Verwaltungsrecht

Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig – Abschiebungsverbote liegen nicht vor

Aktenzeichen  M 1 K 17.44032, M 1 S 17.44035

Datum:
28.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 12890
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 10 Abs. S. 4, § 30 Abs. 2, AsylG § 36, AsylG § 74 Abs. 1 Hs 2, § 78 Abs. 1
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5 u Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Im Fall der innerhalb einer Woche zu erhebenden Asylklage nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist nach § 60 VwGO ebenfalls innerhalb der Wochenfrist zu stellen und die versäumte Klageerhebung in dieser Wochenfrist nachzuholen; die zweiwöchige Frist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 3 VwGO ist in diesem Fall modifiziert. (Rn. 11)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
1. Die Klage ist wegen Versäumung der einwöchigen Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG unzulässig.
Nach den Bundesamtsakten wurde der Bescheid am 16.11.2016 zur Post gebracht (Bl. 60 der Bundesamtsakten). Ausweislich der Postzustellungsurkunde erfolgte am 18.11.2016 unter der Anschrift des Klägers ein Zustellversuch, welcher fehlschlug, da der Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Die Sendung kam als unzustellbar zurück. Nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG galt damit die Sendung an den Kläger gleichwohl als zugestellt, und zwar zum Datum der Aufgabe der Sendung zur Post, also am 16.11.2016, so dass die erst am 14. 6. 2017 erhobene Klage außerhalb der am 23.11.2016 endenden Klagefrist erfolgte.
Der am …6.2017 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist nach § 60 VwGO ist abzulehnen.
a. Das schon deshalb, weil der Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb von einer Woche nach dem vom Klägerbevollmächtigten vorgetragenen Wegfall des Hindernisses durch den Erhalt des Bescheides am 31. Mai 2017 gestellt wurde, sondern erst nach zwei Wochen. Die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und die Nachholung der versäumten Rechtshandlung innerhalb einer Frist von zwei Wochen entspricht zwar der Regelung in § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 3 VwGO. Jedoch ist diese Regelung für den hier gegebenen Fall eines gemäß § 34 Abs. 1 und 3 AsylG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Asylbescheides zu stellenden Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO und einer gemäß § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG innerhalb einer Woche zu erhebenden Asylklage dahingehend zu modifizieren, dass insoweit auch eine einwöchige Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und für die Nachholung der versäumten Rechtshandlung gilt (für eine einwöchige Wiedereinsetzungsfrist VG Sigmaringen, B.v. 5.5.1993 – A 9 K 10141/93 – juris). Denn es besteht kein tragfähiger Grund, warum der mit der kurzen Rechtsmittelfrist von einer Woche vom Gesetz beabsichtigte asylrechtliche Beschleunigungseffekt (siehe dazu etwa Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 2018, AsylG § 74 Rn. 14 ff.) bei Versäumung dieser Fristen im Rahmen des Wiedereinsetzungsverfahrens nach § 60 VwGO keine Geltung beanspruchen sollte. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn für die Einlegung der asylrechtlichen Rechtsmittel zwar nur eine Wochenfrist zur Verfügung stünde, der Versäumungskläger aber nach Wegfall des Hindernisses für die Erhebung einer fristgerechten Klage in den Genuss einer doppelt so langen Nachholungsfrist käme. Soweit in der Kommentarliteratur ohne Begründung die Auffassung vertreten wird, dass die Zwei-Wochen-Frist des § 60 Abs. 2 VwGO unabhängig davon gelte, ob für die versäumte Rechtshandlung eine längere oder kürzere Frist vorgesehen sei, wird stets auf die oben zitierte abweichende Auffassung des VG Sigmaringen für den Fall des asylrechtlichen Antrags nach § 36 Abs. 3 AsylG (und der Asylklage nach § 74 Abs. 2 Halbsatz 2 AsylG) hingewiesen (siehe Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 2017, § 60 Rn. 53; Kopp/Schenke, VwGO, 2017, § 60 Rn. 26; Brink in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2018, § 60 Rn. 31). Soweit in der zivilrechtlichen Kommentarliteratur für die entsprechende Vorschrift des § 234 ZPO über die zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist vertreten wird, dass diese Frist auch bei Versäumung einer längeren oder kürzeren Frist gelte, wird zur Begründung auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 1991 (VII ZB 13/90, juris und BGHZ 113, 223) verwiesen (so Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 2016, § 232 Rn. 5), welche Entscheidung aber nur den Fall einer längeren Frist behandelt.
b. Der Wiedereinsetzungsantrag wäre auch deshalb abzulehnen, weil der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert war, die einwöchige Klagefrist/Antragsfrist einzuhalten, § 60 Abs. 1 VwGO. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob der Kläger, wie er behauptet, erst am 31. Mai 2017 Kenntnis vom streitgegenständlichen Bescheid erlangt hat. Denn die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG knüpft an die Verletzung der Mitwirkungspflichten des Klägers an, jederzeit für die befassten Behörden und Gerichte auch postalisch erreichbar zu sein. Die Zustellung erfolgte korrekt unter der vom Kläger mitgeteilten Adresse. Allerdings war dort eine Zustellung an den Kläger nicht möglich, da der Kläger als Adressat der Sendung unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Das ist durch die Postzustellungsurkunde, die eine öffentliche Urkunde mit voller Beweiskraft darstellt (siehe etwa VG Düsseldorf, U.v. 24.7.2015 – 13 K 4121/15.A – juris), belegt, ohne dass diese Feststellung in der Zustellungsurkunde durch die Klägerseite in Frage gestellt oder gar erschüttert worden wäre. Die Nichtermittelbarkeit muss der Kläger gegen sich gelten lassen.
2. Die Klage hätte im Übrigen in der Sache keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG, noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG, noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 AsylG, noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 und 36 AsylG, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in § 11 AufenthG.
Im Klageverfahren haben sich keine neuen Gesichtspunkte gegenüber dem Verfahren vor dem Bundesamt ergeben. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die vom Kläger vorgetragene Gründe haben offensichtlich nichts mit politischer Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG und des § 3 AsylG oder mit einem Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zu tun, § 30 Abs. 2 AsylG. Der Kläger macht rein wirtschaftliche Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes geltend. Auch der Umstand, dass der Kläger nach seiner Behauptung im Grenzgebiet zu Indien lebt, begründet keinen Asylanspruch. Es fehlt an jegliche Darlegungen der Klagepartei oder sonstigen Erkenntnissen, dass allein aus diesen Umstand bereits politische Verfolgung oder die Gefahr eines schweren Schadens folgt.
Bei dieser Sachlage bestehen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO gemäß § 78 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 AsylG als im Asylantrag offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Dieses Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 AsylG.
Weiter ergeht im Verfahren M 1 S 17.44035 ohne mündliche Verhandlung am 28. März 2018 folgender Beschluss
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß §§ 75, 36 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg, weil die einwöchige Antragsfrist des § 36 Abs. und 3 Satz 1 AsylG versäumt ist und eine Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO nicht in Betracht kommt (siehe obiges Urteil) und unabhängig davon keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung gemäß § 36 Abs. 4 AsylG bestehen (siehe obiges Urteil).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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