Verkehrsrecht

Schadensfolgen aus einem Verkehrsunfall

Aktenzeichen  322 C 6034/19

Datum:
22.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DAR – 2021, 39
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 92, § 128 Abs. 2, § 287, § 708 Nr. 11, § 711
StVG § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1, 11
BGB § 249 Abs. 1, § 254, § 286
RVG § 14 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 318,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.01.2018 sowie weitere 1.029,35 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.01.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 70 % und die Beklagte 30 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Seite kann die Vollstreckung der anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 3.409,12 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 318,27 € aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 11 StVG, 115 VVG, 1 PfIVG.
Die alleinige Haftung der Beklagten ist unstreitig.
Hinsichtlich der streitigen Schadenspositionen gilt Folgendes:
Abschleppkosten/Standkosten/Gutachterhilfsleistungen
Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung des bisher nicht regulierten Teils der Rechnung der Fa. Auto … vom 18.01.2018 in Höhe von 684,77 €. Nach Auffassung des Gerichts sind diese Kosten Teil des erforderlichen Herstellungsaufwandes im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Abschleppkosten:
Ausweislich der als Anl. K 7 vorgelegten Rechnung sind dem Kläger für den Abtransport des unfallbeschädigten Fahrzeugs von der Unfallstelle und Verbringung in die Reparaturwerkstatt Kosten von 360 € netto und 428,40 € brutto in Rechnung gestellt und vom Kläger bereits bezahlt worden.
Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite hat die Klägerin hier Anspruch auf der Ersatz der vollen in Rechnung gestellten Abschleppkosten. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen der sog. subjektbezogenen Schadensbetrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 471/12, m.w.N.), welche hier zur Anwendung zu bringen sind.
Grundsätzlich gilt für die Frage der Erstattungsfähigkeit unfallbedingt entstandener Aufwendungen nach BGH, a.a.O., folgendes:
„Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte statt der Herstellung gemäß § 249 Abs. 1 BGB den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Aufgrund der sich daraus ergebenden Ersetzungsbefugnis hat er die freie Wahl der Mittel zur Schadensbehebung […]. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint […]. Die Schadensrestitution ist dabei nicht auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt; der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädigers sparen. Ihr Ziel ist vielmehr, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne Schadensereignis entspricht […]. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen […]. Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet dem Geschädigten, den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage, d.h. angesichts seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung etwaiger gerade für ihn bestehender Schwierigkeiten, als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in Bezug auf den beschädigten Bestandteil in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung […]). Verursacht von mehreren zu einem Schadensausgleich führenden zumutbaren Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt. Nur der für die günstigere Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich […].“
Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung glaubwürdig angegeben, er habe das Klägerfahrzeug in seine Vertrauenswerkstatt, in der er sein Fahrzeug üblicherweise warten lasse, abschleppen lassen. Er habe sich Gedanken gemacht, ob er es in eine nähere Werkstatt verbringen lassen solle, aber die nähere Werkstatt wäre für ihn sehr schwer erreichbar gewesen und er habe sich schonen müssen, da er verletzt war. Deshalb habe er gewollte, dass das Fahrzeug in seiner Nähe ist. Zu dem Zeitpunkt habe er noch nicht gewusst, ob sein Fahrzeug reparaturwürdig oder ein Totalschaden sei, da es noch recht neu war.
Das Gericht vermag hierin keinen Verstoß gegen die dem Geschädigten obliegende Pflicht, den Schaden möglichst gering zu halten, erkennen. Aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ergibt sich eine weitreichende Dispositionsbefugnis des Geschädigten. Er darf nicht nur entscheiden, ob er sein Fahrzeug überhaupt reparieren lässt, sondern grundsätzlich auch, durch welche Werkstatt. Das Gericht hält in diesem Zusammenhang das Interesse des Geschädigten, die Reparatur durch eine ihm bekannte Werkstatt, zu der ein Vertrauensverhältnis bzw. eine bereits andauernde Geschäftsbeziehung besteht, durchführen zu lassen, für grundsätzlich schützenswert. Da das Klägerfahrzeug zum Unfallzeitpunkt erst ein Jahr alt war, war für den Kläger als technischen Laien auch nicht ohne Weiteres erkennbar, dass ein Totalschaden vorlag.
Der Kläger kann deshalb jedenfalls im Rahmen einer subjektiven Schadensbetrachtung die Abschleppkosten von der Beklagten ersetzt verlangen.
Standkosten und Gutachterhilfsleistungen:
Auch die übrigen Rechnungspositionen kann der Kläger jedenfalls im Rahmen einer subjektiven Schadensbetrachtung von der Beklagten ersetzt verlangen.
Ob die Standgebühren, Rangierkosten etc. in der Rechnung vom 18.01.2018 üblich und angemessen sind kann vorliegend dahinstehen, da der Kläger dies als Laie nicht beurteilen konnte und auch diese Rechnungspositionen bereits bezahlt hat.
Der Kläger hat hierzu glaubwürdig angegeben, er habe als Laie nicht beurteilen können, ob die Rechnung erhöht ist oder solche Standgebühren üblich sind. Ihm seien eher die Sachverständigenkosten hoch vorgekommen.
Mietwagenkosten
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Ersatz von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 692,01 € und 175 € hat. Die Beklagtenseite hat bisher nur die Mietwagenrechnung der Fa. … nicht aber die beiden Rechnungen der Fa. Auto … beglichen.
Grundsätzlich kann der Geschädigte bei einem Verkehrsunfall auch die Kosten für einen Mietwagen ersetzt verlangen. Die Mietwagenkosten gehören zu dem Herstellungsaufwand, den der Schädiger nach § 249 BGB zu ersetzen hat, wenn der Geschädigte diesen Weg zur Schadensbeseitigung wählt. Der Kläger hat hierzu glaubwürdig angegeben, er sei beruflich und privat auf ein Fahrzeug angewiesen. Allerdings ist ein Ersatz nur insoweit zu leisten, als der Betrag zur Herstellung objektiv erforderlich ist oder war. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Dabei ist auch der Rechtsgedanke des § 254 BGB anzuwenden. Die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, bildet eine immanente Schranke für die Höhe der zur Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten.
Im Rahmen des Zumutbaren hat der Geschädigte stets den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (vgl. etwa BGH NJW 2005, 51; BGH NJW 2008, 1519). Darüber hinausgehende, mithin nicht erforderliche Mietwagenkosten, kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der objektbezogenen Schadensbetrachtung nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tariftarif zugänglich war (vgl. BGH NJW RR 2009, 83).
Der Kläger hat hierzu angegeben, ihm sei zunächst von der Fa. … ein Mietwagen zur Verfügung gestellt worden. Dafür habe er keine Rechnung erhalten, er wisse nicht, was der gekostet habe. Er habe dieses Mietauto am 11.01. Zurückbringen müssen und sich deshalb bei der Fa. … und seinem Autohaus nach einem Mietwagen für die Folgezeit erkundigt, da er auf ein Auto beruflich angewiesen gewesen sei. Die Fa. … habe ihm kein weiteres Fahrzeug zu einem angemessenen Preis zur Verfügung gestellt. Daher habe er über sein Autohaus einen Mietwagen angemietet. Er meine, er habe dieses Auto erst angemietet, als er das Fahrzeug der Fa. … dort abegestellt hatte und es dann von dieser Fa. Abgeholt wurde. Ihm sei nicht bekannt, dass er doppelt angemietet habe. Da er das erste Fahrzeug der Fa. … nicht für den vollen Zeitraum zur Verfügung gestellt bekommen habe, gebe es zwei verschiedene Rechnungen.
Wie sich aus den Angaben des Klägers ergibt, hat er sich vor der Anmietung bei seinem Autohaus nicht nach anderen Angeboten auf dem Mietwagenmarkt erkundigt, sondern lediglich dort und bei der Fa. … nachgefragt.
Die Erforderlichkeit der geltend gemachten Mietwagenkosten ist daher nicht dargelegt und bewiesen, weshalb die erforderlichen Kosten durch das Gericht nach § 287 ZPO zu schätzen waren.
Hierzu kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowohl auf die Schwacke-Liste als auch die Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage zurückgegriffen werden, sofern nicht konkrete Tatsachen vorgetragen werden, die eine der beiden Listen im konkreten Schadensfall als ungeeignet erscheinen lassen (BGH NJW 2011, 1947). In Übereinstimmung mit dem OLG München (10 U 2539/08) und der Rechtsprechung des Landgerichts München 1 (17 S 19812/11,17 S 9069/10) ist die Fraunhofer-Liste als vorzugswürdig anzusehen, da diese die Mietpreise anonym in Rahmen eines üblichen Anmietungsszenarios erhebt. Dieser Mietpreisspiegel wurde anhand einer der realen an Mietsituation nahe kommenden Befragung aufgestellt, weil die befragten Firmen anders als etwa bei der Erstellung der Schwacke-Liste nicht wussten, dass ihre Antworten zur Grundlage einer Marktuntersuchung über die Höhe der Mietwagentarife gemacht wurden. Zwar sind die Durchschnittspreise dieser Studie niedriger als nach der Schwacke-Liste inklusive Vollkaskowerten. Da die Preise der Schwacke-Liste aufgrund einer Selbstauskunft der Mietwagenvermieter in Kenntnis, dass die Angaben zur Grundlage einer Marktuntersuchung gemacht werden, erfolgten, während das Ergebnis des Preisspiegels des Fraunhofer Instituts auf einer anonymen Befragung im Rahmen eines typischen Anmietszenarios beruht, legt das Gericht die Preise zu Grunde, wie sie sich nach der Studie des Fraunhofer Instituts ergeben.
Besondere Umstände, die gerade im vorliegenden Fall gegen die Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage sprechen würden, sind nicht dargetan.
Die Erforderlichkeit der Anmietung eines Fahrzeugs der Fa. Auto … bereits am 10.01.18 und nicht erst am 11.01.2018 konnte die Klagepartei nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen. Der Kläger konnte hierzu auch auf konkrete Nachfragen des Gerichts keine sicheren Angaben machen, wann das Fahrzeug der Fa. … ihm nicht mehr zur Verfügung stand und wann dieses genau abgeholt wurde. Daher steht nicht fest, dass der Kläger dieses Fahrzeug nicht noch bis zum 11.01.18 hätte nutzen können. Der Kläger hat daher nur Anspruch auf Erstattung von weiteren Mietwagenkosten ab dem 11.01.18.
Das Klägerfahrzeug fällt in die Mietwagenklasse 4.
Nach der Fraunhofer-Liste 2018 ergibt sich für eine Anmietdauer von 7 Tagen der Fahrzeugklasse 4 im Postleitzahlenbereich 82 ein Mittelwert von 213,61.
Diese Kosten enthalten auch bereits die Kosten einer typischen Haftungsreduzierung und Beschränkung. Auch die Kosten für Zustellung und Abholung eines Mietwagens sind nicht gesondert erstattungsfähig.
Auf den nach der Fraunhofer Liste zu erstattenden Basiswert nimmt das Gericht einen Abzug von 10 % für ersparte Aufwendungen vor.
Der Kläger kann daher vom 11.01.2018 bis 18.01.2018 insgesamt 192,25 € verlangen.
Für den Zeitraum vom 2.01.2018 bis 26.01.2018 kann der Kläger für insgesamt 6 Tage zudem weitere 164,78 € verlangen.
Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite kann der Kläger jedoch nicht auf die Preise der Fa. … verwiesen werden, da diese gerichtsbekannt nicht den Durchschnittspreisen entsprechen, sondern es sich um Sonderkonditionen handelt, die nur den Versicherungen eingeräumt werden. Zudem hat der Kläger glaubwürdig angegeben, dass ihm die Fa. … auf Nachfrage keine entsprechend günstigen Konditionen eingeräumt hat.
Insgesamt kann der Kläger daher Erstattung weiterer Mietwagenkosten von 357,03 € verlangen.
Attestkosten
Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung von Attestkosten in Höhe von 40,22 €.
Die Rechnung der … Klinikum München … v. 04.07.2018 (Anlage K 11) ist nur in Höhe von 40,22 € erstattungsfähig. Die Rechnung bezieht sich auf den ärztlichen Bericht vom 04.07.2018 (Anlage K 8), einen relativ kurzen Bericht auf einem vorformulierten Formular. Wie sich dem Bericht in Ziffer 13. entnehmen lässt, richtet sich die Vergütung nach GOÄ Ziffer 80. Ausgehend von einem mittleren Faktor von 2,3 ergeben sich daher abrechenbare Gebühren in Höhe von 40,22 € (2,3 × 17,49 €).
Da die in Rechnung gestellten Gebühren nicht angemessen und üblich sind, insbesondere nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Ausarbeitung und das Aktenstudium hier allein 4 Std. gedauert haben soll, besteht kein weitergehender Erstattungsanspruch.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei subjektiver Betrachtungsweise, da auch für den Kläger als Laien erkennbar ist, dass diese Rechnung eklatant überhöht ist und dies nicht den üblichen Gebühren für einen derartigen Arztbericht entspricht. Zudem hat der Kläger die Rechnung nach eigenen Angaben nicht beglichen.
Schmerzensgeld
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schmerzensgeldanspruch von insgesamt 1.500 € (einschließlich der bereits gezahlten 300 €).
Der Kläger hat – zuletzt unstreitig – unfallbedingt ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades, eine Thoraxprellung nebst Schmerzen im Brustbereich sowie Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit erlitten. Er musste über Nacht stationär überwacht werden.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen im Arztbericht vom 04.07.2018 war der Kläger bis zum 27.12.2017 zu 100 %, vom 28.12.2017 bis 11.01.2018 zu 40 % und vom 12.01.2018 bis 02.02.2017 zu 20 % arbeitsunfähig.
In seiner Anhörung hat der Kläger glaubwürdig angegeben, er sei im Notaufnahmebereich zusammengebrochen und deshalb für eine Nacht stationär zur Überwachung geblieben. Nach dem Zusammenbruch sei er liegend transportiert worden. Er habe nachts schlecht geschlafen und ein paar Tage lang Atemnot und diesbezügliche Beschwerden gehabt. Es seien keine schönen Weihnachtstage gewesen, da er nur gelegen sei und Schmerzmittel genommen habe. Ihm sei von den Ärzten geraten worden, ca. 2 Wochen ruhig zu bleiben. Er sei nur deshalb nur für eine Woche krankgeschrieben worden, da er als Lehrer ohnehin 2 Wochen Ferien gehabt habe. Eine Woche sei es ihm richtig schlecht gegangen, danach sei es ihm immer besser gegangen. Nach 2 Wochen sei er wieder arbeiten gegangen, da habe er aber noch leichte Beschwerden, insbesondere leichte Kopfschmerzen gehabt. Er habe sich aber nicht krankschreiben lassen wollen.
Dass der Kläger in der Notaufnahme zusammengebrochen ist, ergibt sich auch aus dem Arztbericht vom 21.12.2017 (Anlage 9). Darin wird ausgeführt, dass er synkopal gestürzt ist, als er die Notaufnahme verlassen wollte.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist nach Billigkeit zu entscheiden. Aufgrund der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes hat das Gericht dabei zu berücksichtigen, dass ein Schmerzensgeldanspruch den Verletzten in die Lage versetzen soll, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten an Stelle derer zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde. Darüber hinaus soll das Schmerzensgeld auch zu einer Genugtuung führen, wenngleich der Sühnegedanken für das zivilrechtliche Schadensrecht nicht tragfähig ist.
Das Gericht hat sich bei der Entscheidung über das Schmerzensgeld an dem Ausmaß und der Schwere der durch das schadensauslösende Ereignis verursachten Verletzungen zu orientieren. Weiter hat es das Alter und die persönlichen Verhältnisse der Klägerin zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung der erlittenen Schäden sind das Maß der Lebensbeeinträchtigung, Dauer und Heftigkeit der Schmerzen sowie die Dauer der stationären Behandlung, der Arbeitsunfähigkeit und der Trennung von der Familie zu gewichten. Weiterhin sind eine mögliche Unübersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufs sowie die Fraglichkeit der endgültigen Heilung zu eruieren. Weiterhin sind unter Berücksichtigung des Alters der geschädigten Person die psychischen Auswirkungen sowie die Einschränkungen bei der weiteren Lebensplanung zu berücksichtigen.
Zu Berücksichtigen war hier insbesondere, dass der Kläger nach seinem Zusammenbruch eine Nacht stationär im Krankenhaus verbringen musste, mindestens eine Woche arbeitsunfähig war (wobei das Gericht davon ausgeht, dass der Kläger eine weitere Woche krankgeschrieben worden wäre, wenn nicht Ferien gewesen wären), die Weihnachtsfeiertage im Bett verbringen musste und in seinem Erholungsurlaub, den er als Lehrer nicht wie andere Arbeitnehmer verschieben konnte, erkrankt war, sodass er diesen nicht genießen konnte.
Andererseits war zu berücksichtigen, dass es dem Kläger bereits nach einer Woche allmählich besser ging, alle Verletzungen relativ zügig vollständig abgeklungen sind und es sich um keine schwerwiegenden Verletzungen handelte, die durch leichte Fahrlässigkeit bei einem Verkehrsunfall verursacht wurden.
Unter Gewichtung all dieser Kriterien hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 1.500,00 € für angemessen. Diese Summe entspricht, soweit ersichtlich, auch den üblicherweise von Obergerichten ausgeurteilten Beträgen bei einem Verletzungsbild wie dem hier eingetretenen.
Erstattung des Haushaltsführungsschaden
Dem Kläger steht ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 332,50 € zu.
Da der Kläger zur Kompensation der unfallbedingten Einschränkungen bei der Haushaltsführungsfähigkeit keine Hilfskraft eingestellt hat, ist der Schaden abstrakt zu berechnen. Maßgeblich sind hierbei der Umfang der vor dem Unfallereignis geleisteten Haushaltstätigkeit, die Bewertung dieser Arbeitsleistung mit einem fiktiven Nettolohn, der an eine Hilfskraft gezahlt werden müsste, sowie Umfang und Dauer des verletzungsbedingten Arbeitsausfalles (LG München II, Urt. v. 07.03.2011, 5 O 1837/09).
Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung glaubwürdig angegeben, dass er in einer 30-50 qm großen Wohnung alleine lebe und seine Lebensgefährtin eine eigene Wohnung habe. Er habe keine Spülmaschine und keinen Trockner, die Waschmaschine befinde sich im Keller. Er bereite sich ein Frühstück, koche regelmäßig Mittagessen und Abendessen und mache danach den Abwasch und die Betten. Er gehe regelmäßig Einkaufen, meist täglich kurz und einmal wöchentlich länger. Das dauere täglich vielleicht 1/4 Stunde. Er wasche zwei Waschgänge wöchentlich und müsse hierzu in den Keller. Zudem putze er ca. wöchentlich die Wohnung. In der Woche nach dem Unfall habe er nichts machen können. Seine Lebensgefährtin habe alles machen müssen und dadurch eine Doppelbelastung wegen des eigenen Haushalts gehabt. In der zweiten Woche habe er einen Teil übernehmen können, aber noch nicht alles. Er habe insbesondere noch keine Wäsche gemacht. Nach 2 Wochen habe er wieder im Wesentlichen alle Haushaltstätigkeiten übernommen, jedoch noch weniger geputzt und das Wäschewaschen noch etwas eingeschränkt.
Das Gericht konnte aufgrund dieser Anknüfungstatsachen den tatsächlichen Haushaltsführungsschaden gem. § 287 ZPO schätzen.
Ausgehend von den glaubwürdigen Angaben des Klägers und dem Umstand, dass dieser keine anderen Familienangehörigen, insbesondere Kinder, mitversorgen muss und es sich um einen relativ kleinen Haushalt handelt, geht das Gericht von einer täglichen Haushaltsführungstätigkeit von durchschnittlich 2,5 Stunden aus.
Entsprechend den Ausführungen des Klägers unter Berücksichtigung der ärztlichen Feststellungen zur Minderung der Erwerbstätigkeit geht das Gericht von einer 100 %igen Minderung der Haushaltsführungstätigkeit bis zum 27.12.2017 aus. In der zweiten Woche konnte der Kläger nach eigenen Angaben allmählich wieder Aufgaben übernehmen. Das Gericht schätzt die Minderung der Haushaltsführungsfähigkeit bis zum 03.01.2018 daher auf 50 %. Anschließend war der Kläger nach eigenen Angaben nur noch leicht eingeschränkt. Das Gericht schätzt die Minderung der Haushaltsführungsfähigkeit daher für weitere 2 Wochen auf 20 %, also bis zum 17.01.2018.
Dies ergibt folgenden zeitlichen Ausfall:
7 (Tage) × 2,5 (Stunden) × 1,00 + 07 (Tage) × 2,5 (Stunden) × 0,5 + 14 (Tage) × 2,5 (Stunden) × 0,2 = 33,25 Stunden.
Das Gericht geht von einem angemessenen Nettostundensatz von 10 € aus. Der von der obergerichtlichen Rechtsprechung lange Zeit angesetzte Stundensatz von 8,50 € ist heute nicht mehr angemessen. Angesichts der Preisentwicklung in den letzten Jahren, insbesondere im Einzugsgebiet von München, dürfte es selbst für diesen Stundensatz schwierig sein, eine Haushaltshilfe zu finden.
Daher ergibt sich ein Betrag von 332,50 €
Gesamtschadenshöhe
Zuzüglich der unstrittigen Schadenspositionen beträgt der erstattungsfähige Gesamtschaden daher 15.526,36 €. Abzüglich der von der Beklagten bereits bezahlten 15.208,09 € ergibt sich daher ein restlicher Anspruch in Höhe von 318,27 €.
Anwaltskosten
Daneben hat der Kläger Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe einer 1,3 – Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von 15.526,36 € zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer. Das sind 1.029,35 €.
Hinsichtlich der Höhe der Geschäftsgebühr gilt Folgendes:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs BGH NJW-RR 2013, 1020 kann eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Sie ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Zwar steht dem Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG ein Ermessensspielraum zu, so dass, solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % bewegt, die Gebühr nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ist. Eine Erhöhung der Schwellengebühr von 1,3, die die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle darstellt, auf eine 1,5-fache Gebühr ist aber nicht der gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 entzogen. Andernfalls könnte der Rechtsanwalt für durchschnittliche Sachen, die nur die Regelgebühr von 1,3 rechtfertigen, ohne weiteres eine 1,5-fache Gebühr verlangen. Dies verstieße gegen den Wortlaut und auch gegen den Sinn und Zweck des gesetzlichen Gebührentatbestandes in Nr. 2300 VV-RVG, der eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr hinaus nicht in das Ermessen des Rechtsanwalts stellt, sondern bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war…“ (zitiert nach OLG München, Urteil vom 13.09.2013, Az.: 10 U 859/13).
In der Gesamtschau handelt es sich vorliegend um eine durchschnittliche Verkehrsunfallsache. Zwar sind viele einzelne Schadenspositionen entstanden, diese sind für sich genommen jedoch durchschnittlicher Natur. Zudem waren die alleinige Haftung der Beklagtenseite und der überwiegende Teil der Schadenspositionen von Anfang an unstreitig.
Die Beklagtenseite kann auch nicht einwenden, dass der Anspruch auf die Anwaltskosten noch nicht fällig sei, denn die Höhe der Gebühren ergibt sich zwingend aus den Vorschriften des RVG. Der zu erwartende Schaden des Klägers steht demnach auch jetzt schon betragsmäßig fest. Ihn auf einen Freistellungsanspruch zu verweisen, wäre prozessökonomisch verfehlt, da aus einem Freistellungsanspruch hinsichtlich der Anwaltskosten eine Vollstreckung nicht möglich ist. Der Kläger müsste unter Umständen deshalb einen weiteren Prozess führen.
Zwar ist der Anspruch auf die Rechtsschutzversicherung übergegangen, diese hat den Kläger jedoch zur Geltendmachung im eigenen Namen ermächtigt (Anlage K 13).
Zinsen
Verzug bestand, von Beklagtenseite nicht substantiiert bestritten, seit 18.01.2018.
Von diesem Zeitpunkt an besteht ein Anspruch auf Verzugszinsen, § 286 BGB.
Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert
Der Streitwert ergibt sich aus den Klageforderungen Ziffer I und II der Klageschrift (= 2.348,83 €) sowie den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren, soweit diese nicht von der Hauptforderung abhängig sind. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren wurden aus einem Gesamtschaden von 17.556,92 € geltend gemacht. Daher sind sie in Höhe von 1.060,29 € streitwerterhöhend (= Differenz zu den Gebühren bei einer 1,8 – Geschäftsgebühr aus 2.348,83 €).


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