Strafrecht

Widerruf einer Zurückstellung der Strafvollstreckung wegen Therapieabbruchs

Aktenzeichen  1 J KLs 41 Js 18208/20 jug (2)

Datum:
13.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38773
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BtMG § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, Abs. 5 S. 1, Abs. 7 S. 2

 

Leitsatz

Der Widerruf einer Zurückstellung der Strafvollstreckung kann nicht allein damit begründet werden, dass eine stationäre Therapie vorzeitig beendet wurde; vielmehr ist nach der sog. Erwartungsklausel vor der Widerrufsentscheidung die Therapiewilligkeit des Verurteilten zu prüfen (OLG Koblenz BeckRS 2008, 21745). (Rn. 19 und 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Entscheidung des Amtsgerichts Laufen – Jugendrichter – vom 08.11.2021, mit dem die Zurückstellung der Vollstreckung widerrufen wurde, wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers trägt die Staatskasse.
III. Der Antragsteller ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen.
IV. Der Antragsteller nimmt unmittelbar nach Haftentlassung wieder Aufenthalt bei seiner Mutter und teilt der Vollstreckungsbehörde sodann unaufgefordert jeden Wohnsitzwechsel mit.
V. Der Antragsteller hat bis spätestens 12.01.2022 dem Vollstreckungsleiter gegenüber nachzuweisen, dass er eine vollwertige Abstinenzbehandlung wieder begonnen hat oder alsbald wieder aufnimmt. Der Vollstreckungsleiter wird dann erneut über den Widerruf der Zurückstellung zu entscheiden haben.

