Verwaltungsrecht

1. Fachsemester, Tiermedizin an der LMU, WS 2019/20, Keine Einwände gegen die Kapazitätsberechnung erhoben, Geringfügige Erhöhung des Gesamtdeputats der Lehreinheit, Erhöhung der Studienplätze gegenüber dem Vorjahr infolge eines niedrigeren Schwundfaktors

Aktenzeichen  M 3 E C 19.10084

Datum:
16.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49632
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragspartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragspartei beantragt beim Verwaltungsgericht München,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, sie vorläufig im Studiengang Tiermedizin, 1. Fachsemester, gemäß der Sach- und Rechtslage des WS 2019/20 zuzulassen.
Sie beruft sich auf die nicht ausgelastete Kapazität im Studiengang Tiermedizin.
Der Antragsgegner beantragt mit Schreiben vom 11. Dezember 2019,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Es sei kein Zulassungsanspruch glaubhaft gemacht worden; die Kapazität im Studiengang Tiermedizin sei bereits ausgelastet bzw. sogar überbucht. Im Studiengang Tiermedizin seien im 1. Fachsemester zum Wintersemester 2019/20 insgesamt 315 Studierende immatrikuliert. Von diesen seien zwei Personen, beide bereits seit mehreren Semestern, beurlaubt. Selbst wenn man diese unter Bezugnahme auf den Beschluss des BayVGH vom 21. Oktober 2013 (Az. 7 CE 13.10252 u.a.) aus der aktuellen Erstsemesterkohorte herausrechnen würde, käme man auf eine Zahl von 313 Studierenden, d.h. die festgesetzte Ausbildungskapazität von 301 Studienplätzen werde in jedem Fall ausgeschöpft.
Die LMU hat im Studiengang Tiermedizin in § 1 Abs. 1 ihrer Satzung über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2019/20 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung 2019/20) vom 3. Juli 2019 in Verbindung mit der Anlage hierzu für den Studiengang Tiermedizin für das 1. Fachsemester im Wintersemester 2019/20 301 Studienplätze (Vorjahr: 296 Studienplätze) festgesetzt.
Nach der Studierendenstatistik, Stand 11. Dezember 2019, waren im streitgegenständlichen Studiengang im 1. Fachsemester 315 Studierende immatrikuliert.
Die der Festsetzung der Zulassungszahl im Studiengang Tiermedizin für den Zeitraum 2019/20 zu Grunde liegende Kapazitätsberechnung geht von folgenden Werten aus (in Klammer die entsprechenden Werte des Vorjahres):
– Stellen: 186,35 (186,1)
– Gesamtdeputat vor dem Abzug der Verminderungen: 1287,5 (1287,392)
– Verminderungen: 8 (8)
– Lehrauftragsstunden: 0 (0)
– Krankenversorgungsabzug: 271,2264 (271,2294)
– Abzug für Praktikumsbetreuung: 7,1318 (6,5582)
– bereinigtes Lehrangebot Sb: 1001,1418 (1001,7124)
– CAp: 7,5549 (7,5549)
– Schwundfaktor: 0,8792 (0,8970)
Zur Berechnung erläuterte die LMU, im Lauf der vorangegangenen Jahre seien verschiedene Stellenveränderungen mit einem Deputatsverlust durch Stellenumwandlungen mit einem Deputatsgewinn kompensiert worden; von diesem Deputatsgewinn von seinerzeit 4 SWS stünden noch immer 2 SWS für etwa künftig notwendige Umwandlungen zur Verfügung. Die Abnahme des Schwundfaktors habe zu einer Zunahme der Studienplätze um etwa 5 geführt. Zur bereits für den Berechnungszeitraum 2018/19 vorgenommenen Absenkung des CAp von 7,5556 auf 7,5549 war in der Kapazitätsberechnung für 2018/19 ausgeführt worden, diese beruhe auf der neuen Studienordnung vom 29. September 2017.
Das Gericht hat der Antragspartei die Stellungnahme der LMU vom 11. Dezember 2019 samt der Kapazitätsberechnung übersandt und der Antragspartei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, insbesondere darzulegen, weshalb noch ein freier Studienplatz, an dessen Verteilung die Antragspartei zu beteiligen wäre, vorhanden sein sollte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere den vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst überprüften Datensatz für das Studienjahr 2019/20 Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Antragspartei muss demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Die Antragspartei hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin zum Studiengang Tiermedizin an der LMU nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2019/20 zugelassen zu werden.
Die Antragspartei hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Erfolg des Antrags würde voraussetzen, dass die im Wintersemester 2019/20 tatsächlich vorhandene Kapazität nicht, wie festgesetzt, 301 Studienplätze, sondern mindestens 313,51, aufgerundet 314 Studienplätze betragen hätte. Denn die Vergabe von 313 Studienplätzen ist als kapazitätsdeckend anzuerkennen; in dieser Zahl sind keine mehrfach beurlaubten Studierenden enthalten. Einwände gegen diese Annahme hat die Antragspartei nicht erhoben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die eingetretene Überbuchung auf anderen Gründen beruht hätte als auf dem Bestreben, die vorhandenen Studienplätze möglichst zügig zu besetzen.
Das Gericht hat im Rahmen seiner – auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestehenden – Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) die der Festsetzung der Zulassungszahl zugrundeliegende Kapazitätsberechnung angefordert und der Antragspartei – nebst der von der LMU hierzu abgegebenen Erläuterung und Stellungnahme – zugänglich gemacht. Einwände gegen einzelne in die Kapazitätsberechnung eingestellte Werte hat die Antragspartei nicht erhoben; es wurde auch nicht in rechnerisch nachvollziehbarer Weise vorgetragen, weshalb noch ein weiterer Studienplatz vorhanden sein sollte, an dessen Verteilung – nach den vom Gericht hierfür anzuwendenden Kriterien – die Antragspartei beteiligt werden müsste.
Das Gericht würde nur dann seine Aufklärungspflicht verletzten, wenn die Antrags- oder Klagepartei auf die Vornahme einer bestimmten Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte, das Gericht sie aber gleichwohl unterlassen hätte, oder aber, wenn das Gericht eine weitere Sachaufklärung unterlassen hätte, obwohl sie sich ihm auch ohne Hinwirken der Partei hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B. v. 6.3.2015 – 6 B 41/14 – juris Rn 26). Hingegen gibt es keine fallübergreifende, allgemeingültige Antwort auf die Frage, welchen Vortrag das Verwaltungsgericht vom Studienplatzkläger erwarten darf, bis es in eine Amtsprüfung eintritt oder die Darlegungslast der Hochschule auferlegt; dies hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (BVerwG, B. v. 6.3.2015 – 6 B 41/14 – juris Rn 30). Das bedeutet aber auch, dass das Gericht zu einer umfassenden Überprüfung der von der LMU der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde gelegten Kapazitätsberechnung auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung eines dem Art. 19 Abs. 4 GG genügenden Rechtsschutzes nicht verpflichtet ist. Hinsichtlich der inhaltlichen Nachprüfung von Kapazitätsberechnungen ist es vielmehr verfassungsrechtlich (nur) geboten, dass das Gericht auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von seinem Erkenntnis- und Erfahrungsstand ausgehend die gegebenen Begründungen nachvollzieht, Streitpunkten entsprechend dem Stand der Rechtsprechung und öffentlichen Diskussion nachgeht sowie die Einwände der Prozessbeteiligten würdigt (BVerfG, B. v. 22.10.1991 – 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85 – BVerfGE 85, 36, Rn 77). Dies ist hier im gebotenen Umfang geschehen. Dabei hat das Gericht keinen noch freien Studienplatz im streitgegenständlichen WS 2019/20 feststellen können.
Im vorliegenden Berechnungszeitraum hat sich das von der Lehreinheit erbrachte Gesamtdeputat, korrespondierend zu der geringfügigen Stellenmehrung (von 186,1 Stellen im Vorjahr auf 186,35 Stellen im aktuellen Berechnungszeitraum), von 1287,392 SWS im Vorjahr auf aktuell 1287,5 SWS, demnach um 0,108 SWS, erhöht. Da sich jedoch gegenüber dem Vorjahr der Abzug für Praktikumsbetreuung um 0,5736 (von 6,5582 auf 7,1318) deutlich erhöht, der KVA aber nur geringfügig (um 0,003) vermindert hat, wirkt sich diese Stellen- und Deputatserhöhung beim bereinigten Lehrangebot Sb nicht aus; dieses ist von 1001,7124 auf aktuell 1001,1418 abgesunken. Da der Umfang der Praktikumsbetreuung auf keiner von der LMU getroffenen, kapazitätsmindernden Entscheidung beruht, sondern sich an der von ihr nicht beeinflussbaren Zahl der Praktikanten orientieren muss, ist der Wert Sb so, wie errechnet, der Kapazitätsberechnung zu Grunde zu legen. Einwände hiergegen wurden auch von der Antragstellerseite nicht erhoben.
Die Reduzierung des CAp wirkt sich kapazitätsfreundlich aus. Dass sich die Studienplatzzahl trotz des geringeren bereinigten Lehrangebots Sb um 5 Studienplätze, von 296 Studienplätzen im Vorjahr auf aktuell 301 Studienplätze, erhöht hat, beruht auf dem geringeren und damit kapazitätsfreundlicheren Schwundfaktor (0,8792; Vorjahr: 0,8970).
Eine weitere Aufklärung einzelner in die Kapazitätsberechnung eingestellter Parameter musste sich dem Gericht nach dem oben Ausgeführten nicht aufdrängen.
Die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität des Studiengangs Tiermedizin mit 301 Studienplätzen ist nach der Formel II. der Anlage 5 zur HZV zutreffend erfolgt:
Ap = (2 x Sb)/CA x z p Ap = 1001,1418 x 2 = 2002,2836
: CA (= 7,5549)  265,0311
: SF (= 0,8792)  301,4457
gerundet 301 Studienplätze als jährliche Aufnahmekapazität für den Berechnungszeitraum 2019/20.
Da die Kapazität für das Wintersemester 2019/20 mit 301 Studienplätzen zutreffend festgesetzt wurde und durch die kapazitätsdeckende Vergabe von 313 Studienplätzen erschöpft ist, war der Antrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität ebenso abzulehnen wie ein etwa hilfsweise gestellter Antrag auf Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität. Ein etwa hilfsweise gestellter Antrag auf Zulassung zum vorklinischen Abschnitt oder auf einen Teilstudienplatz ist ebenfalls abzulehnen, weil der Studiengang einheitlich konzipiert ist.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO
Streitwert: §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei sich ein etwa gestellter Hilfsantrag auf Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität nach der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Gerichts nicht auf die Höhe des Streitwerts auswirkt, da es sich wirtschaftlich gesehen um denselben Streitgegenstand, den Anspruch auf Zulassung zum Studiengang Tiermedizin im WS 2019/20, handelt.


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