Strafrecht

Zurückstellung der Strafvollstreckung bei Betäubungsmittelabhängigkeit und Vorwegvollzug von widerrufenen Strafresten

Aktenzeichen  203 VAs 215/20

Datum:
21.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29162
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 454b Abs. 2 S. 2, Abs. 3
StVollStrO § 21, § 43 Abs. 2 Nr. 1 S. 2, Abs. 3, Abs. 4
BtMG § 35 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 2

 

Leitsatz

1. I. Strafreste, deren Aussetzung widerrufen worden ist, werden gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO grundsätzlich vorab vollstreckt. Dies stellt einen wichtigen Grund im Sinne von § 43 Abs. 4 StVollstrO dar, eine bereits begonnene anderweitige Strafvollstreckung zu unterbrechen und eine von § 43 Abs. 3 StVollstrO abweichende Vollstreckungsreihenfolge zu bestimmen. (Rn. 19)
2. II. Gleichwohl verbleibt den Vollstreckungsbehörden im Rahmen des § 43 Abs. 4 StVollstrO ein (nurmehr eingeschränktes) Ermessen („kann“) und hinsichtlich der Annahme eines wichtigen Grundes ein Beurteilungsspielraum. (Rn. 26)
3. III. Ein Absehen vom vollständigen Vorwegvollzug widerrufener Strafreste wird deshalb nur in geeigneten Einzelfällen in Betracht kommen, wenn konkrete Umstände vorliegen, hinter denen auch das erhöhte Vollstreckungsinteresse zurückzustehen hat. (Rn. 26)
4. IV. Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn eine Gesamtbeurteilung die realistische, durch Tatsachen belegbare Prognose rechtfertigt, dass es zu Zurückstellungen der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG in allen Strafvollstreckungsverfahren kommen könnte. (Rn. 27)
5. V. Eine nach § 454b StPO unterbrochene, nicht gemäß § 35 BtMG zurückstellungsfähige Strafe stellt eine im Sinne des § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG zu vollstreckende Strafe dar, welche die Zurückstellung einer weiteren Strafe nach § 35 BtMG hindert, solange die Vollstreckung des Strafrestes noch nicht zur Bewährung ausgesetzt ist. (Rn. 31)

Tenor

1. Der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG gegen die drei Bescheide der Generalstaatsanwaltschaft B. vom 30. April 2020 (Az.: 220 Zs 306/20, 220 Zs 307/20 und 220 Zs 308/20) wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
2. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Gegen den Verurteilten wurden bzw. werden aus drei Urteilen Freiheitsstrafen vollstreckt:
– Aus dem Urteil des Landgerichts Würzburg vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) wegen Verbrechens nach § 29a BtMG eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten;
– aus dem Urteil des Landgerichts Würzburg vom 04.04.2006 (Az.: 822 VRs 18229/05) in Verbindung mit dem Widerrufsbeschluss vom 20.09.2017 wegen Verbrechens nach § 29a BtMG eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren 3 Monaten;
– aus dem Urteil des Landgerichts Würzburg vom 12.03.2012 (Az.: 822 VRs 4823/11) in Verbindung mit dem Widerrufsbeschluss vom 20.09.2017 wegen Verbrechens nach § 29a BtMG eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren 3 Monaten.
Zunächst war folgende Vollstreckungsreihenfolge vorgesehen (Haftzeitübersicht vom 06.12.2017):
– aus dem Urteil vom 26.04.2017 Beginn der Strafzeit am 26.06.2017 bis zum Ablauf von zwei Dritteln am 17.05.2020, Rest: 670 Tage;
– aus dem Urteil vom 04.04.2006 nach dem Widerruf der Bewährung hinsichtlich des Strafrestes von 606 Tagen mit Beschluss vom 20.09.2017 Beginn der Strafzeit am 18.05.2020 bis zum Strafende am 13.01.2022;
– aus dem Urteil vom 12.03.2012 nach dem Widerruf der Bewährung hinsichtlich des Strafrestes von 640 Tagen mit Beschluss vom 20.09.2017 Beginn der Strafzeit am 14.01.2022 bis zum Strafende am 15.01.2023;
– aus dem Urteil vom 26.04.2017 hinsichtlich des Strafrestes von 670 Tagen Beginn der Strafzeit am 16.10.2023 bis zum Strafende am 25.08.2025.
