Verwaltungsrecht

Anfechtung einer isolierten Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung einer bestandskräftigen Beseitigungsanordnung

Aktenzeichen  AN 9 K 15.01740

Datum:
12.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG BayVwZVG Art. 19, Art. 22, Art. 38
BayBO BayBO Art. 76

 

Leitsatz

Einwendungen die sich gegen einen Grundverwaltungsakt richten, sind für Fragen des den Grundverwaltungsakt betreffenden Zwangsvollstreckungsverfahrens unbeachtlich. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter klargestellt, dass sich die Klage nicht gegen die Fälligkeitsmitteilung durch das Landratsamt … in dem Schreiben vom 4. September 2015 richtet, sondern ausschließlich gegen den in diesem Schreiben mitenthaltenen Bescheid, mit dem den Klägern ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR für den Fall angedroht wird, dass die mit Bescheid vom 31. Oktober 2014 verfügte Beseitigungspflicht nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht bis spätestens 20. Oktober 2015 erfüllt wird.
1.
Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1
Der Bescheid vom 4. September 2015 hat die isolierte, nicht mit dem zugrundeliegenden unanfechtbaren Grundverwaltungsakt verbundene Androhung eines erneuten Zwangsgelds für den Fall, dass die Kläger den Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 31. Oktober 2014 nicht nachkommen, zum Gegenstand. Eine solche isolierte Zwangsgeldandrohung kann nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 BayVwZVG mit der Anfechtungsklage nur insoweit angegriffen werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird, Einwendungen gegen den unanfechtbaren Grundverwaltungsakt sind ausgeschlossen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung v. 25.1.2007 – Vf.50-VI-05 – juris, Rn. 53). Diese klare Trennung zwischen dem Ausgangsverfahren um den Grundverwaltungsakt und dem (nachgelagerten) Verfahren um dessen Vollstreckung kommt auch in Art. 19 Abs. 1 und 22 BayVwZVG zum Ausdruck, wonach die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts keine Voraussetzung für die Vollstreckung darstellt, sondern lediglich dessen Vollziehbarkeit. Damit soll der Grundsatz der Rechtskraft gewahrt bleiben (vgl. Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, BayVwZVG, Art. 21, Rn. 1, 3). Einzustellen ist die Zwangsvollstreckung gemäß Art. 22 BayVwZVG nur dann, wenn und soweit sie für unzulässig erklärt wird, der zu vollstreckende Verwaltungsakt rechtskräftig aufgehoben wird, die Verpflichtung offensichtlich erloschen ist oder die Anordnungsbehörde aus sonstigen Gründen um die Einstellung ersucht.
Hat der Adressat der Vollstreckungsmaßnahme Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Ausgangsverwaltungsakt, die erst nach dessen Erlass entstanden sind, so bleibt ihm nach Art. 21 BayVwZVG grundsätzlich nur die Möglichkeit, diese der Anordnungsbehörde gegenüber geltend zu machen und einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zu stellen. Die Rechtmäßigkeit und vor allem die Bestandskraft der isolierten Zwangsgeldandrohung berührt dies zunächst aber nicht.
Jedenfalls bei einer Beseitigungsanordnung, wo ein dauerhafter Eingriff in das Eigentumsgrundrecht inmitten steht, ist von der Bauaufsichtsbehörde indes zu fordern, dass sie die Beseitigungsanordnung bis zu ihrem Vollzug „unter Kontrolle“ hält (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2014 – 9 B 13.1401 – juris). Nachträglich zutage tretende Gesichtspunkte hat sie im Rahmen ihres Vollstreckungsermessens (vgl. Art. 19 Abs. 1 BayVwZVG, „Verwaltungsakte können vollstreckt werden…“) angemessen zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.1998 – 1 ZS/ZE 98.2211 – juris). Zu einer Einstellung der Vollstreckung können jedoch lediglich solche Umstände führen, die offensichtlich sind und bei deren früherem Vorliegen offensichtlich keine Beseitigungsanordnung hätte erlassen werden dürfen.
1.2
Danach verhilft der Vortrag der Kläger, es seien nach der mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2015 durch die Umplanung ihres Vorhabens in ein verfahrensfreies Vorhaben nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c) BayBO Umstände eingetreten, die einen förmlichen Bauantrag für das begehrte Vorhaben entbehrlich gemacht hätten, ihrem Klagebegehren nicht zum Erfolg. Es handelt sich nämlich ausschließlich um eine Einwendung gegen den unanfechtbaren Ausgangsverwaltungsakt, weil letztlich vorgetragen wird, es könnten auf andere Weise als durch die Beseitigung des Rohbaus rechtmäßige Zustände wiederhergestellt werden, und es lägen somit die Tatbestandsvoraussetzungen für die Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO nicht mehr vor. Diese Einwendungen sind im Zwangsvollstreckungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Auch musste sich dem Beklagten in keiner Weise aufdrängen, dass eine Beseitigungsanordnung nunmehr nicht mehr erlassen werden dürfte. Selbst wenn das Vorhaben nämlich – wie die Kläger meinen – in seiner geänderten Form nicht mehr der Baugenehmigung bedürfte, so wäre damit gleichwohl noch nichts über seine Vereinbarkeit mit dem materiellen Baurecht, welches in jedem Fall einzuhalten ist (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO), ausgesagt. Nicht entscheidungserheblich ist daher sowohl die Frage, ob und wann dem Landratsamt … das klägerische Schreiben vom 24. Juni 2015 zugegangen ist, als auch die Frage, ob das geänderte Vorhaben tatsächlich verfahrensfrei ist.
1.3
Auch eine Rechtsverletzung der Kläger durch die Zwangsgeldandrohung selbst liegt nicht vor. Insbesondere sind die Vollstreckungsvoraussetzungen für die erneute Zwangsgeldandrohung, die ihre Grundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 und 36 BayVwZVG findet, erfüllt.
Der der Vollstreckung zugrundeliegende Grundverwaltungsakt, die Beseitigungsanordnung des Landratsamts … vom 31. Oktober 2014, ist seit dem 27. Mai 2015 unanfechtbar im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG. Dieser Verwaltungsakt ist auch nach wie vor wirksam, durchgreifende Anhaltspunkte für seine Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit im Sinne von Art. 44 BayVwVfG liegen nicht vor.
Die Pflicht zur Beseitigung des Rohbaus stellt eine Pflicht zur Vornahme einer Handlung dar, so dass das Zwangsgeld gemäß Art. 31 Abs. 1 BayVwZVG das richtige und auch das mildeste Zwangsmittel darstellt.
Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds wird von den Klägern nicht substantiiert angegriffen und ist auch rechtlich nicht zu beanstanden. Sie bewegt sich mit 2.000,00 EUR im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG, wonach das Zwangsgeld mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR betragen darf.
Einwendungen gegen die gesetzte Frist haben die Kläger nicht substantiiert erhoben. Die gesetzte Frist erscheint auch angemessen und ausreichend im Sinne des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beseitigung des Rohbaus nicht innerhalb der gesetzten Frist durchgeführt werden könnte.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG können Zwangsmittel solange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Kläger haben ihre Verpflichtung aus der bestandskräftigen Beseitigungsanordnung vom 31. Oktober 2014 bis zum heutigen Zeitpunkt nicht erfüllt, so dass gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG eine erneute Zwangsgeldandrohung zulässig war.
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in Anlehnung an Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen von einem Streitwert in Höhe von 2.000,00 EUR ausgegangen ist.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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