Verwaltungsrecht

Ablehnung eines Fristverlängerungsantrags zum Ablegen einer Modulprüfung

Aktenzeichen  7 ZB 18.2408

Datum:
10.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24812
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayAGVwGO Art. 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
APO § 24 Abs. 3 S. 1
RaPO § 25 Abs. 2 S. 2
BayHSchG Art. 49 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Die Ablehnung eines Fristverlängerungsantrags zur Ablegung einer  Prüfung ist eine selbständig anfechtbare behördliche Entscheidung. Es ist keine  personenbezogene Prüfungsentscheidung gem. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 6 AGVwGO, da es sich um eine rein formale Entscheidung der reiner Rechtsanwendung handelt, die zwar im Zusammenhang mit Prüfungsverfahren ergehen, die jedoch nicht diepersonenbezogene Beurteilung von Leistungen, Fähigkeiten, Wissen, Können oder Dispositionen auf der Grundlage einer Prüfung zum Gegenstand hat(BeckRS 2020, 21369). Ein hiergegen gerichteter Widerspruch ist nicht statthaft. (Rn. 9 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einlegung des unstatthaften Widerspruchs bei der (Widerspruchs-)Behörde wahrt die Klagefrist nicht (BeckRS 9998, 83618), auch wenn die Behörde einen Widerspruchsbescheid erläßt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine personenbezogene Prüfungsentscheidung liegt allerdings dann vor, wenn mit Bescheid festgestellt wird, dass zwei Modulen mit der Note „nicht ausreichend“ bewertet werden und damit die Bachelorprüfung als nicht bestanden gilt. Es fehlt aber am Rechtsschutzbedürfnis einer hiergegen eingelegten Anfechtungsklage, wenn eine Wiederholungsprüfung von vornherein –  wie vorliegend – gem. § 24 Abs. 1 Satz 2 APO iVm § 25 Abs. 1 Satz 3 APO nicht mehr ablegen werden kann, so dass ein erfolgreiches Ablegen der Prüfung ausgeschlossen ist. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 K 15.2437 2018-05-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 15. Mai 2018 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 12.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin studierte seit dem Sommersemester 2009 im Bachelorstudiengang Bioprozessinformatik bei der Beklagten.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter, drei Bescheide der Beklagten vom 21. Oktober 2014, der Klägerin am 23. Oktober 2014 zugestellt, aufzuheben. Im Einzelnen wendet sie sich gegen den Bescheid mit dem Geschäftszeichen SG3/2 sc (im Folgenden: Bescheid Nr. 1), mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 29. Juli 2014 auf Gewährung von Fristverlängerungen u.a. zum Ablegen der 1. Wiederholungsprüfung in den Modulen Automatisierungstechnik und Angewandte Bioinformatik abgelehnt hat, gegen den Bescheid mit dem Geschäftszeichen SG3/2sc/BF1-1207165 (im Folgenden: Bescheid Nr. 2), mit dem festgestellt wurde, dass die Klägerin für insgesamt sechs Module die Frist für die Ablegung von Prüfungen gemäß § 8 Abs. 5 der Rahmenprüfungsordnung für die Fachhochschulen (in der Fassung der Änderungsverordnung vom 6.8.2020 – RaPO) in Verbindung mit § 4 Abs. 2 der Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Bioprozessinformatik an der Fachhochschule Weihenstephan vom 30. Mai 2008 (SPO-B-BP) überschritten hat und diese Module damit als erstmals nicht abgelegt und nicht bestanden gelten, sowie gegen den Bescheid mit dem Geschäftszeichen SG3/2sc/BX52-1207165 (im Folgenden: Bescheid Nr. 3), mit dem festgestellt wurde, dass die Klägerin in der 1. Wiederholungsprüfung in den Modulen Automatisierungstechnik und Angewandte Bioinformatik die Note „nicht ausreichend“ erzielt hat, die Bachelorprüfung damit als nicht bestanden gilt und die Klägerin daher gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 2 BayHSchG mit Ablauf des 30. September 2014 exmatrikuliert wird.
Sämtlichen Bescheiden war eine Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt, die als statthaften Rechtsbehelf eine Klage zum Verwaltungsgericht München benannte. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 erhob die Klägerin gegen alle drei Bescheide Widerspruch. Die Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 daraufhin, dass sie an den Bescheiden festhalte und wies erneut auf die Möglichkeit der Klageerhebung hin. Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 11. Juni 2015, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, ließ die Klägerin gegen alle drei Bescheide Klage erheben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage insgesamt als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, die Klage habe die Frist des § 74 VwGO nicht eingehalten. Bei den Bescheiden handele es sich nicht um personenbezogene Prüfungsentscheidungen i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 6 AGVwGO. Deshalb sei ein Widerspruch nicht – auch nicht fakultativ – statthaft. Statthafter Rechtsbehelf sei ausschließlich die Anfechtungsklage gewesen, die innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Verwaltungsakte hätte erhoben werden müssen. Nachdem die Bescheide der Klägerin am 23. Oktober 2014 zugestellt worden seien, sei die Klage, die erst am 11. Juni 2015 bei Gericht eingegangen sei, zu spät erhoben worden.
II.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Bezüglich Bescheid Nr. 1 bestehen keine ernstlichen Zweifel, bezüglich Bescheid Nr. 2 und 3 bestehen im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
Richtigkeit eines Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ergebnisrichtigkeit. Diese ist grundsätzlich nicht nach den Entscheidungsgründen zu beurteilen. Deshalb reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 12). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der den Erfolg des Zulassungsantrags ausschließende Grund ohne weiteres auf der Hand liegt und die Klägerin vor Ergehen der Entscheidung über den Zulassungsantrag Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2019 – 8 ZB 18.547 – juris Rn. 20 m.w.N.).
Durch das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren wird die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt. Auch auf den Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Juli 2020 hat sie keine weiteren Gesichtspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils begründen bzw. die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
Die Klägerin trägt vor, dass es sich auch bei Bescheid Nr. 1 um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung handele, gegen die der eingelegte Widerspruch statthaft gewesen sei. Ihre Klage sei damit fristwahrend erhoben worden. Mit diesem Vortrag dringt sie nicht durch. Die Klage ist insgesamt unzulässig. Soweit sie sich gegen Bescheid Nr. 1 richtet, wurde sie nach Ablauf der Klagefrist erhoben (1.), soweit sie sich gegen den Bescheid Nr. 3 richtet, handelt es sich zwar insoweit entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung, gleichwohl ist die Anfechtungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnis auch insoweit unzulässig (2.). Ob es sich auch bei Bescheid Nr. 2 um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung handelt, kann offen bleiben, da der Klägerin auch insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt (3.).
1. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 6 AGVwGO besteht für den Rechtsschutz gegen personenbezogene Prüfungsentscheidungen eine Wahlmöglichkeit zwischen der Einlegung von Widerspruch und der Klageerhebung. Bei Bescheid Nr. 1 (Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Gewährung von Fristverlängerungen u.a. zum Ablegen der 1. Wiederholungsprüfung in den Modulen Automatisierungstechnik und Angewandte Bioinformatik) handelt es sich nicht um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung. Der von der Klägerin eingelegte Widerspruch war damit nicht statthaft.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 7 B 18.1945 – juris Rn. 19 f.; U.v. 8.10.2018 – 7 B 17.2437 – BayVBl 2019, 276, Rn. 13 m.w.N.) fallen unter den Begriff der personenbezogenen Prüfungsentscheidung i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 6 AGVwGO nicht nur Examina im herkömmlichen Sinne, bei denen ein oder mehrere „Prüfer“ einen „Prüfling“ in einem normativ geregelten Verfahren schriftliche, mündliche oder praktische Leistungen erbringen lassen, die sie alsdann einer Beurteilung unterziehen, als deren Ergebnis dem Kandidaten eine Prüfungsnote oder eine sonstige Bewertung mitgeteilt wird. Eine personenbezogene Prüfungsentscheidung i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 6 AGVwGO liegt auch bei strikt gebundenem Verwaltungshandeln vor, bei dem der Behörde kein Ermessens- (und erst recht kein Beurteilungs-)Spielraum zusteht. Um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung handelt es sich somit auch dann, wenn sich eine Behörde allein anhand der Aktenlage (etwa auf der Basis von Zeugnissen über durchlaufene Ausbildungen) über die Eigenschaften einer Person unterrichtet oder ihre Entscheidung gleichsam „arbeitsteilig“ trifft, d.h. anhand oder aufgrund der Einschätzung anderer eingeschalteter Personen. Nicht unter den Begriff der personenbezogenen Prüfungsentscheidung fallen hingegen Akte reiner Rechtsanwendung oder Entscheidungen, die zwar im Zusammenhang mit Prüfungsverfahren ergehen, die jedoch nicht die eigentliche personenbezogene Beurteilung von Leistungen, Fähigkeiten, Wissen, Können oder Dispositionen auf der Grundlage einer Prüfung zum Gegenstand haben (BayVGH, U.v. 8.10.2018 – 7 B 17.2437 – BayVBl 2019, 276, Rn. 13 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, B.v. 6.8.2020 – 6 B 11.20 – n.v. Rn. 9 ff.).
Gemessen daran ist die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags keine personenbezogene Prüfungsentscheidung i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Nr. 6 AGVwGO. Mit den dort enthaltenen Feststellungen, dass dem Antrag auf Fristverlängerungen u.a. für die 1. Wiederholungsprüfung in den Modulen Automatisierungstechnik und Angewandte Bioinformatik nicht stattgegeben werde, handelt es sich zwar um eine Entscheidung, die im Zusammenhang mit dem Prüfungsverfahren ergeht, jedoch werden in diesem Bescheid gerade keine Leistungen der Klägerin förmlich benotet bzw. bewertet. Das Vorbringen der Klägerin, die Ablehnung eines Fristverlängerungsantrags sei in der Sache nichts anderes als die Feststellung des Nichtbestehens von Prüfungen aufgrund von Fristüberschreitungen, überzeugt nicht. Denn mit der Ablehnung eines – grundsätzlich im Vorfeld des Prüfungstermins (§ 24 Abs. 3 Satz 1 APO) zu stellenden Fristverlängerungsgesuchs – ist keine Leistungsbewertung im Sinne einer Prüfungsentscheidung verbunden. Sie trifft ausschließlich eine Entscheidung über den Zeitpunkt, in dem eine Prüfung abzulegen ist und ist damit rein formaler Natur. Wird ein Fristverlängerungsantrag abgelehnt, besteht damit für den Prüfling grundsätzlich weiterhin die Möglichkeit, am aktuellen Prüfungstermin teilzunehmen und die Prüfung abzulegen. Welche Folge sich aus einer Nichtteilnahme an der Prüfung ergibt, wird damit nicht bereits unmittelbar durch die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags festgestellt. Dass im hier zu entscheidenden Fall aufgrund des Umstands, dass die Klägerin den Fristverlängerungsantrag erst am 29. Juli 2014 und damit erst nach den Prüfungsterminen für die Module Automatisierungstechnik (28.7.2014) und Angewandte Bioinformatik (11.7.2014) gestellt hat, das Nichtbestehen dieser 1. Wiederholungsprüfungen damit bereits im Zeitpunkt der Ablehnung der Fristverlängerung feststand (§ 25 Abs. 2 Satz 2 RaPO), ändert nichts an daran, dass die Ablehnung eines Fristverlängerungsantrags eine rein formale und keine personenbezogene Prüfungsentscheidung ist.
Auch die Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 8. Oktober 2018 – 7 B 17.2437 (juris Rn. 14) verhilft der Klägerin insoweit nicht zum Erfolg. Im dortigen Fall war Gegenstand des Verfahrens eine bescheidmäßige Feststellung des Nichtbestehens einer Bachelor- bzw. Masterprüfung aufgrund des Erzielens der Endnote „nicht ausreichend“ in sechs Modulprüfungen („fiktives Nichtbestehen“). Diese Sachverhaltskonstellation unterscheidet sich jedoch insoweit von der vorliegenden, als die Beklagte hier mit Bescheid Nr. 1 ausschließlich den Antrag auf Fristverlängerungen zum Ablegen u.a. der 1. Wiederholungsprüfung in den Modulen Automatisierungstechnik und Angewandte Bioinformatik abgelehnt hat. Unmittelbar aus dieser Ablehnung einer Fristverlängerung folgte jedoch keine Feststellung des fiktiven Nichtbestehens einer Prüfung. Der jeweilige Tenor und die jeweilige Begründung des Bescheids Nr. 1 beschränken sich auf die Feststellung, dass die beantragte Fristverlängerung jeweils nicht gewährt wird. Der Entscheidung liegen allein formale Kriterien (keine form- und fristgerechte Anmeldung zur Prüfung, Nichtteilnahme trotz Anmeldung, Vorlage eines unzureichenden Attests) zu Grunde und gerade keine – eine personenbezogene Prüfungsentscheidung kennzeichnende – Einschätzung über Leistungen, Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin. Die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags enthält damit keine auf die Person der Klägerin bezogene und diese beurteilende Prüfungsentscheidung, sondern eine allein auf formalen Gesichtspunkten beruhende Behördenentscheidung. Bei der Ablehnung des Fristverlängerungsgesuchs handelt es sich auch nicht nur um eine – wie die Klägerin meint – unselbständige Vorentscheidung zu den Bescheiden Nr. 2 und 3. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei den letztgenannten Bescheiden um personenbezogene Prüfungsentscheidungen handelt (vgl. nachfolgend 2.), hat Bescheid Nr. 1 jedoch in der hier vorliegenden Konstellation eine eigene Regelungswirkung (Art. 35 Abs. 1 BayVwVfG). Es handelt sich damit um eine selbständig anfechtbare behördliche Entscheidung. Richtig ist, dass diese mittelbar im Zusammenhang mit den Bescheiden Nr. 2 und 3 steht. Dies liegt vorliegend aber – wie ausgeführt – ausschließlich daran, dass die Klägerin den Fristverlängerungsantrag erst nach Ablauf der Prüfungstermine gestellt hat. Hieraus folgt nicht, dass es sich deshalb bei Bescheid Nr. 1 (auch) um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung handeln müsste. Der Bezug zu Leistungen, Kenntnissen und Fähigkeiten der Klägerin müsste sich unmittelbar aus der angegriffenen Behördenentscheidung ergeben. Hieran fehlt es vorliegend.
Dies hat zur Folge, dass in Bezug auf Bescheid Nr. 1 der eingelegte Widerspruch nicht statthaft war. Mit den Ausführungen in der Begründung ihres Zulassungsantrags, dass sich die Beklagte durch Erlass des Widerspruchsbescheids in der Sache eingelassen habe, dringt die Klägerin nicht durch. Zwar ist in der Rechtsprechung teilweise eine Anfechtungsklage als zulässig erachtet worden, wenn ein zwar statthafter, aber aus sonstigen Gründen unzulässiger Widerspruch erhoben und durch Widerspruchsbescheid hierüber in der Sache entschieden worden ist. Dies gilt z.B. für den Fall eines verfristeten Widerspruchs, über den die Widerspruchsbehörde sachlich entschieden und damit den Weg zur verwaltungsgerichtlichen Sachprüfung eröffnet hat (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.1979 – 6 C 10.78 – juris Rn. 16; U.v. 20.6.1988 – 6 C 24.87 – juris Rn. 9). Begründet wird dies damit, dass die Einhaltung der Widerspruchsfrist keine vom Verwaltungsgericht zur prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Widerspruch als gesetzlicher Rechtsbehelf schon nicht statthaft ist. Die Einlegung des unstatthaften Widerspruchs bei der (Widerspruchs-)Behörde wahrt die Klagefrist nicht (BayVGH, B.v. 17.5.2001 – 12 ZC 01.879 – juris Rn. 2; BSG, U.v. 23.6.1994 – 4 RK 3.93 – juris Rn. 26; Rennert in Eyermann, VwGO, § 74 Rn. 9). Durch die Einlegung eines unstatthaften Widerspruchs konnte sich die Klägerin mithin keine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit erschließen. Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sich die Beklagte auch weder im Widerspruchsbescheid noch im sich anschließenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht inhaltlich zur Sache eingelassen hat. Die Ausführungen erfolgten jeweils lediglich ergänzend. Die Beklagte ist stets von der Unzulässigkeit des Widerspruchs ausgegangen.
b) Die erst am 11. Juni 2015 bei Gericht eingegangene Klage gegen Bescheid Nr. 1 wurde deutlich nach Ablauf der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben. Da Bescheid Nr. 1 mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war, besteht kein Raum für eine Anwendung von § 58 Abs. 2 VwGO. Damit war Bescheid Nr. 1, mit dem der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Fristverlängerungen u.a. zum Ablegen der 1. Wiederholungsprüfung in den Modulen Automatisierungstechnik und Angewandte Bioinformatik abgelehnt wurde, bereits bei Klageerhebung bestandskräftig. Die Klage wurde damit insoweit vom Verwaltungsgericht richtigerweise wegen Ablaufs der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Damit bestehen hinsichtlich Bescheid Nr. 1 keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
2. Die gegen Bescheid Nr. 3 erhobene Anfechtungsklage ist zwar fristgerecht erhoben, jedoch mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Zwar ist der Senat der Auffassung, dass es sich bei Bescheid Nr. 3 – mit dem u.a. festgestellt wurde, dass die Klägerin in den Modulen Automatisierungstechnik und Angewandte Bioinformatik die Note „nicht ausreichend“ erzielt hat und damit die Bachelorprüfung als nicht bestanden gilt -, um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung handelt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist insoweit unzutreffend. Allerdings kommt es hierauf nicht mehr entscheidungserheblich an.
Da wie ausgeführt, Bescheid Nr. 1 bestandskräftig geworden ist, und die Klägerin auch an keiner der beiden Modulprüfungen erfolgreich teilgenommen hat, ist jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis für die gegen Bescheid Nr. 3 erhobene Anfechtungsklage entfallen. Nach § 10 Abs. 2 Halbs. 2 RaPO i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 APO ist eine zweite Wiederholungsprüfung bei höchstens vier Prüfungen möglich. Eine dritte Wiederholung ist ausgeschlossen (§ 25 Abs. 1 Satz 3 APO). Da die Klägerin jedoch bereits im Vorfeld in den Modulen Grundlagen der Chemie/Biochemie, Molekulare Zellbiologie, Mathematisches Modellieren sowie Algorithmen und Datenstrukturen unwidersprochen jeweils eine zweite Wiederholungsprüfung abgelegt hat (vgl. Bl. 252 BA), ist es ihr aufgrund der Regelungen in § 24 Abs. 1 Satz 2 APO endgültig verwehrt, weitere zweite Wiederholungsprüfungen abzulegen. Damit steht allerdings von vornherein fest, dass sie auch durch eine gerichtliche Entscheidung über Bescheid Nr. 3 keine Verbesserung ihrer Rechtsstellung mehr erlangen kann. Vor diesem Hintergrund fehlt es für die vorliegende Klage insoweit am Rechtsschutzbedürfnis (Rennert in Eyermann, VwGO, vor § 40 Rn. 16). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist damit im Ergebnis richtig.
3. Auch bezüglich des ebenfalls angegriffenen Bescheids Nr. 2 geht die erhobene Anfechtungsklage ins Leere, denn es steht nach Bestandskraft von Bescheid Nr. 1 endgültig fest, dass die Klägerin ihren Prüfungsanspruch verloren hat. Da sie die Modulprüfungen Automatisierungstechnik und Angewandte Bioinformatik nicht mehr ablegen kann, ist ein erfolgreiches Ablegen der Bachelorprüfung ausgeschlossen (§ 11 Abs. 1 RaPO). Ob es sich auch bei Bescheid Nr. 2 um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung handelt, kann daher offen bleiben, da der Klägerin auch insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert für beide Rechtszüge war in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG auf je 12.500 Euro festzusetzen. Der Verwaltungsgerichtshof legt für die Höhe der Streitwertfestsetzung Nr. 36.1 und 36.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO) zu Grunde. Die Bedeutung der Sache der Bescheide Nr. 1 und Nr. 3 wird wegen ihrer engen inhaltlichen Verbundenheit insgesamt mit einem Streitwert in Höhe von 7.500 Euro (Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs). die Bedeutung des Bescheids Nr. 2 wird mit einem Streitwert in Höhe von 5.000 Euro bemessen (Nr. 36.4 des Streitwertkatalogs).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben