Verwaltungsrecht

Anfechtungsklagen gegen eine erneute Androhung der Ersatzvornahme, gegen einen Leistungsbescheid zur Geltendmachung der Kosten für eine vorangegangene Ersatzvornahme sowie gegen die Anordnung der behördlichen Versiegelung eines im Wege der Ersatzvornahme errichteten Bauzaunes, Keine Erledigung der (erneuten) Androhung der Ersatzvornahme durch deren Vollzug, weil sie zusammen mit dem unanfechtbaren oder jedenfalls vollziehbaren Verwaltungsakt und dem nachfolgenden Leistungsbescheid die Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Kosten der Ersatzvornahme bildet. Diese Titelfunktion dauert an., Anordnung zur Errichtung eines Bauzaunes um eine offenliegende Güllegrube nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO zur Gefahrenabwehr als Dauerverwaltungsakt, Das Vereinbaren von Pauschalpreisen ist im Rahmen einer Ersatzvornahme zulässig (Anschluss an VG Würzburg, U.v. 18.10.2016 – W 4 K 15.620 – juris Rn. 22 m.w.N.), Die Anordnung der behördlichen Versiegelung eines im Wege der Ersatzvornahme zum Zwecke der Gefahrenabwehr errichteten Bauzaunes kann auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO gestützt werden, Prüfung der behördlichen Ermessensausübung im Rahmen des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO (Versiegelungsanordnung)

Aktenzeichen  AN 17 K 21.00941, AN 17 K 21.01162, AN 17 K 21.01277

Datum:
28.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13296
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 114
BayVwVfG Art. 40, Art. 43 Abs. 2 Alt. 5
BayBO Art. 54 Abs. 2 Satz 2
BayVwZVG Art. 32, Art. 36

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten der Verfahren. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klagen sind zulässig, jedoch unbegründet.
I. Die mit Schriftsatz vom 20. Mai 2021 eingereichte „Klage“ unter dem Aktenzeichen AN 17 K 21.00941 wird wegen des in der mündlichen Verhandlung am 28. März 2022 eindeutig gestellten Aufhebungsantrages (§ 103 Abs. 3 VwGO) gemäß § 88 VwGO als Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen den Bescheid vom 20. April 2021 – erneute Androhung der Ersatzvornahme – ausgelegt. Die im vorbereitenden Verfahren mit Schriftsätzen des Stellvertreters der Kläger vom 22. Juni 2021 und 1. September 2021 formulierten zahlreichen weiteren „Anträge“ – u.a. dem Beklagten aufzuerlegen, die einzelnen Kostenfaktoren aufzuzeigen, die in dieser Angelegenheit bereits angefallen seien und welche dieser noch veranschlage; festzustellen, dass keinesfalls die Verhältnismäßigkeit des Handelns der Beklagten [wohl bezogen auf den Grundverwaltungsakt] gegeben sei; festzustellen, dass die damalige Öffnung [der Fermenterdecke] nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe; festzustellen, dass die jetzige von den Behörden hinterlassene Situation der fünf Meter tiefen Betongrube eine tödliche Gefahr für viele Tiere darstelle – werden zugunsten der Kläger, weil sie aller Vorrausicht nach allesamt unzulässig wären, nicht als eigene Klagen ausgelegt und erfasst. Das Gericht hat die Kläger mit Schreiben vom 8. September 2021 betreffend diese „Anträge“ darauf hingewiesen, dass es sich um neue Streitgegenstände handeln würde, die im anhängigen Verfahren nicht mehr behandelt werden könnten. Im Übrigen bestünden ernsthafte Bedenken vor allem hinsichtlich deren Zulässigkeit, weswegen angesichts der andernfalls ausgelösten Kostenrechnungen geraten werde, die Klageerhebung sorgfältig zu überdenken. Eine Erfassung als eigenständige Klagen erfolge nur nach ausdrücklicher Rückmeldung in diesem Sinne. Daraufhin rührten sich weder die Kläger noch ihr Stellvertreter.
Die so ausgelegte Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 20. April 2021 – Androhung der Ersatzvornahme zur Errichtung eines Bauzaunes – ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die gegen den Bescheid vom 20. April 2021 erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist zulässig, insbesondere ist sie die statthafte Klageart.
Der streitgegenständliche Verwaltungsakt der (erneuten) Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer I hat sich nicht bereits im Sinne des Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG durch den Vollzug der Ersatzvornahme am 30. Juli 2021 durch das Landratsamt … erledigt. In diesem Fall wäre nämlich nur eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO denkbar gewesen. Die angedrohte Ersatzvornahme erledigt sich durch ihren Vollzug nicht, weil sie zusammen mit dem unanfechtbaren oder jedenfalls vollziehbaren Verwaltungsakt und dem nachfolgenden Leistungsbescheid die Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Kosten der Ersatzvornahme bildet. Diese Titelfunktion dauert an (VG München, U.v. 2.9.2016 – M 1 K 16.1068 – juris Rn. 15; a.A. wohl VG München U.v. 8.10.2010 – M 10 K 08.2542 – juris Rn. 27, wobei hier bereits ein Leistungsbescheid hinsichtlich der Kosten der Ersatzvornahme vorlag. Im Übrigen räumt die besagte Entscheidung selbst ein, dass „dem Grundverwaltungsakt als Grundlage für den Kostenbescheid weiter rechtliche Wirkung beizumessen ist“; implizit auch BayVGH, B.v. 28.6.2018 – 22 ZB 18.1178 – juris). Wenn man dies anders sähe, wäre die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage schon unzulässig, weil es am Feststellungsinteresse mangelte, jedenfalls aber ebenso unbegründet (s.u.).
2. Die Klage ist unbegründet, weil hinsichtlich der (erneuten) Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer I des Bescheides vom 20. April 2021 die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nach den Art. 19 ff., Art. 29 ff. VwZVG vorliegen, er also rechtmäßig ist.
a) Die allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung nach Art. 19 VwZVG ist gegeben. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 20. April 2021 lag mit der für sofort vollziehbar erklärten Anordnung aus dem Bescheid vom 14. Dezember 2018, mit dem die Kläger verpflichtet worden waren, einen 2 m hohen Bauzaun am Rand und um den gesamten Durchmesser des Betondeckels der Güllegrube, die sich auf der FlNr. … der Gemarkung … befinde und im beiliegenden Lageplan mit der Farbe „gelb“ markiert sei, zu errichten (Ziffer I), im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG ein Grundverwaltungsakt vor, dessen sofortige Vollziehung angeordnet war. Das hiergegen gerichtete Eilverfahren der Kläger blieb erfolglos (AN 17 S 19.00058). Bei dieser Anordnung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, also um eine zukunftsbezogene Regelung, deren Rechtsfolge nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraumes eintreten soll, so dass sie sich von Tag zu Tag fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum, jedoch eben nicht durch ihre einmalige Befolgung erledigt (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 223). Dies ergibt sich aus dem gefahrenabwehrrechtlichen Charakter der Anordnung, den Bauzaun um die Löcher in der vormaligen Fermenterdecke zu errichten. Ohne den Zaun bestünde die permanente Gefahr eines Einsturzes des noch vorhandenen Betondeckels beim Überfahren mit schweren landwirtschaftlichen Geräten sowie ein Hineinfallen von Menschen. Würde sich die Anordnung mit dem erstmaligen Errichten des Zaunes erledigen, müsste die Bauaufsichtsbehörde bei jedem in die Verantwortung der Kläger fallenden Verrücken des Bauzaunes einen neuen Grundverwaltungsakt erlassen und auf dessen Basis die Vollstreckung betreiben. Darunter litte die Effektivität der Gefahrenabwehr, weshalb eine dahingehende Auslegung des Bescheides vom 14. Dezember 2018 auch für die Kläger erkennbar widersinnig wäre.
Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 28. März 2022 war die Klage gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2018 (AN 17 K 19.00055) unterdessen sogar rechtskräftig abgewiesen gewesen. Somit wäre, wenn man der Ansicht folgt, dass es bei der Prüfung einer Zwangsmittelandrohung wegen der mit ihr verbundenen Beugewirkung auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankomme (so wohl BVerwG, U.v. 16.12.2004 – 1 C 30/03 – NVwZ 2005, 819, 821, allerdings für ein angedrohtes Zwangsgeld), Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG – ein nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf anfechtbarer Verwaltungsakt – erfüllt. Insofern kann die Frage nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt letztendlich offenbleiben.
b) Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 29 ff. VwZVG liegen vor.
aa) Zunächst wurde in formeller Hinsicht im streitgegenständlichen Bescheid vom 20. April 2021 ein bestimmtes Zwangsmittel – eine Ersatzvornahme nach Art. 32 VwZVG – schriftlich angedroht, Art. 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 VwZVG. Die Androhung der Ersatzvornahme erfolgte hier entgegen der Sollvorschrift des Art. 36 Abs. 2 Satz 2 VwZVG getrennt vom zu vollziehenden Grundverwaltungsakt, was jedoch nur folgerichtig und rechtlich nicht zu beanstanden ist, da es sich um eine erneute Androhung handelt. Die im Bescheid vom 14. Dezember 2018 enthaltene erste Ersatzvornahmeandrohung (Ziffer I) wurde nämlich bereits am 28. Mai 2019 vollzogen.
bb) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die erneute Androhung der Ersatzvornahme nicht zu beanstanden.
