Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Darlegung einer asylrechtlichen Grundsatzrüge

Aktenzeichen  14 ZB 20.31143

Datum:
11.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2804
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Der bloße pauschale Verweis auf Fundstellen im Internet, aus dem nicht einmal hervorgeht, welche konkreten Informationen sich hinter dem jeweiligen Link verbergen, reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer in einem asylrechtlichen Berufungszulassungsantrag aufgeworfenen Tatsachenfrage nicht aus (im Anschluss an BayVGH, B.v. 31.1.2019 – 11 ZB 19.30197 – juris Rn. 4; B.v. 16.1.2018 – 20 ZB 18.30059 – juris Rn. 9; SächsOVG, B.v. 24.3.2011 – A 4 A 158/10 – juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 12.3.2004 – 15 A 1834/03.A – juris Rn. 7). (Rn. 14)

Verfahrensgang

AN 1 K 17.30598 2020-03-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der vom Kläger allein geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt.
1. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage im konkreten Rechtsstreit klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich ist, dass diese Frage sich als klärungsbedürftig, insbesondere nicht schon höchst- oder obergerichtlich geklärt und nicht direkt aus dem Gesetz zu beantworten erweist und dass ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 28.7.2010 – 14 ZB 09.422 – juris Rn. 8 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 und 4 AsylG (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 23.1.2019 – 14 ZB 17.31930 – juris Rn. 2).
2. Davon ausgehend genügt die Antragsbegründung den Darlegungsanforderungen i.S.v. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht.
2.1. Die Rechtssache ist aus Sicht des Klägers von grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich
„1. der Frage, ob Iraner mit protestantischer christlicher Religionszugehörigkeit wie der Kläger im Iran begründete Furcht vor einer Verfolgung aus religiösen Gründen im Sinne von § 3 Abs. 1 Ziff. 1 AsylG haben müssen,
2. der Frage, ob Iranern mit protestantischer christlicher Religionszugehörigkeit wie dem Kläger im Iran die Vollstreckung der Todesstrafe i.S.v. § 4 Abs. 1 Ziff. 1 AsylG droht,
3. der Frage, ob Iranern mit protestantischer christlicher Religionszugehörigkeit wie dem Kläger im Iran die Meuchelung durch den Mob und damit eine unmenschliche Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Ziff. 2 AsylG droht,
4. der Frage, ob die (wenn auch von Seiten des Klägers und Antragstellers bestrittene) „Asyltaktik“ einer Zuwendung zum christlichen Glauben Bedeutung für eine Gefahr im Iran gem. §§ 3, 4 AsylG haben kann.“
Hierzu wird ausgeführt, der Verneinung der Voraussetzungen von §§ 3, 4 AsylG im angegriffenen Urteil sei zu widersprechen. Laut dem Weltverfolgungsindex 2020 von Open Doors – aus dem die Antragsbegründung auszugsweise wörtlich zitiert und zu dem sie eine URL angibt, unter welcher dieser Weltverfolgungsindex 2020 aktuell nicht mehr im Internet abrufbar ist – sei die Verfolgung von Christen im Iran weltweit mit am stärksten. Ehemalige Muslime, die den christlichen Glauben angenommen hätten, trügen die Hauptlast der Verfolgung – insbesondere durch die Regierung und in einem geringeren Ausmaß durch ihre Familien und die Gesellschaft. Leiter von Gruppen solcher christlichen Konvertiten würden verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen „Verbrechen gegen die nationale Sicherheit“ zu langen Haftstrafen verurteilt. In mehreren Hauskirchen seien während des Berichtszeitraums Razzien durchgeführt worden. Junge Frauen oder Mädchen, die an Gottesdiensten von Hauskirchen teilnähmen, würden von Sicherheitsbehörden bei ihren Eltern gemeldet und es würde behauptet, sie hätten in unangemessener Weise Umgang mit Männern gehabt. Konvertierten Christen wie dem Kläger drohe daher die Todesstrafe – dazu verweist die Antragsbegründung (dort S. 4 zweiter Absatz) durch die Angabe der jeweiligen URL auf Artikel auf Internetseiten der EKD, von chrismon.evangelisch.de, der Zeitung Die Welt, von christenverfolgung.org und von idea.de. Das Verwaltungsgericht habe sich überzeugt gezeigt, dass sich der Kläger aus rein asyltaktischen Gründen in der Kirche engagiere. Die Hinwendung desjenigen, der sich, um in Deutschland Schutz zu bekommen, veranlasst sehe, sich dem christlichen Glauben zuzuwenden, sei nicht als „asyltaktisch“ weniger wert oder glaubhaft als jede andere Hinwendung. Hinzu komme, dass eine Konversion im Iran weder von den staatlichen Behörden und schon gar nicht vom Mob wegen vorgeblicher Asyltaktik als irrelevant betrachtet würde.
2.2. Mit diesen Ausführungen ist die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen nicht hinreichend dargelegt.
2.2.1. Geklärt ist in der Rechtsprechung des Senats, die das Verwaltungsgericht, welches den Kläger als bloß formal zum Christentum konvertierte Person angesehen hat (ab UA S. 14 vorletzter Absatz), auch zitiert hat (ab UA S. 17 letzter Absatz bis S. 18 zweiter Absatz; S. 20 vorletzter Absatz), dass es keine Erkenntnisse dahingehend gibt, dass allein wegen einer bisherigen religiösen Betätigung im Ausland oder in Deutschland oder gar schon wegen eines bloß formalen Glaubenswechsels zum christlichen Glauben einem Übergetretenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte (BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5 f. m.w.N.; B.v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7; U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 25).
Auf diese gefestigte Senatsrechtsprechung, insbesondere auf das Senatsurteil vom 25. Februar 2019 – 14 B 17.31462 -, dem der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 12. Januar 2019 zugrunde lag (vgl. BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 30), geht die Antragsbegründung vorliegend nicht ein und genügt schon deshalb den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht.
2.2.2. Unabhängig davon ist die Klärungsbedürftigkeit auch nicht hinreichend dargelegt, soweit die Antragsbegründung (dort S. 4 zweiter Absatz) für ihr – im Anschluss an ihre auszugsweisen wörtlichen Zitate aus dem Weltverfolgungsindex 2020 von Open Doors gezogenes – Resümee, konvertierten Christen wie dem Kläger drohe „daher“ im Iran die Todesstrafe, auf die besagten Artikel der Internetseiten der EKD, von chrismon.evangelisch.de, der Zeitung Die Welt, von christenverfolgung.org und von idea.de. verweist, dafür aber lediglich deren jeweilige URL angibt.
Denn der – wie hier insoweit erfolgte – bloße pauschale Verweis auf Fundstellen im Internet, aus dem nicht einmal hervorgeht, welche konkreten Informationen sich hinter dem jeweiligen Link verbergen, reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer in einem asylrechtlichen Berufungszulassungsantrag aufgeworfenen Tatsachenfrage nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2019 – 11 ZB 19.30197 – juris Rn. 4; B.v. 16.1.2018 – 20 ZB 18.30059 – juris Rn. 9; SächsOVG, B.v. 24.3.2011 – A 4 A 158/10 – juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 12.3.2004 – 15 A 1834/03.A – juris Rn. 7). Dabei ist zu sehen, dass Internetversionen von Berichten jederzeit fortgeschrieben werden können und deshalb keine Gewähr dafür geben, dass sie dieselben Inhalte wiedergeben wie zur Zeit der Bezugnahme.
2.2.3. Unabhängig davon ist, soweit aufgrund der Antragsbegründung – über die bloße Bezugnahme auf URL hinausgehend – die Inhalte von Erkenntnisquellen ersichtlich werden, keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür dargelegt, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind (vgl. OVG NW, B.v. 14.3.2018 – 13 A 433/18.A – juris Rn. 13), so dass es auch deshalb an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit fehlt.
Die Antragsbegründung geht nicht genau genug darauf ein, ob sich die von ihr wörtlich aus dem Weltverfolgungsindex 2020 von Open Doors zitierten Passagen (Antragsbegründung S. 3 oben bis S. 4 oben) nicht über die Gruppe der im Iran Konvertierten hinaus auch auf im europäischen Ausland bloß formal zum Christentum konvertierte iranische Staatsangehörige beziehen könnten. Unabhängig davon macht die Antragsbegründung auch nicht hinreichend deutlich, warum die von ihr aus dem Weltverfolgungsindex 2020 von Open Doors wörtlich zitierten Passagen zu den Gefahren für die Leiter von Gruppen christlicher Konvertiten (Antragsbegründung S. 3 erster Absatz), für Hauskirchen (Antragsbegründung S. 3 drittletzter Absatz) und für junge Frauen oder Mädchen, die an Gottesdiensten von Hauskirchen teilnehmen (Antragsbegründung S. 3 letzter Absatz bis S. 4 erster Absatz), einen Bezug zum Fall des Klägers haben sollten.