Aufgrund des vorgenannten Widerrufs der beiden Strafreste hat die Staatsanwaltschaft W. die Vollstreckungsreihenfolge umgestellt wie folgt (Haftzeitübersicht vom 09.03.2020):
– aus dem Urteil vom 26.04.2017 Beginn der Strafzeit am 26.06.2017 bis zum 13.11.2017, Rest: 1584 Tage;
– aus dem Urteil vom 04.04.2006 nach dem Widerruf der Bewährung hinsichtlich des Strafrestes von 606 Tagen Beginn der Strafzeit am 14.11.2017 bis zum Strafende am 12.07.2019;
– aus dem Urteil vom 12.03.2012 nach dem Widerruf der Bewährung hinsichtlich des Strafrestes von 640 Tagen Beginn der Strafzeit am 13.07.2019 bis zum Strafende am 12.04.2021;
– aus dem Urteil vom 26.04.2017 hinsichtlich des Strafrestes von 1584 Tagen Beginn der Strafzeit am 13.04.2021 bis zum Strafende am 13.08.2025.
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 11.03.2020 beantragte der Verurteilte,
die Vollstreckung sämtlicher Restfreiheitsstrafen gemäß § 35 BtMG zugunsten einer von ihm beabsichtigten Therapie zurückzustellen unter Vorlage einer Kostenübernahme des zuständigen Sozialhilfeträgers und einer Aufnahmezusage einer Rehabilitationsklinik für Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik ab dem 27.03.2020 (später verlängert bis zum 15.04.2020).
Mit weiterem Schreiben vom 12.03.2020 machte der Verteidiger geltend, dass die abgeänderte Vollstreckungsreihenfolge (Haftzeitübersicht vom 09.03.2020) nicht richtig sei. Die Haftzeiten seien zunächst auf die Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 26.04.2017 anzurechnen (wie nach der Haftzeitübersicht vom 06.12.2017); dann seien alle drei Restfreiheitsstrafen ihrer Höhe nach gemäß § 35 BtMG zurückstellungsfähig.
Die Staatsanwaltschaft W. hat mit Verfügungen vom 18.03.2020 (Verfahren 822 VRs 4823/11 und 822 VRs 2597/16) sowie vom 23.03.2020 (Verfahren 822 VRs 18229/05) den Antrag vom 11./12.03.2020, die weitere Vollstreckung gemäß § 35 BtMG zurückzustellen, abgelehnt, da nach dem Widerruf der Strafreste in den Verfahren 822 VRs 18229/05 und 822 VRs 4823/11 die Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 43 Abs. 4 StVollstrO habe umgestellt werden müssen; zunächst seien die vorgenannten beiden Strafreste zu vollstrecken, erst dann der Strafrest aus dem Verfahren 822 VRs 2597/16. Damit sei die Freiheitsstrafe im Verfahren 822 VRs 18229/05 bereits vollständig vollstreckt und nicht mehr zurückstellungsfähig. Eine Zurückstellung der beiden anderen Strafreste scheitere daran, dass aus dem Urteil vom 26.04.2017 noch eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren zu vollstrecken sei (§ 35 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1, Abs. 6 Nr. 2 BtMG). Im Übrigen habe der Verurteilte trotz einer Suchterkrankung die Taten in den Verfahren 822 VRs 4823/11 und 822 VRs 2597/16 nicht aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen, sondern um die Betäubungsmittel mit Gewinn weiter zu veräußern. Im Verfahren 822 VRs 2597/16 habe die Sachverständige ausgeführt, dass der Verurteilte die Taten unabhängig von seiner Sucht begangen habe; das Gericht habe sich dieser Ansicht angeschlossen.
