Verkehrsrecht

Fahrerlaubnis, Erkrankung, Fahreignung, Blutalkoholkonzentration, Bewerber, Kraftfahrzeug, Kollision, Trunkenheitsfahrt, Neuerteilung, Gutachten, Verkehrssicherheit, Befundbericht, Klageverfahren, Anordnungsanspruch, Trunkenheit im Verkehr, Entziehung der Fahrerlaubnis, Vorwegnahme der Hauptsache

Aktenzeichen  RO 8 E 21.2160

Datum:
21.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54051
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, AM, B und L durch das Landratsamt R* … (LRA).
Mit am 19. Juni 2018 beim LRA eingegangenem Schreiben übersandte die Polizeiinspektion R* … Nord die Unterlagen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Antragstellerin wegen Trunkenheit im Verkehr – infolge Alkohol (§ 316 StGB). Nach dem mitversandten Sachverhaltsbericht habe die Antragstellerin am 23. April 2018 gegen 12.27 Uhr der Einsatzzentrale R* … mitgeteilt, dass es zwischen ihrem und einem fremden Wagen zu einer Kollision gekommen sei. Der Führer des fremden KFZ habe sich von der Unfallstelle entfernt. Um etwa 12.57 Uhr habe die Antragstellerin den Parkplatzbereich vor der Polizeiinspektion R* … Nord befahren. Bei der auf der Polizeiwache erfolgten Schilderung des vorausgegangenen Unfallgeschehens habe von der Antragstellerin ausgehender Alkoholgeruch wahrgenommen werden können. Ein freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest sei um 13.10 Uhr mit 0,71 mg/l positiv verlaufen. Anschließend sei um 14.05 Uhr eine Blutentnahme durchgeführt worden. Nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung wies die Antragstellerin zum Entnahmezeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 1,22 Promille auf. Bei der gesamten Anzeigenaufnahme sei auffällig gewesen, dass bei der Antragstellerin ihre Alkoholisierung nur durch den Alkoholgeruch feststellbar gewesen sei. Ihre Ausdrucksweise dagegen sei klar und schlüssig gewesen und alkoholtypische Ausfallerscheinungen hätten gänzlich gefehlt. Im ebenfalls mitversandten ärztlichen Befundbericht des für die Blutentnahme verantwortlichen Arztes ist unter anderem angegeben, dass der Gang der Antragstellerin (geradeaus) sicher, ihre Sprache deutlich und der Denkablauf geordnet gewesen sei. Sie sei bei klarem Bewusstsein gewesen und habe die Finger-Fingersowie die Finger-Nasen-Prüfung erfolgreich absolviert. Ihr Verhalten sei beherrscht und ihre Stimmung unauffällig gewesen. Der äußerliche Anschein des Einflusses von Alkohol sei deutlich bemerkbar gewesen. Die Antragstellerin selbst habe lediglich angegeben, dass sie zuletzt am 22. April 2018 von ca. 17.00 Uhr bis ca. 1.00 Uhr zu Hause Wein und Vodka konsumiert habe.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Regensburg vom 29. Juni 2018 wurde gegen die Antragstellerin unter Bezugnahme auf den vorstehend dargestellten Sachverhalt wegen Trunkenheit im Verkehr gem. §§ 316 Abs. 1, 69, 69a StGB eine Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen verhängt. Darüber hinaus wurde ihr die Fahrerlaubnis entzogen und die Einziehung ihres Führerscheines angeordnet. Es wurde zudem eine Sperrfrist von acht Monaten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Nachdem die Antragstellerin in diesem Zusammenhang Einspruch – beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch eingelegt – hatte, bestätigte das Amtsgericht Regensburg das Strafmaß der Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen durch Urteil vom 28. August 2018.
Am 28. Juli 2020 beantragte die Antragstellerin beim LRA die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B.
Mit Schreiben vom 17. August 2020 forderte das LRA die Antragstellerin auf, ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (BFF)/medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle (MPU) über ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorzulegen und legte folgende Fragestellung fest:
Kann Frau O* … trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 sicher führen? Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass Frau O* … auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird? Zur Begründung erklärte das LRA gegenüber der Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Ereignisse vom 23. April 2018, dass aufgrund des Sachverhalts, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass bei der Antragstellerin bei der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,22 Promille nahezu keine Ausfallerscheinungen festgestellt hätten werden können, die Annahme begründet sei, dass in Ihrem Fall von einem Alkoholmissbrauch im Sinne der Nummer 8.1 der Anlage 4 zur FeV auszugehen sei. Hierfür spreche auch, dass sie trotz der nicht unerheblichen Alkoholisierung in der Lage gewesen sei, ein Kraftfahrzeug zu führen. Dass sie ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe, obwohl sie sich zum Tatzeitpunkt im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit befunden habe, habe gezeigt, dass sie zwischen einem die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen nicht hinreichend sicher trennen könne. Das LRA hege aufgrund der oben genannten Tatsachen erhebliche Zweifel an ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und habe diese gemäß §§ 20, 22 FeV i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 d) i.V.m. a) Alt. 2 FeV durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten abzuklären. Bei der Antragstellerin sei von einer gesteigerten Alkoholgewöhnung auszugehen, da sie mit einer nicht unerheblichen Menge Alkohol im Blut noch in der Lage gewesen sei, sich verständlich zu artikulieren und medizinische Tests sicher zu absolvieren. Außerdem liege bei ihr ein fehlendes bzw. vermindertes Trennungsvermögen bezüglich Alkoholkonsum unter Teilnahme am Straßenverkehr vor, da sie ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt habe, obwohl sie infolge vorangegangenen Alkoholkonsums fahruntüchtig gewesen sei.
Mit am 20. Oktober 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schreiben ihres Bevollmächtigten hat die Antragstellerin Klage auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B erheben lassen, über die noch nicht entschieden ist (RO 8 K 20.2537). Mit am 30. Oktober 2021 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schreiben ihres Bevollmächtigten hat die Antragstellerin um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragstellerin fahrerlaubnisrechtlich sogenannte „Ersttäterin“ sei. Sie habe keine anderweitigen belastenden Einträge im Fahrerlaubnisregister. Die Antragstellerin habe bereits am 22. November 2018 und erneut am 28. Juli 2020 die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beantragt. Die Rechtsauffassung des LRA, dass die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet habe werden können, sei rechtswidrig. Die Antragstellerin habe bei ihrer Trunkenheitsfahrt eine Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille gehabt. Es sei in der Rechtsprechung geklärt, dass nach § 13 Satz 1 Nr. 2 c) FeV eine einmalige Trunkenheitsfahrt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anforderungen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertige. Die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt sei, wie die Bezugnahme in § 13 Satz 1 Nr. 2 d) FeV auf die unter den Buchstaben a) bis c) genannten Gründe zeige, kein eigenständiger, von der 1,6 Promille Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens. Die Gründe, auf welche das LRA in seinem Schreiben vom 17. August 2020 Bezug nehme, stellten keine aussagekräftigen Tatsachen im Sinne der Rechtsprechung dar, welche ausnahmsweise dazu berechtigen würden, nach § 13 Satz 1 Nr. 2 d) i.V.m. a) Alt. 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vor der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zu fordern. Hier habe lediglich eine Polizeibeamtin behauptet, dass die Ausdrucksweise der Antragstellerin klar und schlüssig gewesen sei und weitere typische Ausfallerscheinungen gänzlich gefehlt hätten. Hierbei handele es sich um eine reine Meinungsäußerung einer Polizeibeamtin ohne den geringsten medizinischen Wert oder eine belastbare Aussagekraft. Es verbiete sich mithin, auf diese Äußerung abzustellen, wobei bei einer Alkoholisierung von 1,22 Promille BAK ohnehin nicht zwangsläufig von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen ausgegangen werden könne und zwar auch nicht bei einer Betroffenen, welche nicht sonderlich an Alkohol gewöhnt sei. Über das Hauptsacheverfahren sei bis heute nicht entschieden. Hinzu komme, dass die Antragstellerin aufgrund der fehlenden Fahrerlaubnis werktäglich zu ihrem Arbeitsplatz mit dem Fahrrad von D* … nach S* … fahren müsse. Sie lege dabei täglich einfach 5 km zurück und müsse bei jeglichen Witterungsverhältnissen fahren. Aufgrund zunehmender Kniebeschwerden im rechten Knie könne sie die Fahrtstrecke seit Mitte September 2021 nicht mehr mit dem Fahrrad zurücklegen. Die Kniebeschwerden hätten bereits im Sommer 2019 begonnen. Unter Schmerzen habe die Antragstellerin die Fahrtstrecke bislang zurückgelegt. Aktuell sei dies jedoch nicht mehr möglich, da die Kniebeschwerden stark zugenommen hätten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes im Wege der Regelungsanordnung anzuweisen, dem Antrag der Klägerin vom 28. Juli 2020 auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, AM, B und L ohne vorherige medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) stattzugeben und der Antragstellerin antragsgemäß die beantragte Fahrerlaubnis zu erteilen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht einstweilige Anordnungen in Bezug auf den Streitgegenstand oder zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn entweder die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO), oder wenn die Regelung notwendig ist, um vom Antragsteller wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Jedoch müssen der durch die begehrte einstweilige Anordnung vorläufig zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht worden sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung, welche einstweilige Anordnung zu treffen ist, liegt in den Grenzen des Antragsbegehrens und des Notwendigen im Ermessen des Verwaltungsgerichts (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO).
