Verwaltungsrecht

Abschiebungsverbot für eine afghanische Familie mit minderjährigen Kindern

Aktenzeichen  M 4 K 16.30695

Datum:
19.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Es ist durch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 113717) hinreichend geklärt, dass schlechte humanitäre Bedingungen eine auf eine Bevölkerungsgruppe bezogene Gefahrenlage darstellen können, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK führen und dass dies bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen der Fall ist. Dies gilt erst recht für eine Familie, für die der Mutter bzw. Ehefrau der Kläger bereits ein Abschiebungsverbot wegen einer psychischen Erkrankung zuerkannt wurde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. März 2016 wird in den Nrn. 4, 5 und 6 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Die Kläger haben Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG. Soweit ein solches in Nr. 4 des Bescheides des Bundesamtes verneint und den Klägern in Nr. 5 des Bescheides die Abschiebung nach Afghanistan angedroht und in Nr. 6 des Bescheids ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet wurde, ist dieser rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-).
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG liegen vor. Dass schlechte humanitäre Bedingungen eine auf eine Bevölkerungsgruppe bezogene Gefahrenlage darstellen können, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK führen und dass dies bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen der Fall ist, ist durch Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs jedoch hinreichend geklärt (vgl. hierzu BayVGH, U. v. 23.3.2017 – 13a B 17.30030 – juris; B. v. 04.08.2015 – 13a ZB 15.300032 – juris; U. v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris). Bei den Klägern handelt sich es um eine Familie mit drei minderjährigen Kindern. Vorliegend sind auch keine Gesichtspunkte erkennbar, die den Fall der Kläger in einem anderen Licht erscheinen lassen. Insbesondere wurde der Mutter bzw. Ehefrau der Kläger bereits ein Abschiebungsverbot aufgrund einer psychischen Erkrankung zugesprochen. Ihre Betreuungsfähigkeit für die Kinder bzw. Arbeitsfähigkeit ist deshalb eingeschränkt. Auch beim Kläger zu 1.) spricht nach den vorgelegten Attesten vieles für das Vorliegen einer psychischen Erkrankung, so dass auch hier nicht mit einer vollen Betreuungs- bzw. Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. Der Kläger zu 3.) bedarf, nachgewiesen durch die vorgelegten Atteste, aufgrund seines Asthmas und seiner Entwicklungsstörungen zudem regelmäßiger ärztlicher Behandlungen, was eine zusätzliche Belastung für die Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan darstellen würde. Alles in allem war hinsichtlich der Kläger daher ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen.
Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insbesondere im Hinblick auf die vom Kläger zu 1) vorgetragenen psychischen Erkrankung erfüllt sind, bedarf keiner (weiteren) Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Streitgegenstand handelt (BVwerG, U. v. 08.09.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319, Rn. 16 und 17).
Deshalb war der auf die Feststellung des Abschiebungsverbots beschränkten Klage mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 VwGO sattzugeben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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