Verwaltungsrecht

Abweisung einer Klage

Aktenzeichen  M 32 K 16.35708

Datum:
25.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55919
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a
AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3c, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Ein Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG scheitert bereits daran, dass der Kläger nach eigenem Vortrag auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagtenseite ordnungsgemäß geladen worden war (die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung auf die Einhaltung der Ladungsfrist und die förmliche Ladung gegen Empfangsbekenntnis verzichtet) und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch weder im Hauptantrag, noch in den Hilfsanträgen zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch unter Einbeziehung seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigten, noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Ebenso wenig liegen Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) vor. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes erweist sich als rechtmäßig (§ 11 AufenthG).
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzt wie folgt:
1. Ein Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG scheitert bereits daran, dass der Kläger nach eigenem Vortrag auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
2. Auch ein Anspruch auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz besteht nicht.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2. außerhalb des Landes befindet,
a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will
und kein Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG vorliegt.
Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- und Schutzakteuren und der sog. inländischen Fluchtalternative regeln die §§ 3a bis 3e AsylG. Dabei gilt für die Verfolgungsprognose der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit; entscheidend ist, ob aus Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (BVerwG, U.v. 01.06.2011 – 10 C 25.10 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 07.02.2008 – 10 C 33.07 – juris Rn. 37). Der Vorverfolgte wird dabei privilegiert durch die – durch stichhaltige Gründe widerlegbare – Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung oder Schädigung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Kriterien liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG droht.
Der Kläger hat seinen Asylantrag auf zwei unterschiedliche Komplexe gestützt. Zum einen werde er von der Taliban, die ihm die Verhaftung und Tötung von Mitgliedern zurechne, und vom Militär bzw. der Polizei aufgrund seines bewaffneten Einsatzes für die PAC verfolgt; zum anderen werde er von einer aus 7 Familien bestehenden Drogendealergruppierung verfolgt, da er ihnen durch seine Zeugenaussage in einem deutschen Strafverfahren einen finanziellen Schaden in Höhe von insgesamt 25.000 Euro zugefügt habe.
Soweit der Kläger eine Verfolgung durch Taliban und das Militär bzw. die Polizei vorbringt, ist das Gericht von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, nicht hinreichend überzeugt. Zum einen erscheinen die Angaben des Klägers bezüglich einer Radiosendung der Taliban, in der ihm eine Vergiftung von Taliban-Anhängern vorgeworfen worden sei, wenig substantiiert und mangels detaillierter ausführlicher näherer Angaben hierzu nicht nachvollziehbar und insgesamt nicht glaubhaft. Auch scheint die behauptete Verfolgung durch die Taliban ca. 7 Jahre nach dem – laut Angabe des Klägers von ihm in seinem Geburtsort ausgelösten – Militäreinsatz wenig plausibel, zumal mangels entsprechender Schilderung des Klägers jedenfalls nach seinem Umzug nach Matani keine weiteren Bedrohungen durch die Taliban mehr erfolgt sind. Zum anderen erschließt sich dem Gericht aus den Angaben des Klägers nicht, warum er sich weiterhin durch das Militär oder die Polizei verfolgt fühlt. Denn seinen eigenen Angaben zu Folge wurde er in Matani nach seiner ersten Inhaftierung auf Intervention des Onkels seiner Schwiegermutter, eines pakistanischen Militärgenerals, wieder freigelassen. Aus welchen Gründen dem Kläger bei dieser Vorgeschichte und diesen Beziehungen eine erneute Inhaftierung durch das Militär drohen soll, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Dies gilt auch in Bezug auf die vorgebrachte Befürchtung, erneut durch die Polizei inhaftiert zu werden. Nach Angabe des Klägers wurde auch von der Polizei gegen ihn nach einer später erfolgten Festnahme – innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist – keine Strafanzeige erstattet und seine Freilassung verfügt. Bei dieser Vorgeschichte ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan eine erneute Verhaftung droht.
Abgesehen davon knüpft dieser o.g. Sachvortrag des Klägers nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Die beschriebenen Vorfälle erfolgten nicht „wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“, sondern – soweit es die Taliban betrifft – aus rein kriminellen Motiven bzw. ansonsten – hinsichtlich des Militärs bzw. der Polizei – den Schilderungen des Klägers zufolge („weil wir unsere Waffen nicht abgegeben haben“) wegen unberechtigten Tragens von Schusswaffen und somit aus Gründen der inneren Sicherheit bzw. aus strafverfolgungsrechtlichen Gründen.
Ungeachtet dessen fehlt es bei einer Verfolgung durch Taliban an der Verfolgung durch einen rechtlich relevanten Verfolgungsakteur. Eine relevante Verfolgung kann zwar auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die staatlichen Strukturen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3c Nr. 3 AsylG). Die Furcht des Klägers vor Rache durch Mitglieder der Taliban begründet dies jedoch nicht. Denn sollte er tatsächlich von diesen Personen verfolgt werden, so muss er sich darauf verweisen lassen, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen und könnte dies auch. Es ist nicht ersichtlich, dass eine im Einzelfall möglicherweise fehlende Schutzbereitschaft des Staates Ausdruck einer grundsätzlichen Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des pakistanischen Staates gegenüber Bedrohungslagen, wie sie der Kläger geschildert hat, wäre. Kein Staat ist in der Lage, lückenlosen Schutz vor kriminellen Übergriffen Dritter zu bieten. Die Handlungsfähigkeit des pakistanischen Staates wird – unter Hinweis auf bestehende Defizite – auch durch die vorliegenden Erkenntnismittel bestätigt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand August 2018, S. 9 f, 19). Dem Kläger ist es also zuzumuten, sich wegen der Bedrohungen durch Taliban an die örtliche Polizei zu wenden; auch ist zu erwarten, dass er durch staatliche Stellen Schutz erhält.
Auch soweit der Kläger eine Verfolgung durch sieben zum Drogenhandel zusammengeschlossene Familien befürchtet, knüpft sein Sachvortrag nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an und es fehlt wiederum an einer Verfolgung durch einen rechtlich relevanten Verfolgungsakteur. Auch insoweit muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen und könnte dies auch.
Abgesehen von oben gesagten muss sich der Kläger zudem jeweils auf internen Schutz nach § 3e AsylG verweisen lassen. Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat. Nach der aktuellen Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 19) können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land leben; selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.254 km², über 200 Millionen Einwohner) ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, bei Aufenthaltnahme in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig v. 15.1.2014). Gemäß der Auskunft von Accord vom 5. Februar 2015 führt der Ermittlungsbericht des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in Islamabad vom Juli 2013 aus, dass selbst eine Person, die von einem Konfliktherd mit Taliban fliehe, durchaus in einer pakistanischen Stadt in den Provinzen Sindh oder Punjab Zuflucht finden könne. Hinsichtlich der Sicherheit würden in Pakistan – schon aufgrund der Größe des Landes – interne Fluchtalternativen bestehen (vgl. allgemein zur Annahme einer inländischen Fluchtalternative: VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris Rn. 50 ff; VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31121 – juris Rn. 46 m.w.N.; U.v. 12.6.2015 – M 23 K 13.31345 – juris Rn. 21 ff m.w.N.). Ergänzend hat das Auswärtige Amt mit der in das Verfahren über die Erkenntnismittelliste eingeführten Auskunft an das Verwaltungsgericht München vom 7. Februar 2018 darauf hingewiesen, dass es in Pakistan auch vor einer Verfolgung durch Taliban ausreichende inländische Fluchtalternativen gebe. Ein einfacher Umzug in eine der zahlreichen großen Städte und Metropolen wie Karachi, Lahore, Peschawar, Rawalpindi, Sialkot, Gujarat usw. würde den Kläger unauffindbar machen.
Es ist nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich sein sollte, sich in einer dieser Großstädte niederzulassen und dort unbehelligt von seinen mutmaßlichen Verfolgern zu leben. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass der Kläger in der Anonymität einer Großstadt befürchten müsste, dass sein dortiger Aufenthaltsort den Taliban oder den von ihm genannten sieben im Drogenhandel tätigen Familien der von der Zeugenaussage des Klägers betroffenen Pakistaner bekannt wird. Dass seine behaupteten Verfolger den Kläger auch in weiteren Landesteilen suchen und finden würden, ist auch insofern nicht überzeugend, als dass der Kläger nicht im Ansatz vorgetragen und dargestellt hat, dass die Gegner eine Struktur einer zentralen Informationsbeschaffung haben oder der Kläger derart exponiert ist, dass er auch in diesen Landesteilen aufgefunden würde.
Auch kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 a.E. AsylG). Es ist davon auszugehen, dass der Kläger in den Großstädten Pakistans bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen kann.
Mit Blick auf die Zumutbarkeit innerstaatlicher Schutzalternativen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass von dem Betroffenen nur dann vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wenn er am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Im Falle fehlender Existenzgrundlage ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben; dies gilt auch dann, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind. Für die Frage, ob der Betroffene vor Verfolgung sicher ist und eine ausreichende Lebensgrundlage besteht, kommt es danach allein auf die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet und die persönlichen Umstände des Betroffenen an (BVerwG, U.v. vom 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 32). Ein verfolgungssicherer Ort bietet erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24/06 – juris Rn. 11).
Zwar ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schwierig, aber dennoch relativ stabil ist. Insbesondere in den Städten, die hier als verfolgungsfreier Landesteil zur Verfügung stehen, gibt es Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Home Office, Pakistan: Background Information, including actors of protection and internal relocation (Independent Advisory on Country Information (IAGCI) – Home Office, Inländische Fluchtalternative), Juni 2017, Seite 35 f; EASO, Pakistan Länderüberblick, 2015, Seite 43). Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger als erwachsener, junger und arbeitsfähiger Mann mit Berufserfahrung in einer pakistanischen Großstadt bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen kann. Es gibt aufgrund der großen Bevölkerung viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis (vgl. VG München, U.v. 28.1.2019 – M 23 K 17.31585 – noch nicht veröffentlicht). Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Kläger, möglicherweise nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, gewissen Übergangszeiten seinen Lebensunterhalt eigenständig sicherstellen kann.
3. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach einer der Alternativen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG sind nicht gegeben.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei neben der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dabei muss die Art der Behandlung oder Bestrafung eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG).
Gemessen daran hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Im Herkunftsstaat erlitt er keinen ernsthaften Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG; weshalb ihm bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG drohen würde, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) hat der Kläger nicht geltend gemacht. Es droht ihm auch keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG (zu den Begriffen vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 156 ff) durch einen rechtlich relevanten Verfolgungsakteur i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG. Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) liegen nicht vor, da in Pakistan gegenwärtig kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt. Zum anderen weisen die dem Kläger in Pakistan drohenden allgemeinen Gefahren keine derart hohe Dichte bzw. keinen derart hohen Grad auf, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist (zu den rechtlichen Maßstäben einschl. des lokalen Anknüpfungspunktes vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 15,17,18; BayVGH, B.v. 9.1.2015 – 13a ZB 14.30449 – juris Rn. 10). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts ist bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von über 200 Millionen Menschen in Pakistan das Risiko, als Zivilperson Schaden an Leib oder Leben durch Anschläge zu erleiden, verschwindend gering (vgl. VG München, B.v. 29.1.2019 – M 32 K 16.35462 – noch nicht veröffentlicht; U.v. 21.1.2019 – M 32 K 16.35510 – noch nicht veröffentlicht; so auch bereits VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31121 – juris Rn. 58). Individuelle gefahrerhöhende Umstände, aufgrund derer der Schutzsuchende zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, wurden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Im Übrigen steht dem Kläger – wie oben ausgeführt – die Möglichkeit internen Schutzes offen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
4. Die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
a) Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht gegeben. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13/96 – juris Rn. 8ff) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen. Insbesondere sind zu nennen das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 1 EMRK) und das Verbot der Folter (Art. 3 EMRK). Für die Frage, wie die Gefahr beschaffen sein muss, mit der die Rechtsgutverletzung droht, ist auf den asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zurückzugreifen.
Ein solches zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis liegt nicht vor. In den Fällen, in denen gleichzeitig über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) und eines nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 AsylG regelmäßig – so auch hier – die Annahme eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 36).
b) Es liegt auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht. Für die Annahme einer „konkreten“ Gefahr im Sinne dieser Vorschrift genügt aber nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit der Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzuwenden und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem muss eine auf den Einzelfall bezogene, individuell bestimmte und erhebliche, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretende Gefährdungssituation vorliegen und es muss sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann. § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG erfasst also nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt ist bzw. sind, werden indes allein bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Allgemeine Gefahren in diesem Sinn unterfallen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen drohen. Angesichts der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG kann ein Ausländer daher in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nur dann beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der dortigen Existenzbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre oder sonst eine individuelle existenzielle Gefahr für ihn besteht. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 zu gewähren. Die Abschiebung muss somit ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert würde und sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren würden.
Hiervon ausgehend vermag das Gericht keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei seiner Rückkehr in sein Heimatland zu erkennen. Der Kläger ist ein junger, offenbar gesunder und arbeitsfähiger Mann mit Arbeitserfahrung, von dem zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt in Pakistan wird sichern können.
5. Gegen die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung bestehen keine Bedenken.
6. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG erfolgte ermessensgerecht. Die Länge der Frist liegt exakt in der Mitte des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmens und begegnet keinen Bedenken. Besondere Anhaltspunkte für ein Abweichen liegen nicht vor. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts verwiesen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG und mit dem Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.


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