Umweltrecht

Fehlende Klagebefugnis bei Klage gegen Plangenehmigung für die Errichtung von zwei Brückenbauwerken

Aktenzeichen  B 1 K 15.132

Datum:
15.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135264
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42
VwVfG § 78
AEG §§ 18 ff.

 

Leitsatz

1. Erneute Inbetriebnahme einer Eisenbahnlinie;
2. getrennt geführte Planfeststellungs- bzw. genehmigungsverfahren im Hinblick auf die Bahnlinie und die Errichtung zweier Brückenbauwerke; (Rn. 26)
3. fehlende Klagebefugnis eines Drittbetroffenen wegen behaupteter Verletzung einer Verfahrensvorschrift (Rn. 24 – 25)
4. In dem Fall, dass eine einheitliche Planfeststellung (zB nach § 78 VwVfG oder § 18b AEG) im Raume steht, kann sich ein Kläger allenfalls dann auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften berufen, wenn er geltend machen kann, mit der fehlerhaften Wahl des Verfahrens sei ihm die Möglichkeit vorenthalten worden, seine Rechte geltend zu machen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über den Rechtsstreit kann trotz fehlenden Einverständnisses der Klägerseite durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. Das Einverständnis aller Beteiligten ist – anders als im Falle einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO – nicht Voraussetzung für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid.
2. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Den Klägern fehlt bereits die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO.
Voraussetzung für Zulässigkeit der Klage gegen den die Plangenehmigung nach Art. 74 Abs. 6 BayVwVfG ist, dass die Kläger geltend machen können, durch die angegriffene Entscheidung in ihren subjektiven öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Die Geltendmachung ideeller, wirtschaftlicher oder ähnlicher Interessen reicht nicht aus. Notwendig zur Annahme einer Klagebefugnis ist vielmehr, dass durch den angegriffenen Verwaltungsakt die Möglichkeit besteht, dass unmittelbar-tatsächlich in geschützte Rechtspositionen eingegriffen wird.
Die Kläger haben weder im Hinblick auf einen Eingriff in ihr Eigentumsrecht oder sonstige Rechtspositionen die Möglichkeit einer Rechtsverletzung dargetan (hierzu a) noch können sie sich auf eine Verletzung von Verfahrensvorschriften berufen (hierzu b).
a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BVerwG U.v. 27. Oktober 2000 -4 A 18/99 -; BayVGH B.v. 2. Juni 2008 – 8 AS 08.40008 -, U.v. 24. September 2008, – 8 A 07.40048 -; alle juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., 2013, Rn. 70 ff. zu § 75 m.w.N.) ist ein unmittelbar in seinem Eigentumsrecht durch einen Planfeststellungsbeschluss Betroffener immer klagebefugt wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkungen des angegriffenen Beschlusses. In einem solchen Fall kann ein Kläger grundsätzlich auch objektive Verstöße, die zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen, geltend machen; er ist nicht darauf beschränkt, sich auf die Verletzung drittschützender Rechte zu berufen. Er ist auch dann klagebefugt, wenn sein betroffenes Grundstück zwar nicht im Planungsgebiet liegt, jedoch aller Voraussicht nach durch die Weiterführung der Trasse betroffen wird, weil die Planfeststellung insoweit bereits „Zwangspunkte“ setzt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., 2014, Rn. 112 zu § 42 m.w.N.). Wenn jedoch eine unmittelbare Inanspruchnahme des Grundeigentums nicht erfolgt, steht kein umfassendes Rügerecht zu. Ein nicht enteignend Betroffener einer planfestgestellten Maßnahme kann nur die Verletzung gerade ihn schützender Normen des materiellen und Verfahrensrechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung seiner geschützten Privatbelange rügen, nicht aber eine insgesamt fehlerfreie Abwägung und Planung verlangen (BVerwG, U.v. 24. November 2010 – 9 A 13/09 -; U.v. 10. Oktober 2012 – 9 A 20/11, – juris).
Die Kläger tragen nicht vor, durch die vorliegende Plangenehmigung der Brückenbauwerke unmittelbar in ihren Eigentumsrechten an den Grundstücken … betroffen zu sein. Ihre Grundstücke werden weder durch die Errichtung der Brückenbauwerke in Anspruch genommen noch machen sie sonstige rechtlich relevante Beeinträchtigungen geltend. Eine mögliche Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte – soweit es die im Plangenehmigungsbeschluss der Regierung von Oberfranken festgestellten Brückenbauwerke betrifft – ist somit nicht erkennbar. Vielmehr rügen die Kläger allein die Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. bringen Abwägungsmängel vor, die das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren betreffen.
b. Die von den Klägern monierten Verfahrensmängel des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens sind nicht geeignet, eine mögliche Rechtsverletzung im hiesigen Verfahren darzulegen. Nach Ansicht der Kläger hätte die Plangenehmigung für die beiden Brückenbauwerke nicht „isoliert“ durch die Regierung von Oberfranken erteilt werden dürfen, sondern als Teil des Gesamtvorhabens der Reaktivierung der Bahnstrecke Cheb – Selb in dem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren mitbehandelt werden müssen. Insofern sind sie der Auffassung, dass wegen der ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Aufspaltung der Verfahren alle Einwendungen, die die eisenbahnrechtliche Planfeststellung betreffen, auch im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden könnten und zur Rechtswidrigkeit der Plangenehmigung führten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine Verfahrensvorschrift ein eigenständiges subjektives Recht nur dann einräumen, wenn sie nicht nur die Ordnung des Verfahrensablaufs regelt, sondern dem betroffenen Dritten in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren will (BVerwG, B.v. 4. April 2012 – 9 B 95/11, Rn. 7, m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung weiter ausgeführt, dass die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Planfeststellungsverfahrens (nach dem Bundesfernstraßengesetz) einem Drittbetroffenen keine in diesem Sinn durchsetzbare Verfahrensposition einräumt. Vielmehr muss sich aus seinem Vorbringen ergeben, dass sich der gerügte Verfahrensfehler möglicherweise auf seine Rechte ausgewirkt hat (so auch: BVerwG, U.v. 15. Januar 1982 – 4 C 26/78, Rn. 25; B.v. 19. Mai 1988 – 7 B 215/87, Rn. 4). In dem Fall, dass eine einheitliche Planfeststellung (z.B. nach § 78 VwVfG oder § 18b AEG) im Raume steht, kann sich ein Kläger allenfalls dann auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften berufen, wenn er geltend machen kann, mit der fehlerhaften Wahl des Verfahrens sei ihm die Möglichkeit vorenthalten worden, seine Rechte geltend zu machen (BVerwG, U.v. 18. April 1996 – 11 A 86.95; OVG Magdeburg, U.v. 10. Oktober 2013 – 2 K 98/12).
Eine solche Konstellation liegt jedoch nicht vor. Die Kläger hatten und haben die Möglichkeit, ihre Einwendungen gegen die Reaktivierung der Eisenbahnlinie im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nach §§ 18 ff. AEG und nunmehr im gerichtlichen Verfahren gelten zu machen. Sie haben im eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren ihre Einwendungen gegen die Reaktivierung der Strecke vorgebracht, im Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes finden sich Ausführungen zu den von den Klägern gerügten Punkten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich im Urteil vom 9. Dezember 2015 (Az. 22 A 15.40025) ausführlich mit dem klägerischen Vorbringen in jenem Verfahren auseinandergesetzt und festgestellt, dass eine Rechtsverletzung der Kläger durch den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes nicht vorliegt. Da diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, besteht für die Kläger nach wie vor die Möglichkeit, ihre rechtlichen Interessen in jenem Verfahren weiterzuverfolgen. Der BayVGH hat in der vorzitierten Entscheidung auch ausgeführt, dass die Baumaßnahmen an der Ortsumfahrung … (Neubau einer Eisenbahnüberführung und Neubau einer Straßenbrücke), die gesondert straßenrechtlich plangenehmigt wurden, nicht planfeststellungsbedürftig nach § 18 Satz 1 AEG waren. Es handele sich bei den beiden Straßenbauwerken zwar um für die Wiederaufnahme des Bahnbetriebs notwendige Maßnahmen, allerdings nicht um Folgemaßnahmen nach § 18 Satz 1 AEG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Die Kläger hätten die Möglichkeit, gegen die straßenrechtliche Planfeststellung Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen gehabt und hätten sie auch genutzt (vgl. BayVGH, B.v. 24. September 2015 – 8 CS 15.2026). Durch die straßenrechtlich planfestgestellten Vorhaben werde keine künftige Konfliktlösung „verbaut“ und der Rechtsschutz für die Kläger nicht erschwert. Die verfahrensmäßige Trennung verstoße weder gegen den Grundsatz umfassender Problembewältigung durch das Gesamtvorhaben, noch werde der durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Rechtsschutz unmöglich gemacht.
Daraus folgt aber zugleich, dass Einwendungen gegen das eisenbahnrechtlich planfestgestellte Vorhaben im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen sind. Einwendungen gegen die beiden Brückenbauwerke haben die Kläger weder im Plangenehmigungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren erhoben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung im Beschwerdeverfahren 8 CS 15.2026 gegen den Beschluss der Kammer vom 4. August 2015 hierzu auch ausgeführt, dass durch die Vorschrift des § 78 Abs. 1 VwVfG einem vorhabenbetroffenen Dritten keine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt wird. Die Frage, inwieweit subjektive Rechte verletzt sein könnten, ist in dem jeweiligen Verfahren zu prüfen. Folglich muss ein in seinen Rechten Betroffener in dem jeweiligen Verfahren die Rechtsverletzung durch die konkrete Maßnahme dartun. Die Kläger haben im vorliegenden Verfahren nicht ansatzweise vorgetragen, in welchen Rechtspositionen sie durch die Zulassung der Brückenbauwerke betroffen sein könnten. Die Einwendungen gegen die eisenbahnrechtliche Planfeststellung sind in dem dortigen Verfahren vorzubringen. Ein Rechtsverlust durch die getrennt zu führenden Verfahren ist nicht erkennbar. (vgl. auch BayVGH vom 24. September 2015, a.a.O., Rn. 13).
3. Die Klage wird mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO abgewiesen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 709 ff. ZPO.


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