Verwaltungsrecht

Anhörungsrüge, Keine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung

Aktenzeichen  6 ZB 21.973

Datum:
19.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45456
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 152a

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 8 K 20.563 2020-10-12 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. März 2021 – 6 ZB 21.94 – wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge.

Gründe

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 9. März 2021, mit dem der Senat den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Oktober 2020 – W 8 K 20.563 – abgelehnt hat, hat keinen Erfolg. Der Senat hat bei seiner Entscheidung den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Der Anspruch der Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, seine Entscheidung nur auf Tatsachen oder Beweisergebnisse zu stützen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO), sowie ihre rechtzeitigen und möglicherweise erheblichen Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BayVerfGH, E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 44 m.w.N.). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen. Ebenso wenig ist das Gericht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2015 – 5 C 15.2284 – Rn. 5). Die Annahme einer Verletzung der Pflicht des Gerichts zur Kenntnisnahme des Beteiligtenvorbringens ist daher nicht schon dann gerechtfertigt, wenn in der angefochtenen Entscheidung auf einen bestimmten Sachvortrag der Beteiligten nicht eingegangen worden ist. Denn das Gericht ist weder nach Art. 103 Abs. 1 GG noch nach einfachem Verfahrensrecht (§§ 108 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jeder Einzelheit des Vorbringens zu befassen. Nur wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht die Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Allein die Nichterwähnung von Parteivorbringen in den Gründen des Beschlusses über einen Antrag auf Zulassung der Berufung, die nach § 124a Abs. 5 Satz 3 VwGO überdies kurz zu halten sind, lässt im Übrigen nicht den Schluss zu, das Gericht habe dies etwa willkürlich nicht berücksichtigt oder mangels Sorgfältigkeit nicht zur Kenntnis genommen (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2002 – 10 B 30.07 – juris; B.v. 5.2.1999 – 9 B 797.98 – juris Rn. 3). Die Anhörungsrüge stellt zudem keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar und dient auch nicht dazu, das Gericht zur Erläuterung oder Ergänzung derselben zu veranlassen.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den angefochtenen Beschluss vom 9. März 2021 nicht aufgezeigt. Es wird nicht nachvollziehbar dargelegt, dass der Senat entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis genommen oder nicht gewürdigt hat. In der nach § 152a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotenen Kürze ist hierzu folgendes auszuführen:
Die Behauptung, der Senat habe zahlreiche der im Zulassungsverfahren gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil vorgebrachten Rügen des Klägers „völlig übergangen“, ist unwahr. Wie dem angegriffenen Beschluss vom 9. März 2021 entnommen werden kann, hat sich der Senat ausführlich und in der gebotenen Weise mit dem umfangreichen Vorbringen des Klägers befasst und jeweils dargelegt, aus welchen Gründen er das Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe verneint. Das gilt auch für den im Rahmen der Anhörungsrüge aufgelisteten, angeblich „übergangenen Sachvortrag“, was sich bei Lektüre des Beschlusses augenscheinlich ergibt (vgl. Rn. 15, 16, 18, 20, 24, 28, 29, 30, 33, 35, 37, 38 ff. des Beschlusses). Ein rechtlich erheblicher Umstand, den der Senat nicht zur Kenntnis genommen hat, liegt – auch wenn nicht jeder Aspekt, den der Kläger vorgetragen hat, im Einzelnen nochmals genannt worden sein mag – nicht vor. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbringen nicht folgt, sondern aus Gründen des materiellen Rechts zu einem anderen Ergebnis gelangt, als der Beteiligte es für richtig hält (vgl. BVerwG, B.v. 31.7.2007 – 6 B 30.17 – juris Rn. 1 m.w.N.).
In der Sache wiederholt der Kläger zur Begründung seiner Anhörungsrüge im Wesentlichen lediglich seine rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen aus dem vorangegangenen Zulassungsverfahren und macht damit offensichtlich die seiner Auffassung nach bestehende inhaltliche Unrichtigkeit der ablehnenden Entscheidung geltend, zeigt aber kein Übergehen oder Missverstehen seines Vortrags auf. Das trifft auf jede der erhobenen Einzelrügen zu. Dabei verkennt der Kläger jedoch den Sinn des Rechtsbehelfs nach § 152a VwGO und den Schutzbereich von Art. 103 Abs. 1 GG. Das Gebot des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht (selbstverständlich) nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsauffassung eines Beteiligten inhaltlich zu folgen. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert weder die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen noch eine ordnungsgemäße Subsumtion und Entscheidungsbegründung. Dementsprechend ist die Anhörungsrüge auch kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (stRspr, vgl. BVerfG, vgl. B.v. 4.9.2008 – 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 10 C 19.614 – juris Rn. 5 m.w.N).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr von 60,- Euro anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152, § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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