Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Darlegung der Verletzung des rechtlichen Gehörs in Asylverfahren

Aktenzeichen  8 ZB 18.32953

Datum:
20.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30704
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 86 Abs. 3, § 104 Abs. 1 S. 1, § 108 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1
BV Art. 91 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Legt der Kläger nicht dar, welche Anforderungen “das Gericht ohne vorherigen Hinweis an den Sachvortrag gestellt hat, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter auch unter Beachtung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte“, reicht das zur Begründung des Verfahrensmangels nicht aus. (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wendet sich der Kläger in der Sache gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO), wird damit kein Berufungszulassungsgrund im Sinn von § 78 Abs. 3 AsylG benannt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 7 K 17.32128 2018-08-31 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV) nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV) hat eine zweifache Ausprägung: Zum einen untersagt er dem Gericht, seiner Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Zum anderen gibt er den Beteiligten einen Anspruch darauf, dass rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung in Erwägung gezogen wird, soweit es aus verfahrens- oder materiell-rechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (BayVerfGH, E.v. 25.8.2016 – Vf. 2-VI-15 – juris Rn. 34 f.; BVerfG, B.v. 5.4.2012 – 2 BvR 2126/11 – NJW 2012, 2262 = juris Rn. 18; BVerwG, B.v. 17.6.2011 – 8 C 3.11 u.a. – juris Rn. 3; BayVGH, B. 9.8.2018 – 8 ZB 18.31801 – juris Rn. 12). Das rechtliche Gehör ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen (BVerfG, U.v. 17.11.1992 – 1 BvR 168/89 u.a. – BVerfGE 87, 363 = juris Rn. 103). Vielmehr müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238 = juris Rn. 45; BayVGH, B.v. 8.2.2018 – 8 ZB 18.30086 – juris Rn. 3; B.v. 15.5.2018 – 8 ZB 17.1341 – juris Rn. 35).
Dementsprechend erfordert die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör regelmäßig, dass substanziiert vorgetragen wird, zu welchen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweisergebnissen sich der Kläger nicht hat äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben soll. Außerdem muss dargelegt werden, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn ihm ausreichendes Gehör gewährt worden wäre, und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, U.v. 14.11.2016 – 5 C 10.15 D – BVerwGE 156, 229 = juris Rn. 65 m.w.N.; BayVGH, B.v. 18.1.2011 – 8 ZB 10.2239 – juris Rn. 18; B.v. 8.2.2018 – 8 ZB 18.30086 – juris Rn. 3).
Diesen Darlegungsanforderungen genügt das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht.
Soweit der Kläger eine Gehörsverletzung behauptet, weil „das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag gestellt hat, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter auch unter Beachtung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte“, reicht das zur Begründung des Verfahrensmangels nicht aus. Zwar kann eine Verletzung der Hinweis- und Erörterungspflichten des Gerichts (§ 86 Abs. 3 und § 104 Abs. 1 Satz 1 VwGO) grundsätzlich zu einer das rechtliche Gehör verletzenden Überraschungsentscheidung führen, wenn das Gericht einen im Verfahren nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat und damit dem Rechtsstreit eine Wende gegeben hat, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten.
Dass diese Voraussetzungen erfüllt wären, lässt sich dem Vorbringen im Zulassungsantrag aber in keiner Weise entnehmen. Der Kläger legt schon nicht dar, welche „Anforderungen an den Sachvortrag“ das Verwaltungsgericht unter Verletzung seiner Hinweispflicht gestellt haben soll. Soweit er mit seinem Vortrag geltend machen wollte, das Gericht habe überraschend und ohne vorigen Hinweis fehlerhaft die exilpolitischen Tätigkeiten des Klägers weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht als herausgehoben gewertet, vermag dies eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht zu begründen. Denn aus dem Gehörsanspruch folgt keine allgemeine Aufklärungspflicht oder die Verpflichtung des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung jeweils vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren (vgl. BVerwG, B.v. 15.7.2016 – 5 P 4.16 u.a. – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 11.12.2012 – 8 ZB 12.2397 – juris Rn. 8; B.v. 9.8.2018 – 8 ZB 18.31801 – juris Rn. 12).
Ebenso wenig wird im Zulassungsantrag substanziiert dargelegt, dass der Kläger „mit begründetem Vorbringen nicht gehört worden (sei)“. Insoweit beschränkt sich sein Vortrag auf eine bloße Behauptung ohne jedwede nähere Erläuterungen.
Mit dem Einwand, „die Abgrenzung, welche das Verwaltungsgericht vorgenommen habe, sei nicht überzeugend“ und „es sei nicht davon auszugehen, dass die politischen Aktivitäten des Trägers (gemeint ist wohl: des Klägers) weder qualitativ noch quantitativ eine Gefahr in Äthiopien begründen würden“, wendet sich der Kläger in der Sache gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit wird jedoch kein Berufungszulassungsgrund im Sinn von § 78 Abs. 3 AsylG benannt (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2018 – 8 ZB 18.31802 – juris Rn. 7; B.v. 31.10.2018 – 8 ZB 17.30339 – juris Rn. 9 ff.). Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann allenfalls der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sein, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, insbesondere wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris; B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – Rn. 4). Dass ein solcher Mangel hier vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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