Strafrecht

Vermögensarrest gem. § 111e StPO – Kein dringender Tatverdacht erforderlich

Aktenzeichen  Qs 6/18

Datum:
22.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5670
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 111e, § 473 Abs. 1
StGB § 73d Abs. 2

 

Leitsatz

1 Für die Anordnung eines Vermögensarrestes zur Sicherung der Wertersatzeinziehung ist kein dringender Tatverdacht erforderlich; es genügt der einfache Verdacht einer Straftat sowie die Annahme, dass im Urteil die Einziehung von Wertersatz angeordnet wird. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Kann bei laufenden Ermittlungen der einer zu erwartenden Wertersatzeinziehung unterliegende Geldbetrag noch nicht exakt bestimmt werden, kann dieser annäherungsweise durch Schätzung in Form einer Hochrechnung bestimmt werden. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschuldigten T. L. (Verteidigerschriftsatz vom 09.12.2017) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 20.11.2017 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
Am 05.09.2017 erstattete der Heimleiter des M.-C.-Hauses, M. R. unter anderem gegen den Beschwerdeführer als ehemaligen Leiter der im M.-C.-Hause befindlichen Cafeteria Anzeige. Bei dem M.C.-Haus handelt es sich um ein Wohn- und Pflegezentrum in Trägerschaft des Diakonischen Werks. Der Beschwerdeführer habe – so der Zeuge R. – die täglichen Bareinnahmen aus dem Café nicht ordnungsgemäß abgeführt. Das Café habe – wie sowohl der Zeuge R. als auch die Zeugin H. angab – täglich Bareinnahmen zwischen 80,- und 100,- EUR erzielt. Sofern darüber hinaus Bewohner der Einrichtung das Café besuchten, seien diese Kosten mit den Taschengeldkonten, d.h. nicht mit Bargeld, bezahlt worden. Die Funktion als Leiter der Cafeteria habe der Beschwerdeführer vom 01.06.2015 bis Anfang Juni 2017 gehabt.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg ordnete das Amtsgericht Aschaffenburg mit Beschluss vom 20.11.2017 nach §§ 111e Abs. 1, Abs. 1 S. 1 StPO ohne vorherige Anhörung des Beschuldigten L. (§ 33 Abs. 4 StPO) den Vermögensarrest in dessen Vermögen in Höhe von 52.724,12 EUR an. Es bestehe – so das Amtsgericht – gegen den Beschuldigten der Verdacht der Untreue und es seien Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Voraussetzungen für die Einziehung von Taterträgen vorliegen. Hinsichtlich der Höhe nahm das Amtsgericht eine Schätzung i.S.d. § 73d Abs. 2 StGB vor: Der errechnete Betrag ergebe sich aus den Tageseinnahmen in Höhe von 80,- EUR in der Zeit vom 01.06.2015 bis zum 30.05.2017 abzüglich von am 24.07.2017 in dem Büro des Beschwerdeführers aufgefundenen Bargelds von 5.675,88 EUR, das aus Barverkäufen in der Cafeteria stamme.
Gegen die Anordnung des Arrestes legte die Verteidigerin des Beschuldigten L. mit Schriftsatz vom 09.01.2018 Beschwerde ein: Es fehle vorliegend an einem dringenden Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer. Selbst wenn man den Zeugen Glauben schenke, handele es sich bei dem festgesetzten Betrag nur um eine Hochrechnung. Bei dieser Hochrechnung seien die Tage nicht berücksichtigt, an denen der Beschwerdeführer gar nicht im Café war und auch Einkaufskosten von Waren für das Café seien nicht berücksichtigt worden. Zudem seien nicht die Einkäufe von Heimbewohnern berücksichtigt worden, die gar nicht in bar zahlten, sondern deren Verzehr nur auf einer Liste notiert wurde. Insgesamt sei die Grundlage für das Strafverfahren und somit für den Arrest lediglich eine pauschale Hochrechnung ohne Nachweise.
Das Amtsgericht Aschaffenburg hat der Beschwerde mit Verfügung vom 17.01.2018 nicht abgeholfen; die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. Die Kammer teilt die Auffassung des Erstgerichts und tritt den Gründen der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis bei.
Ergänzend zu den Ausführungen der Verteidigerin des Beschwerdeführers in dem Beschwerdeschriftsatz bemerkt die Kammer: 1) Ein dringender Tatverdacht einer Straftat ist für die Anordnung eines Vermögensarrestes nicht erforderlich: Der einfache Verdacht einer Straftat sowie die Annahme, dass im Urteil die Einziehung von Wertersatz angeordnet wird, ist ausreichend (vgl. Huber in BeckOK, Kommentar zur StPO, 28. Edition, Stand: 01.07.2017, § 111e StPO, Rn. 10).
Nach Überzeugung der Kammer rechtfertigt der derzeitige Ermittlungsstand ohne Weiteres die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts der Untreue bzw. Unterschlagung gegen den Beschwerdeführer. Gleiches gilt für die Annahme, dass das Gericht in einem Urteil die Einziehung von Taterträgen bzw. die Einziehung des Wertes von Taterträgen anordnen wird.
2) Soweit die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers vorträgt, dass der vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung festgesetzte Geldbetrag in Höhe von 52.724,12 EUR lediglich eine pauschale Hochrechnung darstelle, auf die ein Arrestbeschluss nicht gestützt werden könne, so folgt dem die Kammer nicht: Der der Entscheidung des Amtsgerichts Aschaffenburg zugrundeliegende § 111e StPO soll bei einem laufenden Ermittlungsverfahren eine spätere Einziehung von Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen sichern. Regelmäßig kann bei laufenden Ermittlungsverfahren dieser Geldbetrag noch nicht exakt festgesetzt sondern nur annäherungsweise durch Schätzung in Form einer Hochrechnung bestimmt werden. Die Höhe des Geldbetrages orientiert sich hierbei an dem Betrag, den – nach Stand der Ermittlungen – das erkennende Gericht nach Durchführung der Hauptverhandlung einziehen wird.
Eine solche Schätzung wurde auch vorliegend vorgenommen. Diese Berechnung erweist sich im Hinblick auf das derzeitige Ermittlungsergebnis auch als rechtlich nicht zu beanstanden. Es bleibt aber letztlich dem erkennenden Gericht nach Durchführung der Hauptverhandlung vorbehalten, den Umfang von Taterträgen unter Würdigung sämtlicher Beweismittel zu bestimmen, wobei hierbei insbesondere nachträglich bekannt gewordene (entlastende) Umstände wie etwa die erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses bekannt gewordenen Kontoeinzahlungen vom 27.01.2017 in Höhe von 1.851,44 EUR (Bl. 105, 106) zu berücksichtigen sein werden.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.


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