Verwaltungsrecht

Anforderungen an Darlegung einer Grundsatzfrage im Rahmen eines Antrags auf Zulassung zur Berufung

Aktenzeichen  20 ZB 17.30356

Datum:
4.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 116466
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, § 83b

 

Leitsatz

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat sich bezüglich der Darlegung einer Grundsatzfrage iSv § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts substantiell auseinanderzusetzen und eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzuzeigen, dass die Frage von grundsätzlicher Bedeutung anders zu beantworten ist als vom Verwaltungsgericht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 16.31519 2017-03-10 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Er ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise dargetan sind.
Die Kläger halten die Frage,
ob es im Irak generell eine inländische Fluchtalternative gibt oder ob nur dann eine inländische Fluchtalternative überhaupt in Erwägung gezogen werden kann, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die betroffene Person im dortigen Gebiet über ausreichende soziale und familiäre Verbindungen verfügt, die ein Überleben ermöglichen,
für grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Dies ist darzulegen. „Darlegen“ bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis; „etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 2.10.1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90, 91; B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Aus dem Zulassungsantrag der Kläger ist bereits nicht ersichtlich, warum die von ihnen aufgeworfene Frage entscheidungserheblich ist. Denn das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung (Seite 11 des Urteils) ausgeführt, dass die Kläger zu 1 und 2 noch im arbeitsfähigen Alter seien, bis zu ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt selbst haben decken können und nach eigenen Angaben ihre vermögenden Familien im Irak hätten, die ihnen auch schon vor ihrer Ausreise geholfen hätten. Es sei damit von einer ausreichenden Sicherung des Existenzminimums der Kläger durch Eigen- oder Fremdleistungen im Irak auszugehen. Selbst wenn also die von den Klägern aufgeworfene Frage bejaht werden sollte, ist in Ihrem Fall eine inländische Fluchtalternative zu bejahen, weil ihre Lebensgrundlage im Irak gesichert wäre. Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts haben die Kläger in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht angegriffen.
Die Kläger halten weiter die Frage,
ob bei fluchtauslösenden Problemen mit nichtstaatlichen Personen/Organisationen betroffener Personen auch auf die Möglichkeit des Schutzes durch den irakischen Staat, namentlich dessen Sicherheitsbehörden verwiesen werden kann oder ob nicht auf eine derartige Möglichkeit des Schutzsuchens beim irakischen Staat gänzlich zu verzichten ist und vielmehr die betroffene Person ausschließlich darauf verwiesen werden kann, Selbstschutz innerhalb der Familie/des Stammes etc. zu suchen und insoweit entsprechende Feststellungen, ob dies der betreffenden Person überhaupt möglich ist, zu treffen sind,
für grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Auch bei der zweiten von den Klägern aufgeworfenen Frage ist nicht ersichtlich, dass diese Frage entscheidungserheblich ist. Zum einen ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger, dass es grundsätzlich möglich ist, bei der Polizei wegen der Beschlagnahme des Ladens des Klägers zu 1) durch die Familie seines Ex-Partners Anzeige zu erstatten. Denn die Polizei habe darauf hingewiesen, dass der Kläger selber und nicht sein Vater die Anzeige erstatten müsse. Zum anderen stellt sich diese Frage nicht, weil das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Kläger in anderen Gebieten der kurdischen Autonomieprovinzen und in Bagdad eine inländische Fluchtalternative bejaht hat.
Die Kläger halten schließlich die Frage,
ob nicht die Situation im Irak zwischenzeitlich sich derart verschlechtert hat, dass ein Konflikt – sowohl zwischen den Glaubensrichtungen, als auch zwischen Regionalfürsten und Stammesfürsten, als auch gegenüber völlig unparteiischen Personen – vorliegt, wie er typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen zu finden ist,
für grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Auch hier haben die Kläger die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass zwar in weiten Teilen des Irak seit Mitte 2014 eine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure in Gestalt des IS bestünde. Jedoch seien nach der Auskunftslage die kurdischen Autonomiegebiete, aus der die Kläger stammten, davon nicht betroffen. Mit dieser Feststellung setzen sich die Kläger in ihrem Zulassungsantrag nicht auseinander. Zur Darlegung einer Grundsatzfrage, die anders als vom Verwaltungsgericht im Berufungsverfahren beantwortet werden soll, gehört es jedoch, dass sich der Antrag auf Zulassung der Berufung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts substantiell auseinandersetzt und eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigt, dass die Frage von grundsätzlicher Bedeutung anders zu beantworten ist als vom Verwaltungsgericht. Dies haben die Kläger in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung jedoch nicht getan.
Folglich kommt es auf die Frage, ob das Verwaltungsgericht die Klage auch mangels Glaubwürdigkeit der Kläger entscheidungstragend abgewiesen hat, nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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