bemühen habe, ebenfalls überzogene Anforderungen.
e) Schließlich sei das Oberlandesgericht unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht ausdrücklich auf das in der Rechtsbeschwerdeschrift dargestellte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25. Juli 2019 (Az. 1586/15) eingegangen.
2. Einen vom Beschwerdeführer am 8. Juni 2021 unter Hinweis auf das bevorstehende Wirksamwerden des Fahrverbots gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Juni 2021 – VGH A 39/21 – abgelehnt. Zwar erweise sich die Hauptsache nicht von vornherein als (in vollem Umfang) unzulässig oder offensichtlich unbegründet; namentlich werde in der Rechtsprechung die Frage kontrovers diskutiert, ob es eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren darstelle, wenn die Verurteilung auf Basis eines Messergebnisses erfolge, dessen der Messung zugrundeliegende Rohmessdaten nicht zum Zwecke der nachträglichen Überprüfbarkeit gespeichert würden. Allerdings habe der Beschwerdeführer bereits keinen schweren Nachteil aufgezeigt, der ihm bei einem Vollzug des Fahrverbots drohe. Ungeachtet dessen gehe die im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmende Folgenabwägung zu Lasten des Beschwerdeführers aus.
III.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat der Landesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Für diese hat das Ministerium des Innern und für Sport Stellung genommen und ausgeführt, es halte die Verfassungsbeschwerde teilweise für begründet.
Durch die Ablehnung des Antrags auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber vorhandenen Messunterlagen habe das Amtsgericht gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen. Insbesondere differenziere es nicht zwischen einem Beweisermittlungsantrag und dem Begehren des Betroffenen auf Informationszugang. Darüber hinaus verstoße der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Da von Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Dresden abgewichen werde, habe der Einzelrichter die Sache zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen und sie sodann dem Bundesgerichtshof vorlegen müssen.
Die übrigen vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rechtsverletzungen lägen demgegenüber nicht vor. Die angegriffenen Entscheidungen stellten sich im Hinblick auf die jeweils getroffenen Aussagen zur elektronischen Aktenführung nicht als willkürlich dar. Sie begründeten vielmehr nachvollziehbar, warum das Fehlen eines durch Rechtsverordnung bestimmten Zeitpunkts für die elektronische Aktenführung kein Verfahrenshindernis in Form eines unwirksamen Bußgeldbescheids zur Folge habe. Auch habe das Oberlandesgericht das Recht auf effektiven Rechtsschutz nicht durch die Behandlung der erhobenen Verfahrensrügen als unzulässig verletzt. Was die begehrte Überlassung von Wartungsunterlagen anbelange, sei es nicht unzumutbar, dass das Oberlandesgericht Bemühungen um Einsicht in die begehrten Informationen durch Herantreten an Hersteller und Polizeidienststellen verlange. Die Aufklärungsrüge betreffend die unterbliebene Vernehmung der Beifahrerin des Beschwerdeführers habe das Oberlandesgericht in rechtlich vertretbarer Weise als unzulässig angesehen. Schließlich liege auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Oberlandesgericht vor. Zwar gehe der angegriffene Beschluss nicht ausdrücklich auf die vom Beschwerdeführer benannte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein, er setze sich aber mit dem Kern des Vorbringens des Beschwerdeführers auseinander. Mehr verlange Art. 6 Abs. 2 LV nicht.
2. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Verfassungsgerichtshof vorgelegen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde, über die der Verfassungsgerichtshof gemäß § 49 Abs. 1 Landesgesetz über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nur teilweise zulässig. Sie erweist sich als unzulässig, soweit die Rügen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der verweigerten Zugänglichmachung von vorhandenen Unterlagen stehen. Denn die Verfassungsbeschwerde genügt insoweit nicht dem verfassungsprozessualen Gebot der materiellen Subsidiarität.
I. Nach diesem in § 44 Abs. 3 Satz 1 VerfGHG zum Ausdruck kommenden Grundsatz ist ein Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus zur Ergreifung der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten verpflichtet, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverstöße zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (st. Rspr., vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 13. Oktober 1995 – VGH N 4/93 –, AS 25, 194 [197]; Beschluss vom 27. Juli 2017 – VGH B 18/16 –, juris Rn. 11; Beschluss vom 19. November 2019 – VGH B 24/19 –, juris Rn. 22; Beschluss vom 29. April 2020 – VGH B 26/20 u.a. –⁠, NVwZ-RR 2020, 513 f.; Beschluss vom 28. Januar 2021 – VGH B 71/20 –, AS 48, 115 [120 f.]; Jutzi, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl. 2022, Art. 130a Rn. 54; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1988 – 1 BvR 1561/82 –⁠, BVerfGE 77, 381 [401]; Kammerbeschluss vom 22. Mai 2017 – 2 BvR 1453/16 –⁠, juris Rn. 3 f.). Vor diesem Hintergrund muss der Betroffene eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, der die Zugänglichmachung bestimmter Unterlagen begehrt, diesen Anspruch mittels eines Antrags auf Herausgabe bzw. Zugänglichmachung der von ihm zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens für erforderlich gehaltenen Daten grundsätzlich bereits gegenüber der Bußgeldstelle geltend machen und im Falle von dessen Ablehnung einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG stellen (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 25. Mai 2020 – VGH B 17/20 –, n.v.; Beschluss vom 20. Juli 2020 – VGH B 46/20 u.a. –, n.v.; Beschluss vom 18. August 2020 – VGH B 49/20 –, n.v.; Beschluss vom 21. Juni 2021 – VGH A 39/21 –, juris Rn. 27; ebenso VerfG Bbg, Beschluss vom 18. Februar 2022 – 48/20 –, juris Rn. 24; BayVerfGH, Entscheidung vom 13. Januar 2022 – Vf. 61-VI-19 –, juris Rn. 40; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, NJW 2021, 455 [459 Rn. 60 a.E. und 460 Rn. 66]; offen lassend VerfGH Saarland, Beschluss vom 27. April 2018 – Lv 1/18 –⁠, juris Rn. 37).
II. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV durch das Nichtzugänglichmachen verschiedener (vorhandener) Unterlagen rügt, hat er es versäumt, nach der ihm unter dem 27. Januar 2020 gewährten (teilweisen) Akteneinsicht einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG zu stellen. Insoweit genügt insbesondere der zeitgleich mit seinem Akteneinsichtsgesuch unter dem 22. Januar 2020 formulierte Antrag nicht, er beantrage „schon jetzt“ die gerichtliche Entscheidung, falls eine Übersendung der Falldaten bis zum 5. Februar 2020 nicht erfolgen sollte (vgl. bereits VerfGH RP, Beschluss vom 21. Juni 2021 – VGH A 39/21 –, juris Rn. 28). Denn hierbei handelt es sich um einen bedingten Antrag, der in dieser Form nicht zulässig ist (vgl. nur Lay, in: Dötsch/Koehl/Krenberger/Türpe [Hrsg.], BeckOK Straßenverkehrsrecht, 14. Edition, Stand: 15. Januar 2022, § 62 OWiG Rn. 121; Kurz, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 62 Rn. 17; jeweils m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Schriftsatz vom 22. Januar 2020 auch nicht „wohlwollend“ als unbedingter Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG auszulegen. Hiergegen spricht, dass der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertreten war und er sich das Verhalten seines früheren Verteidigers insoweit zurechnen lassen muss (vgl. allg. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 13. Januar 2022 – Vf. 61-VI-19 –, juris Rn. 48). Auch kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Bußgeldbehörde habe seinen Verteidiger auf Bedenken an der (bedingten) Antragstellung hinweisen müssen. Denn bei der Bedingungsfeindlichkeit einer Antragstellung handelt es sich um eine einfach gelagerte rechtliche Problematik, die jedenfalls bei anwaltlich vertretenen Betroffenen keine besondere Beratungspflicht der Behörde – zumal in Massenverfahren – auslöst (vgl. zur Reichweite behördlicher Beratungs- und Hinweispflichten allg. auch Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 24). Der Beschwerdeführer kann auch nichts aus den Bestimmungen über die Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung an das Amtsgericht (§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG in Verbindung mit § 306 StPO) für sich herleiten, da es vorliegend wegen der nur bedingten Stellung gerade an einem solchen (wirksamen) Antrag fehlt (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Juli 2018 – 2 RBs 133/18 –, BeckRS 2018, 18078 Rn. 6; Beschluss vom 21. Januar 2021 – 2 RBs 1/21 –, BeckRS 2021, 476 Rn. 7 ff.; Merz, NZV 2021, 281 [285]). Auch die weiteren Erwägungen des Beschwerdeführers zu den angeblich fehlenden Erfolgsaussichten eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG beim Amtsgericht Wittlich bleiben im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit spekulativ und greifen daher nicht durch (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 13. Januar 2022 – Vf. 61-VI-19 –, juris Rn. 48).
Die Obliegenheit zur vorherigen (frühzeitigen) Geltendmachung des Anspruchs auf Zugänglichmachung weiterer Informationen gegenüber der Bußgeldstelle steht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2021 – 2 BvR 868/20 –. Denn dieser Kammerbeschluss verhält sich – anders als die Entscheidung vom 12. November 2020, die eine Geltendmachung bereits vor der Hauptverhandlung gegenüber der Bußgeldstelle einschließlich des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG explizit erwähnt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 66) – zu der angesprochenen Frage gerade nicht. Zudem hatte das Verfahren – nach Mitteilung der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers – den Fall eines zunächst anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen und damit eine andere Sachverhaltskonstellation zum Gegenstand.
Der weitere Vortrag, in dem vom Verfassungsgerichtshof mit Urteil vom 15. Januar 2020 entschiedenen Verfahren VGH B 19/19 sei die Gebrauchsanweisung – konkret die Auf- und Einbauvorschriften für das Messgerät bei Verwendung in einem sog. Enforcement Trailer – erstmals und vom Verfassungsgerichtshof unbeanstandet im gerichtlichen Verfahren herausverlangt worden, ist irreführend. In dem seinerzeitigen Verfahren, in dem ebenfalls die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers tätig war, wurde bereits vor der Hauptverhandlung gegenüber der Bußgeldstelle ein entsprechender Antrag gestellt. Für eine vergleichbare Situation ist nach dem Vortrag in der Verfassungsbeschwerdebegründung vorliegend nichts ersichtlich. Schließlich verhalten sich die von dem Beschwerdeführer genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Koblenz (Beschluss vom 3. Dezember 2020 – 2 OWi 6 SsBs 162/20 –) und Zweibrücken (Beschluss vom 27. April 2021 – 1 OWi 2 SsRs 173/20 –) bereits nicht zu dem verfassungsprozessualen Erfordernis der Subsidiarität.
III. Gleichfalls unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2021 verletze die Rechtsschutzgarantie des Art. 124 LV mit Blick auf die verweigerte Einsichtnahme in Wartungsunterlagen des Messgerätes. Der Vortrag, das Rechtsbeschwerdegericht stelle überzogene Anforderungen an die Verfahrensrüge, lässt sich mit dem verfassungsprozessualen Gebot der materiellen Subsidiarität nicht vereinbaren. Zwar überspannt es die Mitwirkungsobliegenheiten des Betroffenen, ihn darauf zu verweisen, sich um eine Herausgabe der Wartungsunterlagen nicht nur bei der Bußgeldstelle, sondern zusätzlich auch bei dem Gerätehersteller oder der mit der konkreten Messung betrauten Polizeidienststelle zu bemühen (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [417]). Der Beschwerdeführer hat indes im Vorfeld durch seinen gegenüber der Bußgeldbehörde nur bedingt gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht alle tatsächlichen und prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft, um die später behauptete Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte abzuwenden. Wäre ihm auf einen ordnungsgemäßen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hin Einsicht in die Wartungsunterlagen des Messgerätes gewährt worden, hätte es der mit der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrüge nicht bedurft.
C.
Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.
I. Das Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 1. Juli 2020 verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht ein Messergebnis verwertet hat, dessen der Messung zugrundeliegende Rohmessdaten nicht zum Zwecke der nachträglichen Überprüfbarkeit gespeichert worden sind.
1. a) Das Recht auf ein faires Verfahren zählt zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 24. Februar 2014 – VGH B 26/13 –, AS 42, 157 [165]; Beschluss vom 12. Februar 2020 – VGH B 5/20 –, n.v.; vgl. zur inhaltsgleichen grundgesetzlichen Garantie BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1974 – 2 BvR 747/73 –, BVerfGE 38, 105 [111]; Beschluss vom 26. Mai 1981 – 2 BvR 215/81 –, BVerfGE 57, 250 [274 f.]; Beschluss vom 3. Juni 1992 – 2 BvR 1041/88 u.a. –, BVerfGE 86, 288 [317]; Beschluss vom 14. Juni 2007 – 2 BvR 1447/05 u.a. –, BVerfGE 118, 212 [231]). Es hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip (Art. 77 Abs. 2 LV) in Verbindung mit den Freiheitsrechten und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 LV in Verbindung mit dem Vorspruch der Landesverfassung). Am Recht auf ein faires Verfahren ist insbesondere die Ausgestaltung des Strafverfahrens zu messen, wenn und soweit keine spezielle verfassungsrechtliche Gewährleistung existiert (vgl. auch VerfGH RP, Beschluss vom 24. Juli 2009 – VGH B 21/09 –, BeckRS 2014, 49488; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, BVerfGE 122, 248 [271]; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –, BVerfGE 130, 1 [25]). Die Gewährleistung des „fair trial“ beschränkt sich aber nicht auf die Strafverfolgung, sondern gilt auch für sonstige Rechtsbereiche (vgl. Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz [Hrsg.], GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 75 [Juli 2021]; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck [Hrsg.], GG, 7. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 130; konkret zur Anwendbarkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren auch VerfGH RP, Beschluss vom 28. Januar 2021 – VGH B 71/20 –, AS 48, 115 [121 f.]; Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [412]; VerfGH Saarland, Beschluss vom 27. April 2018 – Lv 1/18 –, juris Rn. 27; Cornils, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl. 2022, Art. 77 Rn. 39). Inhaltlich verpflichtet sie alle staatlichen Organe, korrekt und fair zu verfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1974 – 2 BvR 747/73 –, BVerfGE 38, 105 [111]). Ferner sichert der Anspruch auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, der im Rechtsstaat nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein darf, den erforderlichen Bestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977 – 2 BvR 462/77 –, BVerfGE 46, 202 [210]; Beschluss vom 26. Mai 1981 – 2 BvR 215/81 –, BVerfGE 57, 250 [275]). Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (st. Rspr., VerfGH RP, Beschluss vom 28. Januar 2021 – VGH B 71/20 –, AS 48, 115 [122]; Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [412]; Cornils, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl. 2022, Art. 77 Rn. 39; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1983 – 2 BvR 864/81 –, BVerfGE 63, 45 [61]; Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 –, BVerfGE 64, 135 [145 f.]; Beschluss vom 8. Oktober 1985 – 2 BvR 1150/80 u.a. –, BVerfGE 70, 297 [308 f.]; Beschluss vom 3. Juni 1992 – 2 BvR 1041/88 –, BVerfGE 86, 288 [317 f.]; Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, BVerfGE 122, 248 [272]; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –, BVerfGE 130, 1 [25 f.]).
b) Das Recht auf ein faires Verfahren enthält jedoch keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –, BVerfGE 130, 1 [25 f.]; Kammerbeschluss vom 6. August 2003 – 2 BvR 1071/03 –, juris Rn. 25; Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 33). Im Rahmen dieser Konkretisierung sind auch die Erfordernisse einer funktionierenden Rechtspflege in den Blick zu nehmen (VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, AS 47, 350 [371]; zur Strafrechtspflege BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –, BVerfGE 130, 1 [26]). Verfahrensgestaltungen, die den Erfordernissen einer wirksamen Rechtspflege dienen, verletzen daher nicht schon dann den Anspruch auf ein faires Verfahren, wenn verfahrensrechtliche Positionen des Betroffenen dabei eine Zurücksetzung zugunsten einer wirksamen Rechtspflege erfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, BVerfGE 122, 248 [273]; Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a. –, BVerfGE 133, 168 [201]; Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 35). Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist insbesondere die im Bereich der Messung von Geschwindigkeitsüberschreitungen geläufige und der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung dienende Rechtsfigur des sog. standardisierten Messverfahrens (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 39 ff., Rn. 48; s. auch VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –⁠, AS 47, 350 [372]). Ohne den Einsatz von Geschwindigkeitsmessanlagen, deren Ergebnisse trotz ihrer weitgehend automatisierten Arbeitsweise im Bußgeldverfahren verwertbar sind, kann das vorrangige Ziel einer Verkehrsüberwachung, den Gefahren des Straßenverkehrs entgegenzuwirken, nicht effektiv gewährleistet werden (vgl. zum präventiven und repressiven Charakter von Geschwindigkeitsmessungen VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [413]; BGH, Urteil vom 25. Februar 2021 – 3 StR 365/20 –, juris Rn. 18 f.). Zugleich wird auf diese Weise dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung getragen, der zwar in erster Linie den Interessen des Betroffenen dient, aber auch eng mit dem rechtsstaatlichen Erfordernis einer funktionstüchtigen Rechtspflege verknüpft ist (zur Strafrechtspflege: BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, BVerfGE 122, 248 [273]); Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –⁠, BVerfGE 130, 1 [25 f.]).
c) Gelangt im Ordnungswidrigkeitenverfahren ein standardisiertes Messverfahren zur Anwendung, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV) im Grundsatz der Anspruch des Betroffenen, Kenntnis auch von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden und weiterhin vorhanden sind, aber nicht zur Bußgeldakte genommen wurden. Hierdurch wird dem Gedanken der „Waffengleichheit“ Rechnung getragen (VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [413]; BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 37, 50, 59). Die Legitimität der Anerkennung standardisierter Messverfahren steht daher in engem Zusammenhang mit der Anerkennung von Einsichts- und Überprüfungsrechten der Verteidigung (vgl. auch Cierniak, zfs 2012, 664 [670]; ders./Niehaus, DAR 2014, 2 [7]). Ein solcher Anspruch gilt allerdings nicht unbegrenzt. Gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten ist eine sachgerechte Eingrenzung des Informationszugangs geboten. Andernfalls bestünde die Gefahr der uferlosen Ausforschung, von erheblichen Verfahrensverzögerungen und des Rechtsmissbrauchs (näher zum Ganzen VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [413 f.]; BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 56).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze macht der Beschwerdeführer ohne Erfolg geltend, er werde durch die Verurteilung auf Basis eines Messergebnisses, dessen der Messung zugrundeliegende Rohmessdaten nicht zum Zwecke der nachträglichen Überprüfbarkeit gespeichert worden sind, in seinem Recht aus Art. 77 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 LV verletzt. Die Nichtspeicherung von Rohmessdaten im Bußgeldverfahren bei Anwendung eines standardisierten Messverfahrens stellt keinen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren dar, da der Betroffene hierdurch nicht in seinen Verteidigungsrechten unfair beeinträchtigt wird.
a) Abzugrenzen ist die Problematik der Verwertung eines Messergebnisses trotz Nichtspeicherung der zugrundeliegenden Rohmessdaten zunächst von den Fällen, in denen die Herausgabe existierender Informationen begehrt wird (vgl. auch Sandherr, DAR 2021, 69 [70]; ders., NStZ 2022, 238 [239]). Der aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgende Gedanke der Waffengleichheit bezieht sich auf vorhandene Informationen (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1983 – 2 BvR 864/81 –, BVerfGE 63, 45 [66 f.]). Die begehrten Inhalte müssen zum Zweck der Ermittlung entstanden und weiterhin vorhanden sein, damit sie dem Betroffenen zur Herstellung einer „Parität des Wissens“ (vgl. auch VerfGH Saarland, Beschluss vom 27. April 2018 – Lv 1/18 –⁠, juris Rn. 33) überlassen werden können. Demgegenüber kommt der Aspekt der Waffengleichheit bei tatsächlich nicht (mehr) vorhandenen Rohmessdaten nicht zum Tragen, da diese Daten zwar kurzzeitig bei dem Rechenvorgang des Messgerätes bestanden haben, aber im weiteren Verfahren weder dem Betroffenen noch der Bußgeldstelle, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zur Verfügung stehen (dazu KG, Beschluss vom 2. Oktober 2019 – 3 Ws [B] 296/19-162 Ss 122/19 –, juris Rn. 5; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –, juris Rn. 18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 2020 − 2 RBs 30/20 –, NStZ 2021, 112 [113]; vgl. auch Krenberger/Krumm, OWiG, 6. Aufl. 2020, § 46 Rn. 61).
b) Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Bewertung sind die wiederholt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung konkretisierte Bedeutung sowie der Sinn und Zweck von in Ordnungswidrigkeitenverfahren eingesetzten standardisierten Messverfahren. Der Bundesgerichtshof hat in seiner ersten Entscheidung zu standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsmessungen aus dem Jahr 1993 betont, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dient und im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet ist (BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92 –, NZV 1993, 485 [486]). An dieser Rechtsprechung hat er in einer späteren Entscheidung festgehalten (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1997 – 4 StR 24/97 –, NZV 1998, 120 [121], dazu VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, AS 47, 350 [365]). Auch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass sich das Recht der Ordnungswidrigkeiten und das allgemeine Strafrecht in wesentlichen (auch dem Schutz des Betroffenen dienenden) Punkten voneinander unterscheiden (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, AS 47, 350 [371 f.]; BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1977 – 2 BvR 70, 361/75 –, BVerfGE 45, 272 [288 f.] m.w.N.) und es daher nicht zu beanstanden ist, wenn dem regelmäßig geringeren Unrechtsgehalt der Ordnungswidrigkeiten gerade im Bereich von massenhaft vorkommenden Verkehrsverstößen durch Vereinfachungen des Verfahrensgangs Rechnung getragen wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 48).
Wie der Verfassungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederholt betont hat, liegt ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren erst dann vor, wenn sich aus einer Gesamtschau auf das Verfahrensrecht – auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte – ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (VerfGH RP, Urteil vom 24. Februar 2014 – VGH B 26/13 –, AS 42, 157 [165]; Beschluss vom 28. Januar 2021 – VGH B 71/20 –, AS 48, 115 [122]; Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [412]; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 –, BVerfGE 64, 135 [145 f.]; Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, BVerfGE 122, 248 [272]; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. –, BVerfGE 130, 1 [25 f.]; Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 33). Die Gewährleistung eines fairen Verfahrens stellt damit verfassungsrechtliche Mindestanforderungen auf, die nicht unterschritten werden dürfen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. November 2019 – 3 RBs 307/19 –, juris Rn. 17; Wischmeyer/Schumacher, RDi 2020, 61 [62]; allg. auch BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11 u.a. –, BVerfGE 156, 63 [146 f. Rn. 283]).
c) Vor diesem Hintergrund verkürzt der Einsatz algorithmischer Systeme in Gestalt von standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsmessungen Rechtspositionen des Betroffenen dann nicht übermäßig, wenn keine Rohmessdaten durch das jeweilige Messgerät gespeichert werden. Bei der Konkretisierung des Rechts auf ein faires Verfahren bestehen je nach den sachlichen Gegebenheiten Spielräume, die durch das einfache Gesetz oder ergänzend – wie hier in Bezug auf das standardisierte Messverfahren – durch die Gerichte auszufüllen sind. Durch die fachgerichtliche Rechtsprechung zu der Nichtspeicherung von Rohmessdaten bei standardisierten Messverfahren sind die von Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV gezogenen Grenzen nicht überschritten. Entscheidend ist hierbei, dass die Nichtspeicherung dieser Daten, deren Nutzen für eine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses im technisch-fachwissenschaftlichen Schrifttum ohnehin umstritten ist, durch rechtsstaatliche Sicherungen ausgeglichen wird. Es bedarf dabei keiner Entscheidung, ob jeder einzelne Sicherungsmechanismus für sich genommen die Nichtspeicherung von Rohmessdaten rechtfertigt. Jedenfalls bei einer Gesamtschau der nachfolgend genannten Aspekte ist die Verwertung von Messergebnissen auch ohne das Vorhalten von Rohmessdaten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Der Bundesgerichtshof hat in der erwähnten Entscheidung aus dem Jahr 1993 darauf hingewiesen, dass die im standardisierten Messverfahren eingeschränkte nachträgliche Erörterung möglicher Fehlerquellen in mehrfacher Hinsicht kompensiert wird: Einen solchen Ausgleich bezweckt zum einen die amtliche Zulassung von Messgeräten und -methoden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92 –, NZV 1993, 485 [486]). Im Rahmen eines mehrstufigen Zulassungs- bzw. Konformitätsprüfungsverfahrens ist vor dem Einsatz zu klären, ob das Messgerät den Anforderungen des Mess- und Eichrechts entspricht (zu Einzelheiten Märtens/Wynands, NZV 2019, 338 ff.). Ist dies der Fall, lässt sich die Geschwindigkeitsmessung auf den von dem Messgerät ausgeworfenen und für das standardisierte Messverfahren zentralen „geeichten Messwert“ stützen. Messgeräte, die diese Anforderungen nicht erfüllen, können insoweit nicht herangezogen werden. Auf diese Weise wird die Überprüfung des einzelnen Geschwindigkeitsmesswertes, der aus einem nicht wiederholbaren Messvorgang entstanden ist, gleichsam auf das Messgerät selbst und sein Zulassungsverfahren vorverlagert (vgl. auch Märtens/Wynands, NZV 2019, 338 [340]; Wischmeyer/Schumacher, RDi 2020, 61 [63]; Merz, SVR 2020, 444 [446]; Peuker, NZV 2019, 443 [445]). Flankierend wird durch gesetzlich vorgegebene Eichfristen (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 6 Mess- und Eichgesetz – MessEG – in Verbindung mit § 34 Mess- und Eichverordnung – MessEV –) eine regelmäßige, wiederkehrende Prüfung der Funktionsfähigkeit des Messgerätes gewährleistet. Sollte es seit der letzten Eichung zu Reparatur- oder Wartungsarbeiten an dem konkreten Messgerät gekommen sein, ist dem Betroffenen zudem auf seinen Antrag hin regelmäßig Einsicht in die entsprechenden Unterlagen zu gewähren und so seinem Informations- und Verteidigungsinteresse Rechnung zu tragen (dazu jüngst VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [416 f.]). Besteht nach alledem (weiterhin) bei dem Betroffenen der Verdacht, dass das Messgerät einen technischen Defekt aufweist, der die Messrichtigkeit gefährdet, steht ihm die Möglichkeit eines Antrags auf Befundprüfung gemäß § 39 Abs. 1 MessEG in Verbindung mit § 39 MessEV offen (dazu OLG Köln, Urteil vom 27. September 2019 – 1 RBs 339/19 –, juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschluss vom 25. November 2019 – 3 RBs 307/19 –, juris Rn. 17; BayObLG, Beschluss vom 9. Dezember 2019 – 202 ObOWi 1955/19 –, juris Rn. 13; Wischmeyer/Schumacher, RDi 2020, 61 [62], Merz, SVR 2020, 444 [446]). Auch wenn hierdurch, wie von dem Beschwerdeführer insoweit zutreffend ausgeführt, der verfahrensgegenständliche Messvorgang und damit die Situation im Zeitpunkt der Messung nicht mehr wiederholt werden kann und der Messvorgang des konkreten Einzelfalles damit nicht nachprüfbar wird, liefert eine entsprechende Befundprüfung ein Ergebnis, das – soweit es keine Beanstandungen zutage fördert – den Schluss zulässt, dass bei dem Messgerät auch in der Vergangenheit keine Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind (OLG Köln, Beschluss vom 27. September 2019 – 1 RBs 339/19 –, juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschluss vom 25. November 2019 – 3 RBs 307/19 –, juris Rn. 17). Der Umstand, dass die für die Befundprüfung zuständige Behörde im Sinne von § 40 Abs. 1 MessEG bereits mit der Eichung der Messgeräte befasst war, lässt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ganz offensichtlich keinen Zweifel an ihrer Neutralität aufkommen.
bb) Eine Kompensation für die fehlende vollständige Überprüfbarkeit des Messergebnisses besteht zum anderen in der Reduzierung des gemessenen Wertes um einen die systemimmanenten Messfehler erfassenden Toleranzwert (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92 –, NZV 1993, 485 [486]). Aus technischer – soweit ersichtlich einhelliger – Perspektive ist es ausgeschlossen, dass der geeichte Messwert immer exakt der wahren Geschwindigkeit entspricht. Um diese faktisch nicht zu beseitigende Unsicherheit zu neutralisieren, wird – je nachdem, ob der geeichte Messwert unterhalb oder oberhalb von 100 km/h liegt – ein Toleranzabzug in Höhe von 3 km/h bzw. – wie im Fall des Beschwerdeführers bei einer gemessenen Geschwindigkeit über 100 km/h – in Höhe von 3 v.H. vorgenommen.
