Verwaltungsrecht

Abgewiesene Zulassung zum Studium der Zahnmedizin (WS 2019/2020)

Aktenzeichen  W 7 E 19.20094, W 7 E 19.20103, W 7 E 19.20104, W 7 E 19.20105, W 7 E 19.20106

Datum:
2.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 40327
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Zulassungszahlsatzung 2019/2020
VwGO § 123
ZPO § 920 Abs. 2
HZV § 39 Abs. 2 S. 1, § 43, §§ 51 ff., § 56

 

Leitsatz

1. Die jährliche Aufnahmekapazität für den Studiengang Zahnmedizin ist erschöpft. Sie wird gem. §§ 43 ff. HZV aufgrund des Lehrangebots unter Anwendung des Curricularnormwertes (CNW) nach Formel 5 der Anlage 5 zur HZV ermittelt und gem. § 56 HZV anhand der klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin überprüft, dessen Grenzwert mit 0,67 klinische Behandlungseinheiten für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde je Studierender oder Studierenden anzusetzen ist (BeckRS 2016, 42622). (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Behandlungseinheiten sind nur solche, die für die studentische Ausbildung der Zahnbehandlung oder -erhaltung objektiv geeignet sind und diesem Zweck dienen. Nicht dazu zählen Behandlungseinheiten, in denen schweren Erkrankungsfälle behandelt werden. Auch die Behandlungseinheiten der Kieferorthopädie sowie der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie ist nicht anzurechnen (BeckRS 2017, 120263). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die so ermittelte jährliche Aufnahmekapazität ist durch den Ansatz einer Schwundquote gemäß § 51 Abs. 3 Nr. 3 HZV bis zum Eintritt des ausstattungsbezogenen Engpasses im siebten Fachsemester zu erhöhen (BVerwGE 70, 318). (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Teilzulassungen sind im Studiengang Zahnmedizin nicht möglich, da nicht zwischen einem vorklinischen und einem klinischen Studienabschnitt unterschieden wird (BeckRS 2010, 54275). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Die Antragsteller haben jeweils die Kosten ihres Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird für jedes Verfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren ihre (einstweilige) Zulassung zum Studium der Zahnmedizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im ersten Fachsemester nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2019/2020. Die Zahl der an der JMU im Studienfach Zahnmedizin aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahl) ist für das erste Fachsemester auf 52 Studierende festgesetzt worden (§ 1 der Satzung über die Festsetzung der Zulassungszahlen der im Studienjahr 2019/2020 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie im höheren Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber – Zulassungszahlsatzung 2019/2020 – vom 8.7.2019). Insgesamt beträgt die festgesetzte Zulassungszahl 456.
Nach einer Aufstellung der JMU sind mit Stand vom 11. November 2019 (vier Wochen nach Vorlesungsbeginn) im ersten Fachsemester des Studiengangs Zahnmedizin 52 Studierende eingeschrieben; Beurlaubungen wurden nicht gewährt.
Die Antragsteller halten die Aufnahmekapazität mit den festgesetzten Zulassungszahlen und der Zahl der vergebenen Studienplätze für nicht ausgeschöpft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschriften Bezug genommen.
Sie lassen ausdrücklich oder sinngemäß beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, sie zum Studium der Zahnmedizin an der JMU nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2019/2020 im ersten Fachsemester einstweilen zuzulassen, falls nach den Verteilungskriterien des Gerichts ein Studienplatz auf sie entfällt, hilfsweise beschränkt auf den vorklinischen Studienabschnitt.
Der Antragsgegner lässt beantragen,
die Anträge abzulehnen.
Auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten des Antragsgegners wird Bezug genommen.
II.
1. Die zulässigen Anträge sind nicht begründet, denn das Gericht hält es nicht für glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), dass im Wintersemester 2019/2020 an der JMU über die vergebenen Studienplätze hinaus noch weitere freie Studienplätze im Studiengang Zahnmedizin verfügbar sind.
Maßgebend für die rechtliche Überprüfung der Aufnahmekapazität der Lehreinheit Zahnmedizin ist die aufgrund Art. 8 des Bayer. Hochschulzulassungsgesetzes (BayHZG) erlassene Hochschulzulassungsverordnung – HZV – vom 18. Juni 2007, GVBl. S. 401, zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. April 2018, GVBl. S. 277.
Die Aufnahmekapazität dieser Lehreinheit wird – wie bei jeder anderen Lehreinheit auch – als jährliche Kapazität (§ 39 Abs. 2 Satz 1 HZV) nach den Regeln der §§ 43 ff. HZV aufgrund der personellen Ausstattung (das sog. Lehrangebot) unter Anwendung des Curricularnormwerts (CNW) nach Formel 5 der Anlage 5 zur HZV ermittelt; dieses Ergebnis wird sodann anhand der Regeln der §§ 51 ff. HZV überprüft (ausstattungsbezogene Kapazität).
1.1 Unter Anwendung des Curricularnormwerts (CNW) nach Formel 5 der Anlage 5 zur HZV und der quantitativen Aufteilung des CNW auf die an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten hat die JMU ausweislich ihrer Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität einen Wert (Ap) von 96,6746 ermittelt. Bei Zugrundelegen eines Schwundausgleichsfaktors von 0,9123 (vgl. Blatt 2 der Berechnung der JMU) errechnen sich daraus 105,97 Studienplätze.
1.2 Gemäß § 56 Abs. 1 HZV ist dieses Berechnungsergebnis für den Studiengang Zahnmedizin anhand der klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin zu überprüfen, wobei als Grenzwert für die jährliche Aufnahmekapazität 0,67 klinische Behandlungseinheiten für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde je Studierender oder Studierenden anzusetzen ist. Es bestehen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Parameters. Die Kammer hält an ihrer in den Urteilen vom 4. März 2013 – W 7 K 10.10231 – juris – und vom 27. Juli 2015 – W 7 K 15.10068 u.a. – vertretenen Auffassung fest, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. B. vom 1.2.2016 – 7 ZB 15.10368 -, vom 21.10.2016 – 7 CE 16.10279 und 7 CE 16.10280 und vom 7.7.2017 – 7 CE 17. 10045 u.a.) bestätigt wurde.
Ausgehend von den seit 1. Oktober 2012 an der JMU vorhandenen 57 klinischen Behandlungseinheiten für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde errechnet sich eine jährliche Aufnahmekapazität von 85,07. Diese 57 Behandlungseinheiten sind solche, die für die Zahnbehandlung oder -erhaltung objektiv geeignet sind und auch nach der Organisation der Universität diesen Zwecken dienen. Nicht hinzu zu zählen sind damit die klinischen Behandlungseinheiten in den Räumen der (selbständigen) Abteilung für Parodontologie, weil sie nur für die Behandlung der für die studentische Ausbildung nicht geeigneten schweren Erkrankungsfälle verwendet werden. Die studentische Ausbildung in Parodontologie findet vielmehr ausschließlich an den klinischen Behandlungseinheiten der Zahnerhaltungskunde statt, die in die Kapazitätsberechnung eingeflossen sind. Auch die Behandlungseinheiten der Kieferorthopädie sowie der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sind nicht für die Berechnung heran zu ziehen, da es sich nicht um Behandlungseinheiten der Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 HZV handelt. Es kommt daher insbesondere nicht darauf an, ob die Behandlungsstühle der Parodontologie von der Ausstattung her für die studentische Ausbildung geeignet wären. Maßgeblich ist allein vielmehr die Frage, ob sie für die studentische Ausbildung im Fach Parodontologie erforderlich sind. Dies ist jedoch wie oben dargelegt nicht der Fall. Die JMU ist auch nicht verpflichtet, diese drei Behandlungseinheiten in solche für Lehrzwecke umzuwidmen (vgl. VG Würzburg, U.v. 4.3.2013 – W 7 K 10.10231 -juris; U.v. 27.7.2015 – W 7 K 15.10068 u.a.; BayVGH, B.v. 18.9.2012 – 7 CE 12.10145 u.a. unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 13.12.1984 – 7 C 92/82 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 19.11.2013 – 7 CE 13.10250; BayVGH, B.v. 2.5.2014 – 7 CE 14.10060 u.a.; BayVGH, B.v. 1.2.2016 – 7 ZB 15.10368 – und SächsOVG, B.v. 2.9.2010 – NC 2 B 58/09 – juris Rn. 39).
Das Ergebnis von 85,07 ist durch den Ansatz einer Schwundquote gemäß § 51 Abs. 3 Nr. 3 HZV bis zum Eintritt des ausstattungsbezogenen Engpasses im siebten Fachsemester zu erhöhen. Die JMU geht kapazitätsgünstig von einem Berechnungsergebnis von 103 aufgrund der klinischen Behandlungseinheiten aus. Denn ausgehend von dem von der JMU auf Blatt 2 ihrer Kapazitätsberechnung angegebenen Schwundausgleichsfaktor von 0,9123 errechnen sich (nur) 93,24 Studienplätze bei Berechnung nach klinischen Behandlungseinheiten, aufgrund der Berechnung der Schwundquote durch Multiplikation der Übergangsquoten (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2006 – 7 CE 06.10016 u.a. – juris) errechnen sich (85,07 : 0,8552 =) 99,47 Studienplätze.
Im Übrigen folgt das Gericht im Hinblick auf die Berechnung der Schwundquote bei die Kapazität bestimmenden Engpässen der Auffassung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 25. November 2013 (7 CE 13.10315), wonach der Beschluss vom 10. August 2006 (7 CE 06.10016 u.a.) nur den Schwund zwischen dem ersten Fachsemester und dem regelmäßigen Beginn der klinischen Ausbildung im Studiengang Zahnmedizin im siebten Fachsemester betreffe. Der folgende Schwund werde nicht berücksichtigt (so auch BVerwG U.v. 13.12.1984 – 7 C 3/83 u.a. – BVerwGE 70, 318 und U.v. selben Tag – 7 C 92/82 – juris). Ein Ausgleich über einen ganzen Studienabschnitt hinweg sei in einem durch einen Ausstattungsengpass geprägten Kurs nicht möglich (Flaschenhalsprinzip). Es könnten nicht zu Anfang des Kurses deshalb mehr Studenten aufgenommen werden, weil am Ende einige davon nicht mehr teilnehmen würden. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG U.v. 13.12.1984 – 7 C 3/83 – u.a. BVerwGE 70, 318 f. – juris). Diese Entscheidung sei zwar mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Oktober 1991 (1 BvR 393/85 u.a. – BVerfGE 85, 36) aufgehoben worden, jedoch seien diese Erwägungen (also die zur Berechnung der Schwundquote beim kapazitätsbestimmenden Engpass) davon nicht betroffen. Das Bundesverfassungsgericht trifft in dieser Entscheidung keine Aussagen zum Schwundausgleich.
§ 56 Abs. 2 HZV regelt, dass, wenn die Berechnungsergebnisse nach Absatz 1 (93 bzw. 99 Studienplätze) und nach den §§ 43 bis 50 (106 Studienplätze) voneinander abweichen, der Festsetzung der Zulassungszahl der niedrigste Wert zugrunde zu legen ist. Danach hat die JMU für das Studienjahr 2019/2020 kapazitätsgünstig 103 Studienplätze festgesetzt, von denen 52 auf das Winter- und 51 auf das Sommersemester entfallen.
Die somit auf 52 Studierende festgesetzte Kapazität ist aber mit 52 eingeschriebenen Studierenden ausgeschöpft, weshalb die Anträge auf Zulassung zum ersten Fachsemester abzulehnen waren.
1.3 Auch eine Teilzulassung bis zum Abschluss der zahnärztlichen Vorprüfung kommt nicht in Betracht, da es im Studiengang Zahnmedizin (im Unterschied zur Humanmedizin) keine kapazitätsrechtlich zu beachtende Unterscheidung zwischen einem vorklinischen und einem klinischen Studienabschnitt gibt und es deshalb auch nicht zu einer Vergabe von „Teilstudienplätzen“ kommen kann (vgl. BayVGH vom 11.7.2011 Az. 7 CE 11.10096 u.a. – juris – Rn. 14; BayVGH vom 21.7.2009 Az. 7 CE 09.10090 – juris – Rn. 27).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG.


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