Verwaltungsrecht

8 B 44/20

Aktenzeichen  8 B 44/20

Datum:
21.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:210621B8B44.20.0
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend VG Dresden, 13. Mai 2020, Az: 6 K 2870/16, Urteil

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 13. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Rechtsvorgänger des Klägers war Komplementär der S. KG. Sein Gesellschaftsanteil wurde, nachdem er die DDR ohne Beachtung der damaligen Meldevorschriften verlassen hatte, in staatliche Verwaltung genommen. 1972 wurde das Unternehmen, das nach der Fusion mit mehreren anderen Unternehmen als B. KG firmierte, in Volkseigentum überführt. Mit Bescheid vom 6. Mai 2005 übertrug der Beklagte dem Kläger den Gesellschaftsanteil seines Rechtsvorgängers zurück und stellte die Entschädigungsberechtigung der B. KG i.A. dem Grunde nach fest. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2016 setzte der Beklagte die Höhe der Entschädigung für das entzogene Unternehmen auf 132 424,60 € fest. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2018 als unzulässig abgewiesen. Mit Beschluss vom 27. November 2019 hat der Senat das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Mit dem nun vom Kläger angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage erneut abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
2
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
3
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Dies würde voraussetzen, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der – gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden – höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.
4
a) Der Kläger, der keine ausdrückliche Rechtsfrage formuliert hat, hält der Sache nach für klärungsbedürftig, ob § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG auch auf Fälle von Personenhandelsgesellschaften anzuwenden ist, denen ein Unternehmen entzogen worden ist. Diese Frage ist vom Bundesverwaltungsgericht bereits – verneinend – entschieden (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 – 5 C 8.12 – BVerwGE 147, 216 Rn. 23 ff. und vom 16. September 2004 – 3 C 32.03 – Buchholz 428.41 § 7 EntschG Nr. 1 S. 2 ff.). Erneuten oder weitergehenden Klärungsbedarf zeigt der Kläger nicht auf. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/04 u.a. – BVerfGE 102, 254) bestehen auch unter Berücksichtigung der vom Kläger mit der Beschwerde vorgebrachten Argumente keine ernsthaften Zweifel daran, dass der auf Bruchteils- und Erbengemeinschaften zugeschnittene § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG (vgl. BT-Drs. 12/4887 S. 36) mit der Verfassung und insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Vorschrift behandelt Bruchteils- und gesamthänderische Berechtigungen als gesonderte Vermögenswerte (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 – 3 C 35.04 – Buchholz 428.41 § 7 EntschG Nr. 3 S. 14) und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass der durch den Eingriff Betroffene nur hinsichtlich seines Anteils unmittelbar geschädigt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 a.a.O. S. 14 f.). Die Unanwendbarkeit der Vorschrift auf Personenhandelsgesellschaften (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 – 5 C 8.12 – BVerwGE 147, 216 Rn. 38) wird durch deren größere rechtliche Verselbständigung gerechtfertigt, die sie den juristischen Personen annähert. Sie können unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden (§ 124 Abs. 1 HGB und § 161 Abs. 2 HGB). Das rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung ihrer Gesellschafter etwa gegenüber den Mitgliedern ungeteilter Erbengemeinschaften.
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b) Der Kläger hält der Sache nach weiter für klärungsbedürftig, ob die in § 7 Abs. 1 EntschG vorgesehene Degression auch in Fällen angewendet werden darf, in denen der Staat am Träger eines zu entschädigenden Unternehmens beteiligt ist. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Sie ist ohne Weiteres auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation – bejahend – zu beantworten. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 7 EntschG, der insoweit nicht differenziert. Verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt dieses Ergebnis nicht, weil der entschädigungsberechtigte Unternehmensträger mit der staatlichen Beteiligung auch einen Anspruch auf Leistung einer der Größe der staatlichen Beteiligung entsprechenden Einlage erworben hat und die privaten Gesellschafter zudem nach § 6 Abs. 5c Satz 2 VermG verlangen können, dass die staatliche Beteiligung gelöscht oder auf sie übertragen wird. Nach den insoweit nicht wirksam gerügten Feststellungen der Vorinstanz wurde hier lediglich kein solcher Antrag gestellt.
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c) Die Revision kann schließlich nicht zur Klärung der Frage zugelassen werden, ob § 7 Abs. 1 EntschG verfassungsgemäß und insbesondere mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Willkürverbot vereinbar ist. Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht bereits bejaht (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/04 u.a. – BVerfGE 102, 254). Darüber hinausgehenden Klärungsbedarf legt der Kläger nicht substantiiert dar. Sein Vortrag, die von ihm aus dem Gesellschaftsvermögen zu erwartende Zahlung werde die vom Bundesverfassungsgericht bei Schädigungssummen bis 90 000 DM verlangte Mindestentschädigung unterschreiten, genügt dazu nicht. Gegenstand der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht war das Verhältnis der dem Berechtigten zugesprochenen Entschädigung zum Wert des entzogenen Vermögensgegenstandes – hier also das Verhältnis der dem Unternehmensträger zugesprochenen Entschädigung zum Wert des entzogenen Unternehmens, nicht jedoch die Entschädigungsquote, die sich bei der Verteilung des Vermögens des entschädigten Unternehmensträgers auf die einzelnen Gesellschafter ergibt (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 a.a.O. Rn. 245 ff.). Dass der dabei voraussichtlich auf den Kläger entfallende Betrag aus seiner Sicht nicht angemessen ist, folgt nach seinem eigenen Vorbringen unter anderem aus der festgestellten Höhe der – mangels Antrags der Gesellschafter nicht gelöschten – staatlichen Beteiligung sowie daraus, dass der Wert des früher zum Betriebsvermögen gehörenden, “weggeschwommenen” Grundstücks nicht in die Entschädigung eingeflossen sei. Beide Gesichtspunkte betreffen keine das Urteil des Verwaltungsgerichts tragenden Erwägungen zu § 7 Abs. 1 EntschG, sondern die in § 6 Abs. 5c, 6 und 6a VermG sowie § 4 Abs. 4 EntschG getroffenen Regelungen. Dazu arbeitet die Beschwerdebegründung jedoch keine bestimmten, grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen heraus. Dies gilt auch für ihren Einwand, die Lastenausgleichszahlung sei nicht dem Kläger, sondern seinem Rechtsvorgänger zugeflossen.
