Verkehrsrecht

Regulierung eines durch ein ausländisches Fahrzeug in Deutschland verursachten  Haftpflichtschadens

Aktenzeichen  2 O 6220/19

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DAR – 2020, 335
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 14, § 115 Abs. 1 Nr. 1
AuslPflVG § 2 Abs. 1, § 6
ZPO § 138 Abs. 4
StVG § 7, § 17
StVO § 1 Abs. 2, § 9
BGB § 249 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Das Deutsche Büro Gründe Karte e.V. darf ein von einem Geschädigten behauptetes Verkehrsunfallgeschehen nicht mit Nichtwissen bestreiten. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch das für einen ausländischen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer regulierende Deutsche Büro Gründe Karte trifft die Pflicht, sich bei dem Versicherungsnehmer oder Versicherten nach dem Ablauf des Unfallgeschehens zu erkundigen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Stößt ein zu einer Laderampe fahrende rückwärts fahrender LKW gegen ein anderes, an der benachbarten Laderampe haltendes Fahrzeug, handelt es sich für den Geschädigten um ein unabwendbares Ereignis. (Rn. 21 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist ein Verkehrsunfall durch ein ausländisches Fahrzeug verursacht worden, kann der Zeitraum der erforderlichen Erhebungen des Deutschen Büros Grüne Karte bis zu acht Wochen betragen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.454,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.09.2019 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 679,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.10.2019 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 8.768,60 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist – bis auf den Mehrwertsteueranteil beim Wiederbeschaffungswert sowie den als Nebenforderung geltend gemachten Zinsanspruch – in vollem Umfang begründet.
I. 
Der Beklagte haftet der Klägerin nach § 2 Abs. 1 lit. b), § 6 Abs. 1 AusIPflVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG dem Grunde nach zu 100 %: Ansprüche aus Haftpflichtschadenfällen in Deutschland, die durch ein im Ausland zugelassenes Fahrzeug verursacht wurden, können – außer gegen den Schädiger und den ausländischen Haftpflichtversicherer – auch unter Beachtung von § 6 AusIPflVG gegen das … geltend gemacht werden, da dieses nach § 2 AusIPflVG die Pflichten eines Haftpflichtversicherers übernommen hat (BGH NJW 2008, 2642).
1. Da das Fahrzeug der Klägerin bei dem Zusammenstoß mit dem in Betrieb befindlichen Beklagten-Lkw beschädigt wurde, hat die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch gegen den Beklagten nach § 2 Abs. 1 lit. b), § 6 Abs. 1 AuslPflVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Dass der Unfall durch höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) verursacht worden sei, wird von keiner Partei geltend gemacht. Ein Anspruch der Klägerin ist deshalb nur ausgeschlossen, wenn der Unfallschaden von ihr durch ein für den Beklagten unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 Satz 1 StVG) oder jedenfalls ganz überwiegend verursacht bzw. verschuldet wurde, so dass der Verursachungsbeitrag des Beklagten vernachlässigt werden kann (§ 17 Abs. 1, 2 StVG, § 254 Abs. 1 BGB). Dafür, dass die Betriebsgefahr des PKW der Klägerin durch deren – ggf. schuldhafte – Fahrweise gegenüber der des Beklagten-Lkw wesentlich erhöht war und dass die Klägerin an dem Unfall ein Verschulden trifft, ist grundsätzlich der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (st. Rspr. BGH VersR 2007, 681). Im Übrigen ist die Klägerin dafür, dass die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs durch eine – ggf. schuldhafte – Fahrweise erhöht war und dass dessen Fahrer an dem Unfall ein Verschulden trifft, grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig (st. Rspr. BGH VersR 2007, 681).
2. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme hat das Gericht nach seiner Überzeugung die Hergangsschilderung der Klägerin seinem Urteil zugrundezulegen.
a) In diesem Zusammenhang ist zunächst auszuführen, dass das Gericht das Bestreiten der klägerischen Schilderung mit Nichtwissen durch den Beklagten bereits als unzulässig betrachtet (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2019 – VI ZR 337/18 -, juris), worauf der Beklagte auch mit Hinweis vom 23.09.2019 (Bl. 30 d.A.) hingewiesen worden war, sodass das klägerische Vorbringen als zugestanden gilt.
Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Einer Partei ist eine Erklärung mit Nichtwissen jedoch auch dann verwehrt, wenn sie sich die – aus eigener Wahrnehmung nicht vorhandenen – Kenntnisse beschaffen kann und insofern eine Informationspflicht hat (BGH, Urteil vom 15.11.1989 – VIII ZR 46/89, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, juris Rn. 20; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.1994 – 7 U 78/93, juris Rn. 8; OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.07.2019 – 14 U 2150/18). Außerhalb des Bereichs der eigenen Handlungen und eigenen Wahrnehmung der Partei ist eine Erklärung mit Nichtwissen nach der eingangs zitierten BGH-Entscheidung daher auch dann unzulässig, wenn und soweit eine Informationspflicht der Partei hinsichtlich der vom Gegner behaupteten Tatsachen besteht. Einen nach einem Verkehrsunfall in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer trifft die Pflicht, sich bei seinem Versicherungsnehmer und etwaigen unfallbeteiligten Mitversicherten zu erkundigen, ob der Vortrag des Geschädigten zum Unfallgeschehen zutrifft, bevor er sich zum klägerischen Vorbringen einlässt. Will er sich mit Nichtwissen erklären, muss er hinreichende Gründe dafür darlegen, warum er sich auf der Grundlage der erteilten Auskünfte nicht dazu einlassen kann, ob das Vorbringen des Geschädigten zutrifft (BGH Urteil vom 23. Juli 2019 – VI ZR 337/18 -, juris, Rn. 18).
Nach Auffassung des Gerichts kann insofern hinsichtlich des Beklagten, der kraft Gesetzes hinsichtlich Haftpflichtschadensfällen, die durch ein im Ausland zugelassenes Fahrzeug im Inland verursacht werden, die Pflichten eines inländischen Haftpflichtversicherers übernommen hat, nichts anderes gelten. Auch den Beklagten trifft insofern eine Informationspflicht, der er Genüge getan haben muss, bevor er Vortrag des Geschädigten wirksam mit Nichtwissen bestreiten kann. Dieser Informationspflicht ist der Beklagte vorliegend nicht nachweisbar nachgekommen. Insbesondere hat er auch auf gerichtlichen Hinweis nicht vorgetragen, ob und in welchem Umfang durch ihn versucht wurde, mit der ausländischen Haftpflichtversicherung in Kontakt zu treten und die Haftungsfrage zu klären. Allein der Vortrag, es lägen ihm keine hinreichenden Informationen, insbesondere keine Schadensanzeige oder Unfallschilderung, vor, um in die Regulierung einzutreten, lässt nicht erkennen, ob sich der Beklagte lediglich passiv verhalten hat oder ob er sich tatsächlich aktiv, aber ggf. erfolglos, um eine Klärung in Bezug auf das klägerische Vorbringen bemüht hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem seitens des Beklagten als Anlage vorgelegten E-Mail-Verkehr zwischen der … und der polnischen Haftpflichtversicherung. Denn daraus lässt sich lediglich eine einmalige Nachfrage der Schadensregulierungsbeauftragten des Beklagten hinsichtlich einer Schadenmeldung des Versicherungsnehmers entnehmen.
b) Im Übrigen ist das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme aber auch aufgrund der in jeder Hinsicht glaubhaften und glaubwürdigen Angaben des Zeugen … davon überzeugt, dass sich das Schadensereignis so zugetragen hat, wie von der Klagepartei geltend gemacht.
