Verwaltungsrecht

Abberufung aus dem Ehrenamt des Kreisbrandmeisters

Aktenzeichen  W 1 K 20.1003

Datum:
19.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 688
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayFwG Art. 19 Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

Die Abberufung eines Kreisbandmeisters (Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BayFwG) ist aus sachlichen Gründen möglich. Ein solcher Grund liegt in einem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Kreisbrandrat und Kreisbrandmeister, unabhängig davon, wer die Vertrauenskrise herbeigeführt hat. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 30. Juni 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BayFwG kann der Kreisbrandrat im Benehmen mit dem Landratsamt einen Kreisbrandmeister jederzeit abberufen. Der Abberufungsbescheid stellt dabei einen Verwaltungsakt dar (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2014 – 10 BV 13.1151 -, Rn. 22, juris).
Der angegriffene Abberufungsbescheid ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
I.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
Gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Behörde kann den Beteiligten eine angemessene Frist setzen. Die Angemessenheit der Anhörungsfrist richtet sich nach dem Einzelfall und unterliegt der Nachprüfung durch die Gerichte. Zu berücksichtigen bei der Länge der Frist ist etwa, ob sich der Beteiligte durch Sachverständige beraten lassen muss, der Umfang und die Schwierigkeit der Sache, sowie die Sachkunde und Erfahrenheit der Beteiligten (BeckOK VwVfG/Herrmann, 48. Ed. 1.7.2020, VwVfG § 28 Rn. 19). Vorliegend datiert das Schreiben an den Kläger vom 22. Juni 2020, übergeben wurde es dem Kläger am 23. Juni 2020, und gewährte ihm eine Frist zur Stellungnahme bis zum 29. Juni 2020. Innerhalb dieser Frist ging eine Stellungnahme des Klägerbevollmächtigten bei dem Beklagten ein. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Frist zu kurz bemessen war. Zwar beruft sich der Kläger pauschal auf die Komplexität des Falles. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass etwa der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache vorliegend eine längere Anhörungsfrist als die gesetzte 6-Tages-Frist bedurft hätte. Im Übrigen wäre eine Verletzung von Art. 28 BayVwVfG auch unbeachtlich, da die erforderliche Anhörung zumindest bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt wurde, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG. Eine solche Nachholung ist hier bereits dadurch erfolgt, dass der Kläger in der Klagebegründung zur Streitsache ausführlich Stellung genommen hat und der Beklagte seine Entscheidung aber gleichwohl aufrechterhalten hat (BayVGH, U.v. 25.11.2014 – 10 BV 13.1151 -, Rn. 22, juris).
Der Bescheid enthält auch eine ausreichende Begründung. Gem. Art. 39 BayVwVfG muss ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung versehen werden, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Mitzuteilen sind nach Art. 39 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Damit sind nicht alle Angaben erforderlich, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des VA in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig wären. Anzugeben sind vielmehr die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist. Diese tragenden Gründe sind in jedem Fall, vorbehaltlich der Ausnahmen nach Art. 39 Abs. 2 BayVwVfG, mitzuteilen. Nicht erforderlich ist die Angabe weiterer Gründe als die für den Einzelfall entscheidenden, selbst wenn sie im Verfahren erörtert worden sind (Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 39 Rn. 45). Jeder Ermessens-Verwaltungsakt, für den keine Ausnahme nach Art. 39 Abs. 2 BayVwVfG gilt, muss nach Art. 39 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG zwingend die getroffenen tatsächlichen Feststellungen darlegen, die sich auf die Tatbestandsseite der Ermessensermächtigung beziehen. Ebenso sind zwingend die norminternen und normexternen gesetzlichen Grenzen des Ermessens darzustellen, die zu den rechtlichen Gründen gehören (Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 39 Rn. 56). Vorliegend erfolgte die Begründung zwar äußert knapp, sie lässt jedoch die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Abberufung erkennen, sodass kein Verstoß gegen Art. 39 BayVwVfG vorliegt. Aus der Begründung des Kreisbrandrates wird ersichtlich, dass er die Abberufung vornimmt, da er das Vertrauensverhältnis als zerstört ansieht, sodass er eine weitere Zusammenarbeit nicht für möglich hält und beruft sich dabei auf Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BayFwG. Zudem wäre eine Verletzung der Formvorschrift auch gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG unbeachtlich, da die erforderliche Begründung zumindest nachträglich bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch den Beklagten im Rahmen der umfangreichen Klageerwiderung nachgeholt wurde, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG.
Des Weiteren wurde auch das nach Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BayFwG erforderliche Benehmen mit dem Landratsamt hergestellt. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BayFwG kann der Kreisbrandrat einen Kreisbrandmeister im Benehmen mit dem Landratsamt jederzeit abberufen. Dies bedeutet nicht, dass das Einverständnis des Landratsamts erforderlich wäre (BayVGH, U.v. 29.3.1995 – 4 B 94.2653, BeckRS 1995, 14105 – beck-online). Er muss nur das Landratsamt anhören und die Anregungen des Landratsamtes bei seiner Entscheidung mit in seine Überlegungen einbeziehen. Er kann sich aber auch gegen die Äußerungen des Landratsamtes entscheiden. Die Forderung des Gesetzes, die Entscheidung im Benehmen mit dem Landratsamt zu treffen, stellt aber sicher, dass der Kreisbrandrat nicht aus rein persönlichen Gründen willkürlich entscheidet, da die Stellungnahme des Landratsamtes vom Kreisbrandrat in der Regel nur übergangen werden kann, wenn hierfür schwerwiegende sachliche Gründe gegeben sind (Forster/Pemler/Remmele, Bayerisches Feuerehrgesetz, Band 1 45. Lieferung, Oktober 2019 Art. 19 Rn. 60 iVm Rn. 44f.). Eine solche Anhörung des Landratsames hat vorliegend ausweislich des in den Akten enthaltenen Aktenvermerks vom 15. Juni 2020 stattgefunden. Das Landratsamt sicherte dem Kreisbrandrat dabei seine Unterstützung bei der Abberufung zu.
II.
Der Abberufungsbescheid erweist sich auch als materiell rechtmäßig. Die Abberufung gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BayFwG ist immer möglich, soweit hierfür sachliche Gründe gegeben sind. Ein sachlicher Grund ist etwa ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Kreisbrandrat und Kreisbrandmeister. Hierbei ist nicht entscheidend, wer die Vertrauenskrise herbeigeführt hat (vgl. BayVGH, U.v. 29.3.1995 – 4 B 94.2653, BeckRS 1995, 14105, beck-online; Oehler/Wagner/Enders/Forster a.a.O. RdNr. 44 zu Art. 19). Die insoweit „starke“ Stellung des Kreisbrandrats und die ihm gegenüber vergleichsweise „schwache“ Stellung des Kreisbrandmeisters rührt daher, dass das Amt des Kreisbrandrats in Art. 19 Abs. 1 BayFwG klar umrissen ist und der Kreisbrandrat nach Art. 19 Abs. 2 BayFwG von den Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehren und den Leitern der Werkfeuerwehren gewählt ist. Der Kreisbrandmeister dagegen wird vom Kreisbrandrat zu dessen Unterstützung bestellt. Seine Aufgaben sind von denen des Kreisbrandrats abgeleitet. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kreisbrandrat und Kreisbrandmeister ist im Interesse der Funktionsfähigkeit der Feuerwehr erforderlich. Ist das Vertrauensverhältnis gestört, wie es immer wieder z.B. aufgrund unterschiedlicher Auffassungen in der Sache – ohne dass hierbei Verschulden vorliegen muss – vorkommen kann, so muss die Zusammenarbeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der Feuerwehr gelöst werden können. Gerade im Feuerlösch- und Rettungswesen gibt es immer wieder Situationen, bei denen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kreisbrandrat und Kreisbrandmeister entscheidend ist. Deshalb ist im Verhältnis zwischen beiden besonderen Führungsdienstgraden schon ein gestörtes Vertrauensverhältnis ein ausreichender Abberufungsgrund. Das Gesetz hat dies aus den dargestellten Gründen so geregelt, dass der Kreisbrandrat in diesem Fall im Amt bleibt, er aber die Möglichkeit hat, den Kreisbrandmeister abzuberufen (BayVGH, U.v. 29.3.1995 – 4 B 94.2653, BeckRS 1995, 14105, beck-online). Die fachliche Kompetenz des Klägers als Kreisbrandmeister steht seiner Abberufung – wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist – nicht entgegen (BayVGH, U.v. 29.3.1995 – 4 B 94.2653).
Von dieser Möglichkeit wurde vorliegend Gebrauch gemacht. Der Kreisbrandrat hat die Abberufung vorgenommen, da aus seiner Sicht ein zerstörtes Vertrauensverhältnis vorliegt. Da es unbeachtlich ist, aus wessen Sphäre und aus welchem Grund die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses vorliegt, dringt der Kläger mit dem Argument, es habe keine fachlichen Differenzen gegeben und die Zerstörung beruhe allein auf privaten Angelegenheiten, nicht durch. Auch ist es aufgrund dessen nicht erforderlich, das jeweilige Fehlverhalten von Kläger und Beklagtem im Detail in den Blick zu nehmen. Vielmehr ist vor dem Hintergrund sowohl der Ausführungen der Beklagtenseite als auch der Ausführungen der Klägerseite hinsichtlich des zeitlichen Geschehens ab ca. Januar 2019 nachvollziehbar, dass der Kreisbrandrat das Vertrauensverhältnis als zerstört ansieht. Der Kläger kann mit dem bereits vor dem Hintergrund der Erstellung des Gutachtens zweifelhaften Argument, er sehe das Vertrauensverhältnis nicht als zerstört an, nicht gehört werden. Allein maßgeblich ist, dass aus Sicht des Kreisbrandrates, der sich auf den Kreisbrandmeister verlassen können muss, das Vertrauensverhältnis zerstört ist. Dies ist vorliegend der Fall.
Auch sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BayFwG ist als Ermessensnorm ausgestaltet. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass es im freien Ermessen des Kreisbrandrats steht, ob und wann er einen Kreisbrandmeister abberuft. Das Ermessen des Kreisbrandrats ist nur begrenzt durch das Verbot willkürlich zu entscheiden (Forster/Pemler/Remmele, Bayerisches Feuerehrgesetz, Band 1 45. Lieferung, Oktober 2019 Art. 19 Rn. 60 iVm Rn. 44f.). Eine willkürliche Entscheidung ist vorliegend nicht gegeben, vielmehr beruhte die Abberufung auf einem sachlichen Grund, der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses. Durch die Benennung dieses Umstandes im streitgegenständlichen Bescheid wurde das Ermessen in ausreichender Weise ausgeübt und begründet. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kreisbrandrat den Vertrauensverlust einseitig und willkürlich herbeiführte. Vielmehr zeigt sich an den vom Kläger und Beklagten aufgezeigten zeitlichen Verlauf, dass es bereits seit längerem zu Differenzen zwischen ihnen gekommen ist, ohne dass ersichtlich wird, dass diese lediglich einseitig herbeigeführt wurden. Dass der Beklagte es planmäßig auf eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses anlegte, um den Kläger abberufen zu können, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist auch nicht, entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten, ein milderes Mittel in konstruktiven Gesprächen zu sehen. Im Interesse der Funktionsfähigkeit der Feuerwehr – welche von wesentlicher Bedeutung ist – ist es erforderlich, dass eine „schnelle“ Lösung gefunden wird. Zudem halten die Differenzen zwischen dem Kläger und dem Beklagten schon längere Zeit an, ohne dass ersichtlich ist, dass etwaige Gespräche zwischen den Beteiligten trotz des langen Zeitraums der Differenzen zum Erfolg geführt hätten.
III.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.


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