Verwaltungsrecht

Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für Biogasanlage durch Nachbarn

Aktenzeichen  22 ZB 16.370

Datum:
28.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 49783
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Macht der konkrete Inhaber einer Genehmigung von dieser nicht ordnungsgemäß Gebrauch, belegt dies nicht ohne Weiteres die Ungeeignetheit der entsprechenden Nebenbestimmungen und erst recht nicht die Rechtswidrigkeit der Genehmigung als solcher. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 11 K 14.1927 2015-12-02 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
II.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen zur Hälfte der Kläger zu 3 und zur andern Hälfte als Gesamtschuldner die Kläger zu 1 und 2.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 30.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wehren sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ansbach vom 12. November 2014, deren Gegenstand die Änderungsgenehmigung für die Erweiterung einer bisher aus zwei Blockheizkraftwerken bestehenden, mit Bescheiden vom 16. September 2008 bzw. vom 30. Mai 2011 bauaufsichtlich genehmigten Biogasanlage um ein drittes Blockheizkraftwerk auf demselben Grundstück (FlNr. 182 der Gemarkung Oberschwaningen) ist; nach Auffassung der Kläger umfasst der Bescheid jedoch außerdem die – insoweit im Weg eines Zweitbescheids getroffene – erneute Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage im bisherigen Umfang.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach hat die Anfechtungsklage der Kläger gegen den Bescheid vom 12. November 2014 abgewiesen.
Die Kläger haben die Zulassung der Berufung beantragt und machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend.
Der Beklagte und die Beigeladene (Schriftsatz vom 18.4.2016) beantragen jeweils, die Berufung nicht zuzulassen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsverfahrensakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den Darlegungen der Kläger ergibt sich nicht, dass der ausschließlich geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegt.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteil (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die nach Ansicht der Kläger bestehen sollen, sind berechtigt, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 7 m. w. N.). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634; Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.). Gemessen an diesen Voraussetzungen ergeben sich aus der Antragsbegründung der Kläger (Schriftsätze vom 21.3.2016 und vom 9.5.2016) keine auf das Ergebnis durchschlagenden ernstlichen Zweifel.
1.1. Die Kläger wollen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils daraus ableiten, dass das Verwaltungsgericht verkannt habe, dass der angefochtene Bescheid des Landratsamts vom 12. November 2014 nicht nur die Genehmigungsfähigkeit der von der Beigeladenen beabsichtigten Anlagenänderungen zum Inhalt gehabt habe, sondern darüber hinaus auch die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit der schon bestehenden, zu erweiternden Anlage mit der Folge, dass mit dem Bescheid die Rechtmäßigkeit von Errichtung und Betrieb der Gesamtanlage geregelt und – mit Nebenbestimmungen – bejaht worden sei, so dass dieser Regelungsgehalt Gegenstand der von den Klägern als Nachbarn eingeleiteten verwaltungsgerichtlichen Prüfung sein müsse (vgl. Antragsbegründung vom 21.3.2016, Nr. 1 und 2 auf S. 2 bis 4 Mitte).
Damit können die Kläger schon deswegen nicht durchdringen, weil sich aus ihren Darlegungen nicht ergibt, in welchen subjektiv-öffentlichen Rechten der angefochtene Bescheid sie verletzen könnte und inwiefern das Verwaltungsgericht eine solche Rechtsverletzung verkannt habe. Aus dem Gesetz selbst (§ 42 Abs. 2 VwGO) und aus seit Jahrzehnten gefestigter einhelliger Rechtsprechung ergibt sich, dass Drittbetroffene eines einen anderen begünstigenden, sie selbst aber potentiell belastenden Verwaltungsakts (wie der vorliegenden Genehmigung) die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsakts nicht schlechthin erfolgreich ins Feld führen können. Vielmehr kann – wie das Verwaltungsgericht vorliegend zutreffend dargelegt hat (vgl. Urteilsabdruck – UA – S. 11 unten), ihre Anfechtungsklage nur dann Erfolg haben, wenn der angefochtene Verwaltungsakte ein drittschützendes Recht verletzt, wenn also eine Rechtsnorm existiert (und im konkreten Fall verletzt ist), die drittschützenden und somit subjektiv-rechtlichen Charakter hat, also – wenigstens auch – dem Schutz des Nachbarn und nicht nur der Allgemeinheit als solcher dient.
Selbst wenn vorliegend der Ansicht der Kläger zu folgen wäre, wonach bei der Bestimmung des Regelungsgehalts des Bescheids vom 12. November 2014 die Auslegung zum Ergebnis führte, dass der Bescheid vom 12. November 2014 als Genehmigung nicht nur der Änderung (Erweiterung), sondern als – erstmalige – immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Gesamtanlage verstanden werden müsste, würde dies für eine erfolgreiche Anfechtungsklage nicht ausreichen. Es bedürfte vielmehr – wie ausgeführt – im Anfechtungsklageverfahren des Nachweises der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Kläger und – im Berufungszulassungsverfahren – dementsprechend der Darlegung, welche dieser Rechte verletzt sein könnten und inwieweit das Verwaltungsgericht derartige Rechtsverletzungen entscheidungserheblich verkannt haben könnte. An einer solchen Darlegung fehlt es hier.
Soweit der Beklagte sich in der Antragserwiderung mit dem – je nach Art des Genehmigungsverfahrens verschiedenen – Umfang einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und der indiziellen Bedeutung der Rechtsbehelfsbelehrung befasst (Schriftsatz vom 7.4.2016, S. 2 und 3), und sodann die Kläger in ihrer Replik vom 9. Mai 2016 hierauf eingehen, sind die diesbezüglichen Erörterungen nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn die Antragsbegründung der Kläger – bei großzügiger Auslegung – so verstanden werden könnte, dass die Kläger sinngemäß Verfahrensfehler des Landratsamts oder dem Bescheid anhaftende formelle Mängel (z. B. hinsichtlich der Bestimmtheit, seiner Klarheit oder praktischen Vollziehbarkeit) geltend machen wollten, fehlte es immer noch an einer Darlegung, inwiefern hierdurch subjektive Rechte der Kläger verletzt sein sollen. Die Kläger haben weder aufgezeigt, dass die als verletzt geltend gemachten Verfahrensvorschriften subjektiv-öffentliche Rechte der Kläger begründen, noch haben sie die – zumindest mögliche – Kausalität der Verfahrensrechtsverletzung für eine Beeinträchtigung ihrer materiell-rechtlichen Position dargelegt.
1.2. Unter Nr. 3 der Antragsbegründung (Schriftsatz vom 21.3.2016, S. 4) befassen sich die Kläger mit den vom Verwaltungsgericht hilfsweise (für den Fall, dass die Festsetzungen der Nebenbestimmungen zu Staubimmissionen im Bescheid vom 12.11.2014 konstitutiv zu verstehen sein sollten) gemachten Ausführungen (UA, S. 19/20, Buchst. cc). Aber auch in diesen Darlegungen fehlt es an einem substantiellen Vortrag der Kläger dazu, inwieweit das Verwaltungsgericht eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte verkannt haben soll.
1.2.1. Die Kläger bemängeln insoweit, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts seien diese Nebenbestimmungen nicht anlagenbezogen. Insofern fehlt es bereits an einer Darlegung der Kläger, inwiefern durch eine von der genehmigten Anlage ausgehende übermäßige Staub- oder Schmutzentwicklung materielle Rechte der Kläger verletzt werden. Abgesehen davon sind Nebenbestimmungen, die dem Anlagenbetreiber Verhaltenspflichten auferlegen, weder unzulässig noch von vornherein ungeeignet.
1.2.2. Soweit die Kläger – sinngemäß – im konkreten Fall die Ungeeignetheit der vorliegend bestehenden Auflagen zum Schutz vor Staubentwicklung und Verschmutzung geltend machen, können sie auch damit nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat sich ausführlich mit den von den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren thematisierten Immissionen und den insoweit betroffenen Nebenbestimmungen (Nrn. 2.2.1, 2.3.1, 2.10.1; Nr. IV.2.2.2 zur Abdeckung der Lagerflächen; Nrn. IV.2.2.1 und 2.2.4 zur ausreichenden, eine übermäßige Staubentwicklung verhindernden Befestigung von Fahrwegen und Betriebsflächen im Anlagenbereich) befasst und diese Nebenbestimmungen als ausreichend und vor allem hinreichend bestimmt angesehen (UA, Buchst. cc auf S. 19/20). Ihre gegenteilige Ansicht begründen die Kläger allein damit, dass sie a) geltend machen, es gebe keine automatische Beregnungsanlage, keine „Säuberungsanlagen“, Absauganlagen oder andere geeignete Vorkehrungen, und b) darauf verweisen, dass der – nach ihrem Vortrag – unzumutbare Zustand seit Jahren andauere. Dies reicht für die Darlegung des Zulassungsgrunds ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht aus.
Denn dass der konkrete Inhaber einer Genehmigung von dieser nicht ordnungsgemäß Gebrauch macht, insbesondere darin enthaltene Verpflichtungen nicht erfüllt, belegt nicht ohne Weiteres die Ungeeignetheit der entsprechenden, solche Pflichten begründenden Nebenbestimmungen und erst recht nicht die Rechtswidrigkeit der Genehmigung als solcher; insoweit ist die Rechtmäßigkeit des Bescheids grds. deutlich vom Vollzug zu unterscheiden (vgl. BayVGH, B. v. 14.9.2009 – 22 CS 08.1755 – Rn. 26 und B. v. 10.11.2014 – 2 ZB 13.1048 – juris Rn. 4). Zwar ist denkbar, dass im konkreten Fall eine Auflage im Vollzug auf ihre Einhaltung nicht kontrollierbar ist und deshalb als ungeeignet angesehen werden muss (vgl. z. B. OVG RP, U. v. 4.3.1986 – 7 A 17/03 – UPR 1986, 198/199). Hieraus können sich dann Verletzungen von Rechten Betroffener ergeben, wenn zum Schutz von deren Rechten eine – effektivere – Auflage erforderlich wäre. Dass dies vorliegend so wäre, ergibt sich aber aus den Darlegungen der Kläger nicht mit dem nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Substantiierungsgrad; auch mit ihrer Behauptung, aufgrund der Erfahrungen mit dem bisherigen Betrieb, bei dem „die entsprechenden einschlägigen Bestimmungen nicht eingehalten oder jedenfalls nicht ausreichend eingehalten“ worden seien, hätten sich die Nebenbestimmungen als zu „viel zu unbestimmt und auf die persönliche Einschätzung des Anlagenbetreibers zugeschnitten“, als ungeeignet und nicht vollziehbar erwiesen, und eben dies habe das Verwaltungsgericht verkannt, werden die Kläger den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht.
Soweit die Kläger die Auffassung des Verwaltungsgerichts bemängeln, wonach die Pflicht zur Vermeidung von Verschmutzungen der öffentlichen Straße sowie zur Beseitigung solcher Verschmutzungen schon nach Art. 16 BayStrWG bestehe und folglich nicht in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung festgelegt werden müsse (UA, S. 19 unten, S. 20 oben; Schriftsatz vom 21.3.2016, S. 5), ist ihr Einwand schon deswegen unbehelflich, weil sie nicht darlegen, welche subjektiv-öffentlichen Rechte der Kläger im Fall einer übermäßigen Verschmutzung einer öffentlichen Straße verletzt sein sollen. Bei einer solchen Verschmutzung sind die Kläger vielmehr – wie alle anderen Anwohner auch – darauf angewiesen, sich an den zuständigen Straßenbaulastträger zu wenden, der Abhilfe schaffen muss und sich ggf. beim Verursacher schadlos halten kann.
1.3. In ihrer Replik treten die Kläger der Ansicht des Beklagten entgegen, ihr bisheriger Vortrag sei hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes der Beigeladenen gegen bisher schon einzuhaltende Bestimmungen unsubstantiiert (Schriftsatz vom 9.5.2016, Buchst. d auf S. 4). Sie tragen in diesem Zusammenhang vor, die Beigeladene habe mit der Ausführung des Vorhabens bereits begonnen, bevor überhaupt der Genehmigungsbescheid erlassen worden sei, es seien neben Staub- auch Lärmimmissionen zu beklagen, insoweit gebe es im Verwaltungsvollzug vorliegend auch die Problematik der fehlenden oder schwierigen Trennbarkeit der Immissionen, die von der genehmigten Anlage der Beigeladenen einerseits und von ihrem übrigen landwirtschaftlichen Betrieb andererseits verursacht würden.
Ob sich aus diesem Vortrag überhaupt Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigung in Bezug auf Nachbarrechte und ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ergeben könnten, kann dahinstehen. Denn der Vortrag hinsichtlich unzumutbarer Lärmimmissionen wie auch hinsichtlich einer (mit dem Vortrag möglicherweise geltend gemachten) Ungeeignetheit von Auflagen erfolgt außerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist und kann deshalb vom Verwaltungsgerichtshof nicht berücksichtigt werden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Beigeladene hat schriftsätzlich im Zulassungsverfahrens vorgetragen und sich mit ihrem Antrag am Kostenrisiko beteiligt (§ 154 Abs. 3 VwGO), es entspricht daher der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten den Klägern aufzuerlegen. Das Verwaltungsgericht hat dabei eine Rechtsgemeinschaft der Kläger zu 1 und 2, die gemeinsam in einem Haus wohnen, angenommen; dem ist keiner der Beteiligten entgegen getreten, so dass auch der Verwaltungsgerichtshof diese Annahme zugrunde legt.
Dieselbe Annahme führt dazu, dass bei der Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs 2013 die Streitwerte zweier Klagen (jeweils 15.000 €) zu addieren sind.


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