Strafrecht

Zur Zuständigkeit des Rechtsbeschwerdegerichts für die sofortige Kostenbeschwerde

Aktenzeichen  202 ObOWi 1888/19

Datum:
17.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28167
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
OWiG § 46 Abs. 1,§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, Abs. 3 S. 1, § 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 2
StPO § 300, § 344, § 345 Abs. 1, § 346 Abs. 1, Abs. 2, § 464 Abs. 3 S. 3

 

Leitsatz

1. Eine Entscheidungszuständigkeit des Rechtsbeschwerdegerichts über die sofortige Kostenbeschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO besteht nur dann, wenn es zugleich über eine vom Beschwerdeführer eingelegte (Zulassungs-) Rechtsbeschwerde sachlich zu entscheiden hat, weil nur dann der erforderliche enge Zusammenhang zwischen beiden Rechtsmitteln besteht. (Rn. 7)
2. Hieran fehlt es mangels sachlicher Befassung mit dem Hauptrechtsmittel bei einer bloßen Befassung im Rahmen des besonderen Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 4 Satz 2 OWiG i.V.m. § 346 Abs. 2 StPO, nachdem die (Zulassungs-) Rechtsbeschwerde bereits durch das Tatgericht als unzulässig verworfen worden ist (u.a. Anschluss an BGH, Beschluss vom 04.07.2018 – 2 StR 485/17 bei juris; 21.02.2017 – 2 StR 431/16 = StraFo 2017, 130; 05.12.1996 – 4 StR 567/96 = NStZ-RR 1997, 238 und schon BayObLG, Beschluss vom 10.02.1976 – 2 Ob OWi 402/75 = BayObLGSt 1976, 9 = MDR 1976, 951). (Rn. 7)

Tenor

Der Antrag des Betroffenen vom 11.08.2018 auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 31. Juli 2018, durch den der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 15.05.2018 als unzulässig verworfen wurde, wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.
Der am 11.08.2018 fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO beim Amtsgericht eingegangene und gemäß § 300 StPO als solcher auszulegende Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts vom selben Tag als allein statthaftes Rechtsmittel gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 31.07.2018, durch den der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 15.05.2018 als unzulässig verworfen wurde, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der dem Betroffenen am 04.08.2018 zugestellte Beschluss des Amtsgerichts vom 31.07.2018 entspricht vielmehr der Sach- und Rechtslage.
1. Zulässigkeitsvoraussetzung der Rechtsbeschwerde bzw. wie hier aufgrund der Verurteilung zu einer Geldbuße in Höhe von 20 Euro eines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nämlich nicht nur, dass das Rechtsmittel – wie geschehen – rechtzeitig bei Gericht eingelegt wird. Vielmehr musste der Betroffene außerdem innerhalb der hier entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht bereits mit Ablauf des 22.07.2018 sondern erst mit Ablauf des 30.07.2018 endenden einmonatigen Begründungsfrist entweder in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts erklären, in welchem Umfang er das Urteil vom 15.05.2018 angreift und seine Aufhebung beantragt, sowie diesen Antrag begründen (§§ 344, 345 Abs. 1, Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Dies ist jedoch nicht geschehen. Insbesondere genügte deshalb die von dem Betroffenen unter dem 16.06.2018 persönlich verfasste und am 17.06.2018 beim Amtsgerichts eingegangene und mit der Einlegung der Zulassungsrechtsbeschwerde verbundene Begründung ebenso wenig den zwingenden, weil gesetzlichen Begründungsanforderungen wie alle späteren, ebenfalls jeweils persönlich verfassten Eingaben des Betroffenen, obwohl der Betroffenen über die zu erfüllenden Formvoraussetzungen vom Amtsgericht zuletzt mit Zustellung des Urteils am 22.06.2018 schriftlich belehrt worden war.
Wegen der weiteren Begründung nimmt der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer dem Betroffenen zugestellten Antragsschrift vom 04.09.2019 Bezug. Die hierzu abgegebene, am 15.09.2019 eingegangene Stellungnahme des Betroffenen vom 15.09.2019 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.
Damit verbleibt es bei dem Urteil des Amtsgerichts vom 15.05.2018. Eine sachliche Überprüfung dieser Entscheidung ist dem Senat von Rechts wegen verwehrt.
2. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass der Zulassungsrechtsbeschwerde des Betroffenen – ihre frist- und formgerechte Begründung unterstellt – auch in der Sache ein Erfolg schon deshalb versagt bliebe, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. hierzu z.B. OLG Bamberg, Beschluss vom 18.01.2011 – 3 Ss OWi 1696/10 = DAR 2011, 212 = ZfSch 2011, 232 = VerkMitt 2011, Nr. 57 = OLGSt StVO § 23 Nr. 12. m.w.N.) offensichtlich nicht vorliegen. Da in dem angefochtenen Urteil vom 15.05.2018 gegen den Betroffenen ausschließlich eine Geldbuße von 20 Euro festgesetzt wurde, bedurfte die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG für ihre Statthaftigkeit der vorherigen Zulassung durch das Rechtsbeschwerdegericht.
Nach § 80 Abs. 1 OWiG lässt das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG auf Antrag nur zu, wenn es erforderlich ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) oder wenn es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Beträgt – wie hier – die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100 Euro oder ist gegen den Betroffenen eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art angeordnet worden, deren Wert im Urteil ebenfalls auf nicht mehr als 100 Euro festgesetzt worden ist, so ist die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde durch § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG noch weitergehend, nämlich dahin eingeschränkt, dass in den Fällen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur noch die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung bezogen auf das sachliche Recht, mithin nicht wegen der Anwendung von das Verfahren betreffenden Rechtsnormen, die Zulassung rechtfertigen kann. Gründe dieser Art werden vom Betroffenen weder aufgezeigt noch ergeben sich hierfür aus den Akten oder dem angefochtenen Urteil Anhaltspunkte. Insbesondere sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung die an eine rechtsfehlerfreie tatrichterliche Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen ebenso hinlänglich geklärt wie die sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darstellung der Urteilsgründe, so dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des sachlichen Rechts schon mangels Vorliegens entscheidungserheblicher, klärungsbedürftiger und abstraktionsfähiger Rechtsfragen ausscheidet. Denn der Sinn der gesetzlichen Zulassungsregelungen besteht gerade nicht in der Herstellung der rechtlich ‘richtigen’ Entscheidung im Einzelfall (vgl. neben BGHSt 24, 15, 21 = NJW 1971, 389, 391 = DAR 1971, 81 ff. = VerkMitt 1971, Nr. 12 u.a. OLG Hamm DAR 2010, 99; OLG Köln DAR 2009, 408 und NStZ-RR 2010, 88 = NZV 2010, 270 = VerkMitt 2009, Nr 85; siehe auch die einschlägigen Kommentierungen u.a. bei Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 80 Rn. 1 f., 3, 16 ff. und KK/Hadamitzky OWiG 5. Aufl. § 80 Rn. 36 f., 43, jeweils m.w.N.).
II.
Demgegenüber fehlt es mangels sachlicher Befassung mit dem Hauptrechtsmittel des Betroffenen, nämlich seinem bereits durch das Amtsgericht selbst als iudex a quo gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfenen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, an einer Zuständigkeit des Senats zur Entscheidung über die vom Betroffenen zeitgleich und zusammen mit der Zulassungsrechtsbeschwerde erhobene und als solche gemäß § 300 StPO auszulegende sofortige Kostenbeschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils vom 15.05.2018, über die demgemäß noch das zuständige übergeordnete Beschwerdegericht auf Vorlage des Amtsgerichts zu entscheiden haben wird. Denn eine Entscheidungszuständigkeit des Rechtsbeschwerdegerichts über die sofortige Kostenbeschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO besteht nur dann, wenn es zugleich über eine vom Beschwerdeführer eingelegte Rechtsbeschwerde oder – wie hier – einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde sachlich zu entscheiden hat, weil nur dann der erforderliche enge Zusammenhang zwischen beiden Rechtsmitteln besteht. Da das Rechtsbeschwerdegericht hier jedoch nicht über die Zulassungsrechtsbeschwerde selbst im Sinne einer sachlichen Prüfung des Rechtsmittels zu entscheiden hatte, sondern mit der Sache nur aufgrund des besonderen Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 4 Satz 2 OWiG i.V.m. § 346 Abs. 2 StPO befasst worden ist, ist ihm wegen Nichtbestehens des erforderlichen engen Zusammenhangs zwischen beiden Rechtsmitteln eine Entscheidung über die Kostenbeschwerde verwehrt (vgl. neben BGH, Beschluss vom 04.07.2018 – 2 StR 485/17 bei juris; 21.02.2017 – 2 StR 431/16 = StraFo 2017, 130 und 05.12.1996 – 4 StR 567/96 = NStZ-RR 1997, 238 schon BayObLG, Beschluss vom 10.02.1976 – 2 Ob OWi 402/75 = BayObLGSt 1976, 9 = MDR 1976, 951; vgl. auch KK/Gieg StPO 8. Aufl. § 464 Rn. 13 und Meyer-Goßner/Schmitt StPO 62. Aufl. § 464 Rn. 25, jeweils m.w.N.).


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