Verwaltungsrecht

Anhörungsrüge gegen Kostenentscheidung im Einstellungsbeschluss

Aktenzeichen  M 7 K9 15.4916

Datum:
18.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 152a, § 158 Abs. 2, § 161 Abs. 2
WaffG WaffG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge ist der Berichterstatter zuständig, da ihm nach einer übereinstimmenden Hauptsacheerledigung gem. § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Verteilung der Kostenlast zukommt (Verweis auf SächsOVG BeckRS 2010, 45791) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Anhörungsrüge gibt keinen Anspruch darauf, dass das Gericht seine Entscheidung anhand der mit ihr erhobenen Einwände überdenkt und, wenn es daran festhält, durch eine ergänzende Begründung rechtfertigt (Verweis auf VGH München BeckRS 2011, 32504) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen die Kostenentscheidung im Einstellungsbeschluss des Gerichts im Klageverfahren M 7 K 14.3250.
Der Antragsteller hatte sich gegen einen Bescheid vom 1. Juli 2014 gewandt, mit dem der Antragsgegner seine waffenrechtlichen Ersatzbescheinigungen widerrufen hatte, da er der Auffassung war, dass aufgrund der Ergebnisse zweier polizeiärztlicher Untersuchungen die Eignung des Antragstellers zum Besitz und Führen von Waffen nicht mehr gegeben war.
Nach Einholung eines externen Gutachtens vom 30. Juli 2015, das ein aktuelles Alkoholproblem des Antragstellers verneinte, widerrief der Antragsgegner mit Bescheid vom 7. September 2015 den angefochtenen Bescheid.
Die Parteien erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache daraufhin für erledigt, das Verfahren wurde mit Beschluss vom 20. Oktober 2015 eingestellt und die Kosten hälftig geteilt.
Gegen den am 27. Oktober 2015 zugegangenen Beschluss ließ der Antragsteller am 4. November 2015 Anhörungsrüge gegen die Kostenentscheidung erheben mit der Begründung, das Gericht habe bei der Kostenentscheidung in entscheidungserheblicher Weise das rechtliche Gehör verletzt. Das Gericht habe als Grund für die Kostenteilung angegeben, dass im Klageverfahren das polizeiärztliche Gutachten hätte nachgebessert werden und aufgeklärt werden müssen, ob zum damaligen Zeitpunkt Tatsachen für die Annahme einer Alkoholabhängigkeit vorgelegen haben. Ein solches Gutachten habe es jedoch gegeben und dieses habe festgestellt, dass der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt alkoholkrank gewesen sei. Die persönliche Eignung des Antragstellers zum Führen von Waffen habe nie gefehlt, dies sei auch im Laufe des Verfahrens nicht unklar geblieben und müsse daher nicht prognostiziert werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO analog auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge ist der Berichterstatter zuständig, da ihm nach einer übereinstimmenden Hauptsacheerledigung gem. § 87 a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Verteilung der Kostenlast zukommt (vgl. Sächs. OVG, B. v. 19.1.2010 – 1 B 537/09 – juris Rn. 1).
Die statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Anhörungsrüge gem. § 152 a VwGO ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Nach § 152 a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Verfahren fortzuführen, wenn kein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gegeben ist und das Gericht den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen die Kostenlastentscheidung im Einstellungsbeschluss vom 20. Oktober 2015 war ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 158 Abs. 2 VwGO). Das Gericht hat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör jedoch nicht verletzt.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör hat grundsätzlich eine doppelte Ausprägung: Zum einen untersagt er den Gerichten, ihren Entscheidungen Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen die Parteien sich nicht äußern konnten. Zum anderen gibt er den Parteien einen Anspruch darauf, dass die Gerichte ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis nehmen und bei ihren Entscheidungen in Erwägung ziehen, soweit es nach den Prozessvorschriften nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungs- wie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes; so etwa BVerfG vom 23.7.2003 – 2 BvR 624/01 – juris Rn. 16 und BayVerfGH vom 31.3.2008, Az. Vf.34-VI-07 m. w. N. – juris Rn. 27). Maßgebend für diese Pflichten des Gerichts ist der Gedanke, dass der Verfahrensbeteiligte Gelegenheit haben muss, durch einen sachlich fundierten Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (BVerfG vom 23.7.2003 – a. a. O.). Es ist als Regel davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG vom 23.7.2003 – a. a. O.). Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG vom 23.7.2003 – a. a. O.).
Hat sich, wie hier, die Streitsache in der Hauptsache erledigt, wird gem. § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen aufgrund der Aktenlage bzw. des bisherigen Sach- und Streitstandes, d. h. der Sach- und Rechtslage unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses, über die Kosten entschieden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 161 Rn. 16 f.; Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 161 Rn. 75 ff.). Der in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit befreit das Gericht davon, anhand eingehender Erwägungen abschließend über den Streitstoff zu entscheiden (BayVGH, B. v. 8.2.2010 – 20 BV 09.1574).
Nach diesen Grundsätzen wurde hier nicht gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen.
Die Berichterstatterin hat den Vortrag beider Parteien sowie die vorgelegten Gutachten zur Kenntnis genommen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erfolgsaussichten nach summarischer Prüfung als offen anzusehen sind. In der Kostenentscheidung wird dementsprechend ausgeführt, dass anhand des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht abschließend beurteilbar ist und daher in einem Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme hätte geklärt werden müssen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt Tatsachen vorlagen, bei denen die Behörde annehmen durfte, beim Antragsteller liege eine Abhängigkeit von Alkohol vor (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Es wäre mithin darauf angekommen, ob im Zeitpunkt der Behördenentscheidung diesbezüglich ein auf Tatsachen gestützter begründeter Verdacht vorlag.
Ein Gehörsverstoß liegt nicht schon dann vor, wenn das Gericht das zur Kenntnis genommene und in Erwägung gezogene Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lässt oder zu einem anderen Ergebnis gelangt, als es der Beteiligte für richtig hält (OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 6.1.2010 – OVG 5 RC 3.09 – juris Rn. 3). Dass das Gericht vorliegend die vom Antragsteller gezogenen Schlussfolgerungen nicht teilt, zieht mithin keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach sich (BayVGH, B. v. 5.7.2010 – 5 ZB 10.837 – juris Rn. 3). Auch ein Eingehen auf alle vorgebrachten Argumente war nach obigen Ausführungen im Einstellungsbeschluss nicht erforderlich. Die Anhörungsrüge gibt im Übrigen keinen Anspruch darauf, dass das Gericht seine Entscheidung anhand der Einwände überdenkt und, wenn es daran festhält, durch eine ergänzende Begründung rechtfertigt (BayVGH, B. v. 26.9.2011 – 16a DZ 11.1409 – juris Rn. 6).
Ein relevanter Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs ist insoweit nach alledem nicht zu erkennen. Die Anhörungsrüge hat daher keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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