aa) Der Zeuge … gab im Rahmen seiner Einvernahme an, dass er das Unfallereignis selbst wahrgenommen hat. Nach seiner Schilderung war das klägerische Fahrzeug ordnungsgemäß im Bereich der Laderampe 21 der Halle 7 auf dem Speditionsgelände vor dem Wertstoffcontainer geparkt, wie es sich auch den von der Klagepartei zu Bl. 27 d.A. übergebenen Lichtbildern entnehmen lässt. Links davon befand sich die Laderampe 22, zu der der Führer des Beklagten-Lkw rückwärts hinfahren wollte. An der nochmals weiter links befindlichen Laderampe 23 befand sich ein weiterer Lkw geparkt (vgl. hierzu auch die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Zeugen gefertigte, als Anlage zum Protokoll genommene Skizze). Das klägerische Fahrzeug befand sich im Unfallzeitpunkt im Stillstand, der Fahrer und Beifahrer im Büro der Spedition. Der Zeuge schilderte sodann, dass der Beklagte-Lkw im Zuge der Kurvenfahrt beim rückwärts Einparken mit der hinteren linken Ecke gegen die linke hintere Ecke des klägerischen Fahrzeugs gestoßen sei. Er selbst habe sich in diesem Zeitpunkt im Bereich der Laderampe 22 befunden und noch versucht, dem Führer des Beklagten-Lkw durch Rufen auf das dort befindliche klägerische Fahrzeug aufmerksam zu machen, dies sei jedoch erfolglos gewesen. Dem Zeugen wurden vom Gericht die als Anlage vorgelegten Lichtbilder vom Schaden am klägerischen Fahrzeug vorgehalten. Er bestätigte überzeugend, dass diese von dem von ihm wahrgenommenen Unfall herrührten.
Dem Zeugen wurden ebenfalls vorgehalten die Ablichtungen eines polnischen Führerscheins und Personalausweises, lautend jeweils auf den Namen …. Der Zeuge erklärte hierzu, dass es sich hierbei um den Unfallverursacher handle. Dieser sei ihm vor dem Unfallereignis bereits bekannt gewesen, da dieser des Öfteren Warenlieferungen auf das Speditionsgelände bringe. Nach den Angaben des Zeugen hat der Lkw-Führer die Unfallverursachung durch ihn noch an der Unfallörtlichkeit bestätigt, es wurde die in Ablichtung als Anlage vorgelegte „Grüne Karte“ übergeben und der ebenfalls in Ablichtung als Anlage vorliegende Unfallbericht ausgefüllt, wobei der Zeuge seine Kontaktdaten ausfüllte, und der Lkw-Führer bzw. die zwischenzeitlich herbeigerufenen Fahrer und Beifahrer des klägerischen Fahrzeugs aus den vom Lkw-Führer übergebenen Dokumenten die restlichen Angaben.
Das Gericht betrachtet die Angaben des Zeugen … in vollem Umfang als glaubhaft und glaubwürdig. Es handelt sich hierbei um einen Unbeteiligten, bei dem ein eigenes Interesse am Verfahrensausgang in keiner Weise erkennbar war. Seine Schilderungen waren lebensnah und nachvollziehbar. Seiner gesamten Aussage war seine Verblüffung darüber zu entnehmen, dass bei klarer und an der Unfallörtlichkeit eingeräumter Schadensverursachung eine Gerichtsverhandlung erforderlich war.
bb) Die Angaben des Zeugen sieht das Gericht im Übrigen auch durch die als Anlage vorgelegten Lichtbilder und Ablichtungen von Dokumenten als bestätigt an. Insbesondere ist für das Gericht keine andere logische, ernsthaft in Betracht zu ziehende Erklärung denkbar, wie die Klägerin an Ablichtungen von Führerschein und Personalausweis des Lkw-Führers, der „Grünen Karte“ sowie einer Unfallschilderung, aus der sich ebenfalls die amtlichen polnischen Kennzeichen des Beklagten-Lkw ergeben, gekommen sein sollte, wenn nicht durch Übergabe seitens des Unfallverursachers noch am Unfallort. Insgesamt ergibt sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme im Rahmen einer Gesamtschau eine Überzeugung des Gerichts frei von vernünftigen Zweifeln (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass sich das Schadensereignis so zugetragen hat, wie von der Klägerin vorgetragen, d.h. insbesondere unter Beteiligung des Beklagten-Lkw.
4. Die Kollision des Beklagten-Lkw mit dem ordnungsgemäß geparkten, im Stillstand befindlichen klägerischen Fahrzeug stellte für die Klägerin somit ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 StVG dar.
Jedenfalls hat der Führer des Beklagten-Lkw durch unachtsames Rückwärtsfahren gegen das auch auf Parkplätzen und vergleichbaren Geländen geltende allgemeine Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVG (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 – VI ZR 6/15, r+s 2016, 146; BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – VI ZR 179/15, r+s 2016, 149; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 21. Dezember 2015 – 8 S 4857/15 -, juris) verstoßen und so die Kollision alleine verursacht und verschuldet, sodass auch für eine Mithaftung der Klägerin aus der von ihrem Fahrzeug ausgehenden allgemeinen Betriebsgefahr kein Raum bleibt:
Die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO ist auf Parkplätzen und sonstigen Verkehrsflächen ohne eindeutigen Straßencharakter nicht unmittelbar anwendbar. Mittelbare Bedeutung erlangt sie aber über § 1 StVO. Entsprechend der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO muss sich auch derjenige, der auf einem Parkplatz rückwärtsfährt, so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann. Kollidiert der Rückwärtsfahrende mit einem anderen Fahrzeug, so können zugunsten desjenigen, der sich auf ein unfallursächliches Verschulden des Rückwärtsfahrenden beruft, die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Anwendung kommen. Steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand, so spricht auch bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der dargestellten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit) verursacht hat (BGH r+s 2017, 93).
II. 
Der Schaden der Klägerin, d.h. der zur Schadensbeseitigung erforderliche Geldbetrag (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB), den der Beklagte in vollem Umfang zu ersetzen hat, beläuft sich vorliegend in der Hauptsache auf 8.545,85 €.
1. Den Wiederbeschaffungsaufwand hinsichtlich des klägerischen Fahrzeugs, an dem zwischen den Parteien unstreitig ein wirtschaftlicher Totalschaden entstanden ist, bemisst das Gericht vorliegend in Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO entsprechend dem der Höhe nach nicht angegriffenen klägerischen Schadengutachten auf 7.476,25 €. Der klägerische Gutachter … hat in seinem ergänzenden Schreiben vom 25.07.2019 zwar ausgeführt, dass ein älteres Fahrzeug wie das klägerische Fahrzeug in der Regel nur noch von Privat an Privat gehandelt wird, das allerdings bei Veräußerung durch einen Händler 2,5 % Differenzbesteuerung anfallen. Diese Ausführungen macht sich das Gericht zu eigen, wobei zu seiner Überzeugung der Klagepartei der Nachweis nicht gelungen ist, dass für das klägerische Fahrzeug eine Ersatzbeschaffung nur noch auf dem Privatmarkt möglich wäre. Abzüglich eines Differenzsteuersatzes von 2,5 % ergibt sich ein Wiederbeschaffungswert von 10.676,25 € von dem der zwischen den Parteien unstreitige Restwert in Höhe von 3.200,00 € abzuziehen ist.
2. Die Positionen Sachverständigenkosten in Höhe von 883,60 € netto sowie pauschale Auslagen in Höhe von 25,00 € sind zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig.
3. Der Klägerin sind überdies pauschale Kosten für An- und Abmeldung in Höhe von 70,00 € zuzusprechen:
Ist aufgrund eines Verkaufs oder einer Verschrottung des beschädigten Unfallwagens dessen Abmeldung und wegen einer Ersatzanschaffung die Neuanmeldung des Ersatzwagens bei der Zulassungsstelle erforderlich, sind die dem Geschädigten hierfür entstehenden (behördlichen) Kosten als unfallbedingt erforderlich zu erstatten (OLG Düsseldorf NJW-RR 2012, 30, 32; OLG Celle BeckRS 2004, 1253). Diese Ab- bzw. Ummeldekosten können der Höhe nach im Rahmen des § 287 ZPO geschätzt werden (OLG Stuttgart BeckRS 2008, 19040; OLG Düsseldorf NZV 2006, 415). Erforderlich ist lediglich, dass überhaupt ein entsprechender Ab-/Ummeldevorgang unfallbedingt vorgenommen wird (LG Itzehoe BeckRS 2011, 14016), was der Beklagte aber auch nicht bestritten hat.
Die insofern der Klägerin angefallenen Kosten sind nach Schätzung des Gerichts im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO mit den klageweise geltend gemachten 70,00 € jedenfalls nicht zu hoch angesetzt (vgl. OLG Frankfurt BeckRS 2016, 07368; OLG Bremen BeckRS 2008, 11544; OLG Düsseldorf NZV 2006, 415; OLG Celle BeckRS 2004, 1253; dort wurden jeweils sogar 75,00 € angesetzt).
4. Der Anspruch auf Verzinsung der berechtigten Schadensersatzansprüche der Klägerin beruht dem Grunde nach auf § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin kann vorliegend Zinsen auf die berechtigte Hauptsacheforderung erst ab 27.09.2019 geltend machen. Insbesondere erwies sich die mit dem Schreiben vom 29.07.2019 verbundene Zahlungsaufforderung bis 19.08.2019 als zu kurz, um unmittelbar verzugsbegründend zu wirken.
a) Denn es ist allgemein anerkannt, dass einem Haftpflichtversicherer eine angemessene Überprüfungszeit zur Klärung des Haftungsgrundes sowie der Schadenshöhe zuzugestehen ist. Diese Prüfungszeit wird zum Teil aus der entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 1 VVG hergeleitet (OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 10 W 1789/10, NJW-RR 2011, 386; KG VersR 2009, 1262; Langheid/Rixecker/Rixecker, 6. Aufl. 2019, VVG § 14 Rn. 4), zum Teil aus § 286 Abs. 4 BGB, wonach es während der Prüfungsfrist an einem schuldhaften Verzugseintritt fehlt (so z.B. OLG Stuttgart VersR 2010, 1074; OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. Februar 2018 – 22 W 2/18, VersR 2018, 928). Die Länge der Prüffrist ist dabei von der Lage des Einzelfalls abhängig (h.M. z.B. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2015 – I-11 W 47/15, Schaden-Praxis 2016, 232). Im Einzelnen werden in der Rechtsprechung Regulierungsfristen im Bereich von 2 Wochen bis 2 Monaten als angemessen betrachtet (vgl. z.B. die Nachweise bei OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. Februar 2018 – 22 W 2/18, VersR 2018, 928; OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 10 W 1789/10, NJW-RR 2011, 386). Das Gericht vertritt hierbei grundsätzlich die Ansicht, dass in der Regel bei einem durchschnittlichen Schadensfall ohne besondere Schwierigkeiten und Besonderheiten einem Haftpflichtversicherer eine Regulierung jedenfalls spätestens binnen 4 Wochen (bei 20 Arbeitstagen) möglich sein muss (Kammerbeschl. v. 13.05.2019 – 2 T 7/19 und v. 05.08.2019 – 2 T 3755/19).
Bei Fällen mit Auslandsberührung kann sich der Zeitraum jedoch unter Umständen verlängern, wobei das Gericht vorliegend bei einem sog. „Grüne-Karte-Fall“ mit Auslandsberührung in der Regel einen doppelt so langen Zeitraum von 8 Wochen (bei 40 Werktagen) als angemessen ansieht (vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07. August 2003 – 11 W 54/03 -, juris; LG Saarbrücken, Beschluss vom 20. Juni 2016 – 13 T 3/16 -, juris; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB, Rn. 277).
Maßgeblich für den Fristbeginn ist dabei der Zugang eines ersten spezifizierten Anspruchsschreibens (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2015 – I-11 W 47/15, Schaden-Praxis 2016, 232; OLG Köln, Beschluss vom 31. Januar 2012 – I-24 W 69/11, NZV 2013, 42; OLG Rostock MDR 2001, 935).
b) Konkret bedeutet dies vorliegend Folgendes:
Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.07.2019 stellt ein derartiges spezifiziertes Anspruchsschreiben dar. Die darin gesetzte Frist zur Regulierung bis zum 19.08.2019 erweist sich indes als zu kurz. Das Gericht geht – bei Unterstellung üblicher Postlaufzeiten – von einem Zugang dieses Schreibens spätestens am 01.08.2019 aus. Von diesem Datum an gerechnet sind die vorstehend als Maßstab dargestellten 40 Arbeitstage am 26.09.2019 abgelaufen, sodass sich der Beklagte entsprechend § 187 Abs. 1 BGB spätestens ab 27.09.2019 in Verzug befand.
5. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlich erforderlich gewordenen Anwaltskosten. Diese belaufen sich unter Berücksichtigung des Vorstehenden bei einem berechtigten Gegenstandswert von 8.454,85 € – mangels Gebührensprungs wie in der Klage berechnet – bei einer 1,3 Geschäftsgebühr und Auslagenpauschale auf 679,10 €.
Die Verzinsung dieses Anspruchs beruht auf § 286 Abs. 1 Satz 2, § 288 Abs. 1 BGB.
B.
Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben