Verkehrsrecht

Erstattung der Mietwagenkosten aus Verkehrsunfall

Aktenzeichen  17 C 2881/18

Datum:
4.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 22610
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 7, § 20
VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO § 287

 

Leitsatz

1. Für die Berechnung der erstattungsfähigen Kosten eines angemieteten Unfallersatzautos wird unter Bildung des arithmetischen Mittels aus Schwacke- und Fraunhofer-Liste im Normaltarif der größte für die Anmietung erforderliche Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerten herangezogen und daraus ein entsprechender 1-Tages-Wert ermittelt, der sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Miettage multipliziert wird (Anschluss an OLG Köln BeckRS 2013, 15584). (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Anmietung eines Werkstatt-Ersatzfahrzeugs werden nur 50% der für ein Selbstfahrer-Mietfahrzeug erforderlichen gewerblichen Mietkosten erstattet. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 58,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.08.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.730,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist in nur einem ganz geringen Umfang begründet, im Übrigen aber unbegründet. Der Kläger hat noch einen Anspruch auf Zahlung restliche Mietwagenkosten in Höhe von 58,46 €.
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Würzburg ergibt sich aus § 20 StVG.
Die unstreitige Haftung der Beklagten ergibt sich aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 7 StVG.
Hinsichtlich der streitigen Höhe der Mietwagenkosten gilt Folgendes:
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte vom Schädiger von seinem Haftpflichtversicherer nach §§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, 115 Abs. 1 Satz Nr. 1 VVG als erforderlichen Herstellungsaufwand nur Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Da die Mietwagenrechnung vom Kläger nicht bezahlt wurde, besteht keine Indizwirkung der Rechnung dahingehend, dass die dort abgerechneten Mietwagenkosten die erforderlichen Mietwagenkosten darstellen. Denn nur die beglichene Mietwagenrechnung kann eine Indizwirkung für die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten enthalten.
Die erforderlichen Mietwagenkosten sind dementsprechend nach § 287 ZPO vom Gericht zu schätzen. Nach ständiger Rechtsprechung dieses Gerichts und der zuständigen Berufungskammer des Landgerichts Würzburg sind die erforderlichen Mietwagenkosten nach „Fracke“ zu bestimmen.
Der Normaltarif ist wie folgt zu ermitteln:
Die Berechnung erfolgt unter Anwendung der für den Anmietungszeitpunkt aktuellsten Tabelle, da es für die ortsüblichen Mietkosten auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Mietpreise ankommt.
Maßgeblicher Postleitzahlenbezirk ist der Anmietort, also der Postleitzahlenbezirk des Vermieters (BGH VersR 2010, 683).
Auszugehen ist in beiden Tabellen jeweils von dem arithmetischen Mittel. Da die Fraunhofer-Tabelle – anders als die Schwacke-Liste – keinen Modus, sondern lediglich das arithmetische Mittel aller erhobenen Einzelwerte ausweist, werden dadurch die beiderseitig maßgebenden Erhebungsmethoden angeglichen. Zudem spricht für ein Anknüpfen an den arithmetischen Mittelwert eine in der Gesamtschau geringere Fehlerneigung, denn beim Modus kann es zu erheblichen Verzerrungen kommen, wenn unter einer Vielzahl individueller Angebotspreise nur zwei vollständig übereinstimmen, die dann unabhängig von der Höhe der anderen Werte den Modus bilden (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012, 802).
Hinsichtlich der Fahrzeugklasse ist auf den angemieteten Ersatzwagen und nicht auf den beschädigten Unfallwagen abzustellen (OLG Köln, NZV 2014, 314). Wird ein klassentieferes Fahrzeug angemietet, kann dies dazu führen, dass ein Abzug einer Eigenersparnis unterbleibt (vgl. unten 1 d.).
Für die Berechnung des Normaltarifs wird der größte, für die Anmietung erforderliche Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerken entnommen und daraus ein entsprechender 1-Tages-Wert errechnet, der sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert wird (vgl. OLG Köln, NZV 2014, 314; OLG Celle, NJW-RR 2012, 802; OLG Köln, SP 2010, 396). Diese Berechnungsmethode, die sich im Rahmen des durch § 287 ZPO eingeräumten Schätzungsermessens bewegt (BGH, NJW 2009, 58), ist vorzugswürdig, weil bei früherer Rückgabe des Mietfahrzeugs oder nachträglicher Verlängerung der Mietzeit keine Mehrkosten entstehen, der sich bei längerer Mietdauer anteilig geringere Kostenaufwand für die Abwicklung des Vertrages also nicht erhöht. Die unterschiedliche Preisstruktur der verschiedenen Zeitabschnitte hat ihren Grund darin, dass bei Abschluss des Mietvertrags mit der Autoübergabe und zum Ende des Vertrags bei der Wiederempfangnahme des Mietfahrzeugs ein besonderer Mehraufwand anfällt, der über die Gesamtmietdauer gesehen höher ins Gewicht fällt, je kürzer die Gesamtmietzeit ist (OLG Celle NJW-RR 2012, 802).
Da sich der Unfall am 28.05.2018 ereignet hat, sind die Schwacke- und Fraunhofer-Listen des Jahres 2018 der Schätzung zu Grunde zu legen. Da das Fahrzeug in Miltenberg angemietet wurde, ist die PLZ. 638 und die Mietwagenklasse 7, der das angemietete Fahrzeug angehört, sowie als Mietdauer 17 Tage zu Grunde zu legen.
Es ergibt sich somit folgende Berechnung:
Wochenpauschale Schwacke
646,31 €
Wochenpauschale Fraunhofer
283,97 €
Mittelwert
468,14 €
Tagespreis
66,88 €
Mal 17 Tage
1.136,91 €
Ein Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif wurde von dem Kläger schon nicht geltend gemacht. Nebenkosten sind in der Rechnung lediglich hinsichtlich der Haftungsbefreiung enthalten. Aus dem vorgelegten Mietvertrag ergibt sich aber, dass die Haftungsbefreiung lediglich auf einen Betrag von über 1.000,00 € vereinbart wurde. Haftungsbefreiungen bis zu 500,00 € sind aber in die Schwacke-Liste eingearbeitet, sodass insoweit keine Nebenkosten anzusetzen sind.
Die Beklagte hat substantiiert vorgetragen, dass es sich hier nicht um ein Selbstfahrer-Mietfahrzeug gehandelt hat. Der Kläger ist dem nicht substantiiert entgegengetreten, insbesondere hat er nicht durch Vorlage entsprechender Nachweise nachgewiesen, dass es sich bei dem gemieteten Fahrzeug um ein Selbstfahrer-Mietfahrzeug gehandelt hat. Das Gericht geht daher davon aus, dass es sich eben nicht um ein Selbstfahrer-Mietfahrzeug gehandelt hat.
Ein Selbstfahrer-Mietfahrzeug muss im Gegensatz zum Werkstattersatzwagen einmal jährlich zum TÜV, hat wesentlich höhere Versicherungstarife und in der Regel ein niedrigeren Wiederverkaufswert als ein Werkstattersatzwagen. Das Gericht folgt daher der Auffassung des OLG Hamm im Urteil vom 24.02.1983, Az. 13 U 182/82, dass bei einem Werkstattersatzwagen lediglich 50 % der zuvor ermittelten erforderlichen gewerblichen Anmietkosten anfallen. Somit sind hier lediglich 568,46 € als erforderliche Mietwagenkosten anzuerkennen.
Ein Abzug nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung in Höhe von 10 % der Grundmiete wegen Eigenersparnis hat hier nicht stattzufinden, da der Kläger ein klassenniedrigeres Fahrzeug angemietet hat.
Da die Beklagte 510,00 € an den Kläger auf die Mietwagenkosten gezahlt hat, war sie noch zur Zahlung von 58,46 € zu verurteilen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB).
Kosten: § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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