Verkehrsrecht

Mietwagenkosten: Schätzung nach Fraunhofer zuzüglich Pauschalaufschlag

Aktenzeichen  2 C 1408/19

Datum:
20.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 8470
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
ZPO § 287

 

Leitsatz

1. Das Gericht schätzt marktübliche Mietwagenkosten auf Basis der Erhebung von Fraunhofer. (Rn. 6)
2. Statistischen Unwägbarkeiten trägt das Gericht mit einem Pauschalaufschlag von 20% Rechnung. (Rn. 6)
3. Bei zeitnaher Anmietung nach dem Unfallereignis kann ein weiterer pauschaler Aufschlag in Höhe von 10% gewährt werden. (Rn. 7)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 106,68 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.10.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beschluss
Der Streitwert wird auf 106,68 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Dieser rechtfertigt die Klageforderung.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann grundsätzlich der Geschädigte von der Beklagten gemäß § 249 II BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.
Der Geschädigte ist dabei, ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren, von mehreren möglichen, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Erstattungsfähig sind grundsätzlich jene Kosten, die für eine kurzfristige Anmietung eines dem Unfallfahrzeug vergleichbaren Fahrzeugs ohne Rücksicht auf die Besonderheiten einer Unfallsituation erforderlich sind (sog. Normaltarif). Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach § 278 ZPO besonders freigestelle Tatrichter zu schätzen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt.
In Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des Landgerichts Ansbach-Berufungskammerzieht das Gericht als Grundlage für die Ermittlung des Normaltarifs den „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland“ (sog. Fraunhofer Liste) heran. Soweit Einwände im Hinblick auf eine Untergliederung in 2- anstatt 3-stellige Postleitzahlengebiete sowie Vorausbuchungsfristen und „Internetlastigkeit“ erhoben werden, erfolgt zum Ausgleich dieser mit der statistischen Erhebung zusammenhängenden Unwägbarkeiten ein Zuschlag von 20%.
Der Geschädigte -der vor Anmietung selbst keinerlei Vergleichsangebote eingeholt hat daher grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung der Mietwagen kosten auf der Basis der Mittelwertpreise der Fraunhofer Liste zuzüglich des oben genannten 20%igen Aufschlags, wobei bei zeitnaher Anmietung nach dem Unfallereignis nach § 287 ZPO ein weiterer pauschaler Aufschlag in Höhe von 10% für unfallbedingte Mehraufwendungen des Vermieters gewährt werden kann.
Bei der Schätzung der weiteren Zusatzkosten hat sich das Landgericht Ansbach-Berufungskammernunmehr der Rechtsprechung des OLG Nürnberg angeschlossen und entnimmt diese der Schwacke-Nebenkosten-Tabelle. Im Rahmen der Schätzung werden die erforderlichen Nebenkosten abstrakt, d.h. losgelöst von der konkreten Rechnung ermittelt und der so ermittelte Gesamtbetrag der erforderlichen Mietwagenkosten bildet -sofern er den Gesamt-Rechnungsbetrag nicht übersteigt die Grundlage des Urteils. Ein Abstellen auf einzelne Rechnungsposten könnte dazu führen, dass einem Geschädigten, dem insgesamt angemessene Kosten in Rechnung gestellt werden, gleichwohl einzelne Rechnungspositionen nicht voll erstattet würden. Der Geschädigte müsste daher, um vollen Kostenersatz zu erhalten, evtl, bei einem insgesamt teureren, aber gleichwohl noch angemessenen, Mietwagenunternehmer anmieten, der sämtliche Nebenkosten im Rahmen der maßgeblichen Tabellenwerke ansetzt.
Derartige Preisvergleiche können von einem Geschädigten nicht verlangt werden und können zudem zu Ergebnissen führen, die der Schadensminderungspflicht des Geschädigten zuwiderlaufen (LG Ansbach 1 S 851/17).
Die Kosten für eine Haftungsbegrenzung mit einer Selbstbeteiligung von 750,- € sind in der Fraunhofer Liste bereits eingepreist. Für die Ersatzfähigkeit der Kosten für eine Vollkasko-Versicherung (auch ohne Selbstbeteiligung) kommt es nicht darauf an, ob das verunfallte Fahrzeug selbst vollkaskoversichert war. Ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter hat das berechtigte Interesse, sich bei der Nutzung eines Mietwagens gegen die Risiken eines erneuten Verkehrsunfalls abzusichern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte mit dem Mietfahrzeug in der Regel weniger vertraut ist und bei der Nutzung des eigenen Fahrzeugs etwaige Eigenschäden hinnehmen kann, ohne diese zu reparieren oder die notwendige Reparatur, insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Situation, zeitlich hinausschieben kann. Diese Möglichkeit besteht bei der Nutzung eines Mietfahrzeugs nicht.
Das verunfallte klägerische Fahrzeug war aufgrund der Fahrzeugdaten und des Alters in die Gruppe 8 einzustufen. Bei einer Mietdauer von 3 Tagen errechnet sich der Schadensersatzanspruch nach der Fraunhofer Liste 2016 wie folgt:
3 Tage Mietwagengruppe 8
86,86 € X 3
260,58 €
260,58 €
Zzgl. 20% Aufschlag
52,12 €
312,70 €
Abzüglich 3% Eigenersparnis
9,38 €
303,32 €
3 Tage Haftungsbeschränkung 29 €x3
87 €
390,32 €
Zustellung/Abholung 23 €x2
46 €
436,32 €
Ergibt Gesamtanspruch des Klägers
436,32 €
Davon von der Beklagten reguliert
329,63 €
Verbleibt Anspruch des Klägers
106,69 €
Die Beklagte war somit antragsgemäß zu verurteilen.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.


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