Verwaltungsrecht

Ablehnung eines Asylfolgeantrags – Behauptete Konversion zum Christentum und Homosexualität

Aktenzeichen  M 2 K 16.33065

Datum:
14.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 71
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. Abs. 7
VwVfG VwVfG § 51

 

Leitsatz

1. Den iranischen Stellen ist bekannt, dass eine große Zahl iranischer Asylbewerber aus wirtschaftlichen oder anderen unpolitischen Gründen versucht, im westlichen Ausland und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland dauernden Aufenthalt zu finden, und hierzu Asylverfahren betreibt, in deren Verlauf bestimmte Asylgründe geltend gemacht werden und deshalb auch entsprechende Betätigungen stattfinden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe reicht für die Gewinnung der richterlichen Überzeugung bezüglich einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung nicht aus (vgl. BayVGH BeckRS 2015, 44259). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der ordnungsgemäß geladenen Beklagten entschieden werden. Die Regierung … ist zwar aufgrund der generellen Beteiligungserklärungen vom 11. Mai 2015 und vom 18. Mai 2015 gemäß § 63 Nr. 4 VwGO als Vertreter des öffentlichen Interesses Verfahrensbeteiligter. In diesen Erklärungen hat die Regierung … … allerdings darum gebeten, ihr aus-schließlich die jeweilige Letzt- und Endentscheidung zu übersenden und damit unter anderem auch auf eine Ladung zur mündlichen Verhandlung verzichtet.
Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet. Maßgeblich ist für das Gericht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG).
1. Die Klage ist zulässig als Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG durch Ziffer 1. des Bescheids vom 1. September 2016 und hilfsweise Verpflichtungsklage auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes zum 6. August 2016 als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rdnr. 15 ff.). Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageantrag betrachtet worden war, ist daran aufgrund der Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts durch das Integrationsgesetz nicht festzuhalten (so ausdrücklich BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 17).
Anders als hinsichtlich des Folgeantrags nach § 71 AsylG – der lediglich den Asylantrag und somit lediglich die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und die Zuerkennung internationalen Schutzes nach §§ 3 ff, 4 AsylG umfasst (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG) – ist hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in der Hauptsache weiterhin eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft (BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rdnr. 20 a.E.). Dies folgt daraus, dass das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge zusätzlich festzustellen hat, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (dazu BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 18 und 20). In Bezug auf § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hat sich das Bundesamt somit anlässlich einer Entscheidung über einen Folgeantrag sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen (BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 20). Es darf sich nicht mit der Prüfung begnügen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Vielmehr hat es – so ausdrücklich § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – „festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen“ (es war deshalb nicht richtig, dass sich das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid auch hinsichtlich der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG mit der bloßen Prüfung von Wiederaufnahmegründen begnügt hat). Stellt das Bundesamt fest, dass keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen oder trifft es – wie vorliegend – entgegen § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG die vorgesehene Feststellungsentscheidung nicht, dann kann der betroffene Ausländer zusätzlich zu der gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig gerichteten Anfechtungsklage (hilfsweise) eine Verpflichtungsklage auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erheben (s. BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 20 a.E.).
2. Die gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG (Ziffer 1. des Bescheids) erhobene Anfechtungsklage ist unbegründet. Ziffer 1. des Bescheids des Bundesamts vom 1. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat den Folgeantrag zu Recht (als unzulässig) abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen (§§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG):
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müssen sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO bestehen (Nr. 3). § 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (dazu BVerfG, B. v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rdnr. 32 m.w.N.). Außerdem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt hat.
Vorliegend hat sich der Kläger zur Begründung seines Folgeantrags gegenüber dem Gericht zuletzt nur noch auf eine Konversion zum Christentum einschließlich deren öffentlichen Bekanntwerdens berufen (so der Kläger ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung am 14. März 2017, vgl. dazu auch schon die Klagebegründung vom 11. November 2016), ferner in der Klagebegründung vom 11. November 2016 zusätzlich noch auf ein öffentliches Bekanntwerden einer regimekritischen Haltung. Hingegen hat sich der Kläger gegenüber dem Gericht nicht mehr darauf berufen, homosexuell zu sein (unbeschadet dessen sei darauf hingewiesen, dass das Gericht bereits in dem den Beteiligten bekannte Urteil vom 29. November 2013 – M 2 K 13.30275 – juris näher dargelegt hatte, dass und warum diesem klägerischen Vorbringen kein Glauben geschenkt werden kann; es fehlt auch ganz offensichtlich an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass sich insoweit etwas geändert haben könnte). Hinsichtlich der gegenüber dem Gericht noch aufrechterhaltenen Asylgründe liegen indes auch zum gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG vor, insbesondere fehlt es an einem schlüssigen Sachvortrag, der eine günstigere Entscheidung hinsichtlich des Asylantrags möglich erscheinen lassen könnte:
a) Dies gilt zunächst für das klägerische Vorbringen, allein durch das öffentliche Bekanntwerden der Konversion zum Christentum und der regimekritischen Haltung im Zusammenhang mit dem Hungerstreik 2014 in der Presseberichterstattung und im Internet (zur Vorlage kamen diverse Ausdrucke aus dem Internet) müsse er eine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung fürchten, weil ihm die asylrelevanten Merkmale unabhängig von ihrem tatsächlichen Bestehen jedenfalls zugeschrieben würden.
Dem kann schon im Ansatz nicht gefolgt werden: Denn nach ständiger Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass den iranischen Stellen bekannt ist, dass eine große Zahl iranischer Asylbewerber aus wirtschaftlichen oder anderen unpolitischen Gründen versucht, im westlichen Ausland und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland dauernden Aufenthalt zu finden, und hierzu Asylverfahren betreibt, in deren Verlauf bestimmte Asylgründe geltend gemacht werden und deshalb auch entsprechende Betätigungen stattfinden. Dies betrifft etwa eine oppositionelle Betätigung in Exilgruppen, den Beitritt zu religiösen Exilorganisationen, die häufig, wenn nicht vorwiegend dazu dienen, Nachfluchtgründe zu belegen, oder auch das bei iranischen Asylbewerbern mittlerweile nahezu stereotyp anzutreffende Vorbringen einer Konversion zum Christentum. Es besteht kein Zweifel, dass die iranischen Behörden diese Nachfluchtaktivitäten realistisch einschätzen. Hinsichtlich der Konversion zum Christentum wird dies zusätzlich belegt durch den Umstand, dass der iranische Staat nach den Erkenntnismitteln (insbesondere den Lageberichten des Auswärtigen Amts) nur Konvertiten verfolgt, die ihre neue Religion aktiv im Iran ausüben, und nicht lediglich formal im Ausland Übergetretene (zum Ganzen: BayVGH, B. v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 12 m.w.N.).
b) An Wiederaufnahmegründen fehlt es auch hinsichtlich des klägerischen Vorbringens, er sei (tatsächlich) zum Christentum konvertiert.
Zwar können im Iran gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. etwa die Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 9. Dezember 2015, S. 15 f., sowie vom 8. Dezember 2016, S. 10) zum Christentum konvertierte Muslime durch die aktive Glaubensausübung im konkreten Einzelfall landesweit einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen durch den iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgesetzt sein, jedenfalls dann, wenn sie ihren christlichen Glauben öffentlich leben, so dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 ff. AsylG) oder zumindest des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) oder zumindest die Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) in Betracht kommen kann (vgl. hierzu: OVG NW, U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 48 ff.; HessVGH, U. v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B. v. 30.7.2009 – 5 A 1999/07.A – juris; SächsOVG, U. v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris Rn. 34 ff.; BayVGH, U. v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315 – juris Rn. 20 f.).
Die Annahme einer solchen Verfolgungsgefährdung setzt im konkreten Einzelfall allerdings voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. Das Gericht ist auch nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat, selbst wenn dies öffentlich (z.B. im Internet) bekannt geworden ist. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (zum Ganzen: BVerwG, B. v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 9 ff. m.w.N.; BayVGH, B. v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7 ff., 12, B. v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5 ff. m.w.N., B. v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – juris Rn. 5 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris Rn. 11 f., B. v. 27.4.2015 – 13 A 440/15.A – juris Rn. 10 ff. m.w.N., B. v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A – juris Rn. 8 ff. m.w.N.; U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 37 ff. m.w.N; OVG Lüneburg, B. v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.; VGH BW, B. v. 23.4.2014 – A 3 S 269/14 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Fall des Klägers auch hinsichtlich der vorgebrachten Konversion zum Christentum keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG vor. Insbesondere fehlt es auch noch zum gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an einem schlüssigen Sachvortrag, der es möglich erscheinen lassen könnte, dass dem Kläger wegen der vorgebrachten Konversion zum Christentum die Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG) oder zumindest der subsidiäre Schutz (§ 4 AsylG) zuzuerkennen ist. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere dem Ergebnis des Erstverfahrens sowie der klägerischen Einlassung beim Bundesamt im Folgeverfahren und gegenüber dem Gericht in der mündlichen Verhandlung am 14. März 2017, sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die behauptete Hinwendung des Klägers zum Christentum auf einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung beruhen könnte. Vielmehr hat das Gericht nicht den geringsten Zweifel, dass dem klägerischen Vorbringen einer Konversion zum Christentum (unverändert) allein asyltaktische Überlegungen zugrunde liegen.
Dabei ist im vorliegenden Fall des Klägers besonders zu berücksichtigen, dass das Gericht im Erstverfahren – in dem der Kläger seine angebliche Hinwendung zum Christentum beim Bundesamt noch nicht erwähnt hatte, diese vielmehr erstmals in der ca. einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Klagebegründung vorbringen ließ und zu der das Gericht den Kläger in der mündlichen Verhandlung eingehend befragte – zur Überzeugung gelangt war, die vorgetragene Hinwendung des Klägers zum Christentum beruhe nicht auf einer identitätsprägenden inneren Überzeugung, sondern sei lediglich aus asyltaktischen Gründen erfolgt (siehe dazu im Einzelnen das den Beteiligten bekannte Urteil vom 29. November 2013 – M 2 K 13.30275 – juris). Mithin müssten für eine Wiederaufnahme hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, der Kläger habe nunmehr anders als zuvor den christlichen Glauben nicht nur asyltaktisch, sondern aufgrund einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung ernsthaft und dauerhaft angenommen.
Derartige Anhaltspunkte sind im behördlichen Folgeverfahren nicht erkennbar geworden: Für den Kläger wurde lediglich die Taufurkunde vom 11. April 2014 über die Taufe am 6. April 2014 in der Evang.-Luth. …kirche in … vorgelegt. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe reicht indes nach ständige Rechtsprechung für die Gewinnung der richterlichen Überzeugung bezüglich einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung nicht aus (statt vieler: BayVGH, B. v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – juris Rn. 5 m.w.N.). Allein der Formalakt der Taufe kann deshalb auch kein hinreichender Anhaltspunkt für die Annahme sein, eine zuvor lediglich asyltaktisch behauptete Hinwendung zum Christentum habe sich zu einer ernsthaften und dauerhaften Konversion zum Christentum aufgrund einer identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung gewandelt.
Auch aus dem klägerischen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 14. März 2017 lassen sich trotz zahlreicher Anstoßfragen des Gerichts und der Bevollmächtigten keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Entwicklung hin zu einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung gewinnen: So hat der Kläger auf die Frage nach einer Veränderung der Sachlage im Vergleich zum Erstverfahren überwiegend nur oberflächliche, unsubstantiierte und phrasenhafte Wendungen hervorgebracht, wie z.B. Religion sei für ihn eine „persönliche private Sache“, er habe den Glauben „gefunden“, die Bibel und die ganze christliche Religion hätten ihm „gefallen“, er habe einen „netten Gott“ kennengelernt, er habe „seinen Weg“ gefunden. Auch eine etwaige Ablehnung des Islam durch den Kläger sagt nichts Durchgreifendes darüber aus, inwiefern er sich positiv dem Christentum aufgrund einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung zugewandt hat. Hinsichtlich seiner Glaubensbetätigung hat der Kläger zwar behauptet, „so etwa zweimal im Monat“ bzw. „letzte Woche und dann letzten Monat“ Gottesdienste besucht zu haben. Einen Nachweis hierüber, z.B. in Gestalt einer Bestätigung der Pfarrerin der …-kirche, hat er allerdings entgegen seiner objektiven Darlegungslast nicht vorgelegt. Überdies stellen derartige (äußerliche) Glaubensbetätigungen allein noch keinen hinreichenden Anhaltspunkt für einen glaubwürdigen Wandel hin zu einer inneren Glaubensüberzeugung dar, da sie auch rein asyltaktisch Natur sein können. Dass die klägerische Glaubensbetätigung zur Überzeugung des Gerichts weiterhin rein asyltaktischer Natur ist, zeigt sich vielmehr darin, dass er auf die Frage nach seiner persönlichen Glaubensbetätigung im Alltag nur substanzlose und floskelhafte Wendungen vorbringen konnte, wie etwa, mit Hilfe der Religion könne er „ruhig leben“, er „arbeite“, er sei „zu allen nett“, sowie, er feiere Weihnachten und die Feiertage. Auf eine spezifisch religiöse Glaubensbetätigung weist dies alles nicht ansatzweise hin. Auch aus dem Glaubenswissen des Klägers lassen sich keine hinreichenden Anhaltpunkte für einen Wandel weg von einer asyltaktischen hin zu einer von einer inneren Glaubensüberzeugung geprägten Hinwendung zum Christentum ableiten: Bibelstellen konnte der Kläger erst nach längerem Nachdenken nennen. Nicht einmal ansatzweise konnte er darlegen, welche Bedeutung diese für seinen christlichen Glauben haben sollen. Als christliches Gebet konnte der Kläger erst auf wiederholte Fragen wenigstens das „Vater unser“ nennen. Aufsagen konnte er dieses zentrale christliche Gebet allerdings nicht (im Unterscheid zu nahezu allen anderen iranischen Asylbewerbern, die sich auf Konversion zum Christentum berufen). Auf die Frage nach zentralen, wichtigen Glaubensaussagen reagierte der Kläger zunächst mit Unverständnis, dann nannte er die zehn Gebote, auf Nachfrage der Bevollmächtigten führte er nur wiederum substanzlos und phrasenhaft an, das Wichtigste sei, dass man „richtig leben muss“, dass man andere „nicht quält“. Substantielle Kenntnisse zu christlichen Glaubensinhalten sind beim Kläger ganz offensichtlich unverändert nicht vorhanden.
Mithin ist bei einer Gesamtwürdigung all dieser Umstände festzustellen, dass im Fall des Klägers keine hinreichenden Anhaltpunkte für einen Wandel weg von einer (im Erstverfahren gerichtlich festgestellten) lediglich asyltaktischen hin zu einer ernsthaften und dauerhaften, auf einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung beruhenden Hinwendung zum Christentum vorliegen.
3. Die (hilfsweise) zulässige Verpflichtungsklage hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Irans.
Nachdem gemäß Vorstehenden sowohl hinsichtlich der vorgetragenen Konversion zum Christentum als auch hinsichtlich des Aspekts des öffentlichen Bekanntwerdens nicht einmal die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG gegeben sind, können diesbezüglich erst recht die Voraussetzungen für materiellen Schutz gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Allein das öffentliche Bekanntwerden führt aus den oben unter 2. a) genannten Gründen nicht zu einer asylerheblichen und asylrelevanten Gefährdung oder Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Eine entsprechende Gefährdung oder Bedrohung wegen einer Konversion zum Christentum scheidet ebenfalls aus, weil es zur Überzeugung des Gerichts an einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung des Klägers fehlt, vielmehr sein Vorbringen wie schon im Erstverfahren als rein asyltaktisch zu bewerten ist (siehe dazu im Einzelnen oben unter 2. b)).
Die gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage war nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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