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Verfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich nicht dazu führen darf, dass – wenn auch nur beschränkte Zeit und unter dem Vorbehalt des Ausgangs des Klageverfahrens – die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird. Für eine wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise denkbare Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache ist allenfalls dann Raum, wenn der Antragsteller nach Lage des Falles wirksamen Rechtsschutz im Klageverfahren nicht erlangen kann und ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung in schwerer und unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde. Eine schwere und unzumutbare Beeinträchtigung kann allerdings nur dann gegeben sein, wenn hinsichtlich des geltend gemachten Anordnungsanspruchs ganz überwiegende Erfolgsaussichten bestehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Auflage, § 123 Rdnr. 13 ff – m.w.N.).
Unabhängig davon, dass die begehrte vorläufige Ausstellung einer Fahrerlaubnis möglicherweise auf eine grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache abzielt, ist vorliegend bereits nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin einen vorläufig zu sichernden Anspruch auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis geltend machen kann. Das LRA hat insofern berechtigterweise von der Antragstellerin die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert, welches diese bis dato nicht vorgelegt hat. Aus diesem Grund ist die Ablehnung ihres Antrags auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zu Recht erfolgt.
Eine Fahrerlaubnis ist gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StVG zu erteilen, wenn die dort enthaltenen Voraussetzungen erfüllt sind. Unter anderem muss der Bewerber um die Fahrerlaubnis geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sein (vgl. Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG), was nach Art. 2 Abs. 4 Satz 1 StVG wiederum zur Folge hat, dass er die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen muss und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen haben darf. § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV bestimmt, dass die körperlichen und geistigen Anforderungen an den Fahrerlaubnisbewerber insbesondere dann nicht erfüllt sind, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4 oder 5 zur FeV vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. Innerhalb der Anlage 4 zur FeV thematisiert unter anderem Nr. 8.1 die Grenzen einer Fahrungeeignetheit im Hinblick auf Alkohol und regelt, dass im Falle von Alkoholmissbrauch die Fahreignung ausgeschlossen ist sowie dass ein solcher vorliegt, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit gefährdender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Nach Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV kann die Fahreignung in diesen Fällen erst wieder erlangt werden, wenn der Missbrauch beendet und eine Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Im Rahmen der Beurteilung, ob ein Betroffener die für eine Erteilung einer Fahrerlaubnis nötigen körperlichen und geistigen Anforderungen im Hinblick auf Alkohol erfüllt oder nicht, eröffnet § 13 FeV der mit dem Erteilungsverfahren betrauten Behörde verschiedene Möglichkeiten, bei Eignungszweifeln in dieser Hinsicht die Beibringung eines ärztlichen oder ein medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen.
Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV ist zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer Alkoholproblematik ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen (Buchst. a). Gleiches gilt, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden (Buchst. b), ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde (Buchst. c), die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen war (Buchst. d) oder sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht (Buchst. e).
Basierend auf der vorliegend von der Behörde herangezogenen Vorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 d) FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn in der Vergangenheit die Fahrerlaubnis – auch durch strafgerichtliche Entscheidungen (vgl. BVerwG, B.v. 24.6.2013 – 3 B 71.12 – juris) – entzogen worden war und dies aus einem der unter den Buchst. a-c genannten Gründe erfolgt war. In diesem Zusammenhang ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts inzwischen klargestellt, dass in den Fällen, in denen Anlass der Entziehung der Fahrerlaubnis in der Vorzeit und somit auch der nunmehrigen fahrerlaubnisrechtlichen Überprüfung eine Trunkenheitsfahrt war, bei der eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille festgestellt wurde, die Gutachtensaufforderung nach Buchst. d) nicht ausschließlich auf die ergangene strafgerichtliche Entscheidung als solche gestützt werden kann. Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens setzt nach dem klaren Wortlaut voraus, dass die vormalige Entziehung der Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchst. a-c genannten Gründe erfolgt sein muss. Konkret im Hinblick auf den Anforderungsgrund in Buchst. a ist hierbei festzustellen, dass dieser in seiner Alt. 2 zur Voraussetzung hat, dass Zusatztatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung der Wertungen der in § 13 Satz 1 Nr. 2 b) und c) genannten Gründe geeignet sind, die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen. Mit den Tatbeständen des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV werden verschiedene Lebenssachverhalte erfasst, die jeweils für sich gesehen zur verpflichtenden Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens führen. Diese einzelnen Tatbestandsvarianten stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Es handelt sich bei ihnen nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts vielmehr um einen Rahmen, bei dessen Ausfüllung auch die jeweils anderen Tatbestände und die ihnen zugrunde liegenden Wertungen zu berücksichtigen sind. Das gilt namentlich für die Tatbestände des § 13 Satz 1 Nr. 2 b) und c) FeV. Bei einer im Rahmen einer Trunkenheitsfahrt festgestellten Blutalkoholkonzentration von unter 1,6 Promille und gleichzeitigem Fehlen von wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss, ist nach diesen Bestimmungen die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Ähnlich wie im Rahmen eines Regelbeispielskatalogs ist bei der Auslegung des Tatbestands des § 13 Satz 1  Nr. 2 a) Alt. 2 FeV diese Grundentscheidung des Verordnungsgebers zu beachten. Eine einmalig gebliebene Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille genügt ohne zusätzliche aussagekräftige Umstände nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne dieses Tatbestands die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 6.4.2017 – 3 C 24/15 – juris).
Dies zugrunde gelegt, ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die genannten Voraussetzungen, die für die Gutachtensanforderung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 d) i.V.m. Nr. 2 a) FeV vorliegen müssen, gewahrt sind. Dies ist deswegen der Fall, weil hier – wie die Behörde zu Recht angenommen hat – Zusatztatsachen im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 a) FeV vorliegen, die – die Wertungen der Gründe der Buchst. b-c berücksichtigend – die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, vom Betroffenen ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu fordern, wenn nach den Wertungen der in den Buchst. a-e genannten Gründe berechtigte Zweifel an dessen Fahreignung im Hinblick auf eine Alkoholproblematik und insbesondere auf einen möglichen Alkoholmissbrauch – mithin die Unfähigkeit, zwischen dem Führen von Kraftfahrzeugen und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum hinreichend sicher zu trennen (vgl. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV – bestehen. In diesem Zusammenhang ist letztlich eine zukunftsorientierte Prognose anzustellen, deren Gegenstand die Frage ist, ob Zweifel daran bestehen, dass der Betroffene künftig das Führen eines Kraftfahrzeugs vom Alkoholkonsum trennen kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.21 – 3 C/20 – juris).
Im Falle der Antragstellerin ist hierbei festzustellen, dass diese Prognose begründete Zweifel an ihrem künftigen Trennungsvermögen im oben beschriebenen Sinne ergibt. Im Rahmen des Vorfalles betreffend die Trunkenheitsfahrt am 23. April 2018 wurde bei der Antragstellerin durch einen Bluttest eine BAK von 1,22 Promille festgestellt. Trotz dieses schon verhältnismäßig hohen Alkoholgehalts ist in den Ermittlungsunterlagen vermerkt, dass während der gesamten Unfallaufnahme die Alkoholisierung der Antragstellerin nur durch den von ihr ausgehenden Geruch feststellbar gewesen sei. Ihre Ausdrucksweise dagegen sei klar und schlüssig gewesen. Weitere alkoholtypische Ausfallerscheinungen hätten gänzlich gefehlt. Korrespondierend dazu ergibt sich das Fehlen von alkoholtypischen Ausfallerscheinungen auch aus den Angaben des die Blutentnahme durchführenden Arztes. Dieser gab in seinem ärztlichen Bericht unter anderem an, dass der Gang der Antragstellerin (geradeaus) sicher, ihre Sprache deutlich und der Denkablauf geordnet gewesen sei. Sie sei bei klarem Bewusstsein gewesen und habe die Finger-Fingersowie die Finger-Nasen-Prüfung erfolgreich absolviert. Ihr Verhalten sei beherrscht und ihre Stimmung unauffällig gewesen, auch wenn der äußerliche Anschein des Einflusses von Alkohol deutlich erkennbar gewesen sei. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, sofern bei einer Trunkenheitsfahrt ein Nachweis einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille geführt wird und der Betroffene keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufweist, von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung und der damit verbundenen Gefahr einer erneuten Trunkenheitsfahrt ausgegangen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.21 – 3 C/20 – juris Rn. 40). Insofern liegt die Konstellation auch im Fall der Antragstellerin so, dass durch das Fehlen der genannten Ausfallerscheinungen bei der bei ihr festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,22 Promille Zusatztatsachen gegeben sind, die die Annahme von Alkoholmissbrauch im oben beschriebenen Sinne begründen. Die Fahrerlaubnisbehörde hat vorliegend mithin in nicht zu beanstandender Weise die Erteilung der Fahrerlaubnis von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig gemacht und mangels dessen Vorlage die Erteilung letztlich abgelehnt.
Nach alledem steht der Antragstellerin auch kein Anordnungsanspruch zu.
Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 53 GKG.


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