cc) Die Nichtspeicherung von Rohmessdaten macht die Geschwindigkeitsmessung im Übrigen weder zu der vom Betroffenen befürchteten „Blackbox“, noch liefert sie ihn „auf Gedeih und Verderb“ (so aber hingegen VerfGH Saarland, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 110) einem elektronischen System und seinen Algorithmen aus. So bestehen anderweitige Möglichkeiten des Betroffenen und seines Verteidigers, den Vorgang der Geschwindigkeitsmessung nachträglich einer Überprüfung zu unterziehen (vgl. dazu etwa Peuker, NZV 2019, 443 [444]). Der Verfassungsgerichtshof hat im Anschluss an den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2020 (2 BvR 1616/18) insoweit bereits klargestellt, dass dem Betroffenen auf seinen hinreichend konkreten Antrag hin vorhandene Unterlagen und Informationen mit erkennbarer Relevanz für die Verteidigung grundsätzlich zur Verfügung zu stellen sind (VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [413 f.]).
dd) Zu den vorstehend erwähnten Kompensationen treten zwei weitere Aspekte hinzu, die bei der Abwägung, ob das Recht auf ein faires Verfahren durch die Nichtspeicherung von Rohmessdaten verletzt ist, zu berücksichtigen sind:
(1) Zum einen ist der Nutzen der Rohmessdaten für die nachträgliche Überprüfung des von einem geeichten Geschwindigkeitsmessgerät ermittelten Messwertes aus technischer Sicht keineswegs anerkannt, sondern wird kontrovers diskutiert (verneinend Märtens/Wynands, NZV 2019, 338 [341]; Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Wie verlässlich ist der nachträgliche Schätzwert („Plausibilisierung“) bei der amtlichen Geschwindigkeitsüberwachung? [Stand: 26. Oktober 2018]; Wynands, PTB-Mitteilungen Heft 2/2019, 91 [95]; bejahend Stückmann, SVR 2021, 241 [244], in Bezug auf analog vorliegende Rohmessdaten). Daher tritt der Verfassungsgerichtshof der in einer früheren Entscheidung geäußerten Einschätzung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes zum Nutzen von Rohmessdaten für die nachträgliche Überprüfung des Geschwindigkeitsmesswertes (VerfGH Saarland, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17 –, juris Rn. 115 ff.) nicht bei. Auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung finden sich vermehrt Entscheidungen, die die Eignung der Rohmessdaten zur Verifizierung des Messergebnisses jedenfalls relativieren (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –, juris Rn. 7 ff., Rn. 14; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29. August 2019 – 1 OWi 2 Ss Bs 68/19 –⁠, juris Rn. 6; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20. November 2019 – [1 Z] 53 Ss-OWi 661/19 [381/19] –, juris Rn. 4). Unter der Prämisse, dass eine Abspeicherung von Daten zum Zwecke einer späteren Überprüfung erst ab dem Stadium ihrer Digitalisierung möglich ist und die so verstandenen Rohmessdaten das digitalisierte Ergebnis des eigentlichen, aus zahlreichen (analogen) Einzelschritten bestehenden Messvorgangs darstellen, kann mit ihnen in aller Regel nur die rechnerische Richtigkeit des Messergebnisses plausibilisiert werden. Nicht überprüfbar ist demgegenüber die Richtigkeit des Zustandekommens der Daten, da ein Messfehler sich regelmäßig gleichermaßen auf die Rohmessdaten wie auf das Ergebnis auswirken wird (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. November 2019 – 2 Rb 35 Ss 808/19 –, juris Rn. 8; Beschluss vom 8. Januar 2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19 –, juris Rn. 14).
(2) Zum anderen können der Beschleunigungsgrundsatz sowie der Gedanke der Rechtsanwendungsgleichheit den Anspruch auf die Verfügbarmachung bestimmter Informationen begrenzen. Anders etwa als Bedienungsanleitungen, Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgerätes lassen sich Rohmessdaten nur durch private Sachverständigengutachten auswerten. Der zusätzliche Zeitbedarf für die Einholung eines solchen Privatgutachtens und die Fertigung einer anwaltlichen Stellungnahme zu dessen Ergebnis – hinzu kommen gegebenenfalls Fristverlängerungen aus verschiedenen Gründen (Arbeitsüberlastung, Erkrankung, Jahresurlaub des Verteidigers oder Sachverständigen) sowie weitere Einsichts- und Aufklärungsanträge des Betroffenen – ist dabei in Beziehung zu setzen zu dem rechtsstaatlichen Erfordernis einer funktionstüchtigen Rechtspflege auch und gerade in Massenverfahren (vgl. auch Röß, NZV 2018, 507 [508 f.]; Sandherr, NStZ 2022, 238 [239]). Durch die kurzen Verjährungsfristen bei einfachen Verkehrsordnungswidrigkeiten wie Geschwindigkeitsübertretungen (§ 26 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 StVG, § 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG) besteht zudem die Gefahr einer gleichheitswidrigen Ahndung und Sanktionierung von Verkehrsverstößen (vgl. auch Röß, NZV 2018, 507 [509]). In den Verfahren solcher Betroffener, die die Kosten für eine Auswertung der Rohmessdaten durch einen privaten Sachverständigen aufbringen wollen und können, kann es zu den vorbeschriebenen Verfahrensverzögerungen mit der Folge kommen, dass verjährungsbedingte Verfahrenseinstellungen häufiger drohen als in Verfahren solcher Betroffener, die auf eine sachverständige Überprüfung der Rohmessdaten verzichten (müssen). Der Verfassungsgerichtshof verkennt dabei nicht, dass weder die de lege lata bestehenden kurzen Verjährungsfristen noch die Komplexität der Materie dem Betroffenen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens angelastet werden dürfen. Allerdings sind die damit korrespondierenden potentiellen Beeinträchtigungen des Beschleunigungsgrundsatzes und der Rechtsanwendungsgleichheit ebenso wie die vorhandenen Zweifel an der tatsächlichen Eignung der Rohmessdaten zur Überprüfung eines Messergebnisses und die bestehenden Kompensationen für technisch nicht auszuschließende Messungenauigkeiten in die vom Verfassungsgerichtshof bereits in früheren Entscheidungen für erforderlich gehaltene Gesamtschau einzustellen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, AS 47, 350 [371]; Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [418]). Bei dieser hat vorliegend das Interesse des Betroffenen an der Verfügbarmachung von Rohmessdaten hinter das Erfordernis einer funktionierenden Rechtspflege zurückzutreten.
Folgt nach alledem aus der Gewährleistung eines fairen Verfahrens keine Pflicht der Behörde auf Speicherung und Zugänglichmachung von Rohmessdaten, greift auch der von dem Beschwerdeführer bemühte Gedanke der Beweisvereitelung vorliegend nicht. Selbst wenn man aber einen Verstoß gegen Beweiserhebungsgrundsätze bei der Messung ohne Speicherung von Rohmessdaten unterstellte, ergäbe sich hieraus kein Verwertungsverbot. Denn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofs folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren ein solches Verwertungsverbot nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Rechtsverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 24. Februar 2014 – VGH B 26/13 –, AS 42, 157 [166]). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier ersichtlich nicht vor.
II. Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Wittlich verstößt auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot aus Art. 17 Abs. 1 und 2 LV. Die vom Amtsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung, das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die elektronische Aktenführung der Zentralen Bußgeldstelle habe nicht die Unwirksamkeit des in Papierform hergestellten und versandten Bußgeldbescheides zur Folge, erweist sich ersichtlich weder als schlechthin unhaltbar noch als offensichtlich sachwidrig im Sinne des Willkürverbots. Dies hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 20. Juli 2021 – VGH B 53/20 – (SVR 2021, 430 [431 f.]), auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, bereits klargestellt.
III. Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2021 über die Verwerfung der Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter (§ 80a Abs. 1 OWiG) verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV). Entgegen der mit der Verfassungsbeschwerde vertretenen Auffassung war der Einzelrichter vorliegend nicht gehalten, die Sache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen. Nach dieser Vorschrift hat eine solche Übertragung dann zu erfolgen, wenn es geboten ist, das Urteil oder den Beschluss nach § 72 OWiG zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Einzelrichter vorliegend nicht in willkürlicher, offensichtlich unhaltbarer Weise verneint.
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits zu § 80 OWiG entschieden hat, ist eine Fortbildung des Rechts zwar auch dann zu bejahen, wenn mit der Rechtsbeschwerde über § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 GVG im Rahmen der Divergenzvorlage eine höchstrichterliche Entscheidung zu einer streitigen Rechtsfrage herbeigeführt werden soll (VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 – VGH B 19/19 –, AS 47, 350 [362]; vgl. auch Bär, in: BeckOK OWiG, 33. Edition, Stand: 1. Januar 2022, § 80 Rn. 6 f.; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 37). Eine solche Vorlageverpflichtung bestand im vorliegenden Verfahren indes nicht. Das Oberlandesgericht ist in der angegriffenen Sachentscheidung nicht von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte in einer § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 GVG widersprechenden Weise abgewichen. Der rechtliche Ansatz der von dem Beschwerdeführer insoweit genannten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss vom 16. Juli 2019 − 1 Rb 10 Ss 291/19 –, NStZ 2019, 620; Beschluss vom 27. September 2019 – 1 Rb 10 Ss 531/19 –, BeckRS 2019, 26449) und des Oberlandesgerichts Dresden (Beschluss vom 11. Dezember 2019 – OLG 23 Ss 709/19 [B] –, BeckRS 2019, 37019), die die Einsicht in vorhandene Messunterlagen betreffen, ist nämlich durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris) überholt; in Fällen dieser Art ist die Sache dem Bundesgerichtshof nicht vorzulegen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. August 1998 – 5 ARs [VS] 1-97 –, NJW 1998, 3653 f.; Feilcke, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 121 GVG Rn. 28; ferner bereits BGH, Beschluss vom 26. Januar 1977 – 3 StR 527/76 –, NJW 1977, 686).
In seiner aktuellen Rechtsprechung stellt das Bundesverfassungsgericht zur Frage eines Einsichtsrechts des Betroffenen in nicht zur Bußgeldakte genommene, aber vorhandene Unterlagen maßgeblich auf das Kriterium der Verteidigungsrelevanz der begehrten Information ab (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 57; dazu auch VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, AS 48, 403 [414 ff.]). Entscheidend ist, ob der Betroffene die begehrte Information verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam halten darf (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 57). Dieser Aspekt spielt indes in den genannten – zeitlich vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangenen – Beschlüssen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Dresden keine Rolle. Beide Obergerichte stellen zwar formale (vorheriger Antrag an die Bußgeldstelle und Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG), nicht jedoch inhaltliche (einschränkende) Voraussetzungen für die Zugänglichmachung der begehrten Informationen auf (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2019 − 1 Rb 10 Ss 291/19 –, NStZ 2019, 620 [622]; Beschluss vom 27. September 2019 – 1 Rb 10 Ss 531/19 –, BeckRS 2019, 26449 Rn. 14; OLG Dresden, Beschluss vom 11. Dezember 2019 – OLG 23 Ss 709/19 [B] –, BeckRS 2019, 37019 Rn. 9). Aus diesen Gründen war vorliegend eine Übertragung auf den Senat in Dreierbesetzung bei objektiver Betrachtung nicht geboten.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb angezeigt, weil der angegriffene Beschluss eine ausdrückliche Begründung, warum der Einzelrichter von einer Übertragung der Sache auf den Senat gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG abgesehen hat, nur in Bezug auf das Recht auf rechtliches Gehör, nicht aber in Bezug auf das faire Verfahren enthält (vgl. zur Frage der Begründungspflicht auch BayVerfGH, Entscheidung vom 13. Januar 2022 – Vf. 61-VI-19 –, juris Rn. 58). Vielmehr ergibt sich aus der Entscheidung (S. 9 des Beschlussabdrucks) sinngemäß, dass aus Sicht des Einzelrichters die nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderliche Verteidigungsrelevanz weder bei der Messreihe noch der Statistikdatei besteht. Dadurch wird auch ohne ausdrückliche Begründung hinreichend nachvollziehbar, warum der Einzelrichter von einer Übertragung der Sache auf den mit drei Richtern besetzten Senat abgesehen hat.
IV. Ohne Erfolg macht der Beschwerdeführer weiter geltend, das Oberlandesgericht Koblenz habe seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt, indem es die mit der unterlassenen Vernehmung der Beifahrerin begründete Aufklärungsrüge als unzulässig abgelehnt habe. Denn das Amtsgericht hat seine Annahme, der Beschwerdeführer habe (bedingt) vorsätzlich gehandelt, auch darauf gestützt, dass auf den Baustellenbereich durch (mehrere) Zusatzschilder rechtzeitig hingewiesen worden sei. Ferner hat es ausgeführt, ein Verkehrsteilnehmer, der sich vom Verkehr abgewandt habe und infolgedessen die ge- bzw. verbotsregelnden Zeichen nicht mehr erfasse, nehme Verstöße hiergegen billigend in Kauf. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe in seiner Rechtsbeschwerdeschrift nicht hinreichend dargelegt, warum sich das Gericht zur Vernehmung der Zeugin hätte gedrängt sehen müssen und worin der kausale Zusammenhang zwischen dem behaupteten Verfahrensverstoß und dem Urteil bestehe, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
V. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2021 verletzt schließlich auch nicht deshalb den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör, weil darin keine Auseinandersetzung mit der vom Beschwerdeführer genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK – erfolgt.
1. Art. 6 Abs. 2 LV garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (st. Rspr., vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 16. März 2001 – VGH B 14/00 –, AS 29, 89 [92]; Beschluss vom 4. Dezember 2001 – VGH B 15/01 –, AS 29, 224 [226]; Beschluss vom 28. Februar 2003 – VGH B 27/02 –, juris Rn. 14; Beschluss vom 30. Juni 2015 – VGH B 15/15 u.a. –, juris Rn. 38; Stahnecker, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 20). Das Gericht hat diese Äußerung zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch erwogen hat, und zwar auch dann, wenn nicht jeder Gesichtspunkt in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich beschieden wird (VerfGH RP, Beschluss vom 9. Januar 2019 – VGH B 25/18 u.a. –, juris Rn. 20). Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 LV kann deshalb nur dann festgestellt werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (VerfGH RP, Beschluss vom 16. März 2001 – VGH B 14/00 –, AS 29, 89 [92]; vgl. entspr. BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 1978 – 1 BvR 426/77 –, BVerfGE 47, 182 [187 f.]; Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 –, BVerfGE 86, 133 [146]; Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1621/94 –, BVerfGE 96, 205 [216 f.]; BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Januar 1998 – 2 BvR 1898/97 –, juris Rn. 11).
Solche Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn das Gericht wesentliche, das Kernvorbringen eines Beteiligten darstellende Tatsachen unberücksichtigt lässt. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 –, BVerfGE 86, 133 [146]; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 1978 – 1 BvR 426/77 –, BVerfGE 47, 182 [189]). Der wesentliche, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienende Vortrag muss demnach regelmäßig in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Dezember 2006 – 2 BvR 722/06 –, juris Rn. 23; Kammerbeschluss vom 16. September 2010 – 2 BvR 2394/08 –, juris Rn. 14). Dies gilt indessen nicht, wenn die konkrete Entscheidung von Verfassungs wegen keiner Begründungspflicht unterliegt, wie dies bei verschiedenen letztinstanzlichen Entscheidungen anzunehmen ist (vgl. entspr. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001 – 1 BvR 1512/97 u.a. –, BVerfGE 104, 1 [7 f.]; BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 –, juris Rn. 13 ff., auch zur Vereinbarkeit des Absehens von einer Begründung mit Art. 6 EMRK [Rn. 25 f.]).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die von dem Beschwerdeführer angegriffene Entscheidung nicht ersichtlich. Dabei kann es dahinstehen, ob der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz im Rechtsbeschwerdeverfahren als letztinstanzliche Entscheidung zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör einer Begründung bedarf, da die Begründung der angegriffenen Entscheidung den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 LV genügt.
Wie das Oberlandesgerichts in seinem die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurückweisenden Beschluss vom 6. April 2021 ausgeführt hat, liegt es in der Natur des konkreten Verfahrens, dass nicht auf jeden einzelnen Punkt der 82 Seiten umfassenden Rechtsbeschwerdebegründung eingegangen werden kann. Soweit der Beschwerdeführer seinen Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25. Juli 2019 und die dortigen Ausführungen zur Frage der Relevanz von Beweismitteln als Kernvorbringen (vgl. EGMR, Urteil vom 25. Juli 2019 – 1586/15 –, NJW 2020, 3019 [3020 f. Rn. 58 f.]) verstanden wissen möchte, hat sich das Oberlandesgericht mit dieser Frage in dem angegriffenen Beschluss vom 22. Februar 2021 in einer den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 LV genügenden Weise auseinandergesetzt (vgl. S. 2 des Beschlussabdrucks). Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zur Begründung angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 4. Mai 2015 – 2 BvR 2169/13 u.a. –, juris Rn. 5) ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, da im hiesigen Fall – anders als in der vorgenannten Entscheidung – ausdrücklich und umfangreich eine Auseinandersetzung mit dem auch von der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Recht auf ein faires Verfahren seitens des Oberlandesgerichts stattgefunden hat. Einer expliziten Erwähnung des von dem Beschwerdeführer im Rechtsbeschwerdeverfahren angeführten Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25. Juli 2019 – 1586/15 – bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht.
D.
Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt.


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