Verwaltungsrecht

Ablehnung des Zweitantrags als unzulässig

Aktenzeichen  M 21 S 18.31077

Datum:
11.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9373
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2c
AsylG § 71a

 

Leitsatz

In einem Zweitantragsverfahren obliegt es dem Bundesamt, den negativen Abschluss des Erstverfahrens im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu belegen. Die Feststellung hierzu muss auf einer hinreichenden Tatsachenbasis beruhen, wobei die Auskunft des Drittstaates (hier der Schweiz) genügt, dass ein Asylverfahren des Antragstellers erfolglos abgeschlossen worden ist.  (Rn. 27 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben ein lediger, in Aba geborener Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria.
Er stellte am 6. Februar 2017 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (kurz: Bundesamt) in München einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags gab der Antragsteller am 6. Februar 2017 gegenüber dem Bundesamt insbesondere an, er habe insbesondere in der Schweiz internationalen Schutz beantragt. Neue Gründe und Beweismittel, die nicht in dem früheren Verfahren geltend gemacht worden seien und die ein neues Asylverfahren rechtfertigten, habe er nicht.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in München am 6. Februar 2017 gab der Antragsteller insbesondere an, keine Medikamente zu nehmen und sich auch nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden. Er äußerte sich zu seinem Verfolgungsschicksal, indem er insbesondere geltend machte, es seien in Nigeria schlechte Dinge passiert, die mit seinem Job in einer Bürgerwehr (Bakassi Boys) zu tun gehabt hätten. Er gab auch an, in der Schweiz einen Asylantrag gestellt zu haben. Das heutige Vorbringen habe er bei seinen anderen Asylanträgen nicht vorgetragen, da er Angst gehabt habe.
Mit Schreiben vom 21. August 2017 teilte die Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern dem Bundesamt insbesondere mit, die für heute geplante Überstellung des Antragstellers in die Schweiz im Rahmen des DublinVerfahrens sei gescheitert, da er sich geweigert habe, den Flug anzutreten. Er habe sich nach Auskunft der zuführenden PI aus dem Polizeibus fallen lassen und sei am Boden liegen geblieben.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2017 teilte die Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern dem Bundesamt insbesondere mit, der Antragsteller habe er heute in die Schweiz überstellt werden sollen. Er sei nicht aufgegriffen worden. Deshalb müsse die Überstellung storniert werden.
Durch E-Mail vom 16. Oktober 2017 teilte die Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern dem Bundesamt insbesondere mit, der für den 17. Oktober 2017 geplante Überstellungstermin für den Antragsteller in die Schweiz könne storniert werden. Sein aktueller Gesundheitszustand sei nicht abschließend geklärt. Der Antragsteller befinde sich derzeit aufgrund eines amtsgerichtlichen Unterbringungsbeschlusses im Klinikum Ingolstadt.
Am 27. Dezember 2017 (Bl. 288 ff. der Bundesamtsakte) übermittelte das Bundesamt der zuständigen Schweizer Behörde unter Angabe eines EURODAC-Treffers (CH19092037005) ein auf Art. 34 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl EG Nr. L 180 S. 31) – Dublin III-VO – gestütztes Informationsersuchen hinsichtlich des Antragstellers.
Mit teils englischsprachigem Schreiben vom 28. Dezember 2017 (Bl. 296 ff. der Bundesamtsakte) teilte die zuständige Schweizer Einheit des Staatssekretariats für Migration dem Bundesamt insbesondere mit, der Antragsteller habe am 6. Oktober 2015 in der Schweiz Asyl beantragt. Das Verfahren sei abgeschlossen. Sein Asylgesuch sei am 2. Mai 2016 abgelehnt worden (Entscheid im Anhang, Bl. 300 ff. der Bundesamtsakte). Seine am 19. Mai 2016 eingereichte Beschwerde sei am 21. Juni 2016 abgelehnt worden.
Aus den Gründen des Asylentscheids des Schweizer Staatssekretariats für Migration vom 2. Mai 2016 ergibt sich, dass der Antragsteller im dortigen Asylverfahren ohne Einreichung von Beweismitteln im Wesentlichen geltend gemacht hatte, sein Schwiegervater, der Boko Haram unterstützt habe, habe den Antragsteller 2013 umbringen wollen, weil der Antragsteller angeblich einen verbotenen Raum mit Waffen und Munition seines Schwiegervaters gesehen habe. Sein Vorbringen wurde im Wesentlichen als unglaubhaft, im Übrigen als nicht asylrelevant bewertet.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 2017 teilte das Bundesamt dem Antragsteller mit, nach den vorliegenden Erkenntnissen habe er bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Das weitere Vorgehen richte sich nach dem Ergebnis dieses Verfahrens in dem anderen Mitgliedstaat. Daher werde binnen zwei Wochen um Mitteilung des Sachstands dieses Verfahrens und um Vorlage aller vorhandenen Dokumente zu diesem Verfahren unter Verwendung des beigefügten Fragebogens gebeten. Dieser Fragebogen enthielt insbesondere die Frage, welche neuen Umstände der Antragsteller vorbringen könne oder welche neuen Erkenntnisse er habe, die eine günstigere Entscheidung für ihn ermöglichten.
Dieses Schreiben des Bundesamts beantwortete der Antragsteller, indem er im Fragebogen ankreuzte, sein Antrag auf Schutz sei abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1.), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 2.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Nigeria an (Ziffer 3.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Antwortschreiben der zuständigen Schweizer Behörde vom 28. Dezember 2017 gehe hervor, dass der Antragsteller am 6. Oktober 2015 einen Asylantrag in der Schweiz gestellt habe. Am 2. Mai 2016 sei sein Asylantrag abgelehnt worden. Die Beschwerde des Antragstellers vom 19. Mai 2016 sei am 21. Juni 2016 abgelehnt worden. Damit gelte sein Asylverfahren in der Schweiz als erfolglos abgeschlossen. Daher handle es sich bei dem erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik um einen Zweitantrag. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn wie hier im Falle eines Antrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Wiederaufgreifensgründe lägen nicht vor. Der Antragsteller habe Asylgründe vorgetragen, die zeitlich vor der Ausreise aus seinem Heimatland lägen und an denen sich seit seinem Verfahren in der Schweiz nichts geändert habe. Sein Vorbringen, er habe bei seinen früheren Asylanträgen Angst gehabt, seine Asylgründe vorzutragen, sei nicht nachvollziehbar. Er habe nicht plausibel erklären können, warum er beim Bundesamt nunmehr eine andere Geschichte erzählt habe, als in der Schweiz. Sein Vorbringen sei unglaubhaft. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei nach § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 34 Abs. 1 AsylG und § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 1 AsylG.
Mit am 2. März 2018 eingegangenen Schreiben bat der Antragsteller das Bundesamt um Berücksichtigung zweier jeweils in Kopie vorgelegter vorläufiger Arztbriefe des Klinikums Ingolstadt – Zentrum für psychische Gesundheit – vom 22. November 2017 (Bl. 386 ff. der Bundesamtsakte).
Im ersten dieser beiden Arztbriefe (Bl. 399 ff. der Bundesamtsakte) wurde im Wesentlichen ausgeführt, es werde über den dortigen stationären Aufenthalt des Antragstellers von 10. Oktober 2017 bis 20. Oktober 2017 berichtet. Diagnose: paranoide Schizophrenie (ICD-10; F20.0). Der Antragsteller sei zur freien Willensbildung fähig. Er berichte auf Englisch Stimmen zu hören, die ihm sagen würden, sie würden ihn umbringen. Sein Vater sei Obama. Dieser habe ihn in die „High Society“ eingeschleust. Seitdem wollten andere Leute ihn umbringen. Seit heute verspüre er den Drang, jemanden umzubringen. Das ganze gehe schon seit mindestens drei Jahren. Durch den Sanitätsdienst und den Arzt der JVA Eichstätt sei zu erfahren, dass der Antragsteller mehrfach Zellenkollegen Angst eingejagt habe, weil sie nachts von ihm bedroht worden seien und er Anstalten gemacht habe, sie umzubringen. Auch gegenüber dem Arzt habe der Antragsteller etwa erwähnt, hinter ihm stünden drei Leute, die ihm die Kehle durchschneiden wollten. Trotz der nach erweiterter Medikation objektiv deutlich und klar erkennbaren Besserung des psychopathologischen Zustandsbilds habe der Antragsteller angegeben, keine Besserung der Symptome zu spüren. Nach längeren aufklärenden Gesprächen über das Vorgehen der Behörden bezüglich des DublinVerfahrens habe er angegeben, sich sofort „auch hier“ umzubringen, wenn er in die Schweiz müsse. Zudem habe er angegeben, er müsse nach Syrien reisen, um seinen Landsleuten im Krieg beizustehen. Er sehe Leute von einem Voodookult, vor denen er aus Nigeria auf der Flucht sei. Der Antragsteller sei am 22. November 2017 in deutlich gebessertem und stabilem psychischen Befinden in die ambulante Weiterbetreuung entlassen worden. Es werde eine ambulante psychiatrische Weiterbetreuung und Fortführung der Medikation empfohlen.
In dem zweiten dieser Arztbriefe (Bl. 388 bis 390 der Bundesamtsakte) wurden unter Mitteilung von Laborwerten im Wesentlichen die Ausführungen des ersten Arztbriefs wiederholt.
Am 5. März 2018 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 27. Februar 2018 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass er asylberechtigt ist, die Flüchtlingseigenschaft bei ihm vorliegt, der subsidiäre Schutzstatut bei ihm vorliegt und Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bei ihm vorliegen.
Über die Klage (M 21 K 18.31076) ist noch nicht entschieden.
Am 5. März 2018 ließ der Antragsteller sinngemäß zugleich beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 5. März 2018 im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei seit seiner Ankunft im Bundesgebiet krank. Wegen seines Gesundheitszustands habe er bereits im Jahr 2017 nicht in die Schweiz überstellt werden können. Aufgrund eines amtsgerichtlichen Beschlusses sei er am 11. Oktober 2017 in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses überstellt worden. Bei der Krankheit handle es sich um ein neuerliches Vorbringen, welches nicht bzw. nicht ordnungsgemäß gewertet worden sei.
Als Anlage war dieser Klage- und Antragsbegründung insbesondere die Kopie eines Arztbriefes der überörtlichen neurologischen Gemeinschaftspraxis Fürstenfeldbruck vom 2. Juni 2017 beigefügt, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Durch Schriftsatz vom 4. Mai 2018 ließ der Antragsteller in Kopie einen vorläufigen Arztbrief der L. M. Klinik A. vom 11. April 2018 vorlegen. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, es werde über den Antragsteller berichtet, der sich vom 5. April 2018 bis zum 24. April 2018 in dortiger stationär-psychiatrischer Behandlung befunden habe. Diagnosen: paranoide Schizophrenie (ICD 10 F.20.0). V.a. posttraumatische Belastungsstörung. Der rettungsdienstlich aus der Asylunterkunft in Wolfratshausen zugewiesene Antragsteller habe dort Menschen gesehen, aus deren Augen Blut gelaufen sei. Er habe große Angst, getötet zu werden und in der Asylbewerberunterkunft Suizidgedanken geäußert. Er sei zu allen Qualitäten desorientiert. Er glaube teils, er sei in den USA und käme von dort. Er sei der Sohn von Obama. Er gebe an, in Libyen gekämpft und dort viele Tote gesehen zu haben. Er sehe Millionen blutverschmierter Menschen im Raum, aus deren Augen Blut laufe. Er sei von akuter Suizidalität distanziert. Kein Hinweis auf Fremdgefährdung. Aufgrund der Anamnese (Kriegserlebnisse, seine schwangere Freundin sei verletzt in seinen Armen verstorben) und der nächtlich betonten Symptomatik sei zusätzlich von einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgegangen worden. Der Antragsteller sei mehrfach auf die Notwendigkeit der Fortführung der antipsychotischen Medikation hingewiesen worden. Er sei am 24. April 2018 in deutlich gebessertem Zustand entlassen worden. Psychotisches Erleben sei verneint worden. Für das weitere Vorgehen werde insbesondere die Anbindung an einen ambulanten Psychiater empfohlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Eilantrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Wird in einer „Zweitantragssituation“ ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, so darf die Aussetzung der Abschiebung im Rahmen eines Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen §§ 71a Abs. 4, 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts, hier der Abschiebungsandrohung, bestehen. Solche „ernstlichen Zweifel“ liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99). Eine solche Einschätzung ist hier nicht gerechtfertigt.
§ 34 AsylG, der den Erlass einer Abschiebungsandrohung regelt, ist über § 71a Abs. 4 AsylG nur dann entsprechend anzuwenden, wenn eine „Zweitantragssituation“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG vorliegt und ein weiteres Asylverfahren rechtmäßiger Weise nicht durchgeführt wird. Nur dann ist der Asylantrag auch nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abzulehnen. Nach hinreichender Sachverhaltsermittlung hat das Bundesamt hier eine „Zweitantragssituation“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG annehmen dürfen. Ein weiteres Asylverfahren ist nicht durchzuführen. Im Einzelnen:
Ein asylrechtlicher Zweitantrag, der bei Fehlen neuen Vorbringens ohne Sachprüfung als unzulässig abgelehnt werden kann, setzt gemäß § 71a Abs. 1 AsylG ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat voraus (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Leitsatz 2). Es obliegt dem Bundesamt, den negativen Abschluss des Erstverfahrens im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu belegen. Bei der Prüfung nach § 71a Abs. 1 AsylG, ob ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat vorliegt, darf sich das Bundesamt nicht allein auf die Angaben der Antragsteller zum Verlauf von Asylverfahren in anderen Mitgliedstaaten stützen. Denn diese haben in aller Regel den Verfahrensablauf nicht durchschaut und können dazu deshalb auch keine verlässlichen Angaben machen (vgl. nur BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 u.a. – juris Rn. 22 m.w.N.). Mit dem vom Bundesamt grundsätzlich zu nutzenden, sogenannten Info-Request nach Art. 21 Dublin-II-VO bzw. Art. 34 Dublin-III-VO ist unter den Mitgliedstaaten ein beschleunigtes Informationsaustauschsystem eingeführt worden, dessen Möglichkeiten zur Informationsgewinnung den Verwaltungsgerichten nicht offen stehen (vgl. nur BayVGH, U.v. 20.10.2016 – 20 B 14.30320 – juris Rn. 29, 41 m.w.N.).
Zudem kann das Bundesamt das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen nur beurteilen, wenn es Kenntnis des Vorverfahrens, der dort angeführten Gründe und des dortigen Verfahrensablaufs einschließlich der jeweiligen Entscheidungen besitzt (vgl. nur Schönenbroicher/Dickten in Beck´scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand 1. Februar 2018, § 71a AsylG Rn. 2 m.w.N.).
Demnach beruht die Annahme des Bundesamts, es liege der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat vor, auf zureichender Tatsachenbasis.
Die Antwort der zuständigen Schweizer Einheit des Staatssekretariats für Migration auf das Informationsersuchen des Bundesamts belegt, dass in der Schweiz bereits ein Asylverfahren des Antragstellers erfolglos abgeschlossen worden ist.
Zudem liegen die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71a Abs. 1 Halbs. 1 AsylG nicht vor.
Der Antragsteller kann insbesondere keinen Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 VwVfG für sich in Anspruch nehmen.
In der Tat bezieht sich sein Vorbringen gegenüber dem Bundesamt auf Umstände, die sich bereits im Herkunftsland ereignet haben sollen. Damit können diese Umstände mit Blick auf das in der Schweiz erfolglos abgeschlossene Asylverfahren insbesondere keine nachträgliche Änderung der Sachlage zugunsten des Antragstellers begründen. Durch sein vom Vorbringen im Schweizer Asylverfahren vollständig abweichendes Vorbringen im Asylverfahren beim Bundesamt hat sich der Antragsteller unglaubwürdig gemacht.
Insbesondere aus gesundheitlichen Gründen kann der Antragsteller auch keine nationalen Abschiebungsverbote, die im vorliegenden Zusammenhang nur als materiell-rechtliche Voraussetzung der Abschiebungsandrohung, gegen die sich die in der Hauptsache allein statthafte Anfechtungsklage richten kann, zu prüfen sind (vgl. Berlit, NVwZ-Extra 6/2018, S. 10), für sich in Anspruch nehmen.
Die Vermutung, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) ist nicht widerlegt, weil schon keine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht ist (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG).
Den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen lässt sich jedenfalls kein tragfähiger Ansatzpunkt für eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung des Klägers entnehmen (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). All diese ärztlichen Stellungnahmen leiden insbesondere daran, auf unzureichender Tatsachengrundlage zu basieren. Ungeprüft und wenig reflektiert sind jeweils die Angaben des Antragstellers den Diagnosen zu Grunde gelegt worden. Das Vorbringen des Antragstellers zu den angeblich im weitesten Sinne traumatisierenden Ereignissen unterscheidet sich wesentlich von seinem diesbezüglichen Vorbringen beim Bundesamt. Hätten sich die Ärzte etwa die Niederschrift zu seinem Asylantrag, den Asylentscheid der Schweizer Behörden und den angegriffenen Bundesamtsbescheid zeigen lassen, hätten sie einen wesentlich breiteren Informationsstand gehabt und erkennen können, dass die Fachbehörden den (im Kern vollständig wechselnden) Vortrag des Antragstellers als unglaubhaft gewürdigt haben (vgl. nur BayVGH, B.v. 5.2.2014 – 19 CE 13.2625 – juris Rn. 28). Diese Erkenntnis war auch unentbehrlich für die sachgerechte Bewertung der angeblichen Wahnvorstellungen des Antragstellers, der seine Überstellung in die Schweiz – ebenfalls aktenkundig – bereits mehrfach auf verschiedene Weisen vereitelt hat.
Es fehlt in den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen auch an jeglicher Aussage dazu, dass sich eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung des Antragstellers durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Die Suizidalität, von der sich der Antragsteller nach diesen ärztlichen Stellungnahmen glaubhaft distanziert hat, kann einmal im Rahmen der Prüfung eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses eine Rolle spielen, ist aber für die hier insbesondere vorzunehmende Prüfung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unerheblich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben