Verwaltungsrecht

Abschiebehaft trotz Antrag nach § 123 VwGO bei vollziehbarer Ausreisepflicht

Aktenzeichen  18 T 3141/18

Datum:
23.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14257
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 4, Nr. 5
VwGO § 123

 

Leitsatz

1 Besteht gegen den Ausländer eine rechtskräftige und vollziehbare Ausreisepflicht, steht ein Antrag des Ausländers nach § 123 VwGO einer Abschiebung nicht entgegen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Weigert sich der Ausländer ins Flugzeug zu steigen und zerreißt er dabei sein Flugticket, liegt damit ein Haftgrund zur Sicherung der Abschiebung vor. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3 Hat der Ausländer über seine Identität getäuscht, indem er gefälschte Papiere verwendete und unter falschen Namen Asylantrag stellte, liegt damit ein Haftgrund zur Sicherung der Abschiebung vor. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

58 XIV 33/18 (B) 2018-05-12 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 12.05.2018, Az. 58 XIV 33/18 (B), wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Betroffenen auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.
3. Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Betroffene ist äthiopischer Staatsangehöriger und ist vollziehbar ausreisepflichtig. Er reiste eigenen Angaben zufolge am 05.12.2011 unter Verwendung eines gefälschten Reisepasses in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 19.12.2011 beantragte der Betroffene unter Verwendung einer Aliaspersonalie bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Zirndorf erstmals die Anerkennung als Asylberechtigter Mit Bescheid vom 20.12.2013, rechtskräftig seit dem 17.07.2014, lehnte das BAMF diesen Antrag ab. Gleichzeitig würde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen. Dem Betroffenen wurde unter Gewährung einer Ausreisefrist von 30 Tagen ab Bekanntgabe/Unanfechtbarkeit der Entscheidung die Abschiebung nach Äthiopien angedroht.
Nachdem die wahre Identität des Betroffenen festgestellt wurde, wirkte der Betroffene in der Folgezeit nicht im erforderlichen Umfang an der Passbeschaffung mit. Eine für den 26.03.2018 geplante Rückführung scheiterte, weit der Betroffene in der Wohnung seiner Lebensgefährtin nicht angetroffen wurde. Ein am 27.03.2018 beim Verwaltungsgerichtshof Ansbach gestellter Antrag nach § 132 VwGO wurde mit Beschluss vom 12.04.2018 abgelehnt und die hiergegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 08.05.2018, rechtskräftig seit dem 11.05.2018, abgelehnt. Die für den. 11.05.2018 geplante Abschiebung scheiterte, da der Betroffene sich weigerte ins Flugzeug zu steigen und dabei sein Flugticket zerriss. Zuvor hatte er sich bei der Gewahrsamsnahme in das Badezimmer eingeschlossen.
Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht Nürnberg gegen den Betroffenen mit Beschluss vom 12.05.2018 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 11.08.2018 und die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses an.
Mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 22.05.2018, eingegangen am selben Tag, legte der Betroffene Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ein und beantragte überdies, ihm Verfahrenskostenhilfe zu gewähren. Als Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass kein Haftgrund gem. § 62 Abs. 3 AufenthG gegeben ist. Der Betroffene habe sich nicht der Abschiebung entzogen und auch nicht über seine Identität getäuscht. Der Betroffene habe in den letzten Wochen immer wieder bei der Ausländerbehörde vorgesprochen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 08.05.2018 sei dem Betroffenen auch erst am 16.05.2018 zugegangen, so dass der Betroffene bei dem Versuch der Abschiebung am 11.05.2018 noch keine Kenntnis von der Entscheidung gehabt habe. Aus Panik habe er sich dann in die Toilette eingeschlossen. Das Flugticket habe er „symbolisch“ zerrissen, nachdem er den Beamten erklärt habe, dass er nicht nach Äthiopien wolle.
Auf den Antrag der beteiligten Behörde vom 12.05.2018 nebst Anlagen (Bl. 1 ff. d.A.), das Protokoll der mündlichen Anhörung des Betroffenen vom 12.05.2018 (Bl. 15 ff. d.A.), Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 12.05.2018 (Bl. 19 ff. d.A.) und den Beschwerdeschriftsatz vom 22.05.2018 (Bl. 35 ff. d.A.) wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 23.05.2018 half das Amtsgericht Nürnberg der Beschwerde nicht ab und legte die Akten zur Entscheidung über die Beschwerde dem Landgericht Nürnberg-Fürth vor.
II.
Die Beschwerde ist zulässig gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG).
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung durch das Amtsgericht Nürnberg mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.05.2018 ist formell und materiell nicht zu beanstanden. Auf dessen ausführliche und fehlerfreie Begründung wird Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat insbesondere zutreffend das Vorliegen der Haftgründe gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 (i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 2, 5 und 6) AufenthG festgestellt. Der Betroffene hat sich durch sein Verhalten am 11.05.2018 der Abschiebung entzogen. Auch hat der Betroffene übers eine Identität getäuscht, indem er gefälschte Papiere verwendete und unter falschen Namen Asylantrag stellte. Auch hat der Betroffene durch sein Verhalten am Flughafen gezeigt, dass er sich der Abschiebung entziehen wird. Er erklärte ausdrücklich, nicht ausreisen zu wollen. Darüber hinaus leistete er Widerstand.
Unbeachtlich ist dabei die Tatsache, dass dem Betroffenen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 08.05.2018 bei der Gewahrsamsnahme am 11.05.2018 zur Abschiebung noch nicht zugegangen und ihm deshalb möglicherweise noch nicht bekannt war. Denn die seit 2014 bestehende vollziehbare Ausreisepflicht des Betroffenen wird von dieser Entscheidung formal nicht berührt.
Verfahrensverstöße durch das Amtsgericht sind nicht ersichtlich.
Die Abschiebung ist möglich und durchführbar. Das gem. § 72 Abs. 4 AufenthG erforderliche Einverständnis der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth liegt vor. Das Beschleunigungsgebot des § 62 Abs. 1 S. 2 AufenthG wurde beachtet. Die angeordnete Dauer der Sicherungshaft ist vorliegend erforderlich und nicht zu beanstanden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist gewahrt; ein milderes Mittel als die Sicherungshaft ist nicht ersichtlich.
III.
Die Kammer kann ohne persönliche Anhörung des Betroffenen entscheiden. Der Betroffene hat im Rahmen der Anhörung am 12.05.2018 durch das Amtsgericht Nürnberg Angaben zur Sache gemacht. Der Sachverhalt ist hinreichend ermittelt. Es ist daher nicht zu erwarten, dass eine erneute Anhörung des Betroffenen zu Erkenntnissen führen würde, die für die Beschwerdeentscheidung von Bedeutung wären (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).
IV.
Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe war, zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO. Auf die o.g. Ausführungen wird verwiesen.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 S. 1, 84, 430 FamFG.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 79 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.


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