Verwaltungsrecht

Ablehnung von Prozesskostenhilfe – Fortnahme und Unterbringung eines Hundes

Aktenzeichen  9 C 18.322

Datum:
20.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4332
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 15, § 16a

 

Leitsatz

Beamteten Tierärzten ist bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 S 17.2023 2017-12-28 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin und Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Klägerin im Verfahren AN 10 K 17.2019 und Antragstellerin im Verfahren AN 10 S 17.2023 wendet sich mit ihren Beschwerde gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten für das erstinstanzliche Klageverfahren und das erstinstanzliche Antragsverfahren (Nr. 4 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 28. Dezember 2017).
In der Hauptsache verfolgt die Klägerin und Antragstellerin die Aufhebung bzw. Außervollzugsetzung der mit Bescheid der Beklagten und Antragsgegnerin vom 25. August 2017 schriftlich bestätigten Fortnahme ihres Hundes und dessen anderweitige pflegliche Unterbringung. Die ebenfalls von der Anordnung erfasste Fortnahme einer Katze ist nicht streitgegenständlich.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz im Verfahren AN 10 S 17.2023 mit Beschluss vom 28. Dezember 2017 (Nr. 1 des Tenors) und zugleich die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Nr. 4 des Tenors) abgelehnt. Weder die Klage noch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hätten hinreichende Erfolgsaussichten i.S.d. § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO.
Mit ihrer am 25. Januar 2018 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Prozesskostenhilfe macht die Klägerin und Antragstellerin geltend, das Verwaltungsgericht stelle zu Unrecht auf die Katzenhaltung ab, die nicht streitgegenständlich sei. Insbesondere im Klageverfahren seien noch unzählige Beweise zu erheben, welche Maßnahmen die Klägerin und Antragstellerin unterlassen habe, um den Hautausschlag ihres Hundes zur Heilung zu bringen. Es sei zu berücksichtigen, welche psychischen Qualen dem Hund entstünden, dass er weggenommen worden sei und sich nunmehr seit Monaten in einem Tierheim aufhalte. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin und Antragstellerin psychisch erkrankt sei und ihr eine Suizidgefahr drohe, sollte der Hund nicht zurückgegeben werden. Die Klägerin und Antragstellerin werde durch eine Therapeutin unterstützt und versuche mit der Beklagten und Antragsgegnerin eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (auch im Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof 9 CS 18.321) und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und Antragstellerin sind weder für das Klage- noch für das Antragsverfahren erfüllt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO)
1. Der Senat hat mit Beschluss vom heutigen Tag die Beschwerde der Klägerin und Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das Verwaltungsgericht mit nachfolgender Begründung abgelehnt (Beschluss vom 20.3.2018, Az. 9 CS 18.321):
„1. Entgegen den Darlegungen der Antragstellerin genügt die Begründung des Sofortvollzugs den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 25. August 2017 ausgeführt, aufgrund des unter Nr. I der Bescheidsbegründung dargestellten Sachverhalts könne die Wegnahme der Tiere nicht bis zur Entscheidung über mögliche Rechtsbehelfe aufgeschoben werden. Der Sachverhalt und die hieraus gezogenen rechtlichen Folgen sind im angefochtenen Bescheid sowohl hinsichtlich der Katzenhaltung als auch des Krankheitsverlaufs und des Pflegedefizits des von der Antragstellerin gehaltenen Hundes umfassend aufbereitet und dargestellt. Damit ist der Forderung, die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe anzugeben, auch mit Blick darauf entsprochen, dass die hier zur Begründung des Verwaltungsakts angestellten Erwägungen zugleich für die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2016 – 9 CS 16.1275 – juris Rn. 19). Dass dem Bescheid nicht zu entnehmen sei, warum eine sofortige Wegnahme des Hundes erfolgen müsse, trifft danach nicht zu.
2. Das Vorbringen der Antragstellerin, ihr Hund sei weder erheblich vernachlässigt worden, noch zeige er schwerwiegende Verhaltensstörungen auf, setzt sich weder mit der vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründung noch mit den Bescheidsgründen oder den tatsächlichen Feststellungen der Antragsgegnerin auseinander, auf die das Verwaltungsgericht Bezug genommen hat.
Nach den nicht substanziiert bestrittenen Feststellungen der Antragsgegnerin u.a. im amtstierärztlichen Gutachten vom 25. August 2017 wurde bei dem Hund der Antragstellerin bereits am 20. Juli 2017 eine hochgradige Dermatitis festgestellt, die nicht hinreichend behandelt worden war. Der Aufforderung, umgehend einen Tierarzt aufzusuchen und einen Nachweis hierüber zu erbringen, kam die Antragstellerin nicht nach. Auf nochmalige Aufforderung ging die Antragstellerin mit ihrem Hund zwar zum Tierarzt. Eine Diagnostik wurde aber nicht durchgeführt, weil der Antragstellerin die erforderlichen finanziellen Mittel fehlten. Am 15. August 2017 wurde anlässlich einer unangekündigten Kontrolle festgestellt, dass der Zustand des Hundes unverändert war (massive Hautrötung, unentwegtes Kratzen, unangenehmer Körpergeruch, eitriges Sekret in der Tiefe der Ohrmuscheln). Dass das Verwaltungsgericht und die Antragsgegnerin zugleich die tierschutzwidrige Katzenhaltung der Antragstellerin in den Blick genommen haben, führt auf kein Begründungsdefizit hin, sondern bestätigt vielmehr, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist, die Gewähr für eine tierschutzgemäße Haltung ihrer Heimtiere zu sorgen.
Vor diesem Hintergrund stellt das Verwaltungsgericht zu Recht darauf ab, dass „der neuerliche Vorfall von August 2017, bei dem es sich nur um zwei Tiere handelte, erkennen (lässt), dass die Antragstellerin – möglicherweise auch aufgrund von Geldproblemen – grundsätzlich nicht in der Lage ist, sich um die ordnungsgemäße Pflege der ihr anvertrauten Tiere zu kümmern“. Auch mit dieser einzelfallbezogenen Bewertung setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht substanziiert auseinander. Vor diesem Hintergrund stellt das Verwaltungsgericht zu Recht darauf ab, dass „der neuerliche Vorfall von August 2017, bei dem es sich nur um zwei Tiere handelte, erkennen (lässt), dass die Antragstellerin – möglicherweise auch aufgrund von Geldproblemen – grundsätzlich nicht in der Lage ist, sich um die ordnungsgemäße Pflege der ihr anvertrauten Tiere zu kümmern“. Auch mit dieser einzelfallbezogenen Bewertung setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht substanziiert auseinander. Insbesondere liegt die Annahme der Antragstellerin, dass nach Abheilung der „Allergie“ eine entsprechende Haltung des Hundes im Sinne des Tierschutzgesetztes sichergestellt sei, angesichts der tatsächlichen Umstände fern.
3. Auch das weitere Vorbringen, bei der Güterabwägung seien die Suizidgefahr der Antragstellerin und das psychische Wohlbefinden des Hundes zu berücksichtigen, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde.
Der nach den Darlegungen im Beschwerdeverfahren seelisch instabile Zustand der Antragstellerin bietet keine Handhabe dafür, den Hund der Antragstellerin weiterhin in ihrer Obhut zu belassen, obschon sie nicht imstande ist, für die Bedürfnisse der von ihr gehaltenen Tiere zu sorgen. Das Vorbringen, die Antragstellerin sei psychisch erkrankt und es drohe eine Suizidgefahr, „sollte ihr der Hund nicht zurückgegeben werden“, rechtfertigt es nicht, den Hund der Antragstellerin sehenden Auges auch künftig vermeidbaren Leiden auszusetzen.
Soweit es das Wohlbefinden des Hundes betrifft, bewertet die Antragstellerin dessen psychische Verfassung offenbar höher als seinen körperlichen Gesundheitszustand. Die Frage, was für das Tier nun schlimmer sei, die Trennung von seinem Halter oder seine Vernachlässigung, stellt sich aber nicht. Denn der Halter eines Tieres muss ein Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (§ 2 Nr. 1 TierSchG). Dies schließt es ein, dem Tier weder vermeidbare körperliche noch seelische Leiden zuzufügen. Ist der Halter hierzu nicht gewillt oder nicht imstande, kann es ihm fortgenommen werden (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG).“
Daran hält der Senat fest. Bereits hiervon ausgehend bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
2. Das weitere Vorbringen, insbesondere im Klageverfahren seien noch unzählige Beweise zu erheben, führt zu keiner günstigeren Bewertung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung durch die Klägerin und Antragstellerin.
Insbesondere hat die Amtstierärztin der Beklagten und Antragsgegnerin im Gutachten vom 25. August 2017 sowie – mit der Klage- und Antragserwiderung vom 16. Oktober 2017 – im Gutachten vom 11. Oktober 2017 überzeugend dargelegt, aus welchen Gründen der Hund der Klägerin und Antragstellerin fortzunehmen und anderweitig pfleglich unterzubringen war. Hiermit setzt sich die Klägerin und Antragstellerin nicht substanziiert auseinander. Beamteten Tierärzten ist aber bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt. Amtstierärzte sind im Rahmen der Durchführung des Tierschutzgesetzes als gesetzlich vorgesehene Sachverständige eigens bestellt und regelmäßig zu beteiligen (§ 15 Abs. 2 TierSchG); ihr Gutachten erachtet der Gesetzgeber gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG grundsätzlich als ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2017 – 9 ZB 16.2073 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen im Fall der Zurückweisung der Beschwerde kostenpflichtig (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2017 – 9 CE 17.24 – juris Rn. 7 m.w.N.). Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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