Verkehrsrecht

Beschwerde im Eilverfahren – Neuerteilung einer Fahrerlaubnis – Alkoholauffälligkeit

Aktenzeichen  11 CE 18.1531

Datum:
8.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24996
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1, § 146 Abs. 4 S. 3
FeV § 11 Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 2 lit. a Alt. 2
StVG § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
StGB § 69

 

Leitsatz

1. Eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts genügt grundsätzlich dem Darlegungserfordernis im Beschwerdeverfahren ebenso wenig wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wirtschaftliche Vorteile bei der Arbeitssuche begründen noch keine “existenzielle Bedeutung”, die die Annahme der Dringlichkeit iSv § 123 Abs. 1 VwGO bzw. drohender Nachteile rechtfertigen könnten, die dem Antragsteller ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen würden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch Alkoholauffälligkeiten ohne unmittelbaren Bezug zum Straßenverkehr können ausreichende Anzeichen für die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sein, wenn weitere Umstände Zweifel rechtfertigen, ob der Betroffene den Alkoholkonsum und das Führen eines Kraftfahrzeuges sicher trennen kann (Fortführung von BayVGH BeckRS 2018, 14505 Rn. 12 mwN). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine strafgerichtliche Feststellung der Fahrungeeignetheit auf der Grundlage des § 69 StGB ist zwar nicht als Zusatztatsache zu werten, aus anderen tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils können sich aber Zusatztatsachen ergeben, die dem Erteilungsverfahren zugrunde gelegt werden dürfen (vgl. BVerwG BeckRS 2017, 109619 Rn. 16 u. 23). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
5. Das Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen trotz einer hohen Blutalkoholkonzentration von 1,6‰ und mehr und ein ganz erheblicher Alkoholkonsum kurz nach einer Trunkenheitsfahrt sind Tatsachen, die Zweifel begründen, ob der Betroffene Trinken und Fahren sicher trennen kann. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 26 E 18.1497 2018-06-19 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B mit Unterklassen.
Wegen einer Trunkenheitsfahrt am 1. September 2016 mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 ‰, wobei nach der Tat eine Atemalkoholkonzentration von 0,99 mg/l und Blutalkoholkonzentrationen von 2,07 ‰ und 2,04 ‰ gemessen worden waren, verurteilte das Amtsgericht Altötting den Antragsteller mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Oktober 2017 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und entzog ihm die Fahrerlaubnis unter Festsetzung einer Wiedererteilungssperre von drei Monaten.
Nachdem der Antragsteller am 1. Dezember 2017 die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beantragt hatte, forderte das Landratsamt Altötting ihn gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Dies wurde damit begründet, dass der Antragsteller am frühen Abend eines Werktags eine außergewöhnlich hohe Blutalkoholkonzentration erreicht und dabei nach den ärztlichen Feststellungen keinerlei Ausfallerscheinungen gezeigt habe.
Nachdem der Antragsteller sich geweigert hatte, das Gutachten beizubringen, versagte das Landratsamt mit Bescheid vom 8. März 2018 gestützt auf § 11 Abs. 8 FeV die beantragte Fahrerlaubnis.
Hiergegen ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 27. März 2018 Widerspruch einlegen und beim Verwaltungsgericht München beantragen, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig eine Fahrerlaubnis zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, wegen Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen sei die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtswidrig gewesen. Das Landratsamt habe darauf abgestellt, dass der Antragsteller mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 ‰ gefahren sei und bis 17. Januar 2018 eine Sperrfrist bestanden habe. Es sei zwar richtig, dass beim Antragsteller Blutalkoholkonzentrationen von 2,07 ‰ bzw. 2,04 ‰ festgestellt worden seien, nicht aber, dass er in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt habe. Vielmehr habe er nach Abstellen seines Fahrzeugs weiteren Alkohol zu sich genommen.
Die Regierung von Oberbayern wies den Widerspruch mit Bescheid vom 27. April 2018 zurück.
Am 28. Mai 2018 ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München Klage erheben (M 26 K 18.2590), über die noch nicht entschieden ist.
Mit Beschluss vom 19. Juni 2018 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit der Begründung ab, es sei kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsteller habe lediglich vorgetragen, bereits seit eineinhalb Jahren nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein, aber nichts dazu, ob ihm die Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens wieder zu erteilen sei. Auch dem Akteninhalt sei kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Besitz einer Fahrerlaubnis für den Antragsteller von existenzieller oder zumindest von herausragender Bedeutung sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B, BE und L zu erteilen, nimmt zur Begründung auf seine Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren Bezug und lässt des Weiteren vortragen, er sei derzeit unstreitig ohne Erwerbstätigkeit, könne jedoch ausweislich der beiliegenden Bestätigung einer Maler- und Gerüstbaufirma sofort eine Tätigkeit als Bauhelfer aufnehmen, wenn er im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse B wäre. Ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache sei ihm nicht zuzumuten.
Dem tritt der Antragsgegner entgegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben.
Der Antragsteller hat, ohne sich mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auseinanderzusetzen, lediglich geltend gemacht, dass die Erteilung einer Fahrerlaubnis ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichen würde und ihm unter Berücksichtigung seiner aktuellen Erwerbslosigkeit ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten sei. Im Übrigen hat er auf die Antragsbegründung Bezug genommen, was dem in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO normierten Darlegungserfordernis nicht genügt (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 146 Rn. 13c m.w.N.; Guggelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 79). Danach muss die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht tragfähig sind bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss nicht nur die Punkte bezeichnen, in denen der Beschluss angegriffen werden soll, sondern auch angeben, aus welchen Gründen er die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt für unrichtig hält. Hierfür reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, außer in Fällen der Nichtberücksichtigung oder des Offenlassens des früheren Vortrags, grundsätzlich ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen (Rudisile, a.a.O.; Guggelberger, a.a.O. Rn. 71 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 22). Insoweit ist die Beschwerde unzulässig (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Das zu prüfende Beschwerdevorbringen beschränkt sich somit auf die Behauptung eines Anordnungsgrundes, was eine Abänderung oder Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung indes nicht zu rechtfertigen vermag.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, gemäß § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen. Nach dem Wesen und Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes darf das Gericht nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller dabei nicht schon das gewähren, was er im Falle des Obsiegens in der Hauptsache erreichen würde (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 123 Rn. 13 f.). Allenfalls unter engen Voraussetzungen können im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG die Wirkungen einer Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen werden; so wenn der Antragsteller beim Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache sein Rechtschutzziel nicht mehr erreichen kann, ihm dadurch unzumutbare, irreparable Nachteile entstünden und eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsache besteht (Schenke, a.a.O. § 123 Rn. 26). In Anbetracht der erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter Dritter, mit der die Zuerkennung einer Fahrberechtigung an einen nicht geeigneten oder befähigten Kraftfahrer einhergeht, setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen der Fahrberechtigung voraus. Sie hat dessen ungeachtet mit Rücksicht auf den gebotenen Schutz von Leben und Gesundheit Dritter zu unterbleiben, wenn überwiegende, besonders gewichtige Gründe einer solchen Interimsregelung entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2014 – 11 CE 14.1962 – juris Rn. 11).
Hinsichtlich des Anordnungsgrundes hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antragsteller nicht dargelegt hat, ohne Fahrerlaubnis keine Beschäftigung finden zu können, und dass wirtschaftliche Vorteile bei der Arbeitssuche noch keine „existenzielle Bedeutung“ begründen, die die Annahme der Dringlichkeit im Sinne von § 123 Abs. 1 VwGO bzw. drohender Nachteile rechtfertigen könnten, die dem Antragsteller unter Abwägung seiner Interessen mit gegenläufigen öffentlichen und privaten Interessen ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen würden (vgl. Schenke, a.a.O. § 123 Rn. 26).
Dahinstehen kann daher, ob die Beschwerde dahin auszulegen ist, dass er im Gegensatz zu seinem erstinstanzlichen Eilantrag nunmehr eine umfassende Vorwegnahme der Hautsache beantragt hat und ob dies zulässig ist (OVG NW, B.v. 8.8.2018 – 4 B 441/18 – juris Rn. 12 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 11 CE 16.129 – juris Rn. 17; B.v. 11.5.2010 – 11 CS 10.68 – juris Rn. 25; B.v. 9.6.2005 – 11 CS 05.478 – juris Rn. 41 f.; a.A. SächsOVG, B.v. 27.1.2017 – 5 B 287/16 – juris Rn. 2 f.).
Im Übrigen wäre auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Vorbringens kein Anordnungsanspruch gegeben. Denn der Antragsteller hat derzeit keinen Anspruch auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, da die Erteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3202), § 11 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S. 566), die Eignung des Bewerbers voraussetzt, hier aber der Antragsgegner nach der Weigerung des Antragstellers, das verlangte Gutachten beizubringen, gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf dessen Nichteignung schließen durfte. Dasselbe würde im Übrigen gelten, solange lediglich Eignungszweifel noch nicht ausgeräumt sind. Denn auch bestehende Zweifel an der Fahreignung wirken sich zu Lasten des Bewerbers aus (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 2 StVG Rn. 41).
Nach der Auffangregelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen, d.h. dass der Konsum von Alkohol nicht hinreichend sicher vom Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt werden kann (Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV). Zu derartigen Tatsachen zählen auch Alkoholauffälligkeiten ohne unmittelbaren Bezug zum Straßenverkehr, sofern weitere Umstände Zweifel rechtfertigen, ob der Betroffene den Alkoholkonsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs sicher trennen kann (BayVGH, B.v. 12.6.2018 – 11 CS 17.1919 – juris Rn. 12; B.v. 6.12.2012 – 11 CS 12.2173 – juris Rn. 21 f.; vgl. auch VGH BW, B.v. 19.8.2013 – 10 S 1266/13 – DAR 2014, 413 = juris Rn. 7 m.w.N.; OVG NW, B.v. 14.11.2013 – 16 B 1146/13 – NZV 2014, 236 = juris Rn. 7; OVG SH, B.v. 26.3.2018 – 4 LA 126/17 – juris Rn. 5; Dauer in Hentschel/König/Dauer, a.a.O. § 13 FeV Rn. 21 jeweils m.w.N.). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, sofern die Untersuchungsanordnung rechtmäßig und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt ist (stRspr BVerwG, B.v. 21.5.2012 – 3 B 65/11 – juris Rn. 7; U.v. 28.4.2010 – 3 C 2/10 – BVerwGE 137, 10/13 Rn. 14 m.w.N.).
Da auch Alkoholauffälligkeiten ohne unmittelbaren Bezug zum Straßenverkehr ausreichende Anzeichen im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV sein können, greift der gegen die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung allein vorgebrachte Einwand, die beiden zuletzt gemessenen Blutalkoholkonzentrationen seien erst durch einen Nachtrunk erreicht worden, nicht durch. Zwar genügt eine einmalig gebliebene Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 ‰ ohne zusätzliche aussagekräftige Umstände nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne dieses Tatbestands die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen, da die strafgerichtliche Feststellung der Fahrungeeignetheit auf der Grundlage des § 69 StGB aus systematischen Gründen nicht als Zusatztatsache zu werten ist (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2017 – 3 C 24.15 – DAR 2017, 533 = juris Rn. 16, 22). Allerdings können sich aus den tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils, die jenseits der Feststellung der Fahrungeeignetheit liegen, Zusatztatsachen ergeben, die dem Erteilungsverfahren zugrunde gelegt werden dürfen (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 23). Das ist hier der Fall.
Der Antragsgegner hat die Anordnung darauf gestützt, dass der Antragsteller mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 ‰, gefahren ist, dass also ein Fall des Alkoholmissbrauchs feststand, und wegen der sehr hohen Blutalkoholkonzentrationen von 2,07 ‰ und 2,04 ‰ nach der Tat und dem Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen sonstige Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründeten. Dies ist nicht zu beanstanden und entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG NW, B.v. 12.7.2011 – 16 A 89/11 – DAR 2011, 602 = juris Rn. 7; B.v. 4.2.2004 – 19 A 94/03 – juris Rn. 13; OVG Nds., B.v. 29.1.2007 – 12 ME 416/06 – juris Rn. 8; OVG RP, B.v. 11.9.2006 – 10 B 10734/06 – ZfSch 2006, 713 = juris Rn. 11). Es ist davon auszugehen, dass Personen, die wie der Antragsteller Blutalkoholwerte von 1,6 ‰ und mehr erreichen, deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten haben, regelmäßig an einer dauerhaften, ausgeprägten Alkoholproblematik leiden und zur Risikogruppe überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Kraftfahrer gehören, die im Straßenverkehr doppelt so oft alkoholauffällig werden wie andere Personen (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – BVerwGE 99, 249 = juris Rn. 14; Abschnitt 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [VkBl. S. 110], S. 81). Die Diskrepanz zwischen dem äußeren Erscheinungsbild und Leistungsvermögen des Antragstellers und der festgestellten Alkoholisierung rechtfertigt den Verdacht auf eine hohe Alkoholgewöhnung und ein entsprechendes Trinkverhalten (vgl. OVG NW, B.v. 12.7.2011 a.a.O. Rn. 7). Aufgrund der ärztlichen Feststellungen vom 1. September 2016 steht fest, dass er trotz einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 2 ‰ ein unauffälliges Erscheinungsbild und äußerlich nur geringe Anzeichen für Alkoholeinfluss zeigte, dass er bei klarem Bewusstsein und in unauffälliger Stimmung war, einen geordneten Denkablauf aufwies und beherrscht wirkte. Seine Sprache war deutlich, seine Pupillen zeigten eine prompte Reaktion und er konnte eine plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Gehen sicher ausführen. Fehlen bei einer hohen Blutalkoholkonzentration Ausfallerscheinungen, so belegt dies, dass der Betroffene noch deutlich unter seiner „persönlichen Konsumhöchstgrenze“ geblieben ist, also sein vorausgegangenes „Trinktraining“ besonders nachhaltig war (OVG NW, B.v. 4.2.2004 a.a.O. Rn. 13). Aus der Gesamtschau mit dem Umstand, dass der Antragsteller nach dem strafgerichtlich festgestellten Sachverhalt innerhalb etwa einer Stunde nach der Trunkenheitsfahrt ganz erheblich Alkohol konsumiert hat, obwohl er mit dem Fahrzeug unterwegs war (vgl. dazu VGH BW, B.v. 17.1.2000 – 10 S 1979/99 – DAR 2000, 181 = juris Rn. 6 und Dauer a.a.O. § 13 FeV Rn. 21 zu einem erheblichen Nachtrunk), ergeben sich Zweifel, ob er Trinken und Fahren sicher trennen kann.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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