Verkehrsrecht

17 C 2498/20

Aktenzeichen  17 C 2498/20

Datum:
12.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 54947
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Erding
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 803,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.07.2019 zu zahlen.
2.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 803,12 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Der Kläger kann die angefallenen Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges vollumfänglich als Schaden ersetzt verlangen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008, VI ZR 308/07, NJW 2009, 58 m.w.N). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, NJW 2008, 2910).
Zwar ist der Geschädigte dabei zu keiner umfassenden Marktanalyse zur Ermittlung des günstigsten Angebots verpflichtet. Unter Umständen ist der Geschädigte jedoch gehalten, sich selbst über die örtlich in Betracht kommenden Tarife zu informieren und zwei oder drei Angebote einzuholen (vgl. Palandt-Grüneberg, 77. Auflage 2018, § 249/ Rn. 34 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 19. 4. 2005, Az. VI ZR 37/04). Der insoweit grundsätzlich darlegungspflichtige Kläger hat nicht vorgetragen, dass er Vergleichsangebote vor der Anmietung bei anderen Anbietern eingeholt habe. Das Vorlegen von Rechnungen für andere Zeiträume ist nicht ausreichend. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einholung von Vergleichsangeboten hat sich vorliegend aber zur Überzeugung des Gerichtes nicht zu Lasten der Beklagten ausgewirkt, weil sich der vom Kläger geforderte Betrag nicht oberhalb der durchschnittlichen Mietwagenkosten bewegt.
Die Höhe des insoweit zugrunde zu legenden Normaltarifs kann der nach § 287 Abs. 1 ZPO besonders frei gestellte Tatrichter schätzen (BGH NVZ 2011, 385, 386). Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ grundsätzlich auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im maßgebenden Postleitzahlengebiet ermitteln kann (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010, Az. VI ZR 7/09 und Urteil vom 11.03.2008, Az. VI ZR 164/07).
Bedenken gegen die Schwacke Liste sind nur zu berücksichtigen, wenn konkret aufgezeigt wird, dass sich ihre Mängel auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 11, 1947). Dies ist vorliegend nicht ausreichend geschehen. Ausreichend wäre die Vorlage geeigneter Alternativangebote gewesen. Nicht ausreichend ist die Vorlage von Screenshots (Palandt/Grüneberg, § 249, Rn. 33; LG Karlsruhe NJW-RR 14, 987). Zudem waren die vorgelegten Screenshots nicht geeignet, da sie weder zeitlich noch örtlich mit der betreffenden Anmietung übereinstimmen.
Das Gericht hat keine Bedenken, die Schwacke-Mietpreisliste 2018 als Grundlage seiner Schätzung zur Ermittlung einer durchschnittlich erforderlichen Schadenshöhe anzuwenden. Diese Vorgehensweise entspricht der in ständiger Praxis am Amtsgericht Erding bewährten Schätzmethode, vgl. exemplarisch AG Erding, Urteil vom 17.07.2012, 5 C 133/12, Urteil vom 24.09.2014, 4 C 896/14, Urteil vom 25.08.2015, 4 C 1234/15, Urteil vom 13.11.2015, 4 C 1457/15, Urteil vom 24.08.2017, 4 C 1874/17, Urteil vom 21.09.2017, 4 C 2185/1, Urteil vom 13.02.2019, 8 C 2418/18 und Urteil vom 06.02.2020, 4 C 1420/19.
2. Zu erstatten sind auch die Kosten für die Vollkaskoversicherung. Dahinstehen kann, ob das beschädigte Fahrzeug der Klägerin vollkaskoversichert war. Unabhängig davon besteht jedenfalls grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten für die Kosten einer evtl. Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind, als die beschädigten Fahrzeuge (vgl. OLG Köln, 02.03.2007, 19 U 181/06).
3. Auch die Kosten für den Zusatzfahrer sind zu erstatten. Maßgeblich ist hierbei allein, ob das angemietete Fahrzeug für die Nutzung auch durch Zusatzfahrer angemietet wurde. Ob das Fahrzeug konkret durch einen Zusatzfahrer genutzt wurde und der Kläger auf den Zusatzfahrer angewiesen war, spielt keine Rolle (OLG Köln, Urteil vom 01.08.2013, Aktenzeichen 15 U 09/12). Ausweislich der Nebenkostentabelle der Schwacke Liste bewegen sich die für den Zusatzfahrer in Rechnung gestellten Positionen innerhalb des Rahmens der Schwacke Liste.
4. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch war auch unter dem Gesichtspunkt der ersparten Eigenaufwendungen nicht weiter zu kürzen. Der Kläger hat bereits einen Abschlag in Höhe von 4% der Mietwagenkosten für ersparte Eigenkosten vorgenommen. Dies entspricht der Rechtsprechung des OLG Stuttgart und des OLG München (OLG Stuttgart, NZV 94, 313; OLG Nürnberg, VersR 01, 208; OLG Köln, SP07, 13). Ausweislich des Urteils des BGH vom 05.03.2013 VI ZR 245/11 ist ein höherer Abschlag für ersparte Eigenaufwendungen nicht erforderlich.
5. Die Zinsen sind aus Verzugsgesichtspunkten (§§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 BGB) geschuldet. Die Klagepartei schickte der Beklagten mit Schreiben vom 01.07.2019 eine Mahnung, woraufhin die Beklagte nicht den ganzen geschuldeten Betrag leistete. Bei dem Schreiben handelt es sich um eine Mahnung, da es sich um eine an den Schuldner gerichtete Aufforderung zur Leistung des geschuldeten Betrags handelt. Es ist auch zulässig die Mahnung mit der die Fälligkeit begründenden Handlung zu verbinden (Palandt-Grüneberg, 78. Auflage 2019, § 286/ Rn. 16). Mit dem Zusenden der Rechnung und der Zahlungsaufforderung wurde der Betrag fällig (BeckOK BGB/Johannes W. Flume BGB § 249 Rn. 390-392).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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