Bei dem von der Antragsbegründung durch Verweis auf die URL https://www…de/abschiebestopp-fuer-iranische-christen-gefordert-46131.htm in Bezug genommenen Artikel der EKD handelt es sich nach der am 8. Februar 2021 vom Senat abgerufenen Version um einen Text mit dem Titel „Abschiebestopp für iranische Christen gefordert“, in dem im Wesentlichen berichtet wird, der frühere Unionsfraktionschef Kauder habe seine entsprechende Forderung bekräftigt. Die Antragsbegründung legt nicht dar, inwiefern eine solche politische Position Bedeutung für die Bewertung der Gefahren im Sinne der aufgeworfenen Fragestellungen haben sollte und genügt deshalb den Darlegungsanforderungen (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) nicht.
Im auf der Seite chrismon.evangelisch.de abrufbaren Artikel (mit der Überschrift „Mit Gott und trotzdem frei“), auf den die Antragsbegründung durch ihre Angabe der URL https://chrismon.evangelisch.de/asyl-und-konversion verweist, wird nach der am 8. Februar 2021 vom Senat abgerufenen Version über Iraner berichtet, die sich in einer Leipziger evangelischen Gemeinde taufen ließen. Insbesondere soweit ausgeführt wird, dass es „hier“ niemanden interessiere, „ob das jetzt eine Konversion aus Berechnung war oder nicht“ (Seite 2 unten des Ausdrucks der Seite https://chrismon.evangelisch.de/asyl-und-konversion), bezieht sich diese Aussage des Artikels erkennbar auf das entsprechende Interesse in dieser Leipziger Gemeinde. Damit ist aber noch nichts zu den Gefahren im Sinne der aufgeworfenen Fragestellungen gesagt. Damit befasst sich die Antragsbegründung nicht und legt auch im Übrigen nicht hinreichend i.S.v. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dar, dass dieser von ihr in Bezug genommene Artikel herkunftslandbezogene Informationen zu den von der Antragsbegründung behaupteten Gefahren enthalten könnte.
In dem von der Antragsbegründung durch Verweis auf die URL https://www…de/politik/deutschland/article204331096/Verfolgung-Das-Jahr-2019-ist-eines-der-blutigsten-fuer-die-Christen.html in Bezug genommenen Artikel der Zeitung Die Welt werden nach der am 8. Februar 2021 vom Senat abgerufenen Version mit Bezug zum Iran im Wesentlichen die Meinungen des CDU-Politikers Markus Grübel („Nach Iran und Afghanistan würde ich Christen grundsätzlich nicht abschieben“) und des „EKD-Chefs“ Bedford-Strohm wiedergegeben, wonach der Letztgenannte eine Regelung fordert, „die verhindert, dass Menschen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, in Länder wie Afghanistan oder den Iran abgeschoben werden, in denen insbesondere konvertierte Christen ihre Religion nicht gefahrlos leben können“. Die Antragsbegründung setzt sich nicht damit auseinander, dass es sich bei den besagten Meinungen um Bewertungen handelt und dass der Artikel keine Berichterstattung über die diesen Meinungen zugrundeliegenden Tatsachen enthält, weshalb sie den Darlegungsanforderungen (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) nicht genügt.
Der im Internet abrufbare Artikel der Seite christenverfolgung.org, auf den die Antragsbegründung durch die Angabe der URL https://www…org/2-christen-wegen-mission-verurteilt.html verweist, berichtet nach der am 8. Februar 2021 vom Senat abgerufenen Version zwar von zwei durch ein iranisches Revolutionsgericht verurteilten Evangelikalen, die als solche „immer wieder ins Visier der islamischen Staatsmacht geraten, weil sie ihren christlichen Glauben bekennen“. Die Antragsbegründung legt aber nicht genügend i.S.v. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dar, inwiefern diese Berichterstattung etwas für die Beurteilung von Gefahren für eine im Ausland bloß formal konvertierte Person hergeben könnte.
Schließlich berichtet der Artikel von IDEA vom 1. Dezember 2019, auf den die Antragsbegründung durch die Angabe der URL https://www…de/detail/iran-christen-zu-fuenf-jahren-haft-verurteilt-111262.html verweist, nach der am 8. Februar 2021 vom Senat abgerufenen Version zwar von zwei „Gefangenen des Monats Dezember“, die zusammen mit sieben weiteren Angehörigen der im Iran verfolgten „Kirche des Iran“ in Haft gekommen seien, wobei eine dieser Personen – ein Pastor dieser Freikirche – während einer Kirchenversammlung in der Stadt Rasht festgenommen worden sei. Die Antragsbegründung legt aber nicht genügend i.S.v. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dar, inwiefern diese Berichterstattung etwas für die Beurteilung von Gefahren für eine im Ausland bloß formal konvertierte Person hergeben könnte. Sie legt auch nicht genügend dar, warum diese Berichtsinhalte für den Fall des Klägers, der nicht der „Kirche des Iran“ angehört, bedeutsam sein könnten.
3. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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