Mit Schreiben vom 23.03.2020 hat der Verteidiger ausdrücklich auch die Umstellung der Vollstreckungsreihenfolge beantragt.
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 24.03.2020, vom 25.03.2020 und vom 27.03.2020 hat der Verurteilte gegen alle drei vorgenannten Verfügungen der Staatsanwaltschaft W. Beschwerde eingelegt.
Die Staatsanwaltschaft W. hat der Beschwerde mit Verfügung vom 02.04.2020 nicht abgeholfen.
Mit drei Bescheiden vom 30.04.2020, dem Verteidiger des Verurteilten am 07.05.2020 bzw. am 11.05.2020 zugestellt, hat die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg die Beschwerde des Verurteilten gegen die Verfügungen der Staatsanwaltschaft W. vom 18.03.2020 und vom 23.03.2020 zurückgewiesen unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 4 StVollstrO. Darüber hinaus hat sie darauf hingewiesen, dass der Verurteilte bereits wiederholt die Möglichkeit gehabt habe, in einer Therapieeinrichtung seiner Sucht entgegenzuwirken, jedoch nicht das erforderliche Maß an Durchhaltevermögen entwickelt habe. Deshalb hätten die bisherigen Therapiebemühungen des Verurteilten nicht zu einer Abkehr von der Begehung von Betäubungsmittelstraftaten geführt, sodass Sinnhaftigkeit und Erfolgsaussichten (im Sinne einer Kriminalprävention) einer neuerlichen Therapie nicht erkannt werden könnten.
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 26.05.2020, eingegangen am selben Tag, stellte der Verurteilte Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Die Generalstaatsanwaltschaft M. hat mit Schreiben vom 11.08.2020 beantragt, den Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
Hierauf erwiderte der Verteidiger des Verurteilten mit Schreiben vom 26.08.2020.
Der Senat nimmt im Übrigen auf die genannten Entscheidungen, Verfügungen und Schreiben vollumfänglich Bezug.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 23 EGGVG statthaft, wurde gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG form- und fristgerecht eingelegt und ist auch nach § 24 Abs. 1 und 2 EGGVG zulässig, da das erforderliche Vorschaltverfahren (§ 21 StVollstrO) durchgeführt worden ist.
III.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da der Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG).
Eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG kommt nämlich in keinem der drei Verfahren in Betracht:
– Zum einen hat die Vollstreckungsbehörde die vom Verteidiger des Verurteilten angegriffene geänderte Vollstreckungsreihenfolge (Haftzeitübersicht vom 09.03.2020) zutreffend festgesetzt (dazu nachfolgend 2.). Damit ist aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) noch ein Strafrest von 1584 Tagen zu vollstrecken, so dass dessen Zurückstellung schon wegen seiner Höhe gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 BtMG ausgeschlossen ist; eine Zurückstellung in den weiteren Verfahren scheitert an § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG.
– Zum anderen sind jedenfalls die Taten aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) nicht aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen (dazu nachfolgend 3.). Damit ist eine Zurückstellung des diesbezüglichen Strafrestes auch aus diesem Grunde gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 BtMG ausgeschlossen; eine Zurückstellung in den weiteren Verfahren scheitert wiederum an § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG.
1. Anfechtungsgegenstand in dem Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG ist der ursprüngliche Verwaltungsakt – hier also die drei Entscheidungen der Staatsanwaltschaft W. vom 18.03.2020 und vom 23.03.2020 – in der Gestalt, die er im Vorschaltverfahren (§ 24 Abs. 2 EGGVG, § 21 StVollStrO) – hier durch die drei Bescheide der Generalstaatsanwaltschaft W. vom 30.04.2020 – gefunden hat, so dass die Begründung der Entscheidung nach § 35 BtMG im Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft auch nachgeholt oder ergänzt werden kann (vgl. nur OLG Jena, Beschluss vom 25.01.2007, Az.: 1 VAs 3/06, juris Rn. 16; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2009, 122, juris Rn. 7; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 08.12.2016, Az.: VAs 29/16, juris Rn. 7; OLG Koblenz, Beschluss vom 20.07.2017, Az. 2 VAs 15/17, juris Rn. 8; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.12.2018, Az.: 1 VAs 8/18, juris Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 24 EGGVG Rn. 7).
2. Die Vollstreckungsbehörde hat die Vollstreckungsreihenfolge zutreffend festgesetzt (Haftzeitberechnung vom 09.03.2020). Strafreste, deren Aussetzung widerrufen worden ist, werden gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO grundsätzlich vorab vollstreckt. Dies stellt einen wichtigen Grund im Sinne von § 43 Abs. 4 StVollstrO dar, die bereits begonnene Vollstreckung aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) zu unterbrechen und eine von § 43 Abs. 3 StVollstrO abweichende Vollstreckungsreihenfolge zu bestimmen. Damit ist aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) noch ein Strafrest von 1584 Tagen zu vollstrecken, so dass dessen Zurückstellung schon wegen seiner Höhe gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 BtMG ausgeschlossen ist; eine Zurückstellung in den weiteren Verfahren scheitert an § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG.
a) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Grundsatzbeschluss vom 09.02.2012 (Az.: 5 AR (VS) 40/11, NJW 2012, 1016; nachfolgend zitiert nach juris) entschieden, dass Strafreste, deren Aussetzung widerrufen worden ist, nicht an der durch § 454b Abs. 2 Satz 1 StPO in Verbindung mit §§ 57, 57a StGB gewährleisteten gemeinsamen Aussetzungsentscheidung teilnehmen (§ 454b Abs. 2 Satz 2 StPO) und deshalb regelmäßig der Vorwegvollstreckung überantwortet sind, wobei die Verwaltungsvorschriften nach § 43 Abs. 4, Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO diesen gesetzlichen Auftrag in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise für das Verfahren der Vollstreckungsbehörde umsetzen; der Gesetzgeber hatte bei Einführung des § 454b StPO die heute in § 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO eingestellte Verwaltungsvorschrift zur Vorabvollstreckung von Strafresten nach Widerruf der Strafaussetzung gerade vor Augen, ebenso den Vergleich mit der Regelung des § 89a Abs. 1 Satz 4 JGG (juris Rn. 6, Rn. 9). Es entspricht dem gesetzgeberischen Willen, die mit dem Bewährungswiderruf vorrangig verfolgte negative spezialpräventive Zielsetzung nicht leerlaufen zu lassen (juris Rn. 10; s. auch BeckOK StVollstrO/Weyde, 6. Ed. 15.06.2020, StVollstrO § 36 Rn. 20; BeckOK StVollstrO/Wittmann, a.a.O., § 43 Rn. 10). Eine bereits begonnene Vollstreckung einer anderen Freiheitsstrafe kann dazu entgegen § 43 Abs. 3 StVollstrO nach § 43 Abs. 4 StVollstrO unterbrochen werden (juris Rn. 11).
Das ist heute ganz herrschende Meinung (vgl. dazu Appl in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl., § 454b Rn. 17).
b) Dem folgt auch die neuere Entwicklung der Verwaltungs- und gesetzlichen Vorschriften:
(1) Mit Wirkung vom 01.10.2017 (BAnz AT 18.08.2017 B6 vom 10.08.2017) wurde § 43 Abs. 4 StVollstrO dahingehend ergänzt, dass ein wichtiger Grund für eine Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach Abs. 2 und Abs. 3 insbesondere bei Hinzutreten von Strafresten nach Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vorliegen kann.
Durch das erfolgte Einfügen des Widerrufs von Strafresten als konkretes Beispiel für einen wichtigen Grund hat der Gesetzgeber eine Klarstellung vorgenommen. In diesen Fällen ist daher das Vorliegen eines wichtigen Grundes grundsätzlich zu bejahen, was sich aus dem erhöhten Vollstreckungsinteresse ableiten lässt, da der erfolgte Widerruf zeitnah und unmittelbar eine für die verurteilte Person spürbare Wirkung entfalten soll und anderenfalls die mit dem Bewährungswiderruf vorrangig verfolgte negative spezialpräventive Zielsetzung leerlaufen würde (BeckOK StVollstrO/Weyde, 6. Ed. 15.06.2020, StVollstrO § 36 Rn. 20, und BeckOK StVollstrO/Wittmann, a.a.O., § 43 Rn. 10 – im Anschluss an BGH, NJW 2012, 1016 -).
(2) Bestätigt wird dies durch den durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.08.2017, in Kraft getreten am 24.08.2017 (BGBl. I 2017, S. 3202 ff.), neu eingefügten § 454b Abs. 3 StPO. Diese Vorschrift modifiziert nämlich nur § 454b Abs. 2 Satz 1 StPO, indem sie es ermöglicht, von der Unterbrechung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nummern 1 und 2 – falls der Verurteilte, wie hier nicht, einen Antrag nach § 454b Abs. 3 StPO gestellt hat – abzusehen, wenn zu erwarten ist, dass nach deren vollständiger Verbüßung die Voraussetzungen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG für eine weitere zu vollstreckende Freiheitsstrafe erfüllt sein werden (vgl. BT-Drs. 18/11272, S. 23 f., S. 34 f.). § 454b Abs. 1 Satz 2 StPO bleibt dagegen unverändert bestehen. Das spricht dafür, dass sich der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik des regelmäßigen Vorwegvollzugs widerrufener Strafreste bewusst dafür entschieden hat, dass widerrufene Strafreste grundsätzlich vorweg zu vollstrecken sind und insoweit nicht generell eine Zurückstellungsmöglichkeit nach § 35 BtMG eröffnet werden soll.
c) Auch wenn nach Vorgesagtem widerrufene Strafreste regelmäßig der Vorwegvollstreckung überantwortet sind, verbleibt den Vollstreckungsbehörden im Rahmen des § 43 Abs. 4 StVollstrO ein Ermessen („kann“) und hinsichtlich der Annahme eines wichtigen Grundes ein Beurteilungsspielraum (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.01.2019, Az.: 2 VAs 60/18, juris Rn. 20; BGH, NJW 2012, 1016, steht nicht entgegen). Die gesetzgeberische Wertung, dass das Bedürfnis der erneuten Gewährung einer Aussetzung des widerrufenen Strafrestes als gering anzusehen ist (vgl. BeckOK StVollstrO/Wittmann, 6. Ed. 15.06.2020, StVollstrO § 43 Rn. 9 – im Anschluss an BGH, NJW 2012, 1016 -) und dass der erfolgte Widerruf zeitnah und unmittelbar eine für die verurteilte Person spürbare Wirkung entfalten soll, anderenfalls die mit dem Bewährungswiderruf vorrangig verfolgte negative spezialpräventive Zielsetzung leerlaufen würde (BeckOK StVollstrO/Weyde, a.a.O., StVollstrO § 36 Rn. 20, und BeckOK StVollstrO/Wittmann, a.a.O., § 43 Rn. 10 – wiederum im Anschluss an BGH, NJW 2012, 1016 -), schränkt das Ermessen jedoch stark ein. Ein Absehen vom vollständigen Vorwegvollzug widerrufener Strafreste wird deshalb nur in geeigneten Einzelfällen in Betracht kommen, wenn konkrete Umstände vorliegen, hinter denen auch das erhöhte Vollstreckungsinteresse zurückzustehen hat (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.01.2019, Az.: 2 VAs 60/18, juris Rn. 23; BeckOK StVollstrO/Wittmann, a.a.O., § 43 Rn. 9 und Rn. 10; Fabricius in Körner/Patzak/Volkmer, 9. Aufl. 2019, BtMG § 35 Rn. 294).
Ein solcher Ausnahmefall kann auch dann vorliegen, wenn eine Gesamtbeurteilung die realistische, durch Tatsachen belegbare Prognose rechtfertigt, dass es zu Zurückstellungen der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG in allen Strafvollstreckungsverfahren kommen könnte (zu dem Anliegen, einem Verurteilten eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zu ermöglichen, s. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.01.2019, Az.: 2 VAs 60/18, juris Rn. 27; MüKoStGB/Kornprobst, 3. Aufl. 2018, BtMG § 35 Rn. 128; Fabricius in Körner/Patzak/Volkmer, 9. Aufl. 2019, BtMG § 35 Rn. 287). Das haben die Vollstreckungsbehörden vorliegend bedacht, indem sie zugleich darauf hingewiesen haben, dass der Verurteilte jedenfalls die Taten aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) nicht aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, was eine Zurückstellung sämtlicher (Rest-)Freiheitsstrafen nach § 35 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1, Abs. 6 Nr. 2 BtMG verhindert. Da der Verurteilte jedenfalls die Taten aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) tatsächlich nicht aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat (dazu nachfolgend 3.), bestand für die Vollstreckungsbehörden kein Anlass, von der regelmäßigen Vorwegvollstreckung widerrufener Strafreste abzusehen; dem Verurteilten kann derzeit die Teilnahme an einer Therapie nämlich nicht ermöglicht werden.
d) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem vom Verteidiger des Verurteilten zitierten Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 12.12.2016 (Az.: 5 VAs 57/16). Diesem Beschluss lag nämlich eine mit der vorliegenden nicht vergleichbare Fallgestaltung zugrunde, nämlich die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe und eines widerrufenen Strafrestes sowie einer Maßregel der Unterbringung nach § 64 StGB. Die Vollstreckungsreihenfolge bemisst sich im Hinblick auf § 64 StGB nach §§ 67 StGB, 44b StVollstrO. In diesen Fällen entspricht es auch der Rechtsprechung der beiden hiesigen Strafsenate, die Vollstreckungsreihenfolge größtmöglich flexibel so zu gestalten, dass der Verurteilte möglichst zeitnah die therapeutische Behandlung antreten kann, ohne aber einen Therapieerfolg durch eine später noch erforderlich werdende Vollstreckung von Freiheitsstrafen wieder zu gefährden. Die Vorschriften der §§ 454b Abs. 2 Satz 2 StPO, 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO schränken das Ermessen der Vollstreckungsbehörden hier deshalb nicht ein.
3. Hätten es die Vollstreckungsbehörden trotz des erfolgten Widerrufs zweier Strafreste – wie vom Verurteilten beantragt – bei der ursprunglichen Vollstreckungsreihenfolge belassen (Haftzeitberechnung vom 06.12.2017), könnte der Verurteilte gleichwohl sein Ziel nicht erreichen, dass hinsichtlich aller drei Verurteilungen eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG erfolgt. Jedenfalls die Taten aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) sind nämlich nicht aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen. Damit ist eine Zurückstellung des diesbezüglichen Strafrestes auch aus diesem Grunde gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 BtMG ausgeschlossen; eine Zurückstellung in den weiteren Verfahren scheitert wiederum an § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG.
a) Die Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) war nach der ursprünglichen Vollstreckungsreihenfolge (Haftzeitberechnung vom 06.12.2017) am 17.05.2020 zwar bereits zu zwei Dritteln vollstreckt (Unterbrechung nach § 454b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO) und war bei einem Strafrest von 670 Tagen der Höhe nach zurückstellungsfähig (§ 35 Abs. 3 Nr. 2 BtMG).
b) Die diesem Urteil zugrunde liegenden Taten hat der Verurteilte jedoch nicht aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen (§ 35 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BtMG). Das verhindert eine Zurückstellung sämtlicher (Rest-)Freiheitsstrafen nach § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG. Eine nach § 454b StPO unterbrochene, nicht gemäß § 35 BtMG zurückstellungsfähige Strafe stellt nämlich eine im Sinne des § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG zu vollstreckende Strafe dar, welche die Zurückstellung einer weiteren Strafe nach § 35 BtMG hindert, solange die Vollstreckung des Strafrestes noch nicht zur Bewährung ausgesetzt ist (BGHSt 55, 243; KG, NStZ-RR 2011, 260; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. § 454b Rn. 19; Körner/Patzak/Volkmer/Fabricius, 9. Aufl. 2019, BtMG § 35 Rn. 283, Rn. 291).
(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, dass er die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszugs die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist (§ 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG).
Der Vollstreckungsbehörde steht bei ihrer Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie gemäß § 35 BtMG ein Ermessen und hinsichtlich der dabei zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich der Feststellung einer Betäubungsmittelabhängigkeit, deren Kausalität für die Tat, der Therapiebereitschaft und der Therapiebedürftigkeit des Antragstellers ein Beurteilungsspielraum zu (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 57, juris Rn. 4; NStZ-RR, 2009, 122, juris Rn. 6; OLG Nürnberg, StV 2017, 307, juris Rn. 19; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 35 Rn. 141, 144 ff.; Fabricius in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 35 Rn. 320). Außerdem muss ein Therapieplatz zur Verfügung stehen und es dürfen keine Zurückstellungshindernisse bestehen (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2009, 122, juris Rn. 8).
Gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG hat der Senat die Entschließung der Vollstreckungsbehörde auf Rechtsfehler bei der Anwendung gesetzlicher Bestimmungen, auf Ermessensfehler, ob also die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten oder diese überschritten wurden und ob von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, und darauf zu überprüfen, ob ihr ein zutreffend und vollständig ermittelter Sachverhalt unter Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums zugrunde gelegt ist (vgl. nur OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2009, 122, juris Rn. 6; OLG Koblenz, Beschluss vom 20.07.2017, Az.: 2 VAs 15/17, juris Rn. 8; StV 2006, 588, juris Rn. 19; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 08.12.2016, Az.: VAs 29/16, juris Rn. 7; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.12.2018, Az.: 1 VAs 8/18, juris Rn. 12; Fabricius in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 35 Rn. 398; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 35 Rn. 205).
(2) Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs hält die Entscheidung der Vollstreckungsbehörden, die Zurückstellung der Vollstreckung auch mangels Kausalität zwischen der Betäubungsmittelabhängigkeit und jedenfalls den abgeurteilten Taten aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) abzulehnen, rechtlicher Überprüfung Stand.
Der Gesetzgeber wollte mit der Möglichkeit der Zurückstellung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach §§ 35 ff. BtMG diesen Vorzug nur solchen Verurteilten bieten, die Straftaten begangen haben, die in engem Zusammenhang mit ihrer Betäubungsmittelabhängigkeit bzw. mit der Betäubungsmittelbeschaffung standen, oder Straftaten, die unter Entzugserscheinungen oder unter der Angst von Entzugserscheinungen begangen wurden (Fabricius in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 35 Rn. 95 m.w.N. zur Rspr.). Die herrschende Meinung verlangt deshalb einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der Abhängigkeit und der Tat im Sinne der Äquivalenz (BeckOK-BtMG/Bohnen, 6. Ed. 15.03.2020, § 35 Rn. 103 m.w.N. zur Rspr.). Ein solcher liegt vor, wenn die Ursache (hier: Betäubungsmittelabhängigkeit) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Straftat als Folge entfiele (Fabricius in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 35 Rn. 96, und Weber, BtMG, 5. Aufl., § 35 Rn. 33, jeweils m.w.N. zur Rspr.). Die Drogensucht darf nicht nur Begleiterscheinung, sondern muss die Bedingung der Straftat gewesen sein. Der erforderliche Kausalzusammenhang liegt nicht bereits darin, dass zur Tatzeit eine Rauschmittelabhängigkeit bestanden hat, in der – unabhängig vom konkreten Einzelfall – allgemein eine Erklärung für das begangene Delikt gefunden werden kann. Kausalität besteht vielmehr nur für Taten, die der Beschaffung von Drogen zur Befriedigung der Sucht dienen sollten oder die der Täter ohne die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht begangen hätte (vgl. Fabricius in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 35 Rn. 96; BeckOK BtMG/Bohnen, 6. Ed. 15.03.2020, § 35 Rn. 103).
Eine erhebliche Mitursächlichkeit reicht aus. Es ist somit nicht geboten, dass die Straftat allein zu dem Zweck begangen wurde, um mit den Erlösen ausschließlich oder vor allem die Sucht zu finanzieren. Vielmehr reicht es aus, dass die Betäubungsmittelabhängigkeit der „Motor“ für die Straftat war, dass die Straftat ohne die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht oder in ganz anderer Weise ausgeführt worden wäre (Fabricius in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 35 Rn. 96 m.w.N. zur Rspr.).
(3) Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft haben die Ursächlichkeit oder zumindest die erhebliche Mitursächlichkeit der Betäubungsmittelabhängigkeit jedenfalls für die abgeurteilten Taten aus dem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 822 VRs 2597/16) rechtsfehlerfrei verneint.
Der der Vollstreckungsbehörde eingeräumte Beurteilungsspielraum ist hinsichtlich des Vorliegens oder des Nichtvorliegens der Kausalität nur dann stark eingeschränkt oder im Sinne einer Bindung völlig aufgehoben, wenn die Feststellungen im Urteil sich auf ein Sachverständigengutachten stützen und das Urteil zur Begründung seiner Überzeugung eine eingehende Darlegung des Vorlebens eines Angeklagten, insbesondere seiner Drogenkarriere enthält (OLG Stuttgart, NStZ 1999, 626, juris Rn. 13; Fabricius in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 35 Rn. 92, und Weber, BtMG, 5. Aufl., § 35 Rn. 49 f., jeweils m.w.N. zur Rspr.).
Vorliegend hat das Landgericht Würzburg (Az.: 822 VRs 2597/16) ein Gutachten u.a. zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB erholt, das die Sachverständige Dr. S2. E. in der Hauptverhandlung erstattet hat und seinem wesentlichen Inhalt nach im Urteil wiedergegeben ist. Die Sachverständige verneinte die Erfolgsaussichten einer erneuten Unterbringung nach § 64 StGB. Sie analysierte den Verlauf der Suchterkrankung des Verurteilten ebenso wie seine allgemeine Biografie. Dabei stellte sie fest, dass bereits im verfahrensgegenständlichen Zeitraum kein intensiver Konsum von Betäubungsmitteln mehr vorlag, der Verurteilte vielmehr seine Sucht steuern konnte. Der Verurteilte habe über weite Teile seines Lebens wiederholt Straftaten begangen, insbesondere Betäubungsmittelstraftaten, und zwar nicht nur, um seine Sucht, sondern insbesondere auch um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Sie kam deshalb zu dem Schluss, dass beim Verurteilten bereits ein eingefahrenes Verhaltensmuster vorliegt und eine hohe Gefahr besteht, dass der Angeklagte – unabhängig von seiner Sucht – weitere gleichgelagerte Delikte begehen wird. Im Urteil vom 26.04.2017 hat die Strafkammer den persönlichen Werdegang des Verurteilten im Einzelnen dargestellt, insbesondere sehr ausführlich seinen Suchtmittelkonsum und die verschiedentlich erfolgten therapeutischen Behandlungen und Unterbringungen in Bezirkskrankenhäusern. Dem ausführlich wiedergegebenen Sachverständigengutachten hat sie sich nach eigener Überprüfung vollinhaltlich angeschlossen.
Danach steht fest, dass beim Verurteilten zwar eine Betäubungsmittelabhängigkeit vorgelegen hat, diese aber für die abgeurteilten Straftaten nach der conditio sine qua non – Formel nicht in dem Sinne unmittelbar kausal war, dass die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Straftaten als Folge entfielen. Völlig unabhängig von seiner Sucht ist nämlich ein bereits eingefahrenes Verhaltensmuster der maßgebliche Grund für seine Straffälligkeit.
Da sowohl ein Sachverständigengutachten vorlag als auch die Strafkammer das Vorleben des Verurteilten eingehend darlegte, insbesondere seine Drogenkarriere, waren die Vollstreckungsbehörden an die gerichtlich getroffenen Feststellungen auch gebunden.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 30 Abs. 1 EGGVG, § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr.19, § 22 Abs. 1 GNotKG.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 79 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.
V.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen (§ 29 Abs. 2 EGGVG), da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.


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