Gründe

I.
Mit Urteil der Kammer vom 10.09.2020 wurde der Antragsteller wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Während der Haft bemühte sich der Antragsteller um die Aufnahme einer stationären Suchttherapie im Therapiezentrum xx. Eine Kostenübernahme erfolgte. Die voraussichtliche Therapiedauer lag bei 26 Wochen. Mit Schreiben vom 11.03.2021 befürwortete die Justizvollzugsanstalt einen Therapieantritt nach § 35 BtMG zum 21.05.2021. Mit Beschluss vom 10.05.2021 stimmte die Kammer der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 Abs. 1, Abs. 3Nr. 2 BtMG zu.
Mit Beschluss der Vollstreckungsleitung beim Amtsgericht Nördlingen vom 12.05.2021 wurde die weitere Vollstreckung der gegen den Verurteilten verhängten Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten für die Behandlung in der Einrichtung Therapiezentrum … des Deutschen Ordens ab dem Betreten der Therapieeinrichtung am 21.05.2021 für die Dauer von längstens zwei Jahren zurückgestellt.
Zum 21.05.2021 verließ der Antragsteller die Justizvollzugsanstalt und nahm die Therapie in der vorgenannten Einrichtung auf. Mit Schreiben vom 27.09.2021 teilte die Therapieeinrichtung mit, dass die Therapie des Antragstellers bis voraussichtlich 16.11.2021 gehen werde.
Am 03.11.2021 teilte der Antragsteller der Vollstreckung von sich aus telefonisch mit, dass er am 02.11.2021 aus disziplinarischen Gründen aus der Therapie entlassen wurde. Er teilte weiter mit, dass er bereits eine Kostenzusage für eine Adaption ab dem 16.11.2021 habe. Der Rechtspfleger forderte diesen daraufhin auf, die entsprechenden Unterlagen an das Amtsgericht zusenden, damit der Richter über das weitere Vorgehen entscheiden könne.
Am Donnerstag, den 04.11.2021 verfügte der Jugendrichter ein Schreiben an die Therapieeinrichtung, worin diese aufgefordert wird mitzuteilen, aus welchen Gründen die Therapie beendet wurde und ob aus Sicht der Therapieeinrichtung die Therapie dennoch erfolgreich abgeschlossen wurde bzw. das Therapieziel erreicht wurde und insbesondere, ob die geplante Adaption ab dem 16.11.2021 durchgeführt werde. Die Geschäftsstelle versandte das vorgenannte Schreiben am Freitag, den 05.11.2021.
Ebenfalls am 05.11.2021 ging beim Jugendrichter ein Schreiben der Therapieeinrichtung vom 03.11.202 ein, in welchem in zwei Sätzen mitgeteilt wurde, dass der Antragsteller am 02.11.2021 seine stationäre Entwöhnungsbehandlung in der Fachklinik beendet habe. Er sei disziplinarisch entlassen worden und eine Entlassungsadresse sei nicht bekannt.
Ebenfalls am 05.11.2021 sandte der Antragsteller dem Jugendrichter ein Foto eines Berichts der Therapieeinrichtung. Weiter teilte er mit, dass er am 16.11.2021 einen Aufnahmetermin bei einer Adaption gehabt hätte. Die Kostenzusage habe er nicht, da diese ihm noch zugeschickt werde. Die Voraussetzung für eine Aufnahme der Adaption sei eine 8-wöchige Auffangtherapie und eine anschließende neue Bewerbung bei der Einrichtung. Er habe vor, die Auffangtherapie schnellstmöglich anzutreten und teilte mit, das Gericht unverzüglich darüber in Kenntnis zu setzen, sobald er eine Therapiestelle gefunden habe. Am selben Tag wurde der Antragsteller aufgefordert, seinen Aufenthalt bzw. seine Adresse mitzuteilen. Der Antragsteller teilte sodann am Montag, den 08.11.2021 telefonisch mit, derzeit bei seiner Mutter in xx am xx zu sein und teilte seine Telefonnummer mit.
Mit Beschluss vom 08.11.2021 wurde die mit Beschluss vom 21.05.2021 angeordnete Zurückstellung der Vollstreckung durch den Jugendrichter am Amtsgericht … widerrufen. Der Widerruf wurde damit begründet, dass der Verurteilte die Behandlung in der Therapieeinrichtung abgebrochen habe. Es sei nicht zu erwarten, dass der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald wieder aufnehme. Der Verurteilte sei am 02.11.2021 disziplinarisch entlassen worden. Nach den Angaben des Verurteilten sei Voraussetzung für die beabsichtigte Adaption ab dem 16.11.2021 eine 8-wöchige Auffangtherapie die der Verurteilte schnellstmöglich antreten wolle. Eine Therapieeinrichtung, geschweige denn ein Beginn dieser Auffangtherapie seien nicht ersichtlich.
Mit Schreiben vom selben Tag bestellte sich für den Antragsteller ein Verteidiger.
Am Dienstag, den 09.11.2021 wurde der Antragsteller zum Strafantritt geladen. Dem Strafantritt leistete der Antragsteller pünktlich Folge. Ebenfalls am 09.11.2021 ging die Antwort der Therapieeinrichtung auf die Anfrage vom 04.11.2021 ein. Darin berichtete die Einrichtung über einen vollständig erfolgreichen Therapieverlauf bis zur Entlassung. Den genauen Grund der Entlassung teilte sie nicht mit. Sie teilte jedoch mit, dass die disziplinarische Entlassung aufgrund eines Regelverstoßes und nicht wegen eines Rückfalls erfolgt sei. Weiter wurde mitgeteilt, dass für die Adaption die Kosten zwar beantragt worden sein. Eine Adaption werde vom Kostenträger jedoch nur bei nahtloser Weitervermittlung gewährleistet.
Mit Schreiben vom 17.11.2021 legte der Verteidiger „Beschwerde“ mit dem Antrag, den Bescheid des Jugendrichters vom 08.11.2021 aufzuheben, ein.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Antragsteller nicht aus eigenem Wunsch die Therapie abgebrochen habe. Er sei disziplinarisch entlassen worden, weil es zu einer Befreundung mit einer weiter in der Therapie befindlichen Frau gekommen sei. Er habe sich nach seiner Entlassung sofort um einen Therapieplatz bemüht. Auch infolge der Corona-Maßnahmen sei dies derzeit nicht so einfach möglich und er habe mehrere Absagen erhalten. Er habe sich mittlerweile bei der … D. GmbH in … vorgestellt und habe dort zwischenzeitlich einen Termin wahrgenommen. Weiter habe er sich für einen Stabilisierungstherapieplatz angemeldet. Den hierzu überlassenen Anmeldebogen habe er ausgefüllt und an die Therapieeinrichtung zurückgeleitet.
Nach Aufforderung der Kammer berichtete die Therapieeinrichtung mit Schreiben vom 02.12.2021, dass der Antragsteller sich zum Zeitpunkt der Entlassung in der letzten Phase der Therapie befunden habe. Er habe bereits eine Therapiereflexion begonnen. Er habe die Therapie rückfallfrei beendet. Dies sei durch regelmäßige Urinkontrollen nachgewiesen. Die Entlassung habe nicht im Zusammenhang mit dem Konsum von Suchtmitteln gestanden. Entlassungsgrund sei vielmehr ein nicht akzeptabler Beginn der Beziehung mit einer Rehabilitandin in deren Kerntherapie gewesen.
II.
Der als Beschwerde bezeichnete Rechtsbehelf war als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 35 Abs. 7 Satz 2 BtMG auszulegen und als solcher statthaft und zulässig.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist im Ergebnis auch begründet.
Die Voraussetzungen des Widerrufs der Zurückstellung lagen weder im Zeitpunkt der Entscheidung des Jugendrichters vor, noch liegen diese zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer vor. Die in der Widerrufsentscheidung genannten Gründe vermögen einen Widerruf nicht zu tragen.
Nach § 35 Abs. 5 S. 1 BtMG widerruft die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, dass der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt.
Nicht fortgeführt ist die Behandlung dann, wenn sie abgebrochen wurde, obwohl ihr Ziel noch nicht erreicht ist. Hier ist allerdings zu differenzieren, weshalb die Behandlung beendet wurde: Denn unter einem Abbruch der Behandlung (Therapieabbruch) ist (nur) ein Verhalten zu verstehen, aus dem der Schluss gezogen werden kann, dass der Verurteilte die Behandlung in der Einrichtung, in der er sich befindet, nicht fortsetzen will (allg. A.). Ein Abbruch kann zwar auch dann gegeben sein, wenn die Einrichtung dem Verurteilten wegen seines Verhaltens nicht erlaubt, die Behandlung fortzusetzen. Allerdings muss ein Ausscheiden aus der Einrichtung aus disziplinarischen Gründen, z.B. wegen einer tätlichen Auseinandersetzung, noch keinen Abbruch bedeuten (Weber/Kornprobst/Maier/Weber, 6. Aufl. 2021, BtMG § 35 Rn. 237).
Damit kann – wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt – der Widerruf nicht allein damit begründet werden, dass eine stationäre Therapie vorzeitig beendet wurde, vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 01. Dezember 2003 – Ws 1212/03 -, juris. Vielmehr ist vor der Widerrufsentscheidung auch zu prüfen, ob zu erwarten ist, dass der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt. Hierbei ist demnach die Therapiewilligkeit zu überprüfen. Dabei finden die gleichen Grundsätze wie bei der notwendigen Therapiewilligkeit im Rahmen der Zurückstellung nach § 35 Abs. 1 S. 1 BtMG Anwendung. Damit ist auch für den Widerruf maßgeblich, ob das Verhalten des Verurteilten über die Tatsache des Scheiterns früherer Therapieversuche hinaus konkrete Zweifel an einem ernsten Therapiewillen begründet (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 28. Mai 2008 – 2 Ws 244/08 -, juris). Mit der sog. Erwartungsklausel hat der Gesetzgeber nämlich gerade dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass die Überwindung der Sucht oftmals nicht beim ersten Versuch gelingt, sondern hierfür regelmäßig mehrere Therapieversuche notwendig sind; einem Rückfall kommt daher wie einem eigenmächtigen Behandlungsabbruch nicht die Bedeutung eines endgültigen Fehlschlages der bisherigen Therapiebemühungen zu. Vielmehr hängt eine solche Einschätzung unter anderem auch davon ab, ob der Verurteilte seine Bemühungen zur Überwindung der Sucht fortsetzt. Hat ein Verurteilter nach Abbruch einer Therapie sich daher ständig um die Fortsetzung der Behandlung oder die Aufnahme in eine vergleichbare Einrichtung bemüht und dadurch seinen fortbestehenden Willen dokumentiert, so stellt dies auch dann noch einen „alsbaldigen“ Beginn einer Behandlung derselben Art im Sinne des § 35 Abs. 5 Satz 1 BtMG dar, wenn zwischen dem Abbruch der Behandlung und deren Fortsetzung mehrere Monate liegen, sofern entsprechende Bemühungen der Vollstreckungsbehörde bekannt und nachgewiesen sind (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2003, 311, 312; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02. August 2006 – 3 Ws 699/06 -, Rn. 11, juris)
Insofern gibt es keinen Grundsatz, wonach die Zurückstellung zu widerrufen, ist, wenn nicht unmittelbar nach Entlassung aus einer Einrichtung eine andere stationäre Therapie begonnen wird. Ebenso wäre es fehlerhaft, den Widerruf allein auf den Abbruch der stationären Therapie zu stützen, wenn es – unter Berücksichtigung der bisher erzielten Behandlungsergebnisse – ohne weiteres möglich ist, die Therapie ambulant fortzusetzen. (OLG Nürnberg, Beschluss vom 01. Dezember 2003 – Ws 1212/03 -, juris; Weber/Kornprobst/Maier/Weber, 6. Aufl. 2021, BtMG § 35 Rn. 275 m.w.N.)
Diese Erfordernisse, die sich bereits aufgrund der Erwartungsklausel aufdrängen, führen zu der Verpflichtung der Vollstreckungsleitung nach Beendigung der Therapie aufzuklären, ob die Nichtfortführung der Behandlung auf einer mangelnden Therapiebereitschaft des Verurteilten beruhte. Dies gilt insbesondere dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Weigerung der Einrichtung, die Therapie fortzusetzen, darauf beruhte, dass eine disziplinarische Verfehlung des Betroffenen geahndet werden sollte (OLG Nürnberg a.a.O). Dies gilt sogar bei einem Rückfall des Verurteilten (vgl. (Körner/Patzak/Volkmer/Fabricius, 9. Aufl. 2019, BtMG § 35 Rn. 459); umso mehr gilt dies, wenn die disziplinarische Entlassung keinerlei Zusammenhang mit dem Therapieziel hat. Denn für die Entlassung aus der Therapieeinrichtung können mannigfaltige Gründe vorliegen, die nicht im Zusammenhang mit der Therapiebereitschaft des Verurteilten liegen müssen und die darum auch nicht den Schluss rechtfertigen, der Verurteilte wolle die Therapie nicht fortsetzen. (vgl. etwa AG Braunschweig, Beschluss vom 17. Mai 1990 – 9 Ls 309 Js 47087/83 -, juris).
Unter Berücksichtigung all dieser vorgenannten Kriterien lagen weder zum Zeitpunkt der Entscheidung des Jugendrichters noch zum jetzigen Zeitpunkt ausreichende Umstände für den Widerruf der Zurückstellung vor. Es sind keine ausreichenden Gesichtspunkte dafür erkennbar, dass keine ausreichende weitere Therapiebereitschaft beim Verurteilten und Antragsteller (mehr) vorliegt. Hierbei war insbesondere zu berücksichtigen, dass die Therapie zwar vorzeitig beendet, jedoch lediglich zwei Wochen bis zum regulären Ende verblieben. Während der vorangegangenen 24 Wochen bis zur Entlassung war bereits ein guter Therapieerfolg erzielt worden; Zweifel an der Therapiebereitschaft des Antragstellers waren nicht erkennbar. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass die Entlassung aus disziplinarischen Gründen ohne Zusammenhang mit dessen Therapie erfolgte; die Kammer versteht die Ausführungen der Therapieeinrichtung vielmehr so, dass die Entlassung zum Schutz der anderen Rehabilitandin erfolgte. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Antragsteller von sich aus unmittelbar nach der Entlassung aus der Therapieeinrichtung die Vollstreckungsbehörde hierüber informierte und unmittelbar mit dieser Information den Beginn seiner Bemühungen um Fortsetzung von Therapiemöglichkeiten mitteilte.
Auf der anderen Seite war das berechtigte Interesse der Vollstreckungsbehörden an einer schnellen Entscheidung zu berücksichtigen. Wie sich bereits aus § 35 Abs. 7 S. 1 und S. 3 BtMG ergibt, soll das Widerrufsverfahren die Vollstreckungsbehörden auch in die Lage versetzen, zügig und effizient zu reagieren, um ein Untertauchen der Verurteilten ebenso zu vermeiden wie eine Rückkehr des Verurteilten in ein durch Drogenkonsum geprägtes Umfeld, welches jegliche vorherige Bemühungen schnell zunichte machen kann. Aus diesen Gründen kann der Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung gegebenenfalls bereits unmittelbar nach Eingang der Mitteilung der Therapieeinrichtung über den Abbruch der Therapie zulässig und erforderlich sein (OLG Koblenz, Beschluss vom 04. November 1994 – 2 Ws 622/94 -, juris).
Allerdings begegnet ein solches Vorgehen dann Zweifeln, wenn – wie hier – zugleich die schriftliche Zusage des Verurteilten vorliegt, dass er die Therapie in einer anderen Langzeittherapiestätte fortsetzen will und er sich von sich aus bereits vor der Therapieeinrichtung bei Gericht meldete und den weiteren gerichtlichen Aufforderungen unverzüglich Folge leistete (ähnlich OLG Koblenz a.a.O.).
Die Entscheidung über den Widerruf war demnach aufzuheben.
Mit der Aufhebung macht die Kammer dem Antragsteller weiterhin Auflagen, um einen Nachweis der Therapiebereitschaft gegenüber dem Vollstreckungsleiter sicherzustellen ebenso wie die postalische Erreichbarkeit sicherzustellen. Die Einräumung einer Frist für den Antragsteller ist notwendig, um aufzuklären, inwiefern die Nichtfortführung der Behandlung auf einer mangelnden Therapiebereitschaft des Verurteilten beruhte. Der Jugendrichter wird dann unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien zu gegebener Zeit wieder darüber entscheiden können, ob die Zurückstellung zu widerrufen ist, weil die Behandlung nicht fortgeführt wurde und nicht zu erwarten ist, dass der Verurteilte eine vollwertige Suchttherapie alsbald beginnt oder wieder aufnimmt. Hierbei wird nicht außer Acht gelassen werden können, dass durch die vorzeitige Entlassung aus der Therapieeinrichtung und die zwischenzeitliche Haft ebenso wie durch die Coronapandemie auch bei noch so großer Therapiebereitschaft erhebliche organisatorische Hürden für den Antragsteller zu überwinden sind, bevor eine Therapie wieder aufgenommen werden kann.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 464 StPO analog.


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