Verwaltungsrecht

Abschiebungsandrohung gegenüber Kleinstkind in den Kongo

Aktenzeichen  W 10 S 19.31484

Datum:
9.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 31630
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 13 Abs. 2 S. 1, § 30, § 36 Abs. 3, Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwVfG § 37 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Besonders strenge Anforderungen gelten für die Ablehnung eines subsidiären Schutzgesuchs als offensichtlich unbegründet, welches damit begründet wird, dass dem Betroffenen aufgrund der schlechten humanitären Verhältnisse im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden oder aufgrund der allgemeinen Gefahrenlage wegen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes droht (Anschluss an BVerfG BeckRS 2018, 8252). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG erforderlichen Gefahrenprognose ist im Falle eines regional begrenzten, nicht landesweiten Konfliktes auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2009, 39593). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Personen, die nicht wegen Minderjährigkeit, Krankheit oder aufgrund andere Umstände von den schlechten Lebensverhältnissen in der Demokratischen Republik Kongo stärker als der überwiegende Teil der Rückkehrer in die Hauptstadt Kinshasa betroffen sind beziehungsweise als Minderjährige nicht alleine, sondern nur mit ihren Eltern zurückkehren müssen, droht keine Verelendung, unabhängig davon, ob die betroffene Person aus Kinshasa oder aus einem anderen Landesteil stammt (Anschluss an OVG Münster BeckRS 2019, 748). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsandrohung in den Kongo.
1. Die Antragstellerin ist eine am … … 2018 im Bundesgebiet nachgeborene Tochter einer Asylbewerberin aus der Demokratischen Republik Kongo (Gz.: …). Der Vater der Antragstellerin befindet sich ebenfalls im Bundesgebiet; die Mutter der Antragstellerin macht geltend, mit ihm in einer eheähnlichen Beziehung zu leben.
Mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 3. Juni 2019 erhielt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Kenntnis von der Geburt der Antragstellerin, womit ein Asylantrag als gestellt gilt (§ 14a Abs. 2 AsylG).
2. Mit Bescheid vom 29. Juli 2019 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheides), die Anerkennung als Asylberechtigte (Ziffer 2) sowie die Zuerkennung des subsidiären Schutzes (Ziffer 3) als offensichtlich unbegründet ab. Des Weiteren wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), die Antragstellerin unter Androhung der Abschiebung „in den Kongo“ zur Ausreise aufgefordert (Ziffer 5) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
Auf die Gründe des Bescheides darf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Am 8. August 2019 wurde für die Antragstellerin durch ihre Eltern Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erhoben (Az.: W 10 K 19.31483), über die noch nicht entschieden ist.
Zugleich wurde für die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung von Klage und Antrag wurde auf das Vorbringen der Mutter in deren Klage- und Antragsverfahren (Az. W 10 K 19.31481, W 10 S 19.31482) verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, die Probleme der Eltern dürften nie die Probleme der Kinder werden, speziell wenn das Kind nie im Kongo gelebt habe. Es werde befürchtet, dass die Antragstellerin im Kongo beschnitten werde, was die Eltern jedoch ablehnten.
4. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Die Akten des Asylverfahrens der Mutter der Antragstellerin waren zum Verfahren beigezogen, ebenso die dazugehörigen Gerichtsakten.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 29. Juli 2019 hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der kraft Gesetzes (§§ 75 Abs. 1, 36 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der Wochenfrist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG bei Gericht gestellt.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 und 4 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Nach diesem Maßstab darf die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – DVBI. 1996, 729, juris). Die Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet setzt damit voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 25.2.2019 – 2 BvR 1193/18 – juris Rn. 18; B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris Rn. 20; B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAusIR 2002, 146, juris; B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAusIR 1993, 196, juris). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen summarischen Prüfung mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann. Bei dieser Prüfung bleiben von den Beteiligten nicht angegebene und nicht gerichtsbekannte Tatsachen und Beweismittel gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG unberücksichtigt. Vorbringen, welches nach § 25 Abs. 3 AsylG im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie dort nicht angegebene Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2 AsylG kann das Gericht gemäß § 36 Abs. 4 Satz 3 AsylG unberücksichtigt lassen, wenn anderenfalls die Entscheidung verzögert würde.
Ein Asylantrag, welcher gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG die Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylG einerseits sowie die Zuerkennung des internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG – d.h. des Flüchtlingsschutzes nach den §§ 3 ff. AsylG sowie des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG – andererseits umfasst, ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Insbesondere ist ein Asylantrag gemäß § 30 Abs. 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Des Weiteren ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn einer der in § 30 Abs. 3 AsylG genannten Fälle vorliegt, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylG vorliegen beziehungsweise wenn das Bundesamt nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen hat (§ 30 Abs. 4 AsylG). Schließlich ist ein Asylantrag auch dann offensichtlich unbegründet, wenn es sich nach seinem Inhalt nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylG handelt (§ 30 Abs. 5 AsylG).
Besonders strenge Anforderungen gelten allerdings für die Ablehnung eines subsidiären Schutzgesuchs als offensichtlich unbegründet, welches damit begründet wird, dass dem Betroffenen als Zivilperson aufgrund der schlechten humanitären Verhältnisse im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Form einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder aufgrund der allgemeinen Gefahrenlage wegen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG droht (BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris Rn. 26). Ist das Zielland einer Abschiebung von einer äußerst volatilen und zudem regional sehr unterschiedlichen Sicherheitslage geprägt und besteht dort wegen einer stetigen Verschlechterung der Sicherheitslage die Gefahr, dass die Schwelle des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG überschritten sein könnte, sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, sich laufend über die tatsächlichen Entwicklungen zu unterrichten und nur auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse zu entscheiden (BVerfG a.a.O., Rn. 34 m.w.N.). Besteht aber eine solche Pflicht zu einer gleichsam „tagesaktuellen“ Erfassung und Bewertung der entscheidungsrelevanten Tatsachengrundlage, so kann sich eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, welche die Abweisung einer Klage auf Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet rechtfertigen könnte, nicht sicher herausbilden (BVerfG a.a.O. Rn. 34).
Gemessen an den genannten Grundsätzen begegnet die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet durch die Antragsgegnerin im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinem ernstlichen Zweifel.
a) Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte steht der Antragstellerin offensichtlich nicht zu, da sie im Bundesgebiet geboren ist und somit keine politische Verfolgung im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, der demokratischen Republik Kongo, erlitten haben kann. Eine solche Verfolgung droht ihr auch im Falle der Einreise in den Kongo offensichtlich nicht. Insoweit wurden keine Gründe vorgetragen, welche Anhaltspunkte für eine dem Staat zuzurechnende politische Verfolgung der Antragstellerin im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG liefern könnten. Anderweitige Anhaltspunkte, welche unabhängig vom Vortrag der Eltern der Antragstellerin die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Falle der Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Stellung eines Asylantrages im Ausland zu einer (staatlichen) Verfolgung in der Demokratischen Republik Kongo führt (Auswärtiges Amt, Lagebericht D.R. Kongo, Stand Januar 2019, S. 21; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, DR Kongo v. 8.5.2017, zuletzt aktualisiert am 11.1.2019, S. 26).
b) Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG steht der Antragstellerin ebenfalls offensichtlich nicht zu, weil ihr im Falle der Rückkehr in ihr Herkunftsland, die Demokratische Republik Kongo, eine Verfolgung in Anknüpfung an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal gemäß §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG offensichtlich nicht droht (§ 30 Abs. 1 AsylG).
Insbesondere droht der Antragstellerin offensichtlich keine geschlechtsspezifische Verfolgung in der Form der Genitalbeschneidung. Abgesehen davon, dass ihre Mutter diesen Umstand im Asylverfahren nicht erwähnt hat und es sich somit um ein gesteigertes und damit unglaubhaftes Vorbringen handelt, ist die weibliche Genitalverstümmelung im Kongo zwar nicht ausdrücklich verboten, kann aber beispielsweise als Körperverletzung strafrechtlich verfolgt werden. Soweit ersichtlich, wird sie nur (noch) bei Volksgruppen an der Grenze zum Südsudan praktiziert. Eine Quantifizierung ist mangels zuverlässiger Zahlen jedoch kaum möglich. Die WHO geht von einem Anteil der genitalverstümmelten Frauen an der lokalen weiblichen Bevölkerung von 5% aus (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht D.R. Kongo, Stand Januar 2019, S. 15). Damit droht der Antragstellerin, deren Eltern nicht aus den Regionen an der Grenze zum Südsudan stammen, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Genitalbeschneidung. Die Mutter der Antragstellerin stammt nach ihren Angaben aus Goma in der Provinz Nord-Kivu im Ostkongo, der Vater der Antragstellerin nach seinen Angaben aus Ovira in der ebenfalls im Ostkongo gelegenen Provinz Süd-Kivu.
c) Der Antragstellerin steht auch offensichtlich kein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes zu.
Der Antragstellerin steht im Ergebnis auch offensichtlich kein Anspruch auf subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu, weil sie wegen der zu unterstellenden gemeinsamen Rückkehr mit ihren aus der demokratischen Republik Kongo stammenden Eltern auf eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in der Hauptstadt Kinshasa im Südwesten Kongos verwiesen werden kann.
In der Demokratischen Republik Kongo besteht kein landesweiter bewaffneter Konflikt mehr (Auswärtiges Amt, Lagebericht D.R. Kongo, Stand Januar 2019, S. 5). Allerdings ist bei der nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG erforderlichen Gefahrenprognose im Falle eines regional begrenzten, nicht landesweiten Konfliktes auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen (st.Rspr., siehe z.B. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17). Im Osten der Demokratischen Republik Kongo, insbesondere in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Ituri und Tanganyika, aber auch in den Provinzen Bas-Uélé, Haut-Uélé und damit auch in der (behaupteten) Herkunftsregion der Antragstellerin, der Provinz Nord-Kivu, finden nach wie vor noch gewalttätige Auseinandersetzungen statt (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, DR Kongo v. 8.5.2017, zuletzt aktualisiert am 11.1.2019, S. 13). In den betroffenen Provinzen sind bestimmte Regionen nicht unter der Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte (Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O.; Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen a.a.O.).
Der Vater der Antragstellerin gibt an, in Ovira in der Provinz Süd-Kivu geboren zu sein. Die Mutter der Antragstellerin gibt an, in der Stadt Goma in Nord-Kivu geboren, nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 2003 aber zu ihrem Onkel mütterlicherseits nach Bukavu gekommen zu sein. Bukavu befindet sich ebenfalls in Kivu, und zwar unmittelbar an der Grenze zu Ruanda. Im Jahr 2015 sei sie nach Kinshasa zu ihrem Vater und dessen zweiter Frau gezogen sei, wo sie sich bis zu ihrer Ausreise aufgehalten habe. Unabhängig von der Frage, auf welche Region hinsichtlich der im Bundesgebiet geborenen Antragstellerin abzustellen wäre, kann die Antragstellerin offensichtlich auf eine zumutbare interne Schutzalternative (innerstaatliche Fluchtalternative) verwiesen werden kann (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG), sodass ihre subsidiäre Schutzberechtigung ausgeschlossen ist. Generell ist die Annahme einer inländischen Schutzalternative in der Demokratischen Republik Kongo mit Unsicherheiten behaftet, weil die rechtlich garantierte Freizügigkeit im gesamten Staatsgebiet durch faktische Behinderungen der Bewegungsfreiheit aufgrund von Kontrollstellen von Sicherheitskräften der Regierung, Kampfhandlungen in Konfliktgebieten, verfallende Überlandstraßen und die Ablehnung der Aufnahme von Personen anderer Ethnien bzw. anderer regionaler Herkunft durch die lokale Bevölkerung außerhalb der großen Städte eingeschränkt ist (Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O., S. 16; BfA, Länderinformationsblatt, S. 22/23).
Im Falle der Antragstellerin stellt dies jedoch kein Hindernis für die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative dar, weil die Abschiebung in Kinshasa enden würde. Abschiebungen aus dem Bundesgebiet in die Demokratische Republik Kongo sind nur auf dem Luftweg zum Flughafen Kinshasa möglich (Lagebericht a.a.O., S. 22). Die Antragstellerin wäre damit im Falle der unfreiwilligen Rückkehr nicht gezwungen, durch Gebiete zu reisen, in denen die oben genannten Einschränkungen oder Risiken der Bewegungsfreiheit bestehen. Vielmehr würde sie unmittelbar in ein relativ sicheres Gebiet abgeschoben. Von der Antragstellerin ist jedoch nicht offensichtlich vernünftigerweise zu erwarten, dass sie sich dort niederlässt. Es ist zu unterstellen, dass die Antragstellerin nur gemeinsam mit ihren aus der Demokratischen Republik Kongo stammenden Eltern, die zumindest teilweise (d.h. die Mutter) aufgrund eines mehrjährigen Aufenthaltes mit den Lebensverhältnissen in Kinshasa vertraut sind, zurückkehren würde (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris). Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass es den Eltern der Antragstellerin auch ohne familiäre Unterstützung gelingen würde, für ihren Lebensunterhalt und für ihr Kleinstkind zu sorgen, sodass sie in Kinshasa zumindest ein Leben am Rande des Existenzminimums führen könnte. Auf die entsprechenden Ausführungen in dem das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Mutter der Antragstellerin betreffenden Beschlusses vom heutigen Tag (Az.: W 10 S 19.31482) kann insoweit verwiesen werden.
Auf die konkrete Situation der Antragstellerin bezogen folgt daraus, dass ihr mit ihren Eltern in Kinshasa nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Leben am äußersten Rande des Existenzminimums droht, welches einer Verelendung gleichstünde oder gar alsbald in eine lebensbedrohliche Situation münden würde. Zwar können die Eltern der Antragstellerin, ihren diesbezüglichen Vortrag als wahr unterstellt, nicht auf Unterstützung durch die Großfamilie zurückgreifen. Der Vater der Antragstellerin ist ein vergleichsweise junger Mann ohne bekannte gesundheitliche Einschränkungen. Es ist ihm zuzumuten, in Kinshasa zumindest durch Gelegenheitsarbeiten für den Lebensunterhalt seiner Person und seiner Familie zu sorgen. Auch die Mutter der Antragstellerin könnte in Anbetracht ihrer Vorbildung – wenngleich nur mit den mit ihrer Situation als Mutter eines Kleinstkindes verbundenen Einschränkungen – zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Somit wäre die Familie auch nicht von der selbst in der Hauptstadt Kinshasa schlechten Versorgungslage und den schlechten sanitären und hygienischen Bedingungen für große Bevölkerungsteile in einem Ausmaß betroffen, das die Grenze zur Verelendung überschreiten würde (vgl. zum Maßstab der drohenden Verelendung als Grenze der Zumutbarkeit nach Art. 3 EMRK: EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris). Diese Einschätzung wird für Personen, die nicht wegen Minderjährigkeit, Krankheit oder aufgrund andere Umstände von den schlechten Lebensverhältnissen stärker als der überwiegende Teil der Rückkehrer in die Hauptstadt Kinshasa betroffen sind beziehungsweise als Minderjährige nicht alleine, sondern nur mit ihren Eltern zurückkehren müssen, in der ganz überwiegenden bundesdeutschen Rechtsprechung geteilt, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob die betroffene Person aus Kinshasa oder aus einem anderen Landesteil der Demokratischen Republik Kongo stammt (OVG NRW, B.v. 28.1.2019 – 4 A 159/18.A – juris Rn. 11 ff. m.V.a. OVG NRW, B.v. 3.2.2006 – 4 A 4227/04.A – juris Rn. 23 ff.; VG Augsburg, U.v. 18.4.2019 – Au 9 K 19.30361 – juris Rn. 43 ff.; VG Düsseldorf, B.v. 25.1.2019 – 3 L 2586/18.A – juris Rn. 53 ff.; VG München, U.v. 1.8.2018 – M 25 K 17.45748 – juris Rn. 35 ff.; U.v. 20.7.2018 – M 25 K 17.45860 – juris Rn. 44 ff.; U.v. 27.6.2018 – M 25 K 17.46235 – juris Rn. 23 ff.; U.v. 20.6.2018 – M 25 K 16.30066 – juris Rn. 29 ff.; U.v. 5.2.2018 – M 25 K 17.47578 – juris; a.A. [für nicht aus Kinshasa stammende Familie mit Kleinstkind und schwangerer, erkrankter Mutter] VG Minden, U.v. 2.7.2018 – 12 K 1223/18.A – juris Rn. 114 ff.; [für Kleinkind bzw. Säugling mit alleinstehender Mutter] VG Köln, U.v. 7.11.2017 – 5 K 12849/17.A – juris Rn. 27 ff.).
d) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass offensichtlich kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen drohender Verelendung infolge der schlechten Versorgungslage im Kongo oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung wegen einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren zu einer extrem zugespitzten Gefahrenlage für die Antragstellerin in Betracht kommt. Letzteres gilt auch im Hinblick auf die vorgetragene Ebolaepidemie, welche in den betroffenen Gebieten eine von § 60a Abs. 1 AufenthG erfasste, alle Einwohner von Kongo betreffende allgemeine Gefahr darstellt.
e) An der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Wiedereinreiseverbotes ergeben sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel. Insbesondere führt es nicht zur Unbestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG) und damit Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung, dass als Zielstaat nur der „Kongo“ und nicht die Demokratische Republik Kongo (in Abgrenzung zur Republik Kongo) genannt ist. Denn aus den Bescheidsgründen geht hervor, dass die Antragsgegnerin Abschiebungsverbote nur hinsichtlich des erstgenannten Staates geprüft hat, sodass die Abschiebung (vorbehaltlich einer weitergehenden, auch andere Staaten umfassenden Prüfung) auch nur in diesen Staat erfolgen könnte (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 25.1.2019 – 3 L 2586/18.A – juris Rn. 97 ff.). Auch im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Gnandi“ (EuGH, U.v. 19.6.2018 – C-181/16, Gnandi – juris) ergeben sich jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der gesetzten Ausreisefrist, da die Antragsgegnerin diese mit Schreiben vom 12. August 2019 dahingehend angepasst hat, dass die Ausreisefrist erst mit der Bekanntgabe des ablehnenden Beschlusses über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und somit in einem Zeitpunkt beginnt, in welchem nach gerichtlicher Überprüfung und somit Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 47 EU-GR-Charta, Art. 19 Abs. 4 GG) gemäß § 80 AsylG feststeht, dass der Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt. Denn das Recht auf effektiven Rechtsschutz garantiert zwar Zugang zu einem effektiven gerichtlichen Rechtsbehelf, aber nicht zu einem mehrstufigen Instanzenzug (vgl. auch EuGH, U.v. 29.7.2019 – C-654/17 P – juris Rn. 51).


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