Verkehrsrecht

Erstattungsfähige Kosten bei fiktiver Abrechnung eines Unfallschadens

Aktenzeichen  8 C 690/17

Datum:
20.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 39880
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Cham
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 7, § 17
VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 286, § 287
StVO § 9 Abs. 5
BGB § 249, § 251

 

Leitsatz

1. Fahren auf einem Parkplatzgelände zwei Fahrzeuge gleichzeitig rückwärts aus ihrer Parktasche und kollidieren sie dabei mit ihren rückseitigen Stoßstangen, wobei nur für das eine Fahrzeug sicher festgestellt werden kann, dass es sich im Zeitpunkt der Kollision noch in Bewegung befand, ergibt sich eine Haftungsquote von 75% zulasten dieses (sicher) noch in Bewegung befindlichen Fahrzeugs. (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Landkreis Cham sind UPE-Zuschläge und Verbringungskosten zu ersetzen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Der merkantile Minderwert ist unabhängig von einer Reparatur des beschädigten Fahrzeugs zu ersetzen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 746,54 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 692,39 EUR seit 31.8.2017, aus einem Betrag von 221,93 EUR seit 31.8.2018 bis 1.11.2017, aus einem Betrag von 147,56 EUR vom 5.10.2017 bis 1.11.2017 und aus 54,15 EUR seit dem 5.10.2017.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 41/100 und die Beklagten als Gesamtschuldner 59/100 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Berufung für die Beklagten wird zugelassen, soweit diese zur Zahlung von 75 EUR merkantilem Minderwert verurteilt wurden.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.431,35 € (1.377,20 € Hauptforderung aus Antrag Nr. 1 + 54,15 € vorgerichtliche Anwaltskosten) festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Sie ist in Höhe von 692,39 EUR Sach- und Vermögensschäden und vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 54,15 EUR begründet.
A. Zum Tenor in Nr. 1
Die Beklagten haften dem Kläger als Gesamtschuldner dem Grunde nach § 7 StVG, bei der Beklagten zu 2 zusammen mit §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.
I. Zur Haftungsquote
Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass die Beklagten zu 75 % haften, die Klägerseite zu 25 %.
Der Unfall war für beide Parteien nicht unvermeidbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG.
Ein Unfall ist unvermeidbar, wenn auch bei er auch bei Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (BGH NZV 05, 305; OLG Koblenz NZV 06, 201; s näher § 7 StVG, Rn 20 ff). Hierbei kommt es allerdings nicht nur darauf an, wie ein „Idealfahrer“ in der konkreten Gefahrensituation reagiert hätte, sondern auch darauf, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre (BGH NJW 92, 1684; OLG Koblenz NZV 06, 201). Formulierung nach BHHJJ/Heß StVG § 17 Rn. 8) Dabei ist jede Partei beweisbelastet für die Unabwendbarkeit des Unfalls.
Dies aber konnte das Gericht für keine der beiden Parteien feststellen.
„Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter ohne Bindung an die Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz keine von allen Zweifeln freie Überzeugung voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellten und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.“ (BGH NJW 2015, 2111)
Zwar konnte der Sachverständige … zur Überzeugung des Gerichts feststellen, dass die Beklagte zu 1 bei der Kollision noch in Fahrt war. Er konnte aber nicht sicher feststellen, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Kollision bereits stand.
Diese Schlüsse konnte der Sachverständige für das Gericht glaubwürdig und nachvollziehbar aufgrund der Schäden am PKW ziehen.
Dabei hat der Sachverständige angegeben, dass auch bei einem Augenschein des Fahrzeugs der Beklagte zu 1 mit hoher Wahrscheinlichkeit keine anderen Ergebnisse zu erwarten wären als nach Begutachtung der übersandten Lichtbilder. Insoweit hat das Gericht davon abgesehen einen Augenschein anzuordnen auch im Hinblick auf die Bedeutung der Sache. Dies insbesondere deshalb, weil zur Entkräftung des Anscheinsbeweises zu Lasten des Klägers genügt, dass nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die Klägerin schon stand. Das aber ist vorliegend nicht der Fall. Für die Frage der Unvermeidbarkeit wäre die Beweiserhebung insoweit ohnehin unfruchtbar.
Im Übrigen konnte der Sachverständige nur feststellen, dass die Straße an der Unfallstelle 7 m breit ist und wenn man die Angaben des Klägers hinsichtlich einer Ausfahrt um 2/3 aus der Parklücke zu Grunde legen, dann das Klägerfahrzeug 4 m ausgefahren sei und das Fahrzeug der Beklagten zu 1 7 m. Daraus ergebe sich eine Fahrzeit bei üblicher Ausfahrgeschwindigkeit von 4,7 bis 5,5s für das Klägerfahrzeug und 6,1 bis 7,1s auf Beklagtenseite bis zum Kollisionsort.
Daraus ergibt sich auch, dass die Zeugin …, sollte sie tatsächlich, wie selbst angegeben sofort stehen geblieben sein, als die Beklagte zu 1 den Rückwärtsgang eingelegt hatte, nach Ansicht des Gerichts ausreichend Zeit gehabt hätte um den Gefahrenbereich nach Vorne wieder zu verlassen, nämlich mindestens 6 Sekunden. Im Übrigen deckt sich diese Zeitangabe auch nicht mit den Angaben der Zeugin …, sie sei sofort stehen geblieben und sei dann 1-2 Sekunden gestanden bis zur Kollision. Anhaltspunkte dafür, dass der Ausfahrvorgang der Beklagten zu 1 ungewöhnlich schnell erfolgt ist, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Insoweit geht das zu Lasten des beweisbelasteten Klägers.
Insgesamt ist die Zeugenaussage der Zeugin … daher nicht ausreichend, um das Gericht im Sinne des oben aufgezeigten Beweismaßes davon zu überzeugen, dass sie sich wie ein Idealfahrer verhalten hat. Der Kläger ist beweisfällig geblieben.
Bei der nach § 17 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 StVG vorzunehmenden Haftungsabwägung gelangt das Gericht zu einer Haftung der Beklagten in Höhe von 75 %.
Die Abwägung ist auf Grund aller festgestellten, das heißt unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, die sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; ein Faktor bei der Abwägung ist dabei das beiderseitige Verschulden (BGH NJW 2016, 1100). Die Abwägung der Verursachungsbeiträge als solche ist eine nach § 287 ZPO durchzuführende eine Schätzung.
Es steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Angaben des Sachverständigen und der Zeugin … fest, dass die Beklagte zu 1 bei Kollision der PKW noch in Fahrt war. Beim Unfallort handelt es sich um eine öffentliche Straße. Es besteht daher der Anscheinsbeweis, dass die Beklagte zu 1 gegen ihre Pflicht nach § 9 Abs. 5 StVO verstoßen hat.
„Kollidiert der Rückwärtsfahrende mit einem anderen Fahrzeug, so können zu Gunsten desjenigen, der sich auf ein unfallursächliches Verschulden des Rückwärtsfahrenden beruft, die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Anwendung kommen. Steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand, so spricht auch bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der dargestellten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit-)verursacht hat.“ (BGH NJW 2016, 1100, beck-online)
Dieser Anscheinsbeweis konnte insbesondere durch das Sachverständigengutachten nicht entkräftet werden.
Hinsichtlich der Klägerin ist dieser Anscheinsbeweis hingegen entkräftet. Denn es kann aufgrund der Aussage der Zeugin … und des Sachverständigen nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin ggf. bereits stand (BGH NJW 2016, 1098). Der Beweis, dass das Fahrzeug noch in Fahrt befand ist den Beklagten nicht gelungen.
Insoweit ist in die Haftungsabwägung zu Lasten der Beklagten die Verletzung des § 9 Abs. 5 StVO einzustellen, wonach jede Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist. Hinzu kommt die Betriebsgefahr.
Auf Seiten der Klägerin ist die Betriebsgefahr einzustellen, wobei es nicht darauf ankommt, wie lange die Klägerin möglicherweise schon stand und ob sie stand.
Eine Zurücktreten der Betriebsgefahr kommt nach Ansicht des Gerichts dabei nicht in Betracht, vielmehr ergibt sich eine Haftung der Klägerin von 25 %, der Beklagten von 75 %.
II. Zur Schadenshöhe
Die Beklagten schulden weitere 692,39 EUR Schadensersatz wegen der Beschädigung des Fahrzeugs, sowie weitere 54,15 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten.
Zwischen den Parteien ist ein Betrag von 952,76 Euro Reparaturkosten außer Streit. Aufgrund der Hafttungsquote schulden die Beklaten hieraus einen Betrag von 714,57 Euro.
Die Beklagten schulden zudem 75 % aus 110 Euro Verbringungskosten (82,50 EUR), 56,37 Euro UPE-Zuschläge auf Ersatzteile (42,28 EUR), 10,52 Euro Kleinteilezuschlag (7,89 EUR). Darüber hinaus schulden die Beklagten 75 % aus einer Unfallpauschale von 30 EUR. Das ergibt einen Gesamtbetrag von 155,17 EUR.
Die Beklagen schulden weiter 75 EUR aus 100 EUR merkantilem Minderwert.
Hingegen ist die Klage hinsichtlich von 37 EUR weiteren Lohnkosten unbegründet.
Die Höhe der Kosten für das Sachverständigengutachten steht mit 443,87 EUR außer Streit. Daraus schulden die Beklagten 75 % also 332,90 EUR.
Die Beklagten schulden aufgrund des Unfalls daher einen Betrag von 847,24 EUR Sachschaden, 75 Euro merkantilem Mindertwert, 332,90 EUR für den Sachverständigen und 22,50 EUR Unfallkostenpauschale.
Das ergibt einen Gesamtbetrag von 1.277,64 EUR. Dem stehen Zahlungen in Höhe von 363,32 EUR vorgerichtlich und 221,93 EUR im Prozess gegenüber, also insgesamt 585,25 EUR, so dass ein Betrag von 692,39 EUR noch zu begleichen ist.
Soweit die Parteien auch darüber gestritten haben, ob die Zahlung der Rechnung des Sachverständigen … verfahrensrelevant ist, vermag das Gericht eine solche nicht zu erkennen. Die Zahlung auf eine verfahrensfremde Forderung hat keinen Einfluss auf den Prozess, soweit keine Aufrechnung durch die Beklagten erfolgt ist. Eine solche ist nicht vorgetragen.
a) Verbringungskosten und UPE-Zuschlägen
Im Landkreis Cham sind UPE-Zuschläge und Verbringungskosten zu ersetzen.
Im Rahmen der durch das Gericht durchzuführenden Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 ZPO genügt dabei, „eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus“ (BGH NJW 2015, 934). Eine solche Wahrscheinlichkeit liegt bei den UPE-Kosten und Verbringungskosten vor. Eine präzise Bestimmung des Schadens bei fiktiver Abrechnung ist ohnehin nicht möglich, die Höhe der Reparaturkosten immer von der Wahl der Werkstätte abhängt. Es handelt sich dabei naturgemäß um eine Schätzung, wovon § 287 ZPO ja auch wörtlich spricht.
Bei fiktiver Abrechnung sind die UPE-Aufschläge und die Verbringungskosten daher als Teil des für die Wiederherstellung notwendigen Betrags nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen, wenn sie ortsüblich sind.
Dem Gericht ist aus anderen Verfahren bekannt, dass in der Region des Klägers UPE-Aufschläge und Verbringungskosten üblich sind.
Darauf hat das Gericht die Beklagten mit Verfügung vom 15.1.2018 hingewiesen und auf die Möglichkeit eines Gegenbeweises verwiesen. Ein solcher ist nicht angetreten worden. Die Höhe der Verbringungskosten- und UPE-Zuschläge ist nicht angegriffen worden.
b) 10,52 Euro Kleinteilezuschlag
Die Beklagte schuldet weiter 75 % aus 10,52 Euro für Kleinersatzteile.
Im Rahmen des § 287 ZPO ist das Gericht an Beweisanträge nicht gebunden.
Vorliegend wurde der Sachverständige zwar damit beauftragt zu den 2 % Kleinteilezuschlag ein Gutachten zu erstatten. In der mündlichen Erstattung seines Gutachtens hat er dazu keine Stellung genommen und keine der beiden Parteien hat ihn dazu befragt, wozu die Parteien Gelegenheit hatten.
Angesichts der Höhe des im Streit stehenden Betrags ist von einer ergänzenden Beweisaufnahme dazu abzusehen.
Dem Gericht ist aus einer Vielzahl von anderen Verfahren bekannt, dass auf die berechneten Ersatzteile auch im Landkreis Cham ein Zuschlag von 2 % für Gebinde und Kleinteile erhoben wird, die nicht gesondert abgerechnet werden.
Zur im Rahmen des § 287 ZPO nötigen Sicherheit steht für das Gericht fest, dass dies auch hier der Fall sein wird. Insbesondere entfällt der Kleinteilezuschlag nicht, nur weil auch andere möglicherweise günstige Ersatzteile konkret abgerechnet werden.
c) 37 Euro Stundenlohn und Lackierarbeiten
Zwischen den Parteien steht weiter im Streit, ob die Stundensätze der markengebundenen Werkstatt … in … oder der Werkstatt … zu Grunde zu legen sind. Hier steht im Streit, dass die Werkstatt … tatsächlich niedrigere Stundensätze berechnet und auch, dass es sich dabei um eine einer markengebundenen Werkstatt vergleichbaren Werkstatt in qualitätiver Hinsicht handelt.
Im Rahmen des § 287 ZPO ist das Gericht an Beweisanträge nicht gebunden.
Soweit die Höhe des entstandenen Schadens in Streit ist, entscheidet das Gericht hierüber gem. § 287 I ZPO nach freier Überzeugung. Im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 I ZPO, die für den Beweis der haftungsbegründenden Kausalität eingreifen, reicht bei der Entscheidung über die Höhe des Schadens für die richterliche Überzeugungsbildung eine erhebliche Wahrscheinlichkeit aus, vorausgesetzt, dass das Wahrscheinlichkeitsurteil auf gesicherten Grundlagen beruht (BGH, NJW 1991, 1412 = VerS 1991, 437). Die Vorschrift des § 287 I 2 ZPO stellt darüber hinaus die Beweiserhebung – hier: die Einholung eines Sachverständigengutachtens – in das (pflichtgemäße Ermessen des Gerichts) dies bedeutet, dass das Gericht im Rahmen des § 287 ZPO an Beweisanträge nicht gebunden ist (vgl. BGH, NJW 1991, 1412 sowie NJW 1986, 1486 = VersR 1986, 596 [597]). Das Gericht kann insbesondere dann von einer förmlichen Beweiserhebung absehen, wenn – wie im Ergebnis hier – der Beweisaufwand unverhältnismäßig wäre (vgl. Musielak/Foerste, ZPO, 8. Aufl., § 287 Rdnr. 10). (OLG Hamm NJW-RR 2012, 668)
Vorliegen steht zwischen den Parteien ein Gesamtbetrag von noch etwa 1250 Euro im Streit. Die hier fragliche Teilposition stellt also nicht einmal 3 % der Gesamtsumme dar. Demgegenüber sind aber Kosten für ein ergänzendes Gutachten im dreistelligen Bereich zu erwarten, weil sich der Sachverständige konkret mit der verwiesenen Werkstatt auseinandersetzen muss.
Für das Gericht liegt auf der anderen Seite auf der Hand, dass in der Region des Klägers Werkstätten existieren, die nicht markengebunden sind und qualitativ vergleichbar sind. Das Gutachten des Privatsachverständigen … ist von Gesamtlohnkosten in Höhe von 330 Euro ausgegangen. Dass nicht markengebundene Werkstätten in etwa 10 % geringere Stundenlöhne abrechnen ist nach Ansicht des Gerichts überwiegend wahrscheinlich, so dass die Kürzung von 37 Euro der Schätzung des Gerichts entspricht.
Dafür dass die Verweisung auf eine nicht markengebundene Werkstatt unzumutbar ist, hat der Kläger nichts vorgetragen. Das Fahrzeug ist älter als drei Jahre.
Unter diesen Umständen ist daher eine Beweiserhebung über die Tatsache nicht geschehen, das Gericht hat vielmehr den Betrag selbst geschätzt und weist die Klage insoweit ab. Insbesondere hat die Position auch auf die Kostenquote keinen relevanten Einfluss.
d) 30 Euro Unfallpauschale
Aufgrund der Größe des Landkreises Cham und der damit verbundenen typischerweise höheren Kosten für die Reise zu Werkstatt, Rechtsanwalt und Sachverständigen schätzt das Gericht nach § 287 ZPO die Unkostenpauschale in ständiger Rechtsprechung mit 30 Euro.
e) 100 Euro merkantiler Minderwert
Die Beklagte schuldet zudem 75 Euro Ersatz von merkantilem Minderwert.
In rechtlicher Hinsicht kann es dabei nach Ansicht des Gerichts offen bleiben, ob es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder auf den Zeitpunkt nach dem Unfall ankommt, als das Fahrzeug wieder in Betrieb genommen wurde. Zudem ist auch bei der sog. fiktiven Abrechnung, also ohne Reparatur des KfZ der merkantile Minderwert sofort fällig und zu ersetzen.
aa) in rechtlicher Hinsicht
Das Gericht vermag der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des LG Regensburg nicht zu folgen.
Das Landgericht gelangt aufgrund der Rechtsprechung des BGH und einem Vergleich mit dem Ersatz von Nutzungsersatz zu dem Ergebnis, dass ein merkantiler Minderwert nur nach Reparatur oder Verkauf des Fahrzeugs ersatzfähig ist.
Weder das Landgericht, das AG Regensburg als erste Instanz, noch das erkennende Gericht konnten dabei Entscheidungen des BGH finden, die den Ersatz von merkantilem Minderwert bei fiktiver Abrechnung konkret abgelehnt hat.
Vielmehr zieht das LG Regensburg – Berufungskammer – aus der Formulierung des BGH, der merkantile Minderwert sei die Werteinbuße des PKW „nach Reparatur“, den Schluss dass eine solche Reparatur notwendig ist. Damit folgt es dem AG Regensburg, dass sich ebenfalls auf diese Formulierung stützt und darüber hinaus ausführt, dass ohne Reparatur ein merkantiler Minderwert im Vermögen noch nicht vorhanden sei.
Dabei zeigt nach Ansicht des Gerichts die Herkunft dieser Terminologie „nach Reparatur“ deutlich, dass der BGH damit nicht die fiktive Abrechnung des merkantilen Minderwerts ausschließen wollte. Vielmehr hat der BGH damit zu Gunsten des Geschädigten den Zeitpunkt für die Schadensberechnung vorverlagert.
Denn mit seiner Rechtsprechung hat der BGH eine Ausnahme von der Gesamtdifferenzhypothese anerkannt. Denn käme es bei einem Vergleich des Gesamtvermögens in der Realität und der hypothetischen Gesamtvermögenslage auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an, sind beim merkantilen Minderwert aufgrund des Zeitablaufs Konstellationen denkbar, die den nach Reparatur vorhanden Minderwert abschmelzen lassen. Deshalb hat der BGH in diesen Konstellationen davon gesprochen, dass es auf den Minderwert nach Durchführung der Reparatur ankomme. Das wird in dieser Passage deutlich: „Wenn sich das Berufungsgericht auf die sogenannte Differenzhypothese bezieht, so verkennt es, daß die Berechtigung einer Ersatzforderung für die Beeinträchtigung eines einzelnen Vermögensgutes nicht davon abhängig zu sein braucht, daß eine das Gesamtvermögen erfassende Differenzrechnung eine ziffernmäßige Minderung dieses Vermögens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ergibt. Die Bedeutung der Entscheidung BGHZ 35, 396 = NJW 61, 2253 liegt gerade darin, daß sie gegenüber der früheren Rechtsprechung die sogenannte Differenztheorie eingeschränkt hat, wenn sich bei der Beeinträchtigung eines einzelnen Vermögensgutes das Maß der Wertminderung nach objektiven, im Verkehr anerkannten Maßstäben schätzen läßt. Die Linie dieser Entscheidung ist inzwischen in dem Urteil BGHZ 45, 212 = NJW 66, 1260 weitergeführt worden. Auf die Begründung dieses Urteils, das die Ersatzleistung für den Nutzungsentgang eines Kraftfahrzeugs betrifft, kann verwiesen werden. Hat der Schädiger den Minderwert des Wagens zu ersetzen, wie er sich im Zeitpunkt der Inbetriebnahme nach der Reparatur ergibt, so wird von ihm nichts Unbilliges verlangt.“ (BGH NJW 1967, 552)
Nach Ansicht des Gerichts wird die Rechtsprechung des BGH daher in ihrem Wortlaut überstrapaziert, wenn man aus ihr lesen will, dass der Ersatz merkantilen Minderwerts nur nach einer Reparatur möglich ist. Denn mit dieser Frage hat sich der BGH in dieser Entscheidung nicht beschäftigt, sondern nur mit der Frage, ob es auf die letzte mündliche Verhandlung ankommt oder auf den Zeitpunkt der im entschiedenen Fall ohnehin erfolgten Reparatur.
Auch die dogmatische Herleitung des merkantilen Minderwerts spricht dafür, den merkantilen Minderwert unabhängig von einer Reparatur zu ersetzen. Grundlegend hierzu der BGH bereits 1961: „Es steht fest, daß ein durch einen Unfall erheblich beschädigter Kraftwagen trotz Behebung der technischen Schäden im Verkehr allgemein geringer bewertet wird als ein unfallfrei gefahrener Wagen. Diese Wertdifferenz stellt, wie der Senat in dem Urteil BGHZ 27, 181, 184 = NJW 58, 1085 näher ausgeführt hat, einen echten Schaden des betroffenen Eigentümers dar.“ (BGH NJW 1961, 2253) „Dieser minderen Einschätzung liegt, wie der Senat bereits in seinem oben angeführten Urteil v. 30.5.1961 – VI ZR 139/60 – ausgeführt hat, nicht ein nur gefühlsmäßig zu erklärendes und im Grunde unberechtigtes Vorurteil zugrunde, sondern im wesentlichen die aus der Erfahrung gewonnene Einsicht, daß mit der Benutzung eines solchen Wagens durchweg auch dann ein größeres Risiko verbunden ist, wenn sich nach der Reparatur in der Werkstatt das Zurückbleiben eines technischen Mangels nicht feststellen läßt. Die Minderbewertung trägt der Tatsache Rechnung, daß erheblich geschädigte und dann reparierte Wagen im allgemeinen eine größere Schadensanfälligkeit zeigen, ohne daß der Zusammenhang neuer Schäden mit dem Unfall oder einer unzureichenden Reparatur im Einzelfall nachweisbar zu sein braucht. Da der Geschädigte wirtschaftlich so gestellt werden muß, als wenn er sich noch im Besitz der unbeschädigten Sache befände, hat das Schadensrecht dieser Minderbewertung des Verkehrs Rechnung zu tragen.“ (BGH NJW 1961, 2253; ähnlich wiederholt zuletzt BGH NJW 2005, 277)
Es geht also um einen Schaden, der trotz Behebung sämtlicher technischer Schäden bestehen bleibt, alleine wegen der Möglichkeit, dass vielleicht später unerkannte Schäden auftreten und der dadurch verursachten Geringschätzung durch den Markt. Dass der BGH auch hier hinzufügt „und dann reparierte Wagen“ lässt sich nach Ansicht des Gerichts damit erklären, dass der BGH klarstellen wollte, dass dieser Schaden auch durch eine Reparatur nicht beseitigt werden kann.
Mit dieser Entscheidung hatte sich der BGH von seiner 1958 ergangenen Entscheidung distanziert, nachdem der merkantile Minderwert nur zu ersetzen sei, wenn er endgültig z.B. durch Verkauf entstanden ist. Begründet hat er dies mit der Besonderheit des merkantilen Minderwerts: „merkantilen Minderwertes eines Kfz. unterscheidet sich von diesen Fällen entscheidend dadurch, daß der Minderwert des Kfz. in typischer Weise von der Entstehung an stetig sinkt und in verhältnismäßig kurzer Zeit ganz verschwindet“ (BGH NJW 1958, 1085). Es würde eine Bereicherung des Geschädigten darstellen, wenn der merkantile Minderwert zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestimmt würde und der Eigentümer den PKW aber nie verwertet. Sänke der merkantile Minderwert dann schließlich auf 0, weil der PKW zerstört wird oder am Ende seiner Lebenszeit nur noch Schrottwert habe, dann sei das nicht rechtens. Deshalb müsse man hier die Feststellungsklage anwenden und die Leistungsklage sei nicht möglich, weil der Anspruch nicht beziffert werden könne.
Davon hat sich der BGH dann verabschiedet: „Billigt man es, daß der Eigentümer des Wagens den Schadensersatzanspruch auf Erstattung des merkantilen Minderwerts dadurch realisieren darf, daß er sich einen neuen oder einen unfallfrei gefahrenen Gebrauchtwagen kauft, so ist nicht einzusehen, daß der Entschluß des Eigentümers, den weniger wertvollen Wagen weiter zu benutzen, zu einer Entlastung des Schädigers führen soll. Durch die Verweisung auf eine Feststellungsklage wird im übrigen die wünschenswerte rasche Abwicklung von Schadensfällen oft nicht unerheblich verzögert. Außerdem wird diese Verweisung dem Betroffenen häufig wenig nützen, da er bei neuen Schäden den meistens nicht einfachen Beweis führen muß, daß sie eine adäquate Folge der alten Schädigung sind. Vor allem aber ist es für die außergerichtliche Abwicklung der Schäden von wesentlichem Vorteil, daß über die Erstattungsfähigkeit alsbald Klarheit besteht, was nicht der Fall ist, wenn die Schadensbereinigung von späteren Entschlüssen des Betroffenen abhängig gemacht wird. Daher ist mit der herrschenden Meinung die Erstattungsfähigkeit des merkantilen Minderwerts ohne die in der früheren Entscheidung des Senats gemachten Einschränkungen anzuerkennen.“ (BGH NJW 1961, 2253)
Würde man die Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts von der Reparatur abhängig machen, hieße das letztlich zu der mit dieser Entscheidung aufgegebenen Rechtsprechung zurückzukehren. Denn dann kann es wieder vorkommen, dass mangels Reparatur des Schadens oder Verkauf des PKW, der merkantile Minderwert wieder auf 0 absinken kann. Der Geschädigte wäre auf die Feststellungsklage verwiesen, die rasche Abwicklung der Schadensfälle würde wieder nicht erreicht.
Im Übrigen hat der BGH entschieden, dass „grundsätzlich auch bei Nutzfahrzeugen, und zwar auch bei Lastwagen, nach einem Unfall ein merkantiler Minderwert eintreten, und daß der Geschädigte Erstattung dieses Schadens sogleich fordern kann.“ (BGH NJW 1980, 281). Allerdings war auch in dieser Entscheidung der LKW bereits repariert.
In der Literatur wird vertreten, dass der merkantile Minderwert sofort ersatzfähig ist. (Armbrüster, JuS 2007, 411, 416, der etwas missverständlich unter Bezug auf § 249 II BGB formuliert, dass die Wertminderung mit den Reparaturkosten verlangt werden kann). Zutreffend wird in der Literatur auch vertreten, dass der merkantile Minderwert nach § 251 Abs. 1 BGB zu ersetzen ist und daher sofort fällig ist (MüKoBGB/Oetker BGB § 249 Rn. 53) unabhängig davon, ob sie repariert wird (Vuia, NJW 2012, 3057).
Für die Ersatzfähigkeit spricht auch die Verankerung des merkantilen Minderwerts in § 251 BGB. Der merkantile Minderwert ist nach § 251 BGB zu ersetzen (BeckOK BGB/Johannes W. Flume BGB § 251 Rn. 17), weil insoweit die Wiederherstellung unmöglich ist. Der merkantile Minderwert realisiert sich daher nach Ansicht des Gerichts sofort nach dem Unfall im Vermögen des Geschädigten, denn der PKW wird sofort zu einem Unfallwagen und nicht erst nach Reparatur. Nicht die Reparatur führt dazu bei, dass der Wagen in der Marktauffassung geringer geschätzt wird, sondern der auch durch Reparatur nicht zu beseitigende Makel des Unfallwagens. Auch bei einem Verkauf vor Reparatur würde der Wagen als Unfallwagen verkauft und würde sich das im Preis niederschlagen. Ob ein solcher Minderwert voraussichtlich eintreten wird ist Tatfrage und keine, die Fälligkeit oder Entstehung des Anspruchs betreffende, Rechtsfrage.
Auch Böhme/Biela (Kraftverkehrs-Haftpflichtschäden, 25. Auflage, Kapitel 4 R 40) gehen davon aus, dass der merkantile Minderwert auch zu ersetzen ist, wenn nicht repariert wurde: „Ein Minderwert ist zu erstatten, wenn der Zeitwert nach dem Unfall – nach durchgeführter Reparatur – geringer ist oder geringer wäre, als vor dem Unfall.“
Umfangreich beschäftigen sich Halm/Fitz mit der Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts bei fiktiver Abrechnung (Himmelreich/Halm/Stab, Handbuch der Kfz-Schadensregulierung, Kapitel 10, Rn 81 f und 112 ff) und gelangen dabei zu dem auch hier vertretenem Ergebnis.
Es ist auch kein Grund erkennbar, warum derjenige Geschädigte, der den PKW unrepariert weiter nutzt diesbezüglich schlechter gestellt werden sollte, als derjenige, der den PKW sofort repariert oder verkauft.
Entgegen der vom AG Regensburg dargestellten Ansicht in der vom LG Regensburg bestätigten Entscheidung, ist der Geschädigte auch nicht darauf verwiesen ohne Reparatur die Differenz zwischen Wert mit Schaden und Wert ohne Schaden geltend zu machen. Für das Gericht ist nicht erkennbar, warum nicht der Betrag nach § 249 II BGB zusammen mit dem Anspruch nach § 251 BGB verlangt werden können soll, wenn nicht jetzt schon absehbar ist, dass eine Wiederherstellung durch Reparatur insoweit nicht möglich sein wird. Das mag allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn in der Kombination die 130 % Grenze überschritten wird.
Insbesondere spricht die ansonsten nötige verjährungshemmende Feststellungsklage des Geschädigten, die Verzögerung der Unfallregulierung und die allgemeinen Grundsätze des § 251 BGB, dass der merkantile Minderwert in konsequenter Weiterführung der Rechtsprechung des BGH nicht von Dispositionen des Geschädigten abhängen soll, dafür, dass der merkantile Minderwert sofort fällig ist und zu ersetzen ist, auch ohne Reparatur. Wie bereits gezeigt entspricht das auch der Tatsache, dass diese Wertminderung auch sofort eintritt. Nur so kann auch die Forderung des BGH, dass es auf die Dispositionen des Geschädigten nicht ankommt, konsequent umgesetzt werden.
Allenfalls kann es nach Ansicht des Gerichts dazu kommen, dass bei unterlassener Reparatur nicht der Zeitpunkt der Reparatur, sondern die letzte mündliche Verhandlung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des merkantilen Minderwerts heranzuziehen ist.
Auch der Vergleich mit dem Nutzungsersatz führt nicht zu einem anderen Ergebnis.
Die Ersatzfähigkeit des Nutzungsersatzes hängt, wie das LG zutreffend ausführt, davon ab, dass dem Geschädigten ein fühlbarer Nutzungsausfall entsteht, der sich aus den weiteren Tatbestandsmerkmalen Nutzungsmöglichkeit und hypothetischer Nutzungswille zusammensetzt.
Das rührt daher, dass alleine die Nutzungsmöglichkeit einer Sache keinen wirtschaftlichen Wert hat, sich der Schädiger aber eine Ersatzsache anmieten darf. Verzichtet der Geschädigte zu Gunsten des Schädigers auf die Anmietung einer Ersatzsache, soll er bei Gegenständen auf die er auch im konkreten Fall angewiesen ist, für diesen Verzicht Ersatz bekommen.
Auch hier handelt es sich um eine Ausnahme von der Differenzhypthese, weshalb der BGH in seiner o.g. Entscheidung darauf verweist, dass auch eine auf das einzelne Wirtschaftsgut bezogene Betrachtung in Frage kommt. Einen weiteren Gehalt hat die Verweisung des BGH in den Entscheidungen zum merkantilen Minderwert auf den Nutzungsersatz nach Ansicht des Gerichts nicht.
Diese Konstellation ist mit der Frage des merkantilen Minderwerts nicht vergleichbar. Merkantiler Minderwert entsteht, wie gezeigt, weil der Markt für unfallgeschädigte Fahrzeuge nicht gewillt ist die gleichen Preise zu bezahlen, die er für nicht unfallgeschädigte Fahrzeuge bezahlt.
Der Ersatz von Nutzungsersatz hängt aber von den subjektiven Dispostionen des Geschädigten zwingend ab und beruht nicht auf einer Reaktion des Marktes. Denn alleine die Nutzungsmöglichkeit hat keinen Vermögenswert, sondern nur der Verzicht darauf nach der Rechtsprechung des BGH. Der merkantile Minderwert hingegen entsteht aufgrund einer Reaktion der Marktteilnehmer, die der Geschädigte nicht beeinflussen kann.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Äußerung des BGH zu sehen, dass eine Bereicherung des Geschädigten verhindern werden muss und deshalb die spürbare Beeinträchtigung vorhanden sein muss. Diese Gefahr besteht allerdings beim merkantilen Minderwert nicht, denn ein Wirtschaftsgut des Geschädigten hat tatsächlich eine Werteinbuße erlitten und der Geschädigte verzichtet nicht nur auf die Nutzungsmöglichkeit, weshalb eine Bereicherung nicht befürchtet werden muss. Das hat der BGH auch für den Fall, dass der Wagen nicht veräußert aber repariert hat, anerkannt.
bb) in tatsächlicher Hinsicht
Es steht in tatsächlicher Hinsicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Fahrzeug des Klägers einen merkantilen Minderwert nach dem Unfall oder im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von 100 Euro erlitten hat. Dieser Wert ist auch sofort ersatzfähig fällig, wobei offen bleiben kann, ob es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder des Unfalls ankommt.
Zu dieser Überzeugung gelangt das Gericht mit der nach § 287 ZPO geforderten überwiegender Wahrscheinlichkeit auf gesicherter Tatsachengrundlage aufgrund des mündlichen Sachverständigengutachten des ….
Dieser hat für das Gericht nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass er bei Anwendung der Marktfaktorenmethode rechnerisch zu einem merkantilen Minderwert von 96,17 EUR kommt.
Dabei ist dieser Methode nach Ansicht des Gerichts der Vorzug vor anderen Methoden zu geben, weil sie das Marktgeschehen auf dem der merkantile Minderwert beruht in einem nachvollziehbaren berechenbarem Gerüst abbildet. Sie stellt damit eine im Rahmen des § 287 ZPO ausreichend sichere Methode dar. Gegen die vom Sachverständigen zugrunde gelegten Werte (Anknüpfungstatsachen) besteht zwischen den Parteien nur hinsichtlich der Reparaturkosten in einem so geringen Ausmaß Streit, dass sie nicht geeignet sind, das Ergebnis zu beeinflussen. Hinsichtlich der anderen Faktoren haben die Parteien keine Einwände vorgebracht.
Dabei kann offen bleiben, ob es auf den merkantilen Minderwert nach dem Unfall oder zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt.
Bei der Berechnung des merkantilen Minderwerts nach dem Marktfaktoren- und Relevanzmethode verändern sich im Laufe der Zeit lediglich zwei Faktoren: Die Altersklasse und der Verkaufswert (siehe die Darstellung der Berechnungsmethode bei Zeisberger/Woyte/Schmidt/Mennicken, Der Merkantile Minderwert in der Praxis (2012)).
Vorliegend ist das Fahrzeug nach dem Unfall vom Sachverständigen in die Altersklasse „mehr als 60 Monate alt“ eingeordnet worden. Die nächste Stufe beginnt erst mit 96 Monaten, so dass sich dieser Faktor zwischen Unfall im Februar 2017 und mündlicher Verhandlung im März 2018 nicht verändert hat.
Aufgrund der konkreten Berechung führt eine Wertminderung des Fahrzeugs um 10 % in etwa um ein Absinken des merkantilen Minderwerts um in etwa 10 %.
Denn die Formel lautet:
Minderwert = [(Veräußerungswert/100) + (Veräußerungswert/Neupreis * Reparaturkosten * Schadensumfangsfaktor *Alterskorrekturfaktor)] * Faktor Marktgängigkeit * Faktor Vorschäden
Bis auf den Veräußerungswert sind alle Faktoren hier unveränderlich, nur der Veräußerungswert kann sich zwischen Unfall und mündlicher Verhandlung verändert haben.
Selbst wenn also das Fahrzeug zwischen Unfall und mündlicher Verhandlung im Wert um 20 % abgesunken wäre aufgrund der Laufleistung und des Alters, würde dies dazu führen, dass immer noch ein Minderwert von etwa 75 Euro besteht. Auch dieser rechnerische Wert würde dazu führen, dass das Gericht im Rahmen seines Ermessens einen Wert von 100 Euro Minderwert festgesetzt hätte. Es kann daher offen bleiben, ob es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder die Wiederaufnahme des Betriebs ankommt.
f) vorgerichtliche Anwaltskosten
Diese sind aus einem Gegenstandswert von 1277,64 EUR zu ersetzen (115 EUR × 1,3 + 20 × 1,19 = 201,71 EUR), wobei bereits 144,56 EUR anerkannt waren und daher nur die Differenz von 54,15 EUR zuzusprechen war. Im Übrigen war aufgrund des Gebührensprungs bei 1500 EUR die Klage abzuweisen.
B. Nebenentscheidungen
I.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a, 92, 93 ZPO.
Dabei hat das Gericht für die Berechnung der Kostenquote einen fiktiven Streitwert von 1.633,05 EUR herangezogen, weil die Nebenforderung vorliegend durchaus ins Gewicht fallen.
Als fiktiver Streitwert ist daher ein Betrag von 1.377,20 EUR zzgl. 255,85 EUR = 1.633,05 EUR heranzuziehen.
Soweit die Klage für erledigt erklärt wurde (221,93 EUR), haben nach § 91 a ZPO die Beklagten die Kosten zu tragen. Sie hat sich durch die Zahlung in die Positionen der Unterlegenen begeben. Im Übrigen wären Sie auch unterlegen.
Soweit die Klage anerkannt wurde (147,56 EUR) wendet das Gericht § 93 ZPO an. Die Klägerseite die Kosten zu tragen. Dem steht die Verteidigungsanszeige jedenfalls nicht entgegen, weil die Anträge und die Klageerwiderung in der Sache noch vorbehalten blieben (BGH NJW 2006, 2490, 2491. Nachdem die Forderung auch vorgerichtlich nicht geltend gemacht wurde, war auch diesbezüglich keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben worden.
In Höhe der zugesprochenen 692,39 EUR haben die Beklagten ebenfalls die Kosten zu tragen.
Das gilt auch für die zugesprochenen vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 54,15 EUR.
Die Beklagten unterliegen daher mit 968,47 EUR.
Es ergibt sich eine Kostenquote von 59 % zu Lasten der Beklagten.
2. Zur Zulassung der Berufung
Das Gericht hat die Berufung zugelassen nach § 511 IV ZPO beschränkt auf den Streitgegenstand „merkantiler Minderwert“.
Die Berufung zwar zuzulassen, weil das Gericht von der Rechtsprechung des Berufungsgerichts 21 S 185/17 abgewichen ist.
Die Berufung war daher schon zulässig, weil eine Divergenz zur Rechtsprechung des zulässigen Berufungsgerichts vorliegt und die einheitliche Rechtsprechung im Landgerichtsbezirk sichergestellt werden muss (§ 511 IV Nr. 1 2. Alternative ZPO, dazu: BeckOK ZPO/Wulf ZPO § 511 Rn. 39).
Zudem war die Berufung zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Frage, ob der merkantile Minderwert auch bei sog. fiktiver Abrechnung möglich ist, ist bisher wie gezeigt höchstrichterlich nicht entschieden. Es handelt sich um häufige Streitfälle und nicht um Einzelfälle.
Die Zulassung der Berufung war auf die Frage des merkantilen Minderwerts zu beschränken, weil die Rechtssache im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Divergenz vorliegt.
Die teilweise Zulassung der Berufung ist unter denselben Voraussetzungen wie die beschränkte Revisionszulassung möglich (BGH NJW-RR 2009, 1431; VersR 2018, 313) und kann sich auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil beschränken, der Gegenstand eines Teils- und Grundurteils sein kann. (BeckOK ZPO/Wulf ZPO § 511 Rn. 38)
Die Entscheidung über den merkantilen Minderwert wäre als Teilurteil verbunden mit einem Grundurteil möglich gewesen (§ 301 Abs. 1 S. 2 ZPO), weil insoweit kein Widerspruch durch eine abweichende Entscheidung der weiteren Instanzen drohte.


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