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2. Die vorgetragene “Abweichung” von höchstrichterlichen Entscheidungen wird, sofern sie im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu verstehen sein sollte, nicht in Bezug auf bestimmte divergenzfähige Entscheidungen substantiiert dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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3. Die Revision ist schließlich nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
9
a) Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht dadurch verletzt, dass es sich mit den vom Kläger auf Seite 19 bis 22 der Beschwerdebegründung benannten Umständen in seiner Urteilsbegründung nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichten das Gericht, das nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Verwaltungsgericht musste zu den vom Kläger benannten Umständen in seinen Urteilsgründen nicht ausdrücklich Stellung nehmen, weil es auf sie nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsansicht nicht ankam. Danach war insbesondere weder relevant, worauf das Restitutionsbegehren des Rechtsvorgängers des Klägers ursprünglich gerichtet war, noch, ob dem Rechtsvorgänger des Klägers der Besitz an einem früheren Grundstück der B. KG eingeräumt wurde und ob sein Rechtsvorgänger und er von den Mietern dieses Grundstücks für einen gewissen Zeitraum Mietzahlungen erhalten haben.
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Mit dem Vortrag, der im angegriffenen Urteil erwähnte Beschluss des Präsidiums des Ministerrats der DDR vom 9. Februar 1972 und der Feststellungsbescheid vom 10. April 1972 seien dem Kläger nicht bekannt, wird ebenfalls keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör dargetan. Es fehlt die Darlegung, dass der Kläger dadurch gehindert war, etwas Bestimmtes vorzutragen, das nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können. Nach dieser Rechtsauffassung bildeten die genannten Entscheidungen nur die Rechtsgrundlage der Enteignung, von der auch der Kläger ausgeht. Die von ihm in Zweifel gezogene Höhe der staatlichen Beteiligung und die von ihm ebenfalls bezweifelte Zahlung der staatlichen Einlagen hat das Verwaltungsgericht nicht diesen Entscheidungen entnommen, sondern im Tatbestand unabhängig davon festgestellt.
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b) Die vom Kläger erhobenen Aufklärungsrügen (§ 86 Abs. 1 VwGO) greifen ebenfalls nicht durch. Bezüglich der Höhe der staatlichen Beteiligung und der Einlagenzahlung ist nicht substantiiert dargetan, welche Aufklärungsmaßnahmen sich dem Verwaltungsgericht auch ohne förmlichen Beweisantrag des bereits in der Vorinstanz anwaltlich vertretenen Klägers hätten aufdrängen müssen, welches Ergebnis sie gehabt hätten und inwieweit dies zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können. Unsubstantiiert ist auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung dadurch verletzt, dass es nicht ermittelt hat, auf welcher rechtlichen Grundlage dem Kläger der seinem Rechtsvorgänger zunächst eingeräumte Besitz an einem früheren Grundstück der B. KG wieder entzogen wurde. Der Kläger hat schon nicht dargelegt, dass es nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts für den streitgegenständlichen Entschädigungsanspruch auf diese Frage ankommt.
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c) Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen, greift ebenfalls nicht durch.
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Ein solcher Mangel liegt nicht schon vor, weil es den vorübergehenden Grundstücksbesitz und dessen Verlust nicht ausdrücklich im Tatbestand des Urteils wiedergegeben hat. Dazu war es nicht verpflichtet, weil es nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsansicht auf diese Umstände nicht ankam.
14
Ebenso wenig hat das Verwaltungsgericht den Überzeugungsgrundsatz verletzt, weil es in seinen Entscheidungsgründen nicht darauf eingegangen ist, ob der auf 861 000 M/DDR erhöhte staatliche Anteil an der B. KG tatsächlich eingezahlt wurde. Gleiches gilt für den vom Kläger gerügten Prüfungsumfang hinsichtlich der Entschädigungsberechnung. Insoweit liegt weder eine selektive Beweiswürdigung noch ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO vor, der verlangt, in den Urteilsgründen die das Urteil tragenden tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiederzugeben (BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juni 2009 – 9 B 23.09 – juris Rn. 3 und vom 18. Oktober 2006 – 9 B 6.06 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 66 Rn. 24). Auf die Frage der Einzahlung des staatlichen Anteils musste das Verwaltungsgericht nicht näher eingehen, weil sie für die Berechnung der Entschädigung nach seiner Rechtsauffassung unerheblich war. Hinsichtlich der Berechnung der Entschädigungshöhe genügt das angegriffene Urteil ebenfalls den Anforderungen des Überzeugungsgrundsatzes. Es legt die einzelnen Berechnungsschritte unter Anwendung der von ihm herangezogenen Rechtsnormen auf der Grundlage der im angegriffenen Bescheid angenommenen Beträge nachvollziehbar dar. Die materiell-rechtliche Richtigkeit dieser Rechtsanwendung kann nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.


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