Verwaltungsrecht

Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis

Aktenzeichen  Au 1 S 20.260

Datum:
23.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14533
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StPO § 154 Abs. 1
AufenthG § 5 Abs. 1, § 18 Abs. 2 Nr. 1, § 54 Abs. 2 Nr. 1, § 58 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BeschV § 26 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … 1983 geborene Antragsteller ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er wendet sich gegen die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Er reiste am 3. Dezember 2017 mit einem Visum zur Arbeitsaufnahme in die Bundesrepublik D. ein. Das Visum galt nur zur Arbeitsaufnahme als Fliesenleger bei einem Betrieb in …. Am 12. Februar 2018 erteilte ihm das Landratsamt … eine Aufenthaltserlaubnis, die bis zum 11. Februar 2019 befristet war. Die Aufenthaltserlaubnis enthielt die Nebenbestimmung, dass eine Beschäftigung nur als Fliesenleger bei dem näher bezeichneten Betrieb in … erlaubt sei. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 31. März 2018 gekündigt. Am 24. Mai 2018 schloss der Antragsteller mit einer Firma in … einen Arbeitsvertrag für eine Tätigkeit als Pflasterer und beantragte am 5. Juli 2018 die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Ihm wurde eine Fiktionsbescheinigung erteilt, die ursprünglich bis zum 4. Januar 2019 gültig war und in der Folgezeit verlängert wurde, zuletzt bis zum 16. Januar 2020. Am 10. Juli 2019 schloss der Antragsteller mit einer Firma in … einen Arbeitsvertrag für eine Beschäftigung als Eisenflechter. Am 3. Dezember 2019 schied er aus dieser Firma aus.
Seit dem 31. Januar 2020 ist der Antragsteller im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung.
Mit Urteil des Amtsgerichts … vom 9. Oktober 2019 wurde der Antragsteller wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Sachbeschädigung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Am 2. März 2018 entwendete er zusammen mit einem Mittäter aus einem Pfandrückgabeautomaten, den sie zuvor geöffnet hatten, Bargeld im Wert von 50,00 EUR sowie Pfandchips im Wert von 50,00 EUR. Dabei beschädigten sie das Schloss des Pfandautomaten. Im Anschluss riss der Antragsteller die in dem Automaten befindliche Überwachungskamera aus ihrer Halterung und beschädigte sie dadurch. Der durch die Tat verursachte Sachschaden an der Kamera und am Schloss betrug 389,00 EUR. Im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht zu Gunsten des Antragstellers, dass dieser geständig war und sich einsichtig zeigte. Zudem sei er bislang noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zu seinen Lasten gewichtete es den hohen Schaden und seine aktive Rolle bei der Sachbeschädigung.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2020 lehnte die Antragsgegnerin den am 5. Juli 2018 gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1). In Ziffern 2 und 3 setzte sie ihm eine Ausreisefrist von 14 Tagen und drohte die Abschiebung in die Republik Kosovo an. Es liege ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vor, da der Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei. Deshalb könne in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt sei vorliegend nicht erkennbar. Der Antragsteller halte sich erst seit Dezember 2017 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er könne zwar Zeiten der Beschäftigung nachweisen, habe jedoch wiederholt die Arbeitsstelle wechseln müssen und könne nur geringe deutsche Sprachkenntnisse vorweisen. Er habe den weitaus größten Teil seines Lebens in seiner Heimat verbracht, so dass ihm eine Rückkehr zumutbar sei.
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2020 ließ der Antragsteller hiergegen Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Au 1 K 20.257). Zudem stellte er einen Eilantrag. Der Antragsteller sei zu Unrecht wegen des Diebstahls verurteilt worden, da er hieran nicht beteiligt gewesen sei. Er habe sich lediglich mit den Tätern im gleichen Raum aufgehalten und aus Angst davor, zu Unrecht beschuldigt zu werden, die angebrachte Kamera beschädigt. Er sei beim Strafgericht nicht anwaltlich vertreten gewesen und habe sich nicht ausreichend verteidigen können. Da er die Kamera beschädigt habe, habe er die Strafe akzeptiert, ohne die ausländerrechtlichen Konsequenzen zu kennen. Ansonsten wäre er gegen die Verurteilung vorgegangen. Die Antragsgegnerin sei an die Feststellungen des Strafgerichts nicht gebunden und könne den Sachverhalt abweichend würdigen. Weitere Gründe für die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lägen nicht vor. Für ein Abweichen von der Regelerteilungsvoraussetzung spreche, dass der Antragsteller im Jahr 2017 seine Lebensgrundlage in seinem Heimatland aufgegeben habe und nach Deutschland eingereist sei, um hier ein neues Leben aufzubauen. Er habe hier überwiegend gearbeitet und ein Arbeitgeberwechsel sei der Insolvenz eines früheren Arbeitgebers geschuldet gewesen. Dem Antragsteller werde bei Versagung der Aufenthaltserlaubnis jegliche Lebensgrundlage entzogen und er stünde im Heimatland vor dem Nichts. Auch laufe die sogenannte Westbalkanregelung Ende 2020 aus, so dass er keine Möglichkeit zu einer Rückkehr habe. Bei der Straftat des Antragstellers handle es sich nur um einen vereinzelten Verstoß, der nunmehr fast zwei Jahre zurückliege.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es gebe keinen Anlass, von den Feststellungen und der Beurteilung des Amtsgerichts abzuweichen. Das Ausweisungsinteresse sei auch weiterhin aktuell. Selbst bei Annahme eines Entfallens des spezialpräventiven Interesses sei der Aspekt der Generalprävention von Bedeutung. Allerdings seien spezialpräventive Gründe gegeben. Der zwischen Tat und Verurteilung liegende Zeitraum von etwas mehr als eineinhalb Jahren spreche nicht gegen die Spezialprävention. Zudem sei gegen den Antragsteller auch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ermittelt und das Verfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden. Nach einem etwa zweijährigen Aufenthalt ohne tiefere Verfestigung sei nichts ersichtlich, was die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigen könnte.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Gegenstand des vorliegenden Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist die Ablehnung des Antrags des Antragstellers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 30. Januar 2020, die gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist. Zudem wendet er sich gegen die in Ziffern 2 und 3 des Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung, die als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung ebenfalls von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG).
2. Der zulässige Antrag ist unbegründet, da überwiegende Interessen des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nicht gegeben sind.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können.
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessensabwägung vorliegend zu Ungunsten des Antragstellers aus. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sowie der Abschiebungsandrohung. Die diesbezüglich in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos sein. Überwiegende Interessen des Antragstellers, die gleichwohl eine Entscheidung zu seinen Gunsten rechtfertigten, sind nicht erkennbar.
a) Grundlage des Anspruchs des Antragstellers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ist § 18 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 26 Abs. 2 Satz 1 der Beschäftigungsverordnung (BeschV). Hiernach kann Staatsangehörigen verschiedener Staaten, zu denen auch die Republik Kosovo gehört, in den Jahren 2016 bis einschließlich 2020 ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden. Neben den dort näher genannten Voraussetzungen müssen auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG gegeben sein.
b) Im vorliegenden Fall fehlt nach Aktenlage bereits ein konkretes Arbeitsplatzange bot, das gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG Voraussetzung für die Verlängerung des Aufenthaltstitels ist. Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Arbeitszeugnis der … Firma, bei welcher er zuletzt als Eisenflechter beschäftigt war, ergibt sich, dass er zum 3. Dezember 2019 aus der Firma ausgeschieden ist. Einen neuen Arbeitsvertrag hat er nicht vorgelegt, so dass es bereits an einem Arbeitsvertrag fehlt, dem die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt haben müsste.
c) Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da die allgemeinen Erteilungsvo raussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG vorliegend nicht erfüllt sind. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG liegt ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vor, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist. Dies ist beim Antragsteller der Fall. Dabei stellt die Vorschrift allein auf eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung ab. Ihre Anwendung erfordert daher keine Prüfung, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat (BVerwG, B.v. 24.2.1998 – 1 B 21/98 – juris Rn. 4). Indem es eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt, will das Gesetz sicherstellen, dass die behördliche Beurteilung der vom Antragsteller ausgehenden Gefahren auf eine tragfähige Grundlage gestützt wird. Das gerichtliche Strafverfahren, in dem der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und im Zweifel zu Gunsten des Betroffenen zu entscheiden ist, bietet dafür eine besondere Gewähr.
Daraus folgt, dass grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgegangen werden kann. Die Ausländerbehörde ist an die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zwar rechtlich nicht gebunden, darf diese Feststellungen ihrer Entscheidung aber in der Regel zugrunde legen. Eine Ausnahme wäre allenfalls dann zu machen, wenn für die Ausländerbehörde ohne weiteres erkennbar wäre, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht (BVerwG, U.v. 24.2.1998, a.a.O., Rn. 4). Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
Unter Zugrundelegung der strafrechtlichen Verurteilung des Antragstellers wegen gemeinschaftlichen Diebstahls und gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten liegt sowohl ein spezialpräventives als auch ein generalpräventives Ausweisungsinteresse vor. Der Antragsteller ist bereits 15 Monate nach seiner Einreise straffällig geworden. Allein die Tatsache, dass er bis zu seiner Verurteilung im Oktober 2019 und danach nicht erneut strafbar geworden ist, beseitigt die aufgrund der Begehung der Straftat anzunehmende Wiederholungsgefahr nicht. Auch weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass der Antragsteller keinerlei schützenswerte Bindungen im Bundesgebiet hat. Er befindet sich erst seit rund zwei Jahren in Deutschland und hat den wesentlichen Teil seines Lebens in der Republik Kosovo verbracht. Zwar trägt er vor, seine wirtschaftliche Existenz dort aufgegeben zu haben. Jedoch ist davon auszugehen, dass er so weit mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist, dass es ihm gelingen wird, sich erneut eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dies gilt umso mehr, als die wirtschaftliche Integration in Deutschland bisher nicht vollständig geglückt ist. Der Antragsteller hat zwar während seines Aufenthalts nie Sozialleistungen bezogen. Er war jedoch in den rund zwei Jahren seiner Anwesenheit im Bundesgebiet bei drei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt und kann damit keinen längeren Beschäftigungszeitraum bei demselben Arbeitgeber vorweisen.
3. Grundlage der Abschiebungsandrohung ist § 59 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Hiernach ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar und die Ausreisefrist abgelaufen sind. Dies ist vorliegend der Fall.
4. Im Rahmen der Interessensabwägung ist den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung der Vorrang einzuräumen vor den privaten Interessen des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Er hält sich erst seit rund zwei Jahren im Bundesgebiet auf und hat den Großteil seines Lebens in seinem Heimatland verbracht. Selbst wenn er sämtliche Bindungen dort abgebrochen hat, ist davon auszugehen, dass genügend familiäre und soziale Anknüpfungspunkte im Kosovo vorhanden sind, um die erste Zeit nach einer Rückkehr bis zum Wiederaufbau einer wirtschaftlichen Existenz überbrücken zu können. Rechtlich geschützte Bleibeinteressen des Antragstellers im Bundesgebiet, insbesondere das Bestehen familiärer Bindungen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage im § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern
 


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