Verwaltungsrecht

5 B 32/22

Aktenzeichen  5 B 32/22

Datum:
20.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Halle (Saale) 5. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
Spruchkörper:
undefined

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 2. Februar 2022 gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte und der Untersagung des Betretens der JVA Halle vom 24. Januar 2022 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der am 2. Februar 2022 von der Antragstellerin beim beschließenden Gericht eingegangene Antrag,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 2. Februar 2022 gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte und der Untersagung des Betretens der JVA Halle vom 24. Januar 2022 wiederherzustellen,
hat Erfolg.
Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft. Widerspruch und Klage haben nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin gegen das mit Bescheid vom 24. Januar 2022 angeordnete Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sowie der Untersagung des Betretens der JVA Halle entfällt hier durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO.
Der Antrag ist zudem begründet.
Die aufschiebende Wirkung ist hier schon deshalb wiederherzustellen, weil es an der gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderlichen schriftlichen Begründung fehlt.
Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht soll den Betroffenen in die Lage versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zu der Anordnung veranlasst haben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen. Darüber hinaus soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob zusätzlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Aus diesen beiden Zwecken ergibt sich, dass das Erfordernis einer schriftlichen Begründung nicht nur formeller Natur ist, dem bereits genügt ist, wenn überhaupt eine Begründung vorhanden ist. Aus den von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verfolgten Zwecken folgen die inhaltlichen Anforderungen an die gebotene Begründung (vgl. VG Halle, Beschluss vom 26. August 2016 – 5 B 414/16 HAL – juris Rn. 25; OEufach0000000014, Beschluss vom 4. Oktober 2016 – 1 M 131/16 – juris).
Es bedarf einer schlüssigen konkreten Auseinandersetzung im Einzelfall unter substantiierter Darlegung der wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen, die zur Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung und damit zum Gebrauch der Anordnungsmöglichkeiten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO geführt haben (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2002 – 1 DB 2.02 -, juris Rn. 6). Die Behörde hat mit Blick auf die geschuldete Begründung auch in Rechnung zu stellen, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich ist, das über jenes Interesse hinausgehen muss, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Das für die sofortige Vollziehung erforderliche Interesse ist ein qualitativ anderes Interesse als das Interesse am Erlass und an der Durchsetzung des Verwaltungsaktes. Zur Begründung des besonderen Vollziehungsinteresses müssen deshalb regelmäßig andere Gründe angeführt werden, als sie zur Rechtfertigung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes herangezogen wurden. Formelhafte, allgemein gehaltene Wendungen und daher für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare oder auch bloß den Gesetzestext des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiedergebende Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich nicht. Da sich das Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes qualitativ von dem Interesse am Erlass und an der Durchsetzung des Verwaltungsaktes unterscheidet, darf sich die Begründung regelmäßig auch nicht auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt selbst tragenden Gründe beschränken (vgl. zum Ganzen Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Februar 2019, § 80 Rn. 247 [m. w. N.]; OEufach0000000014, Beschluss vom 30. März 2017 – 2 M 11/17 –, juris Rn. 6).
Die hier streitgegenständliche Anordnung des Sofortvollzuges mit Bescheid vom 24. Februar erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen nicht. Die Begründung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung ist nicht ausreichend. Der Antragsgegner hat nicht erkannt, dass die sofortige Vollziehung nur ausnahmsweise in Betracht kommt und eine Abwägung der Interessen der Allgemeinheit mit den privaten Interessen der Betroffenen erfordert. Dementsprechend hat er keine daran anknüpfenden Gesichtspunkte benannt, die im Streitfall die Veranlassung gegeben haben, den Eintritt des Suspensiveffektes zu verhindern (vgl. hierzu OEufach0000000014, Beschluss vom 4. Oktober 2016 a.a.O.). Die Ausführungen des Antragsgegners beschränken sich auf die Wiederholung der Gründe des Bescheides mit anderen Worten vom 24. Januar 2022 und die Feststellung, dass ein Widerspruch ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufschiebende Wirkung hätte. Das genügt den Anforderungen nicht.
Ausnahmsweise kann zwar auf die Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes Bezug genommen oder dürfen diese Erwägungen wiederholt werden, wenn sich aus der dortigen Begründung die besondere Dringlichkeit der sofortigen Vollziehung und die von der Behörde insoweit vorgenommene Interessenabwägung erkennen lässt (vgl. OEufach0000000014, Beschluss vom 2. Februar 2020 – 3 M 16/20 – juris, OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19. Juni 1991 – 4 M 43/91 – juris; VG Halle, Beschluss vom 26. August 2016 – 5 B 414/16 HAL – juris; OEufach0000000014, Beschluss vom 4. Oktober 2016 – 1 M 131/16 –, juris). So liegt der Fall hier aber nicht. Der Antragsgegner zeigt hier auch keine Umstände auf, die ein sofortiges Handeln erzwingen. Insbesondere wurde der Antragstellerin nur außerdienstlichen Verhalten zur Last gelegt; von innerdienstlichen Pflichtverletzungen ist dagegen nicht die Rede.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG. Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes bei einer Versetzung, die nicht unter die Regelung des § 52 Abs. 6 GKG fällt, keine genügenden Anhaltspunkte für eine Streitwertbemessung bietet, geht das Gericht vom sogenannten Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 € aus, der mit Rücksicht auf die Vorläufigkeit des gestellten Antrages um die Hälfte zu vermindern ist (vgl. OEufach0000000014, Beschluss vom 2. November 2011 – 4 L 144/11 – und Beschluss vom 1. August 2007 – 1 M 138/07 – jeweils juris).


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