Verwaltungsrecht

„Anerkannten-Folgeantrag“ (erneutes Aufwerfen der Zuständigkeitsfrage bei erneuter Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) – kein Folgeantrag nach § 71 AsylG, aber Prüfung über § 51 VwVfG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, Umdeutung einer Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG in eine nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 51 VwVfG, Inlandsbezogenes Abschiebungshindernis (wegen Bestehens eines Aufenthaltsstatus für Kind der Kläger) in diesem Verfahren nicht zu prüfen, Verhältnisse für international Anerkannte in Rumänien

Aktenzeichen  AN 17 K 20.50151

Datum:
24.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47765
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1a) und Nr. 5
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 5 und Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen. 
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. 

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber begründet. Der Bescheid vom 24. März 2020 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO. Die Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung und Versagung von Abschiebungsverboten in Bezug auf Rumänien und die hilfsweise gestellte Verpflichtungsklage auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 sind unbegründet, die Klage damit im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.
1. Die Anfechtungsklage (Hauptantrag) ist zulässig.
Sie ist die allein statthafte Klageart gegen die erneute Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids). Das gilt unabhängig davon, ob die Unzulässigkeitsentscheidung zurecht auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG gestützt ist oder – richtigerweise – auf § 29 Abs. 1
Nr. 2 AsylG beruht, so dass die Einordnung des Verfahrens als Folgeantrag durch das Bundesamt insofern keine Rolle spielt. Die erfolgreiche Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsfeststellung führt in der Folge zur inhaltlichen Prüfung der Asylanträge durch die Beklagte, so dass es eines auf die Durchführung eines Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsantrags nicht zusätzlich bedurfte (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625; U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris; OVG Saarlouis, U.v. 25.10.2016 – 2 A 95/16 – juris Rn. 23). Ein „Durchentscheiden“ des Gerichts über das Asylbegehren im Falle einer erfolgreichen Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung ist erst recht nicht möglich; eine hierauf gerichtete Verpflichtungsklage wäre ebenfalls bereits unstatthaft (vgl. im Einzelnen VG Ansbach, U.v. 17.3.2020 – AN 17 K 18.50394 – juris; U.v. 18.1.2021 – AN 17 K 18.50780 – juris; U.v. 10.7.2020 – AN 17 K 17.51171 – juris).
Die Klage wurde innerhalb der in der Rechtsbehelfsbelehrungangegebenen Frist von zwei Wochen erhoben und ist damit nicht verfristet.
2. Die Anfechtungsklage ist auch unbegründet. Die Unzulässigkeitsentscheidung in den Ziffer 1 des Bescheids vom 24. März 2020 ist rechtmäßig. Die Unzulässigkeit der Asylanträge der Kläger ergibt sich zwar nicht aus § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG (a), aber aus § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG; die Rechtsgrundlage kann insofern ausgetauscht werden bzw. eine Umdeutung vorgenommen werden (b).
a) Der vom Bundesamt herangezogene Unzulässigkeitstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG greift im vorliegende Fall nicht ein. Dieser setzt einen Folgeantrag nach § 71 AsylG oder einen Zweitantrag nach § 71a AsylG voraus, der hier aber nicht vorliegt. In Rumänien wurde die Kläger als international schutzberechtigt anerkannt, ihr Asylantrag dort ist damit gerade nicht i.S.v. § 71a Abs. 1 AsylG erfolgslos geblieben. Ein Asylfolgeantrag nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG setzt nach der Ansicht des Gerichts ebenso wie ein Zweitantrag nach § 71 a Abs. 1 AsylG eine inhaltliche Ablehnung des Asylbegehrens voraus, erfasst aber nicht die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a oder Nr. 2 AsylG (vgl. insoweit auch VG Ansbach, B.v. 15.4.2020 – AN 17 E 20.50011 – juris bzw. B.v. 11.8.2021 – AN 17 S 21.50187 im Verfahren der Tochter …; ebenso VG München, B.v. 15.4.2019 – M 9 E 19.50335 – juris Rn. 20 ff., vgl. auch EuGH, U.v. 25.1.2018 – C-360/16 „Hasan“ – juris; a.A. Bergmann/Dienelt, 12. Aufl. 2018, § 71 Rn. 7, a.A. auch – aber größtenteils ohne Begründung – VG Sigmaringen, B.v. 14.12.2020 – A 13 K 1269/18; VG Bremen, U.v. 23.4.2021 – 6 K 1114/20; VG Aachen, B.v. 14.6.2021 – 8 L 307/21.A – jeweils juris). Dieses Verständnis vom Begriff „Folgeantrag“ (wie er auch in § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG verwendet wird) entspricht der europarechtlichen Grundlage des Art. 33 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 – Verfahrens-RL – und zeigt sich ausdrücklich in der Formulierung des parallelen § 71a AsylG, wonach ein Zweitantrag begrifflich nur vorliegt, wenn das Zuständigkeitsverfahren bereits abgeschlossen ist, von der Zuständigkeit Deutschlands also auszugehen ist („…ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist…“).
b) Demnach kann sich in der vorliegenden Konstellation eine Unzulässigkeit des Asylantrags nur aus § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ergeben. Ist ein Asylantrag in Deutschland bereits als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt worden und kommt es wie hier zu einem weiteren (Asyl)Antrag mit dem Vorbringen, dass Deutschland (nunmehr) zuständig sei bzw. wird eine Änderung der humanitären Verhältnisse, die im Rahmen der Unzulässigkeitsentscheidung eine Rolle spielen, geltend gemacht („Anerkannten-Folgeantrag“), so richtet sich die Prüfung nach Ansicht des Gerichts nach § 51 VwVfG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Das Bundesamt hat dann zunächst die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 VwVfG zu prüfen und – falls Wiederaufgreifensgründe vorliegen – zu entscheiden, ob § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (weiter) eingreift oder über den Asylantrag in der Sache zu entscheiden ist.
Dass das Bundesamt nach der Bescheidsbegründung § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (i.V.m. § 51 VwVfG) nicht herangezogen hat, sondern die Entscheidung auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG gestützt hat, ist als solches kein Fehler, der zur Aufhebung des Bescheides führt. Ein Austausch der Rechtsgrundlage bzw. eine Umdeutung der Entscheidung nach § 47 VwVfG in eine solche nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG durch das Gericht ist, da es sich um eine gebundene Entscheidung handelt und die Umdeutung keine ungünstigeren Folgen für die Kläger hat, möglich; § 47 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG stehen dem nicht entgegen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht eine Umdeutung einer Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG und einer nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in eine solche nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG für unzulässig erachtet (BVerwG, U.v. 16.11.2015 – 1 C 4/15; BVerwG und U.v. 21.11.2017 – 1 C 39/16 – jeweils juris), die zugrunde liegenden Erwägungen greifen aber nicht für die hier gegebene umgekehrte Konstellation ein, weil hier die ungünstige Wirkung, dass die Kläger einer Abschiebung ins Heimatland statt (nur) in einen anderen Mitgliedstaat des Dublin-Raums ausgesetzt sind, gerade nicht beabsichtigt ist und auch nicht besteht. Das Vorgehen hat vorliegend somit keine negativen Auswirkungen für die Kläger und entspricht erkennbar dem Willen des Bundesamtes, das lediglich formal die falsche Rechtsgrundlage gewählt hat, mit seinen inhaltlichen Erwägungen zu § 51 VwVfG jedoch richtig liegt.
Vorliegend kann dahinstehen, ob angesichts der gewählten Tenorierung des Bundesamtes in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids das Vorliegen von Wiederaufgreifengründen vom Gericht zugrunde gelegt werden muss, weil das Bundesamt im Tenor nicht das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf die Unzulässigkeitsfeststellung abgelehnt, sondern die Unzulässigkeit erneut festgestellt hat. In den Gründen des Bescheids bringt das Bundesamt hingegen – allerdings eben über den nach Ansicht des Gerichts nicht einschlägigen § 71 AsylG – zum Ausdruck, dass es die Voraussetzungen des § 51 VwVfG nicht für gegeben erachtet. Der Bescheid ist insoweit widersprüchlich, jedoch kann der genaue Regelungsgehalt dahinstehen, da im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 AsylG, die Asylanträge der Kläger aufgrund der weiter bestehenden Schutzstatus in Rumänien, wohin die Kläger zurückkehren können, unzulässig sind. Eine Rechtsverletzung ergibt sich aus dieser Unklarheit damit für die Kläger nicht.
In Rumänien herrschen (weiter) keine humanitären Bedingungen für anerkannt Schutzberechtigte, die einer Rückführung der Kläger entgegenstünden. Die Betroffenen sind in Rumänien weiter keiner Lage ausgesetzt, die ein Rückführung dorthin unzulässig machen würde. Diese Schwelle ist nicht schon dann erreicht, wenn die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der RL 2011/95/EU (Qualifikations-RL) entsprechen, sondern erst wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris; VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris – Fehlen von „Bett, Brot und Seife“).
Nach den zum Verfahren beigezogenen Erkenntnismitteln sind anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Rumänien rumänischen Staatsbürgern in allen maßgeblichen Bereichen gleichgestellt und können unter den gleichen Voraussetzungen staatliche und karitative Hilfe in Anspruch nehmen wie Staatsbürger. Die Lebensverhältnisse stellen sich im Einzelnen für sie wie folgt dar:
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben in Rumänien Zugang zu Bildung, Wohnungen, Arbeit, Krankenversorgung und Sozialleistungen, wobei der faktische Zugang nicht überall im Land gleich einfach möglich ist. Integrationsprogramme, insbesondere mit Fokus auf die kulturelle Orientierung und den Spracherwerb, werden angeboten (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 12 ff.). Antragsteller mit Flüchtlingsstatus erhalten zunächst eine dreijährige Aufenthaltsbewilligung, subsidiär Schutzberechtigte eine zweijährige, die jeweils problemlos verlängert werden kann. Eine permanente Aufenthaltsbewilligung ist ab einem rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens fünf Jahren in Rumänien möglich, wenn weitere Voraussetzungen wie etwa Sprachkenntnisse des Rumänischen, eine Krankenversicherung und eine Unterkunft erfüllt sind (BFA a.a.O; AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 132, 134 f.).
Soweit Begünstigte internationalen Schutzes nach ihrer Anerkennung über keine eigenen finanziellen Mittel verfügen, können sie, wenn sie an einem Integrationsprogramm teilnehmen, jedenfalls für sechs weitere Monate in den regionalen Unterbringungszentren verbleiben. In Ausnahmefällen ist eine Verlängerung um weitere sechs Monate möglich. Dafür müssen sie zwar grundsätzlich – vulnerable Personen ausgenommen – eine Miete von 1,40 EUR pro Tag im Winter und 1,20 EUR pro Tag im Sommer entrichten. Allerdings wird für die Unterbringungszentren in Timișoara, Şomcuta Mare, Rădăuţi, Galaţi und Giurgiu berichtet, dass in den ersten zwei bzw. drei Monaten nach der Anerkennung keine Miete zu entrichten ist. Darüber hinaus scheint die NGO Jesuit Refugee Service Romania über das Projekt „A New House“ in allen Regionalzentren mindestens teilweise die dann noch anfallenden Mietkosten zu übernehmen (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 146 f.). Außerhalb der Unterbringungszentren haben die anerkannten Schutzberechtigten wie rumänische Staatsbürger Zugang zum Sozialwohnungsprogramm. Soweit staatlicherseits keine Sozialwohnung zur Verfügung gestellt werden kann, wird für maximal ein Jahr ein Mietzuschuss von bis zu 50% für die Anmietung einer sonstigen Wohnung gewährt (AIDA a.a.O., S. 147 f.).
An Sozialleistungen wird den international Schutzberechtigten, wenn sie an einem Integrationsprogramm teilnehmen, für ein Jahr eine monatliche Leistung von circa 110,00 EUR (sowie ein Sprachkurs) zur Verfügung gestellt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand 14.6.2019, S. 13).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt besteht grundsätzlich einschränkungslos, zudem werden Anerkannte mit der Teilnahme am Integrationsprogramm automatisch als Arbeitssuchende bei der rumänischen Arbeitsagentur registriert. Gleichwohl gibt es teils praktische Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, etwa dergestalt, dass es vielen international Schutzberechtigten an nachweisbaren Schul-, Berufs- oder Studienabschlüssen fehlt und sie somit von bestimmten Positionen ausgeschlossen sind oder die rumänische Sprache nicht ausreichend beherrscht wird (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S.148 ff.). Die Arbeitslosenquote lag in Rumänien Mitte 2021 bei etwa 5,5% (https://www.ceicdata.com/ de/indicator/romania/unemployment-rat) und ist, obwohl diese 2021 anstieg, im europäischen Vergleich nach wie vor eher gut, so dass eine Arbeitsaufnahme eines Elternteils mittelfristig durchaus realistisch ist.
Auch die gesundheitliche Versorgung von anerkannten Schutzberechtigten ist gewährleistet. Sie haben unter den gleichen Bedingungen wie rumänische Staatsbürger Anspruch auf eine Krankenversicherung. Psychische Krankheiten wie insbesondere Traumata werden behandelt. Soweit es praktische Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung zu überwinden gilt, sind NGOs behilflich. Die Kosten für erwerbslose Anerkannte für die staatliche Krankenversicherung betragen 44,00 EUR pro Monat, wobei gleichzeitig davon berichtet wird, dass eine jahresweise Versicherung für einen Betrag von 265,00 EUR zu haben ist. NGOs übernehmen teils die Kosten für die Krankenversicherung (AIDA, Country Report Romania, Update 2019, S. 159 f.).
Unter Berücksichtigung des oben dargestellten strengen rechtlichen Maßstabes ist eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh für die Kläger nicht zu befürchten.
Obdachlosigkeit droht wegen der auch nach der Anerkennungsentscheidung möglichen sechs bis zwölfmonatigen Anschlussunterbringung in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber unmittelbar nicht. Die dafür teilweise zu entrichtende Miete von durchschnittlich 1,30 EUR pro Tag wird zum einen teils durch Hilfsorganisationen übernommen, zum anderen kann sie vom Antragsteller von der monatlichen Unterstützungsleistung für international Schutzberechtigte von etwa 110,00 EUR getragen werden. Darüber hinaus haben die Antragsteller Zugang zum Sozialwohnungsprogramm des rumänischen Staates beziehungsweise wird ihm, falls gerade keine Sozialwohnungen zur Verfügung stehen, für ein Jahr ein Mietzuschuss von bis zu 50% für das Anmieten einer sonstigen Wohnung gewährt. Damit ergreift Rumänien ausreichende Maßnahmen, um einer Verelendung anerkannter Asylbewerber durch Obdachlosigkeit entgegenzuwirken.
Eine Verelendung droht den Klägern bei – gegebenenfalls zumutbarer – Inanspruchnahme von staatlicher und karitativer Hilfe nicht, auch nicht unter Berücksichtigung, dass es sich bei den Klägern unter Einbeziehung der beiden in Deutschland geborenen Töchter um eine 6-köpfige Familie handelt. Von einer gemeinsamen Rückkehr der Gesamtfamilie ist auszugehen (vgl. zur Annahme einer realitätsnahen und damit hier gemeinsamen Rückkehrperspektive allgemein BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris), zumal Rumänien auch einer Überstellung der beiden nachgeborenen Töchter des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) zugestimmt hat.
3. Abzuweisen ist die Klage auch im Hinblick auf Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Aufgrund des Bedingungseinstritts (Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage) ist über den Verpflichtungsantrag hinsichtlich der Abschiebungsverbote zu entscheiden.
Diese ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Soll das Wiederaufgreifen des Verfahrens oder das Durchentscheiden über Abschiebungsverbote erreicht werden, ist die Verpflichtungsklage die statthafte Klageart (vgl. VG Ansbach bzgl. Wiederaufgreifen in Hinblick auf die Unzulässigkeitsentscheidung U.v. 23.9.2020 – AN 17 K 20.50258 – juris; bzgl. Abschiebungsverboten VG München, U.v. 8.1.2020 – M 19 K 19.50510 juris Rn. 17). Hinsichtlich des Durchentscheidens über nationale Abschiebungsverbote durch das Gericht bestehen in der vorliegenden Fallkonstellation keine rechtlichen Bedenken; ein Durchentscheiden ist, obwohl das Bundesamt lediglich ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich Abschiebungsverboten abgelehnt hat, veranlasst, weil das Bundesamt sich zu Unrecht damit begnügt hat, eine Wiederaufgreifen abzulehnen anstatt insofern in der Sache zu entscheiden. Zwar kommt ein Durchentscheiden des Gerichts hinsichtlich eines Schutzstatus nach § 3 oder § 4 AsylG in Bezug auf eine Entscheidung nach § 29 Abs. 1 AsylG grundsätzlich nicht in Frage (vgl. VG Ansbach, U.v. 17.3.2020 – AN 17 K 18.50394 – juris; BVerwG, U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625), dies ist, was Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG betrifft, aufgrund der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG jedoch anders zu beurteilen. Nach 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist im Falle einer Entscheidung über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen. Die Vorschrift verlangt – im Gegensatz zur früheren Rechtslage vor dem Inkrafttreten von Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (zur früheren Rechtsprechung vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 9 C 41/99 – juris Rn. 9) somit eine Entscheidung des Bundesamtes in der Sache, nicht eine bloße Prüfung, ob das Verfahren insofern wiederaufgenommen wird. § 31 Abs. 3 AsylG steht der Anwendung von (nur) § 51 VwVfG auf die Prüfung von Abschiebungsverboten damit entgegen. Ist das Bundesamt kraft Gesetzes zur einer Entscheidung in der Sache verpflichtet und kommt dieser Verpflichtung nicht nach, ist ein Durchentscheiden des Gerichts veranlasst (vgl. für ein Durchentscheiden zu Abschiebungsverboten, allerdings für die Situation eines „echten“ Folgeantrags, SächsOVG, U.v. 21.6.2017 – 5 A 109/15.A – juris Rn. 26, VG Ansbach, U.v. 23.9.2020 – AN 17 K 19.31144; VG Regensburg, B.v. 8.8.2018 – Rn. 14 S. 18.31949 – juris Rn. 24, und 34, VG München B.v. 30.10.2017 – M 18 S 17.41435 – juris Rn. 20, VG Berlin, U.v. 20.4.2017 – 28).
In der Sache liegen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG jedoch nicht vor. Nachdem nach der Rechtsprechung des EuGH die allgemeine Verhältnisse im Zielland bereits bei der Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamtes) zu berücksichtigen sind (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137) und bei einem nationalen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 Aufenth i.V.m. Art. 3 EMRK sogar der verschärfte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hohen Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit anzuwenden ist (vgl. rechtlich hierzu BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris), ergibt sich bei der Verneinung von unmenschlichen Verhältnissen im Zielland kein Klageerfolg im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AsylG.
Auch individuelle Umstände wie etwa Erkrankungen liegen für die Kläger nicht vor, so dass auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ersichtlich ist.
Ein Abschiebungsverbot, das im Rahmen des Asylverfahren durch das Bundesamt zu berücksichtigen wäre, ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Tochter … … inzwischen ein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland hat und der Bescheid des Bundesamts für die Tochter … … mit Urteil vom gleichen Tag vom Gericht aufgehoben worden ist. Aus der Wirkung von Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 GrCh kann sich aus der Beziehung zwischen engen Familienangehörigen ein Abschiebungshindernis zwar durchaus ergeben, ein solches inlandsbezogenes Abschiebungsverbot ist grundsätzlich jedoch nicht vom Bundesamt, sondern erst von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 21.09.1999, 9 C 12.99, BVerwGE 109, 305 ff; BVerwG, B.v. 10.10.2012, 10 B 39/12 – juris). Es steht weder einer asylrechtlichen Abschiebungsandrohung entgegen, die hier ohnehin nicht Klagegegenstand ist, da der angegriffene Bescheid vom 24. März 2020 eine solche nicht enthält, noch ist ein derartiges Abschiebungshindernis nach § 31 Abs. 3 AsylG auszusprechen, da § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse umfasst (vgl. bereits VG Ansbach, B.v. 11.8.2021 im Verfahren der Tochter – AN 17 S 21.50186 – juris).
4. Die Kostenentscheidung der damit erfolglosen Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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