Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Verletzung rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  9 ZB 21.31031

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25093
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, § 81
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 30 K 18.32152 2021-05-31 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach seinen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones und begehrt die Fortführung und Entscheidung des wegen fiktiver Klagerücknahme eingestellten Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen M 30 K 17.47010. Das Verwaltungsgericht hat seine hierauf gerichtete Klage mit Urteil vom 31. Mai 2021 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) oder der geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) zuzulassen.
Soweit das Zulassungsvorbringen eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache anführt, genügt es schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 7.6.2021 – 9 ZB 21.30659 – juris Rn. 3). Über die bloße Nennung des Zulassungsgrundes hinaus erfolgen hierzu keinerlei Ausführungen.
Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) zuzulassen. Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, B.v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 11.5.2021 – 9 ZB 21.30577 – juris Rn. 3). Danach liegt kein Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs vor.
Das Verwaltungsgericht hat den vorgetragenen Analphabetismus des Klägers bei seiner Entscheidung – unter Verweis auf die Begründung des Gerichtsbescheids vom 14. April 2021 (vgl. § 84 Abs. 4 VwGO) – berücksichtigt. Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht hätte insoweit zu einer anderen Entscheidung kommen müssen, werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend gemacht, was aber keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2021 – 9 ZB 21.30263 – juris Rn. 4). Dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Anwendung des § 81 AsylG handgreiflich unrichtig und offensichtlich mit dem Gesetz und seiner Zielsetzung unvereinbar und deshalb ausnahmsweise mit der Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht mehr vereinbar wäre (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2002 – 2 BvR 455/01 – juris Rn. 2), lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen. Hinsichtlich der vom Kläger nach Fristablauf des § 81 Satz 1 AsylG angeführten stationären Behandlung fehlt es schon an der Entscheidungserheblichkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben