Verwaltungsrecht

Ankündigung der Neuberechnung der Versorgungsbezüge aus Beamtenverhältnis als vorbereitende Verfahrenshandlung

Aktenzeichen  3 B 16.335

Datum:
27.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 138429
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 14a, § 50e, § 53 Abs. 7
VwGO § 44a

 

Leitsatz

Der die Neuberechnung der Versorgungsbezüge ankündigende Verwaltungsakt ist nach § 44a VwGO nicht selbständig anfechtbar, da damit keine abschließende Sachentscheidung getroffen wird, mit der in die Rechtsposition der Klägerin eingegriffen wird, denn der status quo der Klägerin – ungekürzt Versorgungsbezüge zu erhalten – bleibt unberührt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 K 13.203 2014-04-30 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden‚ wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Über die Berufung konnte durch Beschluss entschieden werden, weil der Senat die Berufung der Klägerin gemäß § 130a VwGO einstimmig für unbegründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Parteien wurden hierzu gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört.
1. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unzulässig, weil es sich bei dem Bescheid vom 25. November 2011 und dem Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2012 um nicht selbständige Verfahrenshandlungen im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO handelt.
Gemäß § 44a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden.
Die Vorschrift ist mit der Verabschiedung des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253) als dessen § 97 Nr. 2 erlassen worden. Sie dient dem Ziel der Prozessökonomie und soll verhindern, dass die sachliche Entscheidung durch die Anfechtung von Verfahrenshandlungen verzögert wird. Nur das Ergebnis behördlichen Handelns, nicht aber die Vorbereitung der Sachentscheidung soll Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle sein (BT-Drs. 7/910 S. 97 zu § 92 VwVfG-E).
Bei der Ankündigung der Neuberechnung der Versorgungsbezüge der Klägerin mittels Verwaltungsakts und den diesen bestätigenden Widerspruchsbescheid handelt es sich um eine Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO (a.). Die Voraussetzungen für die Annahme einer Ausnahme von dieser Regelung sind nicht gegeben (b.).
a. Unter einer Verfahrenshandlung ist jede behördliche Maßnahme zu verstehen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren steht und die der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dient. Aus dem Gegensatz des Begriffs der Verfahrenshandlung zu dem in § 44a Satz 1 VwGO gleichfalls verwendeten Begriff der Sachentscheidung folgt, dass sich der Ausschluss selbstständiger Rechtsbehelfe grundsätzlich auf solche behördlichen Maßnahmen beschränkt, die Teil eines konkreten Verwaltungsverfahrens sind, ohne selbst Sachentscheidung zu sein, ohne also ihrerseits in materielle Rechtspositionen einzugreifen. Unerheblich für die Einordnung als Verfahrenshandlung ist dabei, welche Rechtsform der vorbereitende Akt hat. Neben Realakten können auch Verwaltungsakte Verfahrenshandlungen im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO sein (BVerwG, U.v. 22.9.2016 – 2 C 16/15 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Der Bescheid vom 25. November 2011 ist feststellender Verwaltungsakt, da er im Tenor („Wegen des Bezugs von Einkünften gem. § 53 Abs. 7 BeamtVG sind Ihre Versorgungsbezüge gem. §§ 14a, 50e und 53 BeamtVG rückwirkend ab 1.4.2005 neu zu berechnen.“) verbindlich feststellt, dass die Klägerin Einkünfte nach § 53 Abs. 7 BeamtVG bezogen hat, die auf ihre Versorgungsbezüge anzurechnen sind, und damit eine Regelung trifft (vgl. zum Erfordernis einer Regelung auch beim feststellenden Verwaltungsakt: BayVGH, B.v. 12.1.2016 – 10 CS 15.2239 – juris Rn. 10).
Gleichwohl greifen der Bescheid vom 25. November 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2012 nicht in materielle Rechtspositionen der Klägerin ein. Die Feststellung des Beklagten lässt den „Status quo“ der Klägerin – Erhalt ungekürzter Versorgungsbezüge – unberührt und verhält sich nicht zu einer etwaigen Rückforderung. Die streitige Feststellung ist auch für die Aufrechnung, die nicht dem hoheitlichen Bereich zuzurechnen ist, bedeutungslos (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2010 – 14 CS 10.2198 – juris Rn. 21).
Gegen einen Eingriff in eine materielle Rechtsposition der Klägerin spricht auch die Einlassung der Landesanwaltschaft im Berufungsverfahren, wenn sie ausführt, im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 25. November 2011 habe noch nicht abschließend festgestanden, welche Auswirkungen die streitige Feststellung auf die künftigen Versorgungsbezüge haben werde und ob und ggf. in welcher Höhe Rückforderungen entstünden. Eine abschließende Sachentscheidung sollte also gerade nicht getroffen werden. Nicht die vorgeschaltete förmliche Feststellung des Anrechnungsregimes als Grundlage der Neuberechnung der Versorgungsbezüge für die Vergangenheit und der Verrechnung bzw. Rückforderung überzahlter Bezüge berührt die materielle Rechtsposition der Klägerin, sondern allein die nachfolgende abschließende Sachentscheidung; hier der Rückforderungsbescheid vom 13. Dezember 2013, der Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens RO 1 K 13.203 ist.
b. Es besteht kein Anlass, eine Ausnahme von der Grundregel des § 44a Satz 1 VwGO anzunehmen.
Die Voraussetzungen für die gesetzlichen Ausnahmetatbestände in § 44a Satz 2 VwGO sind nicht erfüllt. Weder handelt es sich bei der streitigen Feststellung um eine vollstreckbare Entscheidung, noch ist die Klägerin Nichtbeteiligte im Sinne dieser Norm.
Auch vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG besteht kein Anlass, im Einzelfall von der Anwendung des § 44a Satz 1 VwGO abzusehen. Dies kann dann geboten sein, wenn die vorbereitende Handlung einen rechtlichen Nachteil zur Folge hat, der sich in einem die abschließende Entscheidung betreffenden Verfahren nicht mehr beheben lässt (BVerwG, U.v. 22.9.2016 – 2 C 16/15 – juris Rn. 25 m.w.N).
Ein solcher Rechtsverlust steht hier nicht zu befürchten, da im Falle der Aufhebung des Rückforderungsbescheids vom 13. Dezember 2013 der Klägerin der Einbehalt (derzeit: 10.906,90 €) zu erstatten wäre.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11‚ § 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1‚ § 52 Abs. 2 GKG (wie Vorinstanz).
Die Revision war nicht zuzulassen‚ weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2, § 191 VwGO i.V.m. § 127 BRRG vorliegt.


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