Verkehrsrecht

Anspruch des Leasingnehmers auf Ersatz unfallbedingter Reparaturkosten

Aktenzeichen  41 O 1929/19

Datum:
20.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42113
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 426, § 632
StVO § 12 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3
ZPO § 287

 

Leitsatz

1. Ein Anspruch des Leasingnehmers auf Ersatz von Reparaturkosten besteht dann nicht, wenn der Leasingnehmer die Pflicht zur Instandsetzung des Leasingfahrzeuges gegenüber dem Leasinggeber und Eigentümer für jeden Schadensfall übernommen, diese im konkreten Schadensfall jedoch nicht erfüllt hat und ohne Zustimmung des Eigentümers vom Schädiger statt der Herstellung die fiktiven Herstellungskosten verlangt (Anschluss an BGH BeckRS 2019, 2571).  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat der Leasingnehmer eine unfallbedingte Reparatur auf Aufforderung des Leasinggebers durchgeführt und bezahlt, steht ihm ein eigener Ersatzanspruch gegen den Schädiger zu. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger …,– € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit..,..,… sowie weitere..,.. € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 39% und der Beklagte 61% zu tragen. 
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf..,.. bis 08.11.2019, ab diesem Zeitpunkt auf..,.. € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Der Kläger ist hinsichtlich der Sachverständigenkosten und der Reparaturkosten aktivlegitimiert, nicht jedoch hinsichtlich einer Wertminderung.
Die Klagepartei hat im Termin vom../../… erklärt, dass von Seiten des Insolvenzverwalters nur eigene Rechte der Leasingnehmerin, nicht jedoch Rechte der Leasinggeberin geltend gemacht werden. Eine Aktivlegitimation besteht daher nur, soweit auch der Leasingnehmer aus dem Verkehrsunfall eigene Ansprüche herleiten kann.
I.
Ein Nur-Besitzer, wie der Leasingnehmer, bekommt zunächst den Schaden ersetzt, der durch den Eingriff in das Recht zum Besitz/Nutzung entstanden ist, das sind insbesondere Sachverständigen- und Rechtsverfolgungskosten (Moser, NZV 2020, 223, 226 f., beck-online). Daher ist der Kläger als Insolvenzverwalter der Leasingnehmerin für die Sachverständigenkosten aktivlegitimiert.
I.
Es ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden und in der Literatur umstritten, ob der Leasingnehmer als berechtigter unmittelbarer Besitzer aufgrund der Verletzung seines Besitzrechts durch die Beschädigung der Leasingsache wie der Eigentümer aus eigenem Recht den Ersatz der Reparaturkosten, d.h. des Substanzschadens, verlangen kann, vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 – VI ZR 481/17 -, Rn. 16, juris mit Nachweisen zum Meinungsstand. Ein Anspruch des Leasingnehmers auf Ersatz der Reparaturkosten besteht jedenfalls dann nicht, wenn der Leasingnehmer die Pflicht zur Instandsetzung des Leasingfahrzeuges gegenüber dem Leasinggeber und Eigentümer für jeden Schadensfall übernommen, diese im konkreten Schadensfall jedoch nicht erfüllt hat und ohne Zustimmung des Eigentümers gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schädiger statt der Herstellung die fiktiven Herstellungskosten verlangt (BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 – VI ZR 481/17 -).
Im vorliegenden Fall hat jedoch die Leasinggeberin mit Schreiben vom 01.02.2019 (K9) die Leasingnehmerin aufgefordert, sich mit ihrem Fahrzeughändler in Verbindung zu setzen, damit eine reibungslose Instandsetzung des Fahrzeugs erfolgen kann. Die Leasinggeberin hat somit die Leasingnehmerin zur Reparatur aufgefordert. Die Reparatur ist ausweislich der Rechnung Anlage K4 auch durchgeführt worden und ausweislich der Anlage zum Schriftsatz vom 06.02.2020 auch vom Kläger als Insolvenzverwalter der Leasingnehmerin bezahlt worden. Das Gericht hat keine Zweifel, dass sich die Überweisung auf die Reparaturrechnung Anlage K4 bezieht, da auf Seite 2 der Anlage als Einzelposten die Rechnunungs- und Kundennummer entsprechend der Anlage K4 aufgeführt ist, die auf der Rechnung Anlage K4 angegebene Kontonummer als Empfängerkonto genannt ist, die rechnungstellende Werkstatt als Empfänger genannt ist und der Betrag mit dem Rechnungsbetrag übereinstimmt. Zudem ist als Kontobezeichnung der Name der Leasingnehmerin angegeben.
Hat der Leasingnehmer aber die Reparatur auf Aufforderung des Leasinggebers durchgeführt und die Reparaturrechnung bezahlt, so ist ihm aus Sicht des Gerichts ein eigener Ersatzanspruch für die Reparaturkosten zuzubilligen, sei es aus eigenem Recht wegen der Besitzrechtsverletzung, sei es aus übergegangenem Recht, weil in einem solchen Fall von einem Forderungsübergang zugunsten des Leasingnehmers gemäß § 426 BGB auszugehen ist. Zwischen dem Unfallgegner bzw. seiner Haftpflichtversicherung und der Leasingnehmerin besteht eine Gesamtschuldnerschaft gegenüber der Leasinggeberin, die bei der Inanspruchnahme der Beklagten einen Ausgleichsanspruch begründet (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 15. Januar 2015 – 8 O 5750/14 -, Rn. 27, juris).
I.
Auch die Wertminderung fällt unter den Substanzschaden. Auch wenn das Gericht der von der Beklagtenpartei angeführten Argumentation des LG Darmstadt, dass fiktive Schäden auch bei Beeinträchtigungen des Integritätsinteresses nicht geltend gemacht werden können, nicht zu folgen vermag, so ist doch festzuhalten, dass wie bei den Reparaturkosten eine Anspruchskonkurrenz zwischen den Ansprüchen der Leasinggeberin sowie der Leasingnehmerin bestehen kann, die nicht dadurch aufgelöst werden kann, ob und durch wen der Schaden beseitigt wurde, da es ja gerade um eine durch Reparatur nicht zu beseitigende Wertminderung geht. Insoweit vermag das Gericht eigene Ansprüche der Leasingnehmerin lediglich dann anzunehmen, wenn sie die Wertminderung gegenüber der Leasinggeberin ersetzt hat oder zumindest hierzu verpflichtet ist. Die Klagepartei hat auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts im Schriftsatz vom 09.03.2020 eine Erklärung des Klägers gegenüber der Leasinggeberin vorgelegt, dass er sich dazu verpflichte, Zahlungen aufgrund der Wertminderung an die Leasinggeberin auszuzahlen. Diese einseitige Verpflichtungserklärung erachtet das Gericht jedoch nicht als ausreichend. Würde man sie genügen lassen, so hätte es der Leasingnehmer in der Hand, sich durch eine einseitige Verpflichtungserklärung auch ohne oder gegen den Willen des Leasinggebers eine Aktivlegitimation hinsichtlich der Wertminderung zu verschaffen. Für eine solche einseitige Gestaltungsmöglichkeit vermag das Gericht kein legitimes Bedürfnis festzustellen. Für den Leasingnehmer ist der Ersatz für die Wertminderung in einer solchen Konstellation nur ein durchlaufender Posten, die Leasingnehmerin würde aber ohne ihre Zustimmung die Möglichkeit für eine eigene prozessuale Geltendmachung verlieren. Hinsichtlich der Wertminderung fehlt es daher an der Aktivlegitimation des Klägers. Eine Zustimmung oder Ermächtigung der Leasinggeberin ist aber im vorliegenden Fall nicht festzustellen.
II.
Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme aufgrund der Aussage des Zeugen N.N. davon überzeugt, dass der Zeuge N.N. das Klägerfahrzeug schräg gegenüber der Einfahrt zur … abstellte, um den Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen der Zugmaschinen mit dem rumänischen Kennzeichen … und Hänger mit dem rumänischen Kennzeichen … einzuweisen, da dieser Schwierigkeiten beim Passieren einer Kurve hatte. Nach dem Passieren der Kurve fuhr das Beklagtenfahrzeug am Zeugen N.N. vorbei, bog in die Einfahrt zur … ein und stieß mit dem Heck gegen das abgestellte Klägerfahrzeug. Der Zeuge N.N. konnte am Beklagtenfahrzeug vorbei das Klägerfahrzeug nicht mehr erreichen, da er aufgrund des Ausschwenkens des Beklagtenfahrzeugs hinter diesem bleiben musste.
Die Aussage des Zeugen N.N. war nachvollziehbar und glaubhaft. Der Zeuge hat nicht versucht, die Umstände für ihn besonders günstig darzustellen, so hat er offen eingeräumt, dass er nicht angeben könne, ob an der Stelle, an der er sein Fahrzeug abstellte, ein Halteverbot war. Auch konnte er seine Angaben anhand von mitgebrachten Fotos erläutern, die auch das Beklagtenfahrzeug mit Kennzeichen und die Versicherungskarte des Beklagtenfahrzeugs zeigen.
III.
Das Gericht geht, auch wenn die Klagepartei von einem „Abstellen“ spricht, davon aus, dass das Klägerfahrzeug im rechtlichen Sinne geparkt war, da der Fahrer das Fahrzeug verlassen hatte, § 12 Abs. 2 StVO. Der Geschehensablauf zeigt gerade, dass der Zeuge N.N. nicht jederzeit eingreifen konnte. Ausgehend von einem Parken gegenüber der Werkseinfahrt aus ist eine Mithaftung des Halters des abgestellten Fahrzeuges in Höhe der normalen Betriebsgefahr anzunehmen, ohne dass unbedingt ein Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO vorliegen muss (vgl. Grüneberg Haftungsquoten, A. Unfälle zwischen Kfz und Kfz Rn. 296, beck-online). Ausgehend von dieser Überlegung kommt das Gericht zu einer Mithaftung der Klagepartei von 25%.
IV.
Der Kläger hat somit Anspruch 75% der der Höhe nach unstreitigen Reparaturkosten von..,.. € sowie der Sachverständigenkosten in Höhe von..,.. €, somit auf Zahlung von -,- €. Zwar hat der Beklagte die Höhe der Sachverständigenkosten bestritten. Legt der an die Stelle des Geschädigten getretene Zessionar lediglich die unbeglichene Rechnung vor, genügt ein einfaches Bestreiten der Schadenshöhe durch den beklagten Schädiger oder Haftpflichtversicherer, wenn nicht der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringt. Bei der dann vom Tatrichter zu leistenden Bemessung der Schadenshöhe ist zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen. Im Rahmen der Schätzung der Höhe dieses Schadensersatzanspruchs gem. § 287 ZPO kann bei Fehlen einer Preisvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen – eine solche hat der Kläger nicht geltend gemacht – an die übliche Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB angeknüpft werden, denn der verständige Geschädigte wird unter diesen Umständen im Regelfall davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Vergütung zusteht (BGH, Urteil vom 05. Juni 2018 – VI ZR 171/16 -, Rn. 18, juris). Angesichts von durch eine bezahlte Reparaturrechnung belegten Reparaturkosten von netto..,.. € liegen die geltend gemachten Sachverständigenkosten von..,.. € noch unter dem Wert HB I der BVSK-Honorarbefragung 2018, also unterhalb eines Wertes, bei dem 95% aller BVSK-Mitglieder oberhalt liquidieren. Unter diesen Umständen sind die Sachverständigenkosten in Höhe von..,.. € als übliche Vergütung anzusehen.
V.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 ZPO.
VI.
Der Kläger hat ferner Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten aus dem Obsiegensbetrag, somit bei Ansatz einer 0,65 Geschäftsgebühr sowie der Auslagenpauschale ohne Mehrwertsteuer..,.. €.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
VIII.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.


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