Die Ersatzvornahme darf zwar gemäß Art. 32 Satz 2 VwZVG nur angedroht werden, soweit ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt. Daran kann hier kein Zweifel bestehen, da die Kläger schon den Grundverwaltungsakt vom 14. Dezember 2018 nicht befolgt haben, der im Nachgang ein erstes Mal im Wege der Ersatzvornahme durchgesetzt werden musste. Dass ein angedrohtes Zwangsgeld durch seine Beugewirkung eine Verhaltensänderung bei den Klägern hin zur Rechtstreue herbeizuführen vermag, erscheint mehr als fernliegend.
Eine wie hier erneute Androhung der Ersatzvornahme ist nur dann zulässig, wenn eine vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben ist, Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG. Diese Voraussetzung ist erfüllt, nachdem die Kläger bereits den Bescheid vom 14. Dezember 2018 nicht befolgt haben, der sodann in Vollzug der ersten angedrohten Ersatzvornahme vollstreckt wurde.
Schließlich ist gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Die Angemessenheit der Erfüllungsfrist ist einzelfallabhängig und im Spannungsfeld zwischen dem behördlichen Interesse an einem schleunigen Vollzug und der nötigen Zeit, die der Betroffene nach allgemeiner Lebenserfahrung für die Umsetzung benötigen wird, anzusetzen (Stellhorn, JA 2022, 242, 245).
Der streitgegenständliche Bescheid vom 20. April 2021 wurde den Klägern am 23. April 2021 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt. Somit blieben ihnen zu Erfüllung der Pflicht, den Bauzaun entsprechend der Ziffer I aus dem Bescheid vom 14. Dezember 2018 (wieder) zu errichten, zwei Wochen. Damit ist eine zwar knappe, jedoch angesichts der Verfahrensgeschichte zumutbare Frist benannt. Seit dem 13. März 2019 ist der ablehnende Beschluss im Eilverfahren gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung aus Ziffer I des Bescheides vom 14. Dezember 2018 rechtskräftig (AN 17 S 19.00058), weswegen den Klägern mehr als genügend Zeit geblieben wäre, diese Pflicht dauerhaft zu erfüllen. Nachdem bereits die Anordnung aus diesem Bescheid im Wege einer ersten Ersatzvornahme vollstreckt wurde und sodann der Bauzaun nochmals verrückt wurde, was den Klägern jedenfalls als Zustandsstörer entsprechend Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 LStVG zuzurechnen ist, ist auch angesichts der Gefährdungslage für Leib und Leben bei einem nicht ordnungsgemäß angebrachten Zaun eine zweiwöchige Frist angemessen.
Schließlich wurde, wie von Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG gefordert, der Kostenbetrag für die Ersatzvornahme mit 1.000 EUR vorläufig veranschlagt und in Einklang mit Art. 36 Abs. 4 Satz 2 VwZVG bestimmt, dass dieser Betrag bereits vor der Durchführung der Ersatzvornahme fällig wird.
II. Die mit Schriftsatz vom 23. Juni 2021 eingereichte „Klage“ unter dem Aktenzeichen AN 17 K 21.01162 wird wegen des in der mündlichen Verhandlung am 28. März 2022 eindeutig gestellten Aufhebungsantrages (§ 103 Abs. 3 VwGO) gemäß § 88 VwGO als Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen den Bescheid vom 16. Juni 2021 – Leistungsbescheid für die Kosten der ersten Ersatzvornahme – ausgelegt. Die mit Schriftsatz des Stellvertreters der Kläger vom 1. September 2021 formulierten zahlreichen weiteren „Anträge“ (s.o. I.) werden zugunsten der Kläger, weil sie voraussichtlich allesamt unzulässig wären und weil eine Reaktion auf das gerichtliche Schreiben vom 8. September 2021 nicht erfolgte, nicht als eigene Klagen ausgelegt (vgl. Ausführungen S. 11).
Die so ausgelegte Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2021 – Leistungsbescheid für die Kosten der ersten Ersatzvornahme – ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die gegen den Bescheid vom 16. Juni 2021 erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist zulässig. Ein Leistungsbescheid zur Geltendmachung der Kosten einer Ersatzvornahme ist ein Verwaltungsakt, der mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (Wernsmann in Wernsmann, BayVwZVG, 2020, Art. 32 Rn. 19, Art. 23 Rn. 3).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Leistungsbescheid vom 16. Juni 2021 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt.
a) In formeller Hinsicht dürfte eine Anhörung bereits wegen Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG entbehrlich sein. Selbst wenn man die Vorschrift nicht auf Leistungsbescheide zur Abrechnung der Kosten der Ersatzvornahme anwenden wollte, ist es hier jedenfalls ausreichend, dass die Kläger mit Schreiben des Landratsamtes … vom 21. Mai 2019 zur Ersatzvornahme angehört wurden, deren Kosten durch den Bescheid vom 16. Juni 2021 geltend gemacht werden. Dass die Ersatzvornahme Kosten auslöst, war den Klägern nämlich schon durch den Bescheid vom 14. Dezember 2018 bekannt, der auch eine Kostenveranschlagung enthielt. Zudem rief am 23. Mai 2019 der Kläger zu 1) den Sachgebietsleiter der Bauverwaltung des Landratsamtes an, worauf ihm mitgeteilt wurde, dass die Kosten im Bescheid in Höhe von 3.500 Euro veranschlagt worden seien, jedoch eine Nachforderung möglich sei sowie ein gesonderter Leistungsbescheid ergehen würde.
b) Der Leistungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Seine Rechtsgrundlage findet er in Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 32 Satz 1 VwZVG, nach dem, wenn die Pflicht zu einer Handlung, die auch ein anderer vornehmen kann (vertretbare Handlung), nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird, die Vollstreckungsbehörde die Handlung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen kann. Dies setzt voraus, dass ein unanfechtbarer oder (sofort) vollziehbarer Verwaltungsakt und eine wirksame Androhung vorliegen. Da es im Rahmen der Überprüfung des Leistungsbescheides auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 28. März 2022 ankommt, jedenfalls solange, bis die Zwangsvollstreckung wie hier nicht vollständig abgeschlossen ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2006 – 1 C 11/05 – juris Ls. 1 und Rn. 8 f.), ist der Bescheid vom 14. Dezember 2018 mit dem Grundverwaltungsakt und der ersten Androhung der Ersatzvornahme als rechtmäßig zugrunde zu legen, da die gegen diesen gerichtete Klage der Kläger seit 15. Juli 2021 rechtskräftig abgewiesen ist (AN 17 K 19.00055).
Auch der in Ziffer I des beklagten Bescheides vom 16. Juni 2021 angesetzte Betrag von 4.334,13 Euro ist unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Richtigkeit der Rechnungslegung nicht zu beanstanden. Er ergibt sich aus den Rechnungen … im Rahmen der Ersatzvornahme beauftragten MaschinenRing … vom 14. Juni 2019 in Höhe von 3.166,00 Euro und des Kreisbauhofes … vom 16. Juli 2019 in Höhe von 1.168,13 Euro. Das doppelte Auftauchen eines Rechnungspostens für die Demontage des alten Bauzaunes als Posten Nr. 8 in der Rechnung … MaschinenRing … sowie als Position 1 in der Rechnung des Kreisbauhofes konnte der Beklagte auf Rückfrage des Gerichts plausibel damit erläutern, dass er zunächst geplant habe, den Abbau des bestehenden Bauzaunes alleine durch den Kreisbauhof vornehmen zu lassen. Es habe sich dann aber im Rahmen der Vorbereitungen herausgestellt, dass für ungesicherte Arbeiter eine Absturzgefahr in den Güllebehälter bestehe. Entsprechende Gurte habe aber nur … MaschinenRing … gehabt. Daher habe dieser den eigentlichen Abbau der alten Bauzaunelemente übernommen und deren Aufladen auf den LKW und den Abtransport der Kreisbauhof. Diesem Vorbringen sind die Kläger auch nicht entgegengetreten. Das Vereinbaren von Pauschalpreisen, wie aus der Rechnung … MaschinenRing … ersichtlich, ist zulässig (VG Würzburg, U.v. 18.10.2016 – W 4 K 15.620 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Unschädlich ist schließlich, dass der Gesamtrechnungs- und in Ziffer I des Bescheides vom 16. Juni 2021 festgesetzte Betrag von 4.334,13 Euro über der vorläufigen Kostenveranschlagung in Höhe von 3.500,00 Euro im Bescheid vom 14. Dezember 2018 liegt. Ein solches Überschreiten ist von Art. 36 Abs. 4 Satz 3 VwZVG gedeckt. Anderes gilt nur bei einem offensichtlichen Missverhältnis, wofür hier aber nichts spricht.
III. Schließlich ist auch die Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2021 – Anordnung der behördlichen Versiegelung des Bauzaunes – zulässig, aber unbegründet (AN 17 K 21.01277).
1. Die gegen den Bescheid vom 21. Juni 2021 erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist zulässig. Die auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO gestützte Anordnung zur behördlichen Versiegelung des Bauzaunes ist ein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, gegen den die Anfechtungsklage statthaft ist. Dieser Verwaltungsakt hat sich auch nicht durch die am 30. Juli 2021 vorgenommene Versiegelung des Bauzaunes im Sinne des Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG erledigt, da es sich hierbei, wie beim Grundverwaltungsakt aus dem Bescheid vom 14. Dezember 2018, um einen Dauerverwaltungsakt handelt, da die Versiegelung eben auf Dauer dort verbleiben und ihre insbesondere durch § 136 Abs. 2 StGB beschriebene rechtliche Wirkung entfalten soll.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Bescheid vom 21. Juni 2021 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt.
a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurden die Kläger mit Schreiben des Landratsamtes … vom 31. Mai 2021 zur geplanten behördlichen Versiegelung angehört.
b) Der streitgegenständliche Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Er beruht auf Art. 54 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBO. Gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Dazu kann die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO die erforderlichen Maßnahmen treffen.
aa) Eine aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erlassene Anordnung im Sinne des Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO ist auch die sofort vollziehbare und mittlerweile bestandskräftige Verpflichtung aus Ziffer I des Bescheides vom 14. Dezember 2018, einen 2 m hohen Bauzaun am Rand und um den gesamten Durchmesser des Betondeckels der Güllegrube, die sich auf der FlNr. … der Gemarkung … befindet und im beiliegenden Lageplan mit der Farbe „gelb“ markiert ist, zu errichten. Der vorbezeichnete Bauzaun ist fest mit den Füßen zu verbinden, sodass ein Herausnehmen aus den Füßen der Bauzaunfelder nicht möglich ist. Die Füße des Bauzaunes sind mit dem Betondeckel der Güllegrube so fest zu verbinden, dass der Bauzaun inkl. Füße gegen ein Umstürzen gesichert ist. Diese Anordnung ist, wie bereits ausgeführt, als Dauerverwaltungsakt einzustufen (s.o.).
Die bauordnungsrechtliche Generalklausel des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO – „erforderliche Maßnahmen“ – ist weit gefasst und beinhaltet auch eine behördliche Versiegelungsanordnung. Die behördliche Versiegelung ist der BayBO zudem nicht unbekannt, wie ein Blick auf Art. 75 Abs. 2 BayBO, der die Versiegelung einer Baustelle ermöglicht, zeigt (s.a. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 54 Rn. 52 ff.: Anordnung provisorischer Sicherungsmaßnahmen wie Absperrungen, Versiegelung zur Durchsetzung eines Nutzungsverbotes).
bb) Die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung zur behördlichen Versiegelung auf Basis des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO ist zudem ermessensfehlerfrei, insbesondere mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ergangen (§ 114 VwGO). Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO („können“) räumt der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich „Ob“ und „Wie“ des Tätigwerdens einen Ermessensspielraum in den Grenzen des Art. 40 BayVwVfG ein, dessen Einhaltung das Verwaltungsgericht im Rahmen des § 114 VwGO prüft. Das dem Beklagten eingeräumte Eingriffsermessen wird in erster Linie entsprechend dem mit der Befugnisnorm verfolgten Ziel, rechtmäßige Zustände herzustellen, bestimmt.
Gemessen daran sind die Ermessenserwägungen des Beklagten nicht zu beanstanden. Ein bauaufsichtliches Einschreiten erscheint angesichts der beharrlichen Verweigerungshaltung der Kläger, zunächst durch das Nichtbefolgen des Bescheides vom 14. Dezember 2018 und weiter durch das den Klägern jedenfalls als Zustandsstörer entsprechend Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 LStVG zuzurechnende erneute Verschieben des im Wege der ersten Ersatzvornahme am 28. Mai 2019 ordnungsgemäß angebrachten Bauzaunes, in Zusammenschau mit dem Zweck der Anordnung aus dem Bescheid vom 14. Dezember 2018, der effektiven Abwehr der von der offenen Güllegrube ausgehenden Gefahren für Leben und Gesundheit, ohne weiteres ermessensgerecht. Auch die konkret ausgewählte Maßnahme der Anordnung der behördlichen Versiegelung lässt keinen Ermessensfehler erkennen. Der Beklagte stützt sich zutreffend auf die Erwägung, dass erneute Veränderungen des im Rahmen der (ersten) Ersatzvornahme ordnungsgemäß angebrachten Bauzaunes effektiv und prophylaktisch zu verhindern seien, wozu eine Versiegelung wegen des damit im Raume stehenden Straftatbestandes des Siegelbruchs gemäß § 136 Abs. 2 StGB, indem sie die Hemmschwelle für eine nochmalige rechtswidrige Veränderung des Zaunes erhöhe, einen Beitrag leiste. Die Anordnung der Versiegelung hält sich auch in den durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gezogenen Grenzen, die die Ausübung des Ermessens beschränken. So ist die Versiegelung geeignet, die räumliche Fixierung des ordnungsgemäß im Wege der Ersatzvornahme errichteten Bauzaunes zumindest zu fördern, indem sie die strafrechtliche Hemmschwelle für ein erneutes Verrücken erhöht. Sie ist auch erforderlich, da kein milderes, gleich wirksames Mittel ersichtlich ist. Andernfalls bliebe der Bauaufsicht nur, bei jedem Verrücken des Zaunes im Verantwortungsbereich der Kläger (Art. 9 Abs. 2 LStVG) erneut die Ersatzvornahme anzudrohen und durchzuführen, was angesichts des damit verbundenen Verwaltungs- und Zeitaufwandes weniger effektiv ist, als wenn zusätzlich die Versiegelung angeordnet ist. Schließlich ist die streitgegenständliche Maßnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinne, da es zu keiner weiteren tatsächlichen Beschwer der Kläger kommt. Der Bauzaun muss sowieso wie im bestandskräftigen Bescheid vom 18. Dezember 2018 angeordnet stehen bleiben. Diese Belastungswirkung vertieft die angeordnete Versiegelung nicht bzw. nur dann, wenn man davon ausgeht, dass die Kläger sich nicht rechtstreu verhalten wollen, was aber nicht Beurteilungsmaßstab sein kann. Weiterhin für die Verhältnismäßigkeit der Anordnung der behördlichen Versiegelung streiten das obstruktive Verhalten der Kläger in Bezug auf die behördlichen Anordnungen hinsichtlich des ehemaligen Fermenters 2 sowie die von der offenen, nicht umzäunten Grube ausgehenden Gefahren.
Ebenso wenig ist die Auswahl der Kläger als Zustandsstörer entsprechend Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 LStVG zu beanstanden. Sie sind zum einen bereits Adressaten des mittlerweile bestandskräftigen Bescheides vom 14. Dezember 2018, auf dessen Anordnung aus Ziffer I sich der streitgegenständliche Bescheid vom 21. Juni 2021 in Ziffer I wiederum bezieht. Zum anderen ist deren Inanspruchnahme unter dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr sachgerecht, da sie als Grundstücks- und Anlageneigentümer nach Art. 3 BayBO verpflichtet sind, diese so instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und insbesondere Leben und Gesundheit nicht gefährdet werden.
cc) Schließlich liegt in der in Ziffer II des Bescheides vom 21. Juni 2021 getroffenen Anordnung, dass die behördliche Versiegelung durch den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt …, durchgeführt werde, keine Rechtsverletzung zulasten der Kläger. Zunächst gibt sie nur deklaratorisch die Rechtslage wieder, da die Kläger selbst den Zaun überhaupt nicht behördlich versiegeln könnten. Sie sind wegen Ziffer I lediglich verpflichtet, die behördliche Versiegelung als Eigentümer zu dulden. Eine Androhung der Ersatzvornahme nach Art. 32, 36 VwZVG war demnach nicht nötig und wäre umgekehrt rechtswidrig gewesen, da sie die Kläger zu etwas für sie Unmöglichem aufgefordert hätte